Bollwerke des Unglaubens

Immer mehr Menschen im Westen bezeichnen sich als Atheisten oder sind zumindest praktische Atheisten. Sie leben so, als ob es Gott nicht gäbe.

Christliche Apologeten reagieren auf diese traurige Wirklichkeit meist, indem sie rationale Argumente für Gottes Existenz entwickeln. Ich will nicht sagen, dass das unwichtig ist. Ich bin im Gegenteil der Meinung, dass die Klärung religionsphilosophischer Fragen vom Standpunkt des christlichen Glaubens aus notwendig ist. Und doch greift das allein zu kurz. Was viele Menschen in den praktischen oder theoretischen Atheismus treibt, ist die gefühlte Abwesenheit Gottes, wie der spätmoderne Mensch sie erlebt.

Joseph Minich hat genau darüber ein anspruchsvolles und doch hochspannendes Buch geschrieben. Er zeigt, dass die jüngsten technologischen und kulturellen Veränderungen im Westen dazu geführt haben, dass Gott „nicht mehr gebraucht wird“. In dem Maße, in dem die moderne Technokultur unsere Wahrnehmung der Realität und unseren Glauben an das Unsichtbare umgestaltet, verstärkt sie ihrerseits das scheinbare Schweigen Gottes.

Der beste Film, den ich 2023 gesehen habe, heißt „Stowaway – Blinder Passagier“ (2021, Regie: Joe Penna). Eine dreiköpfige Raumschiff-Crew reist zum Mars. Sie finden einen blinden Passagier an Bord. Sauerstoffmangel treibt die Astronauten in schwierigste ethische Dilemma.

Trotz kleiner Mängel im Drehbuch ein atmosphärisch und intellektuell begeisternder Film. Was mich vor allem berührt hat: Es geht um große Menschheitsfragen, etwa um Zeit, Schönheit, Wissenschaft, Schmerz, Familie und den Sinn des Lebens. Aber Gott kommt gar nicht mehr vor, noch nicht einmal als Denkmöglichkeit. Uns begegnet die Kultur, die Joseph Minich in Bulwarks of Unbelief: Atheism and Divine Absence in a Secular Age (dt.  Bollwerke des Unglaubens: Atheismus und göttliche Abwesenheit in einem säkularen Zeitalter) beschreibt. Doch am Ende drängen sich Gedanken wie Nächstenliebe, Stellvertretung und Opfer auf. Es ist fast so, als wenn sich das Evangelium – von den Autoren wohl eher unbeabsichtigt – Mitten im „Schweigen Gottes“ Gehör verschafft.

Hier der offizielle Trailer:

Das Buch Bulwarks of Unbelief gibt es in einer Logos-Version und im Buchhandel (#ad).

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4 Kommentare
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Helge Beck
5 Monate zuvor

Ihr solltet das Wort Nächstenliebe lieber nicht in den Mund nehmen.

Ernst
5 Monate zuvor

Gefühlte Abwesenheit? Was ist das? Ich kann nicht einmal zwischen der Anwesenheit Gottes und der gefühlten Anwesenheit Gottes unterscheiden.

Udo
5 Monate zuvor

Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittag eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“  Da dort gerade viele von denen zusammenstanden, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein großes Gelächter.  Ist er denn verlorengegangen? sagte der eine. Hat er sich verlaufen wie ein Kind? sagte der andere.  Oder hält er sich versteckt? Fürchtet er sich vor uns? Ist er zu Schiff gegangen? ausgewandert? – so schrien und lachten sie durcheinander. Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken. „Wohin ist Gott?“ rief er, „ich will es euch sagen!  Wir haben ihn getötet – ihr und ich!   Wir sind seine Mörder! Aber wie haben wir das gemacht?   Wie vermochten wir das Meer auszutrinken?   Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen?  Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin… Weiterlesen »

Schandor
5 Monate zuvor

Gott kann gefunden werden – im Nachdenken, im Denken. Im Geist kann er sehr nahe sein. Man stelle sich vor, was wäre, wenn Gott nicht wäre. Man stelle es sich lieber nicht vor.

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