Karl Barth hat anlässlich eines Jubiläums einen kurzen Text über Calvin und seine Institutio geschrieben, den die NZZ im Jahre 2009 wieder abgedruckt hat. Der Schweizer schreibt:
Calvin war – anders als Luther – kein Genie, dafür ein gewissenhafter Ausleger, ein strenger und gediegener Denker und zugleich ein unermüdlich um die Praxis des christlichen und kirchlichen Lebens in der Nähe und in der Ferne bemühter Theologe. Ihn in seiner Menschlichkeit und als Schriftsteller zu lieben, ist nicht eben leicht. Dafür kann man als sein Leser dankbar und respektvoll bei ihm in die Schule gehen. Er zwingt – ein guter Lehrer, wie es in der Kirche nur wenige gegeben hat – den verständigen Leser nicht, die Resultate seines Studiums zu übernehmen, wohl aber sein Studium aufzunehmen, in seiner Spur neuen Resultaten entgegen [sic!], fortzusetzen. Ein «Calvinist» kann nur ein Christ und Theologe sein, der in Calvins «Institution» gelernt hat, der Wahrheit, um die es diesem ging, unter Gebrauch seiner eigenen Augen und Ohren nachzugehen.
Das Bekenntnis: »Ihn in seiner Menschlichkeit und als Schriftsteller zu lieben, ist nicht eben leicht. Dafür kann man als sein Leser dankbar und respektvoll bei ihm in die Schule gehen.«, beschreibt übrigens trefflich mein Verhältnis zu Karl Barth.
Hier der vollständige Text: www.nzz.ch.
Hallo Ron,
was meinst du:
Mit den Augen von Karl Barth: was macht Luther für ihn zum Genie?
Also ich habe wenig Ahnung von Karl Barth und mich würde aus seiner Sicht einfach mal interessieren, wo er hier den Unterschied: „Genie“ und „gewissenhafter Ausleger“ ansiedelt.
Der Artikel an sich ist ja da wenig aussagekräftig.
Danke schon mal im Voraus.
Liebe Grüße Lutz
@Lutz: Das ist nicht als Gegensatz gemeint: Entweder Ausleger oder Genie. Luther war ein breiter angelegter Mensch mit einer großen musischen Begabung und einem enormen Sprachgefühl. Calvin war mehr der klassische Jurist und scharfe Denker, der eigentlich de Einsamkeit liebte, aber sie nur selten genießen konnte (weil er Gott gehorsam sein wollte).
Liebe Grüße, Ron
Ja, ich würde das auch so sehen. Das Sprachgenie Martin Luther ist von großer Wichtigkeit, besonders bei seiner deutschen Bibel, mit welcher er einen neuen Standard für ein einheitliches Deutsch geschaffen hat. Die Vielfalt und durchdringende Kraft der Sprache wie bei Luther ist sonst nur sehr selten anzutreffen, etwa beim Apostel Paulus (der darin unter den Bibelautoren herausragt) und in neuerer Zeit vielleicht noch mit F. Nietzsche vergleicht werden kann.
Das Geniale bei J. Calvin ist vor allem seine Stetigkeit und zugleich enorme Tiefe, mit welcher er in die Texte der Bibel vordringt und sie systematisch gut einordnet und auslegt. Es gibt nach wie vor keine Systematische Theologie, die es mit seiner Institutio aufnehmen kann. So sind beide auf ihre eigene Art „Genies“.
Danke für eure Antworten, ich hatte es tatsächlich als Gegensatz aufgefasst.
Liebe Grüße, Lutz
[…] Ich schliesse mich aber auch dem Statement von Ron Kubsch an: […]
[…] John Frames Zusammenfassung von Cornelius van Tils Kritik angeschlossen. Ich kann mich ganz mit der Aussage von Ron Kubsch identifizieren: "Das Bekenntnis: 'Ihn in seiner Menschlichkeit und als Schriftsteller zu […]