Evangelikale

Glauben, lieben, hoffen – aber was?

41beW3kzeML SX359 BO1 204 203 200Das Buch glauben lieben hoffen: Grundfragen des christlichen Glaubens verständlich erklärt erhebt den Anspruch, den christlichen Glauben auf eine solide Grundlage zu stellen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Das Buch, an dem viele freikirchliche Pastoren mitgewirkt haben, dekonstruiert den evangelischen Glauben und führt die Zielgruppe der jugendlichen Leser sanft hinein in die Denkvoraussetzungen liberaler Theologie.

Markus Till schreibt in seiner Buchbesprechung:

Früher ging ich in meine christliche Buchhandlung, weil ich mir sicher war, dort auf inspirierende evangelikale Alternativen zu Leuten wie Sölle und zur universitären Theologie zu treffen. Heute wird in meiner christlichen Buchhandlung ein Buch präsentiert, das Werbung für universitäre Theologie und Dorothee Sölle macht. Aber wenn das jetzt so prominent in meiner Buchhandlung ausliegt: Muss ich dann nicht davon ausgehen, dass dieses Gedankengut, dem ich in keiner Weise folgen kann, jetzt auch überall in der evangelikalen Welt kursiert?

Ich kann im Moment jedenfalls nicht anders als zu schlussfolgern: Damit ist dann wohl die missionarische Erfolgsgeschichte einer evangelikalen Bewegung, die Differenzen in den Randfragen aushalten konnte, weil sie in den wesentlichen Kernfragen übereingestimmt hat, Geschichte. Ich hoffe, ich täusche mich. Ich würde mich riesig freuen. Ja, ich weiß: Jesus hat alles unter Kontrolle. ER wird seine Kirche trotz aller Rückschläge bauen. Ich weiß: Ich soll mir keine Sorgen machen, Hoffnung verbreiten und zuversichtlich in die Zukunft schauen, weil Jesus ganz sicher zu seinem Ziel kommen wird. Morgen werde ich all das wieder tun. Aber heute trauere ich, dass ein weiteres Stück meiner evangelikalen Heimat verloren geht und damit auch eine Segensgeschichte abzubrechen droht, von der ich selbst so sehr profitiert habe.

Hier: glauben-lieben-hoffen-aber-was-210910.pdf.

Joshua Harris ist wieder da

Joshua Harris steht wieder im Rampenlicht. Er wurde als junger Autor des Buches Ungeküsst und doch kein Frosch: Warum sich Warten lohnt bekannt und war damit eine wichtige Inspiration für die „Wir wollen warten“-Bewegung innerhalb des amerikanischen Evangelikalismus. Dann, nach einer Zeit als Pastor einer evangelikalen Megakirche in Gaithersburg, verließ er den Dienst, verwarf sein Buch und die Lehre, die ihm seine Plattform gegeben hatten, und hing sogar den Glauben an den Nagel.

Harris ist nun zurück auf der Bühne und geht mit seinem neuesten Projekt hausieren, einem fünfteiligen Kurs, der dabei helfen soll, mit dem Schaden umzugehen, den die Reinheitskultur und die religiöse Gesetzlichkeit im Leben junger Leute angerichtet haben könnten. Joshua Harris lässt sich das natürlich gut bezahlen.

Hier ein Artikel dazu von Carl Trueman: www.firstthings.com.

Der vergessene Wegbereiter der „Neuen Calvinisten“

Wenn du Kenner der Evangelikalen danach fragst, wer in den 70er und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts den reformierten Flügel dieser großen Bewegung geprägt hat, wirst du Namen wie J.I. Packer, Martyn Lloyd-Jones, John Stott, Francis Schaeffer, R.C. Sproul oder James Montgomery Boice hören. Ihre Predigten, Vorträge und Bücher konnten eine beachtliche Wirkung entfalten und werden heute noch gern gelesen. Von David F. Wells haben – besonders in Europa – nur sehr wenige etwas gehört. Es wird also Zeit, dass Sarah Eekhoff Zylstras Artikel über diesen beeindrucken Mann in der deutschen Sprache erscheint. Vielen Dank an die Mitarbeiter von Evangelium21 für die Übertragungsarbeit!

Wells Buch No Place for Truth kann ich herzlich empfehlen. Wells beschreibt dort ein sich wandelndes Wahrheitsverständnis der Frommen in den Vereinigten Staaten. Dazu schreibt Sarah Eekhoff Zylstra:

Amerikaner begannen damit, Medikamente, Selbsthilfebücher und Therapeuten zu suchen, um mit dieser Scham fertig zu werden. Und Christen, die dieselben öffentlichen Schulen besuchten und dieselben Fernsehprogramme sahen, waren dieser Veränderung gegenüber nicht immun.

Anstatt das Leben an der Bibel auszurichten, begannen Christen, sich an ihren Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen zu orientieren, wofür sie dann entsprechende Bibelstellen heraussuchten. Pastoren fokussierten sich nicht mehr darauf, biblische Lehre zu studieren und zu erklären, sondern begannen, den Menschen zu helfen, sich in ihrem Leben zurechtzufinden. Die Gemeinden gaben schwierigere Lehren zugunsten von besucherfreundlichem Marketing auf. Die Emerging Church interpretierte Anbetung, Evangelisation und was es bedeutet, Pastor zu sein, um.

Zunehmend verlagerte sich auch der Unterricht in den theologischen Seminaren von systematischer Theologie oder hebräischer Exegese zu Kursen wie „Geistliches Wachstum“ oder zu Themen wie Theologie und die Künste. Christliche Buchläden, die einst vor Theologiebüchern strotzten, tauschten diese langsam gegen weniger ernsthafte Bücher aus, bevor sie selbst diese gegen Poster und Potpourri eintauschten, bemerkte der Präsident des Southern Baptist Theological Seminary, Al Mohler.

„Wenn man seinen geistlichen Dienst beginnt, sind diese Einsichten, wie das Evangelium auf die Gemeinschaft und die Kultur einwirkt, sehr wichtig“, sagt Pastor Chris Castaldo, der kurz nach dem Erscheinen von No Place am Moody Bible Institute und anschließend bei Wells am Gordon-Conwell studierte. „Wells war eine der Stimmen, die das auf eine Art und Weise angesprochen haben, die durchdacht und klar war. Er hatte keine Angst, Dinge zu benennen und zu sagen: ‚Das ist so nicht richtig‘“.

Wells geht in No Place nicht so sehr auf die Lösung ein, was bei einigen Lesern Kritik hervorgerufen hat. Der Grund hierfür war aber schlicht, dass er noch nicht fertig war (No Place wurde zu einer Reihe ausgebaut) und weil er dachte, die Antwort sei selbstverständlich: Kehre zurück zum Evangelium. Lebe ein gottzentriertes, durch die Gnade und das Opfer Christi bestimmtes Leben.

Mehr: www.evangelium21.net.

„Anti-Feministische Fundis abtreiben!“

Ich möchte auf einen bemerkenswerten Leserbrief hinweisen, der in der Nordwest Zeitung zum „Fall Olaf Latzel“ veröffentlicht worden ist (vgl. dazu hier). Ein Leser macht dort auf etwas aufmerksam, was mir bisher unbekannt war. Vor dem Gebäude, in dem der Prozess gegen den Bremer Pastor Olaf Latzel wegen Volksverhetzung stattfand, protestierten Demonstranten mit Plakaten, auf denen etwa zu lesen war: „Anti-feministische Fundis abtreiben!“

Im Leserbrief heißt es:

„Anti-Feministische Fundis abtreiben!“ ist da groß im Bildvordergrund auf einem Plakat von zwei Demonstranten zu lesen, während sich im Gerichtssaal Amtsrichterin Best und in der NWZ Kommentator Begerow einig sind: Respektlosigkeit, Herabwürdigung, Diffamierung und öffentliche Aufhetzung gehen gar nicht und gehören bestraft. Die Amtsrichterin appelliert zudem an Friedlichkeit, Freundlichkeit und einen respektvollen Umgangston. Sie sind aber beide unfähig, die Volksverhetzung vor dem Gerichtssaal und die Verbreitung von Volksverhetzung in der eigenen Zeitung zu erkennen: Wer also gegen den politischen „Feminismus“ ist und sich in seinem Glauben auf feste biblische Fundamente stützt, soll „abgetrieben“ werden? Gemeint sind damit offenbar Pastor Latzel im Gerichtssaal und seine Unterstützer davor. Öffentlich und explizit die „Abtreibung“, also zumindest eine Gewaltmaßnahme, wenn nicht Tötung und Auslöschung einer bestimmten Menschengruppe zu fordern, die aus religiöser Überzeugung heraus anderer Meinung ist: Ist dies nicht mehr eine Volksverhetzung als alles, was Pastor Latzel vorgeworfen werden kann?

Hier geht es zur Quelle: www.nwzonline.de.

Ein glattes Fehlurteil

Das Amtsgericht Bremen hat den Pastor Olaf Latzel wegen Volksverhetzung verurteilt. Die Strafe beträgt drei Monate Haft, umgewandelt in eine Geldstrafe zu 90 Tagessätzen à 90 Euro (siehe dazu hier und hier).

Der idea-Redakteur David Wengenroth, promovierter Jurist und Prädikant der Evangelischen Kirche von Westfalen, erkennt in dem Richterspruch des Amtsgerichts Bremen ein klares Fehlurteil:

Das Urteil des Amtsgerichts Bremen gegen Olaf Latzel ist ein glattes Fehlurteil. Die Urteilsbegründung, die Richterin Ellen Best am 25. November in dem Konzertsaal „Die Glocke“ ablieferte, strotzte von juristisch-handwerklichen Fehlern, falschen Behauptungen und logischen Widersprüchen. So sagte Best gleich zu Beginn ihrer Ausführungen, die Entscheidung sei „nicht einfach“ gewesen, weil es „kaum obergerichtliche Rechtsprechung“ gebe, an der sie sich hätte orientieren können. Das ist, mit Verlaub, Quatsch. Mit den Urteilen verschiedener Ober- und Bundesgerichte zum Tatbestand der Volksverhetzung, kann man Regalmeter füllen. Wie wenig Latzels Äußerungen in die Reihe der „volksverhetzenden“ Äußerungen passen, wäre ihr klar geworden, wenn sie sich auch nur eine Handvoll davon angesehen hätte. Tat sie aber nicht.

Ich folge der Einschätzung von David Wengenroth und hoffe sehr, dass ein höheres Gericht angerufen wird und es zu einem fairen Urteil kommt.

Hier der ganze Artikel: www.idea.de.

„Stimme sein und stärken“

Das Netzwerk Evangelium21 stellt sich hinter das „Kasseler Memorandum“, das Bibel und Bekenntnis in Kassel auf der letzten Konsultation verabschiedet wurde (siehe hier). Wer wissen möchte, was für Fragen und Perspektiven auf dem Online-Treffen erörtert wurden, sollte sich z.B. den Vortag von Markus Till anhören:

After Evangelicalism

In einer Q-Session-Diskussion mit dem Moderator und Gründer von Q Ideas, Gabe Lyons, erklärte Tim Keller vor einigen Monaten, dass die säkulare Kultur in Amerika jetzt an einem Punkt angelangt sei, an dem „die einzige Sünde darin besteht, den Menschen zu sagen, dass sie sündigen“. Keller sagte:

Das bedeutet, dass wir die erste Kultur sind, die nicht nur nicht glaubt, dass es hier draussen eine Wahrheit gibt, es ist alles subjektiv. Es ist auch die erste Kultur, die nicht nur glaubt, dass die Christen falsch liegen, sondern dass sie das Problem sind, erklärte er.

Den Eindruck, dass Christen, die ihren Glauben sehr ernst nehmen, ein Problem sind, vermittelt auch der DLF-Beitrag „Evangelikale Front bröckelt“ von Katja Ridderbusch, der sich den Narrativ der progressiven Evangelikalen oder Postevangelikalen aneignet. Demnach erfahren Christen eine tiefe Befreiung, wenn sie sich von einer sklavischen Bindung an die Heilige Schrift lösen. Eingeräumt wird sogar, dass das Exil aus der Welt der Evangelikalen letztlich im Atheismus enden könne. So wie bei Amy Hayes:

Ihr Glaube sei ihr wichtig, sagt Hayes, immer noch. Aber einer Konfession oder Kirche fühlt sie sich heute nicht mehr zugehörig. Sie würde sich am ehesten bezeichnen als Post-Evangelikale bezeichnen, auf der Suche nach Spiritualität. Ihre Mutter fürchte manchmal, dass sie während ihres Studiums zur Atheistin werde. Eine Sorge, die nicht ganz unberechtigt sei, sagt Hayes, lacht hinter ihrer lindgrünen Stoffmaske und zuckt mit den Schultern.

Grayson Hester, der in dem Beitrag ebenfalls interviewt wird, will hingegen Christ bleiben. Allerdings grenzt auch er sich von einer Bekenntnisorientierung ab:

Ich identifiziere mich als Christ, als queerer Christ. Und als Baptist, aber mit Einschränkungen. Ich mag einige Prinzipien der Baptisten, die strikte Trennung von Kirche und Staat oder die Unabhängigkeit der lokalen Kirchengemeinde. Und ich halte die Bibel sehr hoch, nicht als absolute und alleinige Richtschnur, aber als Autorität. Einige Elemente meines Glaubens sind klassisch evangelikal, aber mit der politischen Bedeutung, die der Begriff angenommen hat, identifiziere ich mich in keiner Weise.

Natürlich kommt auch David Gushees, der Autor des Buches After Evangelicalism, reichlich zur Wort. Er stellt einen Nexus zwischen Donald Trump und dem Evangelikalismus her. Beide verbinde eine gewisse toxische Wirkung, die Amerika und die Welt auch dann noch ertragen müssten, falls Trump die Wahl verliere:

Es gibt noch immer viele von ihnen und sie sind hochmotiviert. Die meisten weißen konservativen Evangelikalen sind mittlerweile komplett vom Geist des Trumpismus durchsetzt – von Gemeinheit und Bösartigkeit. Das wird noch lange nach Trump zu spüren sein, und es wird dauern, die politische und die religiöse Kultur in den USA zu entgiften.

Um nicht missverstanden zu werden: Donald Trump darf kritisiert werden und ich kritisiere ihn. Eine Politisierung des Glaubens ist meines Erachtens in einem sehr grundsätzlichen Sinn problematisch. Ich kann deshalb zum Beispiel nicht verstehen, warum MacArthur sagen kann, dass jeder „wahre Gläubige“ Donald Trump wählen wird. Will MacArthur wirklich jemanden, der nicht wählt oder die Demokraten wählt, aus der Gemeinde ausschließen? Ich hoffe nicht!

Hier also der Beitrag, der den Evangelikalismus letztlich einfältig mit dem Trump-Lager verknüpft und folglich in ihm auch eine Gefahr sieht, der man sich entziehen kann, wenn man sich „theologisch weiterentwickelt“. Queere Mission, wenn mal so will:

J.I. Packer (1926–2020)

James Innell Packer, besser bekannt als J.I. Packer, war einer der berühmtesten und einflussreichsten evangelikalen Leiter der Gegenwart. Er starb am Freitag, den 17. Juli im Alter von 93 Jahren. 

J.I. Packer verteidigte auf intelligente Weise die Autorität der Bibel. Auch in zahlreichen anderen Fragen half er konservativen Christen, ihre Position zu begründen, etwa in der Sexualethik, der Frage der Frauenordination, der Hölle oder dem Sühnewerk von Jesus Christus. 

Ich bin Packer vor vielen Jahren einmal begegnet, als er die Bibelübersetzung ESV vorgestellt hat. Seine große Liebe zum Wort Gottes hat mich sehr beeindruckt. Er legte viel Wert darauf, dass wir die Heilige Schrift gründlich studieren und dabei nicht auf oberflächliche Übersetzungen zurückgreifen, sondern möglichst nah am Grundtext arbeiten.

Leland Ryken hat für CT einen persönlichen Rückblick auf das Leben des großen Puritaner-Kenners verfasst

Benjamin Schmidt, Leiter des Heroldverlags, hat 2019 das Leben von J.I. Packer in einem Vortrag vorgestellt und dabei auch kritische Punkte angesprochen. Ich empfehle den Vortrag an dieser Stelle sehr gern, so wie auch das wunderbare Buch Gott erkennen, das von Benjamin neu übersetzt worden ist. 

Was wir aus Entkehrungsgeschichten lernen können

Die Musikerin Alisa Childers hinterfragt die Entkehrungsgeschichten der prominenten Komödianten Ricky Schröder und Ralph Macchio und zeigt, dass nicht die Argumente, sondern die medialen Vermarktungen zählen. 

Nachdem er das Christentum auseinandergenommen hatte, hatte Rhett allerdings keine glaubhafte Alternative zur Erklärung der Wirklichkeit anzubieten. Er sprang quasi nicht vom christlichen Boot in ein anderes, sondern in ein „Meer der Ungewissheit“. An die Stelle seines Christseins sind nun, nach seinen eigenen Worten, „Offenheit und Neugierde“ getreten. Er beschreibt, wie befreiend das Loslassen des „Appetits auf Gewissheit“ gewesen sei. Dem aufmerksamen Beobachter wird nicht entgangen sein, dass Rhett einfach die eine Weltanschauung durch eine andere ersetzt hat, namentlich das Christentum durch die Postmodernität mit all ihrer Skepsis, der Ablehnung absoluter Werte und ihrem Relativismus.

Hier: www.evangelium21.net.

Die Bibelfrage

Francis Schaeffer schrieb 1975 (dt. Der Schöpfungsbericht, 1976, S. 7):

Meiner Überzeugung nach ist die entscheidende Frage, die die Evangelikalen in den nächsten Jahren durchdiskutieren müssen, die Frage nach ihrer Stellung zur Heiligen Schrift. Daran wird sich erweisen, ob der Evangelikalismus evangelikal bleiben wird.

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