Autorenname: Ron

Katholische Kirche will Corona-Kranken ihre Sünden erlassen

Es läuft wieder. Die Corona-Pandemie stärkt den Ablass. Laut NTV will die Katholische Kirche allen mit dem Coronavirus infizierten Gläubigen die Sünden erlassen. Ich vermute, theologisch korrekt ist die Formulierung nicht. Wahrscheinlich geht es eher um zeitliche Sündenstrafen. Aber interessant ist die Meldung allemal:

Die katholische Kirche will allen mit dem Coronavirus infizierten Gläubigen die Sünden erlassen – wenn sie zuvor einige Bedingungen erfüllen. Laut dem von einem vatikanischen Gericht veröffentlichten Erlass müssen die Betroffenen unter anderem an einer Reihe von Online übertragenen Gottesdiensten oder an anderen Andachtsformen teilnehmen, um ihren „Geist völlig von der Sünde gelöst“ zu haben. Auch die Bibellektüre kann demnach Sünden streichen, wenn sie „mindestens eine halbe Stunde“ umfasst.

Na dann.

VD: AG

Christuslose Seelsorge

Rudolf Bohren schreibt über die christuslose und damit ohnmächtige Seelsorge (Dem Worte folgen, 1969, S. 103):

Wenn Christus nicht wirkt, nicht handelt, dann ist unsere Seelsorge eine taube Nuß, ein ausgesogenes Ei. Man braucht sie nicht, wirft sie weg. Hier hegt die Not unserer Seelsorge, daß sie so oft herrenlose, christuslose, geistlose Seelsorge ist Hier hegt die Kraftlosigkeit und Ohnmacht unserer heutigen seelsorgerlichen Bemühung, die durch keine Psychologie und keine Methodik zu beheben ist. Damit stellt sich das Problem, wie unsere Seelsorge wieder Seelsorge Jesu Christi wird. – Ist Christas real präsent in unserer Seelsorge? Oder ist es so, daß unsere Seelsorge zwar noch von Jesus Christas redet, daß er selber aber nichtmehr in ihr redet und wirkt? – Es wird in Pfarrerkreisen oft Klage erhoben, daß der moderne Mensch von der kirchlichen Seelsorge abgewandert ist zum Psychiater, zum Graphologen, zum Briefkastenonkel, zum Pendler und Hellseher. Mit dieser Klage deuten wir einmal an, daß wir Pfarrer uns als die allein legitimen Seelsorger betrachten, verraten damit aber gleichzeitig, daß vorher im geheimen ein ganz anderer aus der kirchlichen Seelsorge abgewandert ist. – Und hier bricht nun die ganze Krisis unserer landeskirchlichen – und wohl auch freikirchlichen – Seelsorge auf. Ist das, was wir mit der Etikette »Seelsorge« überkleben, ist das Seelsorge Jesu Christi selber? Inwiefern ist unsere Seelsorge echt und also Seelsorge Jesu Christi? Ist unser Mund Christi Mund, unsere Hand Christi Hand, unser Fuß Christi Fuß? Hat Christas Gestalt angenommen in uns? Haben wir den Heiligen Geist? Ist das, was wir Gemeinde nennen, ist das Leib Christi? Ist unsere Seelsorge die Seelsorge Jesu Christi selber? Ist in unserer Seelsorge der am Werk und am Sprechen, der gekommen ist, die Mühseligen und Beladenen zu sich zu rufen, und der wiederkommen wird, alle Tränen abzuwischen? Ist unsere Seelsorge vollmächtig oder ohnmächtig?

Was tun, wenn Versammlungen untersagt sind?

In dem Buch Das Spalier und der Weinstock plädieren die Autoren dafür, in der Gemeindearbeit nicht so sehr auf Programme zu setzen. Vielmehr komme es darauf an, eine evangeliumszentrierte Mitarbeiterkultur fördern.

Das Buch schließt mit einem Beispiel, das angesichts der Ausbreitung des Coronavirus Covid-19 besondere Aktualität erhält (Colin Marshall u. Tony Payne, Das Spalier und der Weinstock, Betanien, 02015, S. 186–188):

Stellen Sie sich vor …

Während wir dieses Buch schreiben, machen die ersten besorgniserregenden Anzeichen einer Schweinegrippe-Pandemie in aller Welt Schlagzeilen. Stellen Sie sich vor, die Pandemie würde in Ihrem Teil der Welt grassieren und die Regierung würde aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der öffentlichen Sicherheit alle öffentlichen Versammlungen von mehr als drei Personen verbieten. Und nehmen wir an, dass dieses Verbot aufgrund irgendeiner katastrophalen Kombination lokaler Umstände 18 Monate lang in Kraft bliebe.

Wie würde Ihre Gemeinde von 120 Mitgliedern dann weiter funktionieren – ohne regelmäßige Gemeindeversammlungen jeder Art und ohne Hauskreise (ausgenommen Gruppen bis drei Personen)?

Was würden Sie als Gemeindehirte tun?

Ich schätze, Sie könnten Ihren Gemeindemitgliedern Briefe und E-Mails schicken, Sie könnten Sie anrufen und vielleicht sogar einen Podcast bereitstellen. Wie aber würde die regelmäßige Arbeit des Lehrens, Predigens und der Seelsorge stattfinden? Wie könnte man die Gemeinde weiter anspornen, in Liebe und in guten Werken auszuharren, besonders unter solch widrigen Umständen? Und was wäre mit dem Evangelisieren? Wie könnte man neue Kontakte knüpfen, das Evangelium weitergeben und Neubekehrte im Glauben festigen? Es gäbe kein Männerfrühstück, keinen Morgenkaffee, keine evangelistischen Kurse oder Evangelisationen. Nichts.

Sie könnten natürlich zu der althergebrachten Praxis der Hausbesuche bei Ihren Gemeindegliedern zurückkehren und in der Umgebung Klinkenputzen gehen, um neue Kontakte zu knüpfen. Wie aber sollten Sie als Gemeindehirte jeden der 120 Erwachsenen in Ihrer Gemeinde besuchen und belehren, geschweige denn deren Kinder? Geschweige denn, in der Wohngegend alle Türen abzuklappern? Geschweige denn, allen Kontakten nachzugehen, die dabei entstanden sind?

Nein; in einer solchen Situation bräuchten Sie Hilfe. Sie müssten mit zehn Ihrer geistlich reifsten Männer anfangen und sich während der ersten beiden Monate mit jeweils zwei von ihnen zu einem intensiven Gespräch treffen (dabei blieben Sie mit allen anderen per Telefon und E-Mail in Kontakt). Sie würden diese zehn Männer darin trainieren, wie man die Bibel studiert und wie sie sich mit einem oder zwei weiteren Gläubigen treffen können, um dasselbe zu tun und sie auch zu Familienandachten anzuleiten. Diese Männer hätten dann eine doppelte Aufgabe: ihrer Frau und Familie als »Pastor« zu dienen, indem sie gemeinsam regelmäßig die Bibel lesen und beten, sowie sich mit vier weiteren Männern zu treffen, um sie zu schulen und zu ermutigen, dasselbe zu tun. Wenn 80 % Ihrer Gemeindeglieder verheiratet sind, würden die meisten verheirateten Erwachsenen durch diese ersten zehn Männer und durch die, die sie nachfolgend trainieren, regelmäßig auf biblischer Grundlage ermutigt.

Währenddessen (und während Ihrer zusätzlichen Telefon-und E-Mail-Seelsorge), könnten Sie die nächste Gruppe aussuchen, die Sie persönlich unterweisen – also Leute, die sich mit Singles treffen könnten, oder die fähig sind, von Haus zu Haus zu evangelisieren, oder Leute, die gut darin sind, neuen Kontakten nachzugehen.

Das wären eine Menge persönlicher Kontakte und eine Menge entsprechender persönlicher Treffen. Aber bedenken Sie: Es würden keine Gottesdienste abgehalten, keine Komitees tagen, keine Gemeinderatssitzung, kein Seminar würde stattfinden, ebenso keine Hauskreise, keine Mitarbeiterbesprechungen – ja, in der Tat überhaupt keine Gruppenaktivitäten oder Veranstaltungen welcher Art auch immer, die organisiert, durchgeführt, wofür die Werbetrommel gerührt oder die besucht werden müssten. Einfach nur persönliches Lehren und Jüngermachen und Ihre Gemeindeglieder trainieren, selbst Jüngermacher zu werden.

Da stellt sich die interessante Frage: Wenn das Versammlungsverbot nach 18 Monaten wieder aufgehoben würde und die Sonntagsgottesdienste und alle weiteren Versammlungen und Aktivitäten des Gemeindelebens wieder aufgenommen werden können, was würden Sie dann anders machen?

VD: AW

Wem gehört Bonhoeffer?

Professor Rainer Mayer hat anlässlich Dietrich Bonhoeffers 75. Todestag am 9. April notwendige Anmerkungen veröffentlicht. Im Nachrichtenmagazin IDEA schreibt er (11/2020, S. 19):

Kurz gesagt: Die Gefährdung der Kirche geschah zur NS-Zeit in erster Linie durch den Angriff von außen; heutzutage geschieht sie in erster Linie durch den Verfall von innen, der sich schließlich – damals wie heute in gleicher Weise – als kurzschlüssige Anpassung an staatliche und gesellschaftliche Entwicklungen auswirkt. Kirche will auf der Höhe der Zeit bleiben, im sogenannten „Mainstream“ mitschwimmen und dadurch ihre Zukunft sichern. Das ist bei allen äußeren Unterschieden die Parallele zwischen der von Bonhoeffer kritisierten Reichskirche und der heutigen kirchlichen Situation. In Flossenbürg gibt es eine Gedenktafel, die der bayerische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger (1908–1984) seinerzeit anbringen ließ. Diese fasst auf beste Weise Bonhoeffers Vermächtnis zusammen und lautet: „Dietrich Bonhoeffer – ein Zeuge Jesu Christi unter seinen Brüdern“. In der Tat: Ein Nachfolger und Zeuge Jesu Christi in wirrer Zeit wollte Bonhoeffer sein; nichts anderes, nicht mehr und nicht weniger! Statt zu polemisieren, ist das evangelische Prinzip „zurück zu den Quellen“ angesagt. Man lese die Schriften von Bonhoeffer selbst.

Die Werkausgabe von Bonhoeffer gibt es digital übrigens bei LOGOS: de.logos.com.

Intellektuelle Uniformierung

Heidegger hätte heute keine Chance mehr auf eine Universitätskarriere, meint Peter Strasser und beklagt die um sich greifende Uniformierung der Sprache und des Denkens:

Die Vielfalt geisteswissenschaftlicher Forschungsthemen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade überall dort, wo die Durchlässigkeit am grössten ist, zusehends durch den Druck der Organisationsnotwendigkeiten (Vergleichung des Niveaus, Evaluierungen und Punktevergaben) ein sprachkulturelles Esperanto erzwungen wird – und die damit einhergehende «Monotonisierung» der Projekte und ihrer Ausführung: Aus dem Haus des Seins ist ein übernormiertes Reihenhaus geworden. Ich habe als Gutachter bei Diplomarbeiten davon hinreichend mitbekommen: vom guten Willen der Studierenden ebenso wie von ihrer antrainierten Neigung zu einer sterilen, gestanzten Wissenschaftssprache.

Die Sprache als reines Vehikel der Kommunikation mit professionellen Duftmarken zur internationalen Wiedererkennung von forscherischer «Exzellenz» – das alles führt in eine geistige Verflachung, die durch ihre Schablonenhaftigkeit schliesslich auf die kulturelle Vielfalt übergreift. Nichts ist öder, gleichförmiger und weniger wirklichkeitstief als die genormte Forschungsmaschinerie. Nicht nur am Tummelplatz des politischen Massenniveaus treten schliesslich aggressive Rückbesinnungen auf, kurz: Renaissancen aus- und abgrenzender Nationalismen – auch im Denken.

Dem zu wehren, ist heute vielleicht nicht weniger schwierig als einst, da die Begriffsmarker noch durch und durch «national» waren. Wie kann man der Vieldeutigkeit unserer Humanität gerecht werden? Gewiss nicht durch einen hemmungslosen Wahrheits- und Erkenntnisrelativismus, an dessen Ende ein verwildertes «anything goes» stünde.

Mehr: www.nzz.ch.

VD: DV

Fromme Figuren und theologische Thriller

Viele Schriftsteller lassen sich von religiösen Themen inspirieren – und schreiben darüber. Zuletzt sind zahlreiche Romane erschienen, in denen der Glaube eine besondere Rolle spielt. „Es gibt einen neuen literarischen Blick auf die Welt der Religionen“, sagt DLF-Redakteur Andreas Main im Gespräch mit Monika Dittrich. Ein neues Buch von Sibylle Lewitscharoff wird auch vorgestellt.

So viel Religion war selten. Zumindest in der Literatur und auf dem Bildschirm. „Das ist ein Phänomen, das wir bei den Streaming-Diensten schon länger beobachten“, sagt DLF-Redakteur Andreas Main. „Eine Edel-TV-Serie nach der nächsten mit Religionsbezug kommt auf den Markt. Und so wie diese TV-Anbieter Geld verdienen müssen, müssen auch Verlage Umsatz machen.“

Offenbar ließen sich Romane mit religiös angehauchter Handlung gut verkaufen. Und: „Es fällt einfach auf, wie sehr Dichterinnen und Denker sich von religiösen Themen faszinieren lassen.“

Hier: 

 

War Paulus ein Allversöhner?

In Deutschland hat die Lehre von der Allerlösung, auch Universalismus oder Allversöhnung genannt, durch die bei Prof. Dr. Hans-Joachim Eckstein 2007 in Tübingen eingereichte Dissertation von Jens Adam einigen Auftrieb erhalten (Jens Adam, Paulus und die Versöhnung aller, 2009). Das besonders auch unter den Evangelikalen, denn außerhalb dieser Kreise ist der Universalismus sowieso die Communis Opinio.

Das Magazin CREDO hat nun die gekürzte Ausgabe einer Studie zum vermeintlichen Heilsuniversalismus bei Paulus veröffentlicht. Autor ist Joshua M. Greever,  Professor für Neues Testament an der  Grand Canyon University in Phoenix, AZ (USA). Greever schreibt:

Es gibt zwar zahlreiche Abstufungen innerhalb des Universalismus, aber der gemeinsame Nenner ist, dass ohne Ausnahme alle Menschen eines Tages gerettet werden und, negativ ausgedrückt, dass niemand eine ewige Strafe erhalten wird. Der Universalismus ist in letzter Zeit auch in evangelikale Kreise vorgedrungen. Obwohl er typischerweise mehr auf theologischen oder philosophischen Grundlagen beruht als auf einer nachhaltigen exegetischen Analyse, suchen evangelikal orientierte Universalisten gelegentlich in der Heiligen Schrift, sogar beim Apostel Paulus, nach Unterstützung. Insbesondere Paulus’ gelegentlicher Gebrauch der universellen Sprache zur Beschreibung des Umfangs der Errettung bietet, so wird argumentiert, eine ausreichende exegetische Rechtfertigung, um Paulus als Allversöhner zu deuten. Für unsere Zwecke wird Paulus’ gelegentlicher Gebrauch der universellen Heilssprache einen geeigneten Ausgangspunkt bieten. Wir werden kurz beschreiben, was diese Texte sagen und warum sie so häufig zur Unterstützung universalistischen Paulus zitiert werden. Dann werden wir die allversöhnerische Auslegung dieser Texte auf der Grundlage kritisieren, dass sie weder mit dem unmittelbaren literarischen Kontext der Texte noch mit dem breiteren soteriologischen Rahmen des Paulus übereinstimmen.

Mehr: credomag.com.

Daniel Knoll: „Zu wenig gute Theologie in unseren Gemeinden“

Anfang April gibt es in Wetzlar eine E21-Regionalkonferenz zum Thdema „Theologie für die Gemeinde“. Hauptreferent wird der Neutestamentler Thomas Schreiner (Professor für Neues Testament am Southern Baptist Theological Seminary in Kentucky (USA) sein.

Waldemar Henschel hat für Evangelium21 mit dem Pastor der gastgebenden Immanuel-Gemeinde, Daniel Knoll, über das Thema Theologie und Gemeinde gesprochen. Hier ein Auszug: 

Waldemar: Häufig hört man den Vorwurf, dass ein Übermaß an Theologie Pastoren praxisfern sein lässt und in den Gemeinden nur zu unnötigen Streitereien führt. Sollte man wirklich so viel Wert auf Theologie in der Gemeinde legen?

Daniel: Unbedingt. Der bedauernswerte Zustand in einem Großteil unserer Gemeinden ist ja nicht auf zu viel Theologie zurückzuführen, sondern auf zu wenig Theologie, genauer gesagt, auf zu wenig gute Theologie. Ganz grundsätzlich gilt doch: Theologie ist die Lehre von Gott – und davon kann man nie genug bekommen. Das wertvollste, was einer Gemeinde passieren kann, ist ein hohes Bild von Gott zu haben, gegründet auf einem tiefen Verständnis von seinem Wort. Genau das ist das Ziel von Theologie. Der Vorwurf ist aber dennoch ernst zu nehmen, denn er zeigt ja auch, wie Pastoren und Prediger mit theologischer Ausbildung offenbar häufig wahrgenommen werden. Eine große Herausforderung an der theologischen Arbeit ist es ja, Gottes Wort und Wesen mit unserem ganzen Verstand so zu studieren, dass es unser Herz näher zu ihm bringt. Und das geschieht nicht von selbst. Man kann sich gründlich mit biblischen und dogmatischen Texten auseinandersetzen, ohne wirklich von ihrer Botschaft ergriffen zu sein. Dabei betreiben wir Theologie doch nur dann konsequent, wenn wir dadurch immer wieder selbst über Gottes Offenbarung ins Staunen geraten, darüber beten und anbeten, uns davon überführen und verändern lassen, weil wir Gott mehr erkennen.

Mehr: www.evangelium21.net.

Vielleicht treffen wir uns ja in Wetzlar? 

Notwendige Begriffsklärungen

Francis Schaeffer schrieb 1975 (dt. Der Schöpfungsbericht, 1976, S. 7) etwas über die Bedeutungsabwertung von Begriffen:

Manche Wörter haben heute eine solche Bedeutungsabwertung erfahren, daß man oft auf schwerfällige Begriffe ausweichen muß, um eindeutig verständlich zu machen, was man meint. So kann das Wort »Tatsache« heute alles oder nichts bedeuten. Wer von »Tatsachen« spricht, kann damit nichts weiter als nicht verifizierbare »religiöse Wahrheit« meinen, und deshalb müssen wir um der Klarheit willen einen unschönen Begriff wie »bruta facta« benutzen (nur ungenau zu übersetzen mit »nackte Tatsachen). Mit »bruta facta« meinen wir nicht irgendein kartesianisches Konzept von »ewigen Tatsachen«. Es gibt keine Tatsachen über oder hinter Gott, ebensowenig wie es eine Ethik oder Werte über oder hinter Gott gibt. Es gibt keine autonomen Tatsachen, die unabhängig von Gott existieren. Aber nachdem Gott etwas geschaffen hat, besitzt dieses Geschaffene objektive Wirklichkeit. Und weil Gott die Geschichte mit ihrer Bedeutung in Raum und Zeit geschaffen hat, besitzt auch das, was sich in der Geschichte vollzieht, objektive Wirklichkeit.

Die Geschichtlichkeit des Sündenfalls ist hier ein treffendes Beispiel. Der geschichtliche Sündenfall ist keine Interpretation, er ist ein »brutum factum«. Hier bleibt kein Raum für Hermeneutik, wenn Hermeneutik in diesem Fall bedeutet, daß der Sündenfall als tatsächliches Geschehen (im Sinne eines »brutum factum«) wegerklärt wird. […] Es ist eine logisch begründete Aussage über ein geschichtliches, in Raum und Zeit geschehenes »brutum factum«. Vor dem Fall gab es die Zeit, und es gab eine Geschichte in Raum und Zeit; und dann wandte sich der Mensch aufgrund einer freiwilligen Entscheidung von seinem angemessenen Bezugspunkt ab, und damit verursachte er einen ethischen Bruch – der Mensch wurde abnorm.

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