Theologiegeschichte

Die Theologie der Keswick-Bewegung

Andy Naselli hat kürzlich spannende Vorträge über die Heiligungsbewegung am Detroit Seminary gehalten. Die in Amerikanisch gehaltenen Vorträge wurden aufgenommen und können hier herunter geladen werden:

1. Handout (PDF)

2. Powerpoint Präsentation als PDF (12 MB)

3. Audiodateien:

Lektionen von Francis A. Schaeffer

Douglas Groothius hat vor einigen Monaten sieben Lektionen über Francis Schaeffer zusammegestellt und mir freundlicherweise die Erlaubnis erteilt, diese auf Deutsch zu veröffentlichen.

Lektionen von Francis A. Schaeffer (1912–1984)

Nachdem ich kürzlich einige Werke von Francis A. Schaeffer erneut gelesen hatte, habe ich einige Punkte zusammengetragen, die bibeltreue Christen (und andere) von ihm lernen können. Schaeffer war Pastor, produktiver Autor, prophetischer Universalist, Apologet und vor allem ein Evangelist. Er selbst hat sich üblicherweise als Letzteres beschrieben. Schaeffer hat eine ganze Generation von Evangelisten – mich eingeschlossen – dazu inspiriert, der Herrschaft von Christus im gesamten Leben die Ehre zu geben und sich um des Reiches Gottes willen auf den Verstand und die Kultur zurückzubesinnen.

(1) Schaeffer besaß eine große Leidenschaft für Gott und die Wahrheit. Diese entwickelten sich durch seine verstandesmäßige Bekehrung im Teenageralter, nachdem er sowohl griechische Literatur als auch die Bibel gelesen hatte, aber auch durch seine intellektuelle Krise, die ihn nach über einem Jahrzehnt des geistlichen Dienstes ereilte. Weil er die Wirklichkeit der christlichen Liebe und das Werk des Heiligen Geistes nicht erfahren hatte, stellte er viele Monate lang alles in Zweifel. Geistlich und mental gestärkt kehrte er schließlich zu seinen Aufgaben zurück. Die Früchte dieser Krise zeigten sich in einer echten Spiritualität und einer geistlichen Erneuerung.

(2) Schaeffer war um die Verlorenheit des modernen Menschen sehr besorgt. Nichtchristen waren für diesen Mann Gottes keine »Objekte« sondern Menschen, die das Bild Gottes in sich trugen und die ohne Evangelium von Jesus Christus keine Hoffnung hatten. Schaeffer konzentrierte sich bei seiner Kulturkritik auf Aspekte, die diesen Mangel an Hoffnung und Sinn freilegten. In seinen apologetischen Diskussionen verschonte er seine Gesprächspartner zwar nicht, versuchte aber, sie mit Liebe und Vernunft zur Wahrheit zu führen – nicht ohne Tränen, wie er oft sagte. Schaeffer hat in seinem Buch Das Kennzeichen des Christen (Brockhaus, 1971) den Vorrang der Liebe für ein christliches Leben und dessen Auftrag beschrieben.

(3) Schaeffer war ein kompromissloser Universalist in der Sache Christi. Er studierte die Bereiche, die er im Bezug auf Dienst und Berufung der Kirche seiner Tage für sachdienlich hielt. Während manche seine Aussagen fälschlicherweise für das letzte Wort hielten, waren sie tatsächlich fast immer ein erster entscheidender Hinweis und Aufruf zum Weiterstudium sowie zum prophetischen Einsatz in der Welt unter Christus.

(4) Schaeffer rührte nicht die Werbetrommel in eigener Sache, sondern suchte im Leben und im Dienst vor allem Gott. Die L‘Abri-Arbeit für Apologetik, Evangelisation und Weiterbildung in den Schweizer Alpen entwickelten sich, als Francis und seine Frau Edith auf die Bedürfnisse der fragenden Studenten reagierten. Francis wurde später in seinem Dienst manchmal zu sehr verehrt. Das war wahrscheinlich das Verschulden seines Sohnes Franky, der die Filmserien »Wie können wir den Leben« und »Bitte laß mich leben« produzierte. Schaeffer hatte nie vorgehabt, Bücher zu schreiben. Er schrieb sie, weil seine Vorträge und Diskussionen gut angenommen und Bücher gewünscht wurden.

(5) Schaeffer liebte Kunst, konnte gute Ästhetik auch in nichtchristlicher (oder antichristlicher) Kunst erkennen und hatte christlichen Künstlern den Auftrag und die Vision für künstlerische Betätigung gegeben. Siehe dazu das Buch Kunst und die Bibel (Hänssler, 1981), das in Nordamerika vor kurzem mit einem Vorwort des Musikers und Autors Michael Card neu veröffentlicht wurde. Schaeffer sprach oft davon, »Schönheit« in das christliche Leben zu bringen.

(6) Schaeffer verfügte über gründliche Fachkenntnisse und hatte ein große Liebe zur Heiligen Schrift. Für diesen Mann war die Bibel eine lebendige Realität. In Gott ist keine Illusion (Brockhaus, 2. Taschenbuchaufl. 1991) schrieb er, wir sollten täglich in der Bibel lesen, um Nichtgläubigen von der Wahrheit erzählen zu können. Er selbst las täglich mindestens drei Kapitel aus dem Alten Testament und eins aus dem Neuen. Seine Schriften strahlen biblische Wahrheit und Weisheit aus. Lasst es uns ebenso machen (vgl. Apg 17,11).

(7) Schaeffer war »ein Mann der Reformation«, der nichtsdestotrotz mit seinem Kalvinismus weder schulmeisterlich noch stolz auftrat. Schaeffer erkannte, dass die Reformation nicht nur unumgänglich war, sondern auch, dass wir eine reformierte Kirche sein müssen, »die sich selbst immer wieder reformiert«. Auch wenn die Reformatoren nicht perfekt waren, haben sie es geschafft, die Bibel wieder in den Mittelpunkt zu rücken und dazu viele soziale und kulturelle Wunder im Westen auszulösen. Darauf hatte Schaeffer schon in Wie können wir denn leben? (Brockhaus, 1975) und in A Christian Manifesto (Crossway, 1982) hingewiesen. Während Schaeffer an das Westminster Bekenntnis glaubte und es auch lehrte, reichte seine Anziehungskraft weit über die reformierten und presbyterianischen Kreise hinaus.
In einer Zeit, in der manche emergente Autoren, wie z. B. Brian McLaren, dazu aufrufen, »Post-Protestanten« zu sein, sollte dies gesagt und gehört werden. Die fünf »solas« der Reformation sind keine Optionen für das Christentum, sondern sie sind sein Lebenselixier. Trotzdem sollten diejenigen, die sich wie ich an die fünf Punkte des Kalvinismus (TULIP) halten, das aus Überzeugung und mit Demut tun. Die Fünf-Punkte-Kalvinisten können und sollten mit Christen anderer Glaubensrichtungen zusammenarbeiten, so lange die wesentliche Botschaft des Evangelium erhalten bleibt. (Ich glaube, auf manche Formen der Arminianismus trifft dies zu.)

Lesen Sie deshalb die Werke von Francis A. Schaeffer wieder und wieder. Ich empfehle, The Complete Works (Crossway, 1982) zu kaufen und sie zur Ehre Gottes, zum Gewinn für die Kirche und zur Förderung des Reiches Gottes durcharbeiten. Wenn Sie meinen, für so etwas keine Zeit zu haben, dann nehmen Sie sich bitte Zeit dafür. Vermeiden Sie Ablenkungen und vertiefen Sie sich in diese Bücher.

Prof. Dr. Douglas Groothius

Die Übersetzung und Wiedergabe des Beitrages erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Autors. Abey Chacko und Tanja Omenzetter haben bei der Übersetzung geholfen. Vielen Dank!

Der Beitrag kann – mit einigen Erklärungen versehenen – auch in einer PDF-Version herunter geladen werden: lektionenfs3.pdf.

Das Christentum ist eine emanzipatorische Erzählung

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Für den Philosophen James K. A. Smith ist die in evangelikalen Kreisen verbreitete Lesart der Lyotardschen Metaerzählung ein Mißverständnis. Eine sorgfältige Untersuchung dessen, was Lyotard zum Metanarrativ geschrieben habe, könne zeigen, dass Lyotards Kritik der großen Erzählungen das Christentum überhaupt nicht treffe. Im Gegenteil: Christen sollten in Lyotard nicht einen Gegner sondern einen Verbündeten sehen. So gibt Smith mit seiner These der »Emerging Church« bedeutende Inspirationen.

In einer kleinen Untersuchung bin ich der Frage nachgegangen, ob sich Smith tatsächlich auf François Lyotard berufen kann. Das Ergebnis überrascht, da der französische Philosoph ausdrücklich das Christentum als große Erzählung bezeichnet und verarbeitet. Lyotard greift auf Albert Camus zurück, ohne ihn ausdrücklich zu nennen. Camus behauptet in Der Mensch in der Revolte, dass der Marxismus eine säkularisierte Figur der christlichen Teleologie ist. Für den Philosophen des Absurden stammt die Geschichtsphilosophie überhaupt aus dem jüdisch-christenlichen Weltbild. »Die Christen haben als erste das menschliche Leben und die Folge der Ereignisse als eine Geschichte angesehen, die sich von einem Ursprung einem Ende entgegen entwickelt und während welcher der Mensch sein Heil gewinnt oder sich seine Strafe verdient. Die Philosophie der Geschichte ist aus einer christlichen Vorstellung entsprungen …« (Camus, Der Mensch in der Revolte, S. 16).

Lyotard kann dieser Geschichte von der Emanzipation des Menschen wenig abgewinnen. »Das im römischen Weltreich zu tragender Bedeutung gekommene christliche Denken versucht nicht von ungefähr, seit Augustin, die Erlösungsverheißung als die Geschichte (großgeschrieben), als große Erzählung, zu verriegeln« (Lyotard & Gruber, Ein Bindestrich zwischen Jüdischem und Christlichem, S. 108). So kann nach Lyotard das Christentum im Sinne von Paulus und Augustin der Menschheit nur Gewalt antun.

Die kleine Untersuchung ist freundlicherweise von Richard McClary ins Amerikanische übersetzt worden und kann hier herunter geladen werden: mbstexte093.pdf. In deutscher Sprache gibt es den Text auch: mbstexte085.pdf.

Korrespondenz zwischen Tony Jones & Collin Hansen

Christianity Today publiziert einen Briefwechsel zwischen Tony Jones und Collin Hansen über reformiertes und emergentes Christsein. Hansen, der für Christianity Today arbeitet, stellt die reformierte Sicht dar und versucht eine inhaltliche Diskussion in Gang zu bringen. Jones, Koordinator des Emergent Village und Mitherausgeber des Buches An Emergent Manifesto of Hope, hat sich allerdings (wieder einmal) für die Beziehungsebene entschieden. Dieses »Hauptsache wir sind nett zueinander und bleiben im Gespräch« kann ja Mal sehr entspannend und erfrischend wirken. Auf die Dauer ist es langweilig, unproduktiv und frustrierend.

Hier die Links auf dies ersten beiden Beiträge des Austausches: Tag 1, Tag 2. Entwickelt sich vielleicht doch noch eine inhaltliche Debatte?

Christus und die Kultur – aus der Sicht von D.A. Carson

D.A. Carson’s Christ and Culture Revisited (Grand Rapids: Eerdmans, 2008) kann jetzt über den Buchhandel bestellt werden. Das Inhaltsverzeichnis und Vorwort zu dem Buch, das an Richard Niebuhr’s Christ & Culture anknüpft, ist als PDF hier abrufbar: www.wtsbooks.com.

Carson’s Auseinandersetzung mit der Emerging Church (original im Jahr 2005 erschienen als: Becoming Conversant with the Emerging Church) soll in wenigen Wochen in einer deutschen Übersetzung bei CLV erscheinen. Vorbestellungen sind möglich: www.amazon.de.

Richard Rorty über die liberale Theologie

In einem Interview mit dem Magazin Modern Reformation (Juli/August Vol. 12 No. 4, 2003) sagte Richard Rorty (1931–2007) über die liberale Theologie:

Ich bin erfreut darüber, dass liberale Theologen ihr Bestes geben, um das zu machen, was laut Pio Nono [Papst Pius IX.] nicht getan werden sollte – sie versuchen das Christentum an moderne Wissenschaften, moderne Kultur und demokratische Gesellschaft anzupassen. Wäre ich ein fundamenalistischer Christ, wäre ich entsetzt von dieser [liberalen] wischi-waschi Version des christlichen Glaubens. Doch weil ich ein Ungläubiger bin, der sich vor der Barbarei vieler fundamentalistischer Christen fürchtet (z.B. vor ihrer Homophobie), heiße ich theologischen Liberalismus willkommen. Vielleicht werden die liberalen Theologen einmal so eine wischi-waschi Version des Christentums entwickeln, dass niemand mehr Interesse daran hat, Christ zu sein. Wenn dem so wäre, dann wäre etwas verloren gegangen. Doch höchstwarscheinlich hätten wir noch mehr gewonnen.

Francis Schaeffer und die Krise des Evangelikalismus (Teil 4)

2005-03-26c.jpgEines der großen Vermächtnisse von Francis Schaeffers war es, uns zu zeigen, dass »Ideen Konsequenzen haben« und wir die Geistes- und Kulturgeschichte kennen müssen, um die Gegenwart zu verstehen. Schaeffer lehrte, dass wir ohne Kenntnis der Heilige Schrift und ohne Vertrautheit mit der Kulturgeschichte nicht in der Lage sind, gegenwartsrelevant zu leben und die Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. So mahnte er eindringlich, die Genealogie des existentialistischen und konstruktivistischen Wahrheitsverständnisses wahrzunehmen. Schon im Jahre 1968 schrieb er:

Die heute zwischen den Generationen aufgebrochene Kluft ist zum größten Teil durch einen Wandel im Wahrheitsverständnis entstanden. Wo immer wir hinschauen, herrscht dieses neue Verständnis vor. Es umgibt uns als ein nahezu fugenloser Meinungsblock auf allen Gebieten, sei es in den Künsten, in der Literatur oder auch nur beim Lesen von Zeitungen und Wochenschriften, wie Spiegel, Weltwoche, Welt am Sonntag, Sunday Times, L’Express de Paris, Elsevier’s Weekblad und anderen mehr. Von allen Seiten her spüren wir den Würgegriff einer neuen Methodologie – und mit Methodologie meinen wir die Art und Weise, wie wir an Wahrheitserkenntnis und Wissen herangehen. Es ist erstickend wie der dichteste Londoner Nebel! Und sowenig sich der Nebel durch Wände und Türen abhalten läßt, so wenig können wir uns der vorherrschenden Meinung entziehen. Das geht so weit, daß wir in unseren eigenen vier Wänden nicht mehr klar sehen und uns doch nicht erklären können, was eigentlich geschehen ist. Die Tragik unserer heutigen Situation liegt darin, daß die neue Einstellung zur Wahrheit Männer und Frauen in ihren Lebensgrundlagen erschüttert hat, ohne daß sie sich jemals Rechenschaft über den neuen Kurs gegeben haben. Die jungen Menschen werden zunächst im Rahmen des alten Wahrheitsverständnisses erzogen. Dann geraten sie unter den Einfluß der modernen Auffassung. Mit der Zeit werden sie unsicher, weil sie die ihnen vorgelegte Alternative nicht durchschauen. Diese Unsicherheit führt zu Verwirrung und bald zu einem inneren Zerbruch – unglücklicherweise nicht nur bei jungen Menschen, sondern auch bei vielen Pfarrern, Lehrern, Evangelisten und Missionaren. So ist, wie ich meine, die veränderte Auffassung über den Weg, der zu Erkenntnis und Wahrheit führt, das entscheidende Problem, das sich der Christenheit heute stellt.

Doch Schaeffer war kein pessimistischer Nörgler oder ein weltfremder Experte. Er bejahte das Leben und zeigte den Menschen, dass sie wertvoll und wichtig sind. Der Mann, der sich so sehr für die großen Zusammenhänge interessierte, bemühte sich leidenschaftlich darum, für jeden einzelnen Nächsten eine geistliche Perspektiven zu entwickeln. Udo Middelmann schreibt:

Schaeffers Bereitschaft, mit und über die Bibel zu diskutieren, entsprang der Entdeckung, dass man ihrem Wahrheitsgehalt vertrauen kann. Dazu kamen seine Freude an Menschen und sein Respekt für sie. Er sah nicht die Masse, sondern den Einzelnen. Er sah nicht Bedürftige, sondern Individuen, die eine Antwort auf die verwirrenden Lebensfragen brauchten. Bei Schaeffer gab es keine kleinen Leute, sondern nur Männer und Frauen im Ebenbild Gottes. Das heißt nicht, dass er sich nicht manchmal über einen Menschen ärgerte, sondern dass er nie über Fragen und Situationen schockiert war, mit denen Menschen ihn konfrontierten. Für ihn waren sie alle Menschen aus Fleisch und Blut, neugierig und begabt und mit mehr oder weniger Mut zum Leben.

Schaeffer nahm einfühlsam wahr, dass es in der Welt um uns herum auch gute Gründe dafür gibt, kein Christ zu sein. Ohne die Bibel ist die Welt in vielen Bereichen um uns ein verwirrendes Durcheinander. Wenn die Welt um uns herum so von Gott gemacht oder gewollt ist, existiert er entweder gar nicht oder er ist ein Monster. Nur die Bibel kann eine treffendere Erklärung der Realität und der Geschichte, des Schöpfers und seines Einsatzes für unsere Erneuerung vorweisen. Schaeffer ging immer von der jetzigen Unzulänglichkeit aus und freute sich über das, was dennoch in einer gefallenen Welt bewirkt werden kann.

Nun der Link auf den vierten Mitschnitt der Vorlesung »Watershed of the Evangelical World«: www.youtube.com und ein kurzer Videoclip aus dem Jahre 1982. Schaeffer hatte sich damals bereits von der Evangelikalen Bewegung entfremdet und war von seiner schweren Krankheit gezeichnet.

Schließlich der Hinweis auf einen Artikel aus dem World Magazin über 50 Jahre L’abri: www.worldmag.com.

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