März 2012

G.K. Chesterton: Orthodoxie

201203310605.jpgEin hörenswerter Beitrag über ein sehr gutes Buch:

  • Gilbert Keith Chesterton: Orthodoxie: Eine Handreichung für die Ungläubigen, Fe-Medienverlag, 2011, 303 S.
Der Verlag schreibt:

Chesterton verteidigt die Tradition, das Wunder, die Phantasie und das Dogma, aber auf eine Art und Weise, die jedem Dogmatiker von Herzen zuwider sein muss; denn er beruft sich dabei einzig und allein auf die alltägliche Erfahrung, den „common sense“, die Vernunft und die Demokratie. Man kann sein Buch auch als die Autobiografie eines Abenteurers lesen, der mit zwölf ein Heide, mit sechzehn ein Agnostiker war und den einzig und allein sein wildes Denken zum Glauben führte. Chesterton wurde 1874 in London geboren und starb dort 1936. Er war Zigarrenraucher und Dialektiker, Vielschreiber und Gourmand. Er verfasste hundert Bücher.

Hier der DLF-Beitrag:

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Leben im Zwiespalt

Bist du hin und her gerissen, weißt nicht, ob du Jesus Christus vertrauen kannst? Du willst mit ihm leben, schaffst es aber nicht, hast Angst vor dem Versagen? Du stehst mit deiner Zerrissenheit nicht allein. Vielen Menschen ist es so ergangen. Zum Beispiel dem großen Augustinus. Der Kirchenvater gewährt in seiner Biografie tiefe Einblicke in die geistlichen Kämpfe, die ihn sein Leben lang begleiteten.

In seinen besten Jahren hatte er auf seiner Suche nach Wahrheit mehrere Etappen durchlaufen. Mit dem christlichen Glauben seiner Mutter Monika wollte er nicht viel zu tun haben. Das war ihm zu einfach und zu eng. Augustinus suchte eine Lebensanschauung, die ihm möglichst viel Autonomie erlaubte. So suchte er anderswo, vor allem bei den Manichäern und Platonikern.

Aber Gott ging ihm nach. Es waren seine Mutter und Freunde, die ihn immer wieder an das Evangelium erinnerten. Als Augustinus zur akademischen Lehrkraft für Rhetorik nach Mailand berufen wurde, begegnete er schließlich dem gewaltigen Prediger Ambrosius. Ambrosius nahm „kein Blatt vor den Mund“. In einer überlieferten Predigt (De Elia et ieiunio 22,85) heißt es beispielsweise:

„Wie lange noch eure Vergnügen, wie lange noch eure Lustbarkeiten? Der Tag des Gerichtes kommt immer näher. Während ihr diese Gnade zurückstellt, nähert sich der Tod. Wer wird dann sagen: Jetzt bin ich gerade nicht frei, ich habe zu tun …“

Durch Ambrosius, Simplicianus und andere wurde Augustinus angeregt, bei Paulus Antworten auf seine Fragen zu suchen. Er studierte die Schriften des Apostels, besonders der Römerbrief hatte es ihm angetan. Was Paulus dort im siebten Kapitel über die Unfreiheit des Menschen schrieb, korrespondierte ziemlich genau mit seinen eigenen Erfahrungen. Es stimmt: „Dass mir, der ich das Gute tun will“, letztlich doch „das Böse naheliegt“ (vgl. Röm 7,21). Im Leben des Gelehrten regierte die Sünde.

Hören wir, was Augustinus selbst in Gebetsform darüber schreibt:

Das aber war’s, wonach ich seufzte, gefesselt, wie ich war, nicht durch ein fremdes Band, sondern das Eisenband meines Willens. Mein Wollen aber war in des Feindes Gewalt, und der hatte mir daraus eine Kette geschmiedet, mit der er mich gefesselt hielt. Denn aus verkehrtem Willen ward Leidenschaft, und da der Leidenschaft ich nachgab, ward Gewohnheit daraus, Gewohnheit aber, der man nicht widersteht, wird zum Zwang. So fügten sich gleichsam die Ringe ineinander darum nannte ich’s eine Kette -, und damit hielt harte Knechtschaft mich gefangen. Der neue Wille aber, der sich bereits in mir regte, dir, mein Gott, meines Herzens einzig sichere Freude, frei zu dienen und anzuhangen, war noch zu schwach, den alten und festgewurzelten zu überwinden. So stritten in mir zwei Willen, ein alter und ein neuer, der eine fleischlich, der andere geistig, miteinander, und ihr Hader zerriß meine Seele.

So lernte ich es denn aus eigener Erfahrung verstehen, was ich gelesen hatte, wie »das Fleisch wider den Geist gelüstet, und den Geist wider das Fleisch«. Ich aber lebte in beidem, mehr jedoch in dem, was ich an mir billigte, als in dem, was ich an mir mißbilligte. Denn hier war ich’s zumeist schon nicht mehr ich selber, da ich es großenteils mehr widerwillig litt als mit Willen tat. Doch hatte ich selbst die Gewohnheit zum Streit gegen mich so stark gemacht, denn mit Willen war ich dahin gelangt, wohin ich nicht wollte. Und wer kann mit Recht etwas dagegen einwenden, daß den Sünder die gerechte Strafe trifft? Schon konnte ich mich nicht mehr damit entschuldigen, wie ich früher zu tun pflegte, nur darum habe ich noch nicht dem Weltleben zu deinem Dienst entsagt, weil mir die Erkenntnis der Wahrheit noch ungewiß sei; denn nunmehr war sie mir bereits gewiß. Ich aber, der Erde noch verhaftet, weigerte mich, in deinem Heer zu kämpfen, und fürchtete mich ebensosehr davor, alle belastenden Bürden abzuwerfen, wie man sich hätte furchten sollen, sie sich aufbürden zu lassen. So lag die Last der Welt, wie es wohl im Schlafe geschieht, süß und drückend auf mir, und meine Gedanken, die sich sinnend auf dich richtete, glichen den Versuchen derer, die aufwachen wollen, aber vom tiefen Schlummer überwältigt wieder zurücksinken. Und wie niemand immerfort schlafen möchte, vielmehr jeder, wenn er vernünftig ist, dem Wachen den Vorzug gibt, aber dennoch manch einer zögert, den Schlaf abzuschütteln, weil es ihm bleischwer in den Gliedern liegt, und er darum mit Genuß weiterschläft, obschon er’s nicht gutheißen kann und die Zeit zum Aufstehen gekommen ist, so wußte ich genau: Es war besser, mich deiner Liebe zu weihen, als meiner Wollust zu weichen. Das eine hatte mein Herz gewonnen und überwunden, aber das andere lockte und hielt mich gebunden. Nichts mehr konnte ich dir zur Antwort geben, da du zu mir sprachst: „Wache auf, der du schläfst, und ich stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten!“ Auf Schritt und Tritt tatest du mir die Wahrheit kund, und von ihr überwältigt, konnte ich nichts erwidern als rage, schlaftrunkene Worte: „Bald, ja bald, laß mich noch ein Weilchen!“ Aber das „bald, bald“ ward nicht zum „jetzt“, und das Weilchen zog sich in die Länge. Umsonst „hatte ich Lust an deinem Gesetz nach dem inwendigen Menschen, weil ein anderes Gesetz in meinen Gliedern dem Gesetz in meinem Gemüte widerstritt und mich gefangennahm in der Sünde Gesetz, das in leinen Gliedern war“. Das Gesetz der Sünde ist die Tyrannei der Gewohnheit, die den Menschengeist auch wider Willen fortieht und festhält, und zwar verdientermaßen, weil er ihr willig sich hingegeben hat. Wer hätte „mich Elenden erlösen können vom Leibe dieses Todes, wenn nicht deine Gnade durch Jesum Christum, unsern Herrn“?

Jesus Christus lädt dich zur Nachfolge ein. Nachfolge heißt nicht, dass du alle deine Kräfte zusammenreißt und versucht, so zu leben, wie Gott es gefällt. Nachfolge heißt: Ich tut das, was mir unmöglich ist. Ich gehe durch ein Nadelöhr (vgl. Mk 10,25). Es ist ein anderer, der mich erlöst.

Augustinus verzweifelte an sich selbst. Mitten im Sturm der Selbstanklagen hörte er jedoch die Stimme der Gnade. Immer lauter konnte er ihr Rufen vernehmen: „Was stellst du dich auf dich selbst und kannst so doch nicht stehen? Wirf dich auf ihn und fürchte dich nicht! Er wird sich nicht entziehen, dich nicht fallen lassen. Ja, wirf dich getrost hin, er wird dich auffangen und gesund machen“ (vgl. Confessiones, VIII, 11).

Hörst du sie auch, die Gnade?

John Pipers Nachfolger

201203281517.jpgDas bedeutendste Buch des wahrscheinlich neuen Hauptpastors der Bethlehem Gemeinde heißt:

Jason C. Meyer: The End of the Law: Mosaic Covenant in Pauline Theology, Broadman, 2009

Der Verlag schreibt über das Buch:

Commonly understood as the first theologian of the Christian faith, Paul set forth the categories by which we describe our relationship with Christ. Did he understand the new covenant Jesus announced at the Last Supper primarily as a replacement of the old Mosaic covenant God made with Israel, or as a renewal and completion of the old? Jason Meyer surveys the various differences that have been argued between the two covenants in The End of the Law, carefully and inductively perfoming a semantic, grammatical, and contextual analysis of all the Pauline texts dealing with covenant concepts.

Derzeit ist das Buch für ca. 15 Euro zu haben. Hier Hintergrundinformationen zur Entwicklung in der Gemeinde.

Klarheit, Ironie, Verweigerung und Hartnäckigkeit

Albert Camus

In meiner Jugend habe ich Albert Camus’ Mythos des Sisyphos regelrecht „verschlungen“. Neben der kierkegaardschen Schwere („Es gibt nur ein philosophisches Problem, den Selbstmord.“) erspürte ich im Mythos Aufrichtigkeit und Gerechtigkeitsliebe. Camus stand für etwas ein. Er zählt zu denen, die Nazis und Kommunisten schnell durchschauten. Der aus Algerien stammende Philosoph demaskierte Despoten und leistete Widerstand.

Als ich vor einigen Jahren von John Warwick Montgomery erfuhr, dass Camus am Ende seines Lebens einige Leute neugierig zum christlichen Glauben befragte und vor seinem tragischen Unfalltod die Taufe erbat (die ihm allerdings verwehrt wurde, siehe dazu hier), hat mich das sehr gefreut. Wer weiß, vielleicht hat Camus am Ende seines kurzen Lebens seine Zweifel und Fragen noch in ernstgemeinte Gebet gepackt und die Gnade Gottes verstehen können.

Nun begegnet mir Camus nochmals, in einem ganz anderen Zusammenhang. Die FAZ berichtete am 20. März (Nr. 68, S. 25) über einen wiedergefundenen Leitartikel, den der Schriftsteller 1939 für die kleine Tageszeitung Le Soir républicain verfasst hatte. Der Artikel ist als Antwort auf die Zensur konzipiert, die damals auch ihn traf. „Es ist schwierig, heute über die Freiheit der Presse zu schreiben, ohne gleich als Mata-Hari angeklagt zu werden“, schreibt Camus. Und er verteidigt die Pressefreiheit. Zitat aus der FAZ:

Die Pressefreiheit sei nur ein Aspekt der Freiheit schlechthin. Aber es gehe darum, sie mit aller Hartnäckigkeit zu verteidigen, weil es keine andere Möglichkeit gebe, „den Krieg wirklich zu gewinnen“. Allerdings hielt er diesen Kampf für verloren: „Die Frage lautet nicht mehr, wie man die Pressefreiheiten erhalten kann.“ Sondern nur noch: „Wie ein Journalist, wenn diese Freiheiten aufgehoben sind, frei bleiben kann. Das Problem beschäftigt die Gemeinschaft nicht mehr. Es betrifft das Individuum.“

Er glaubt an die Möglichkeit, im „Krieg und in der Knechtschaft die Freiheit nicht nur zu erhalten, sondern zu manifestieren“. Vier Bedingungen zählt er auf: „Klarheit, Verweigerung, Ironie und Hartnäckigkeit“. Klarsichtig sei nur, wer sich dem Hass und der Lüge entziehe.

Die Vorzeichen heute sind andere als 1939. Trotzdem sollte ein Freund der Freiheit auf Camus’ Fingerzeig achten: Klarheit, Verweigerung, Ironie und Hartnäckigkeit. Der freie Schreiber bleibt standhaft. Er kämpft für das, was er als wahr erkannt hat, veröffentlicht nichts, was unüberlegt Hass schüren oder die Verzweiflung fördern könnte.

Noch etwas. Camus sagt: „Eine in dogmatischem Ton vorgebrachte Wahrheit wird in neun von zehn Fällen zensuriert. Wird die gleiche Wahrheit witzig formuliert, entgeht sie in fünf von zehn Fällen der Zensur.“

Das gute Recht jeder Religion

Andreas Püttmann hat vor einiger Zeit in der FAS zur Kritik der Religionsfreiheit Stellung bezogen:

Paulus ermahnt die Christen, „freundlich und gütig zu allen Menschen“ zu sein. Er bekennt: „Auch wir waren früher unverständig, lebten in Bosheit und Neid, waren verhasst und hassten einander. Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien“, seien die Jünger Jesu durch „das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im Heiligen Geist“ befähigt worden, „das Gute zu tun und für alle Menschen nützlich“ zu sein (Tit 3).

Es muss Christen daher ins Mark treffen, wenn sie als anfällig für „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bezeichnet werden. Unter der Überschrift „Studie einer Psychologieprofessorin: Mit der Religion kommen die Vorurteile“ („Die Welt“, 14. November 2011) verbreitete Beate Küpper ihre bereits vor Jahren publizierte These, sehr religiöse Menschen seien anfällig für abwertende Haltungen gegenüber Minderheiten; dies zeige sich besonders in den Bereichen Sexismus, Homophobie und Rassismus. Letzterem neigten vor allem Protestanten zu, speziell solche aus den östlichen Bundesländern.

Wer Küppers Befund bereits aus Wilhelm Heitmeyers Sammelband „Deutsche Zustände. Folge 4“ (2006) kennt, ist allerdings durch einige ideologisch gefärbte Indikatoraussagen gewarnt: Als „rassistisch“ gilt hier bereits die Meinung „Aussiedler sollten bessergestellt werden als Ausländer, da sie deutscher Abstammung sind“, als „sexistisch“ die Auffassung „Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen“ – was auch bloß als Plädoyer für ein Gleichgewicht von beruflicher und familiärer Rolle gemeint sein kann. Sind da schon „Abwertung“ und „Menschenfeindlichkeit“ am Werk? Die Redakteure hievten die aufgewärmte Neuigkeit aber auf ihre Seite eins und gaben Küppers Rat gleich mit: „Die Kirche muss sich endlich fragen, was da schiefläuft.“

Mehr: http://de.dwg-radio.net.

China und die Religionsfreiheit

Forum 18 hat einen interessanten Bericht zum Status der Religionsfreiheit in China veröffentlicht. Da der Arbeitskreis ÖEA freundlicherweise eine Übersetzung besorgt hat, kann ich die Meldung hier in deutscher Sprache wiedergeben:

China: Ein post-kommunistischer Obrigkeitsstaat und die Religionsfreiheit

Verletzungen der Religionsfreiheit haben in China eine lange und grausame Geschichte. Berichte über Zwischenfälle, die in der jüngsten Vergangenheit um die Welt gegangen sind, haben dieses Bild von der mangelnden Freiheit verstärkt.  Dennoch  wachsen die verschiedensten Religionsgemeinschaften mit ungebrochener Geschwindigkeit. Eine Antwort auf dieses scheinbare Rätsel liegt in der Tatsache, dass die Einstellung der Kommunistischen Partei Chinas zur Religion – und damit auch gegenüber dem grundlegenden Menschenrecht auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit – weitgehend die Ansicht der modernen chinesischen Eliten und bereits der Vorgänger der kommunistischen Machthaber reflektiert, dass religiöse Überzeugungen ein Hindernis auf dem Weg zur Modernisierung sind. Dies hat zu einer politischen Einstellung geführt, die man so charakterisieren könnte, dass sich die Politiker als Manager des Staates sehen und der Staat somit den Willen und die Macht zur Kontrolle der Religionsgemeinschaften behält.

Dieser Managementansatz, den man in China beobachten kann, ist pragmatischer und flexibler als ein ideologisch orientierter Ansatz in dem Sinn, dass der Staat die Ausrottung der Religion nicht mehr als letztes politisches Ziel betrachtet. Das lässt den Religionsgemeinschaften eine gewisse Bewegungsfreiheit und sogar Raum zum Wachstum. In dieser Hinsicht ist die Zukunft der Religionsfreiheit nicht nur pessimistisch zu sehen.

Ein Bild der Kontraste

Am 9. Februar 2012 wurden in der Provinz Sichuan zwei tibetische buddhistische Mönche wegen ihrer Teilnahme an einem Protest gegen die chinesische Herrschaft über Tibet von chinesischen Sicherheitskräften getötet. Dies berichtete Radio Free Asia. Hunderte Tibeter wurden im Januar bei ihrer Rückkehr von einer religiösen Veranstaltung in Indien in Lhasa verhaftet und festgehalten. Im Januar hat laut Berichten von Human Rights Watch die chinesische Regierung ihre Führungspolitik gegenüber den buddhistischen Klöstern in Tibet geändert. Anstatt „loyale“ tibetische Mönche mit der Führung der Klöster zu betrauen, ist der Staat dazu übergegangen, Beamte als Leiter dieser Klöster einzusetzen.

Zur gleichen Zeit, als die tibetischen Buddhisten mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, sahen sich chinesische Protestanten mit ihren eigenen Herausforderungen konfrontiert. Aufgrund des Eingreifens der Regierung hat die Shouwang Gemeinde in Beijing weiterhin keinen Zugang zu einer permanenten Versammlungsstätte. Mitglieder der Gemeinde wurden verhaftet und waren anderen Formen der Belästigung ausgesetzt, als sie versuchten, sich im Freien zum Gottesdienst zu versammeln. Selbst ausländische Christen konnten den Unterdrückungsmaßnahmen der Regierung nicht entgehen. Wie die China Aid Association berichtet, wurde eine chinesische Christin im Januar 2012 von chinesischen Sicherheitskräften entführt und musste zwei Tage ohne Nahrung und Wasser verbringen, nachdem sie den Leiter der Shouwang Gemeinde und eine Hauskirche in der Provinz Shanxi besucht hatte.

Den meisten Berichten zufolge hat sich die Haltung der kommunistischen Partei zur Religionsfreiheit in den letzten Jahren nicht geändert. Neben anderen Menschenrechtsverletzungen ist es immer wieder zu Verletzungen der Religionsfreiheit gekommen. Amnesty International schrieb z.B. in ihrem Jahresbericht 2011: „Die chinesische Regierung reagierte auf eine zunehmend wachsende Zivilgesellschaft mit der Inhaftierung und Strafverfolgung von Menschen, die in friedlicher Weise ihre Meinung zum Ausdruck brachten, vom Staat nicht zugelassenen Religionsgemeinschaften angehörten, für demokratische Reformen und Menschenrechte eintraten oder die Rechte ihrer Mitbürger verteidigen wollten.“ In ähnlicher Weise äußerte sich Human Rights Watch in ihrem Jahresbericht 2011: „China ist nach wie vor ein autoritärer Einparteienstaat, der die Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit massiv einschränkt.“

Während die chinesische Regierung und ihre Vertreter diese Verletzungen der Religionsfreiheit begehen, erleben die Religionsgemeinschaften in China ein Wachstum und eine Vitalität, wie man sie seit Jahrzehnten nicht gesehen hat. Abgesehen von dem außergewöhnlichen zahlenmäßigen Wachstum der Gläubigen sind religiöse Stätten und Aktivitäten äußerst sichtbar.

Protestantische Kirchen in ganz China sind regelmäßig überfüllt. Die riesige staatlich zugelassene christliche Kirche in Beijing Haidian ist jeden Sonntag zum Bersten voll. Mitarbeiter des Nachrichtendienstes Forum 18 haben selbst gesehen, wie ein Mitglied der Kirche Flugzettel über die Gottesdienste an die Fußgänger in einer belebten Einkaufsstraße in der Nähe der Kirche verteilte. Die unter Ausländern als Community Church bekannte Kirche in Schanghai zieht Sonntag für Sonntag große Zahlen an Gläubigen an. Viele müssen im Hof sitzen, da  keine Sitzplätze im inneren des Kirchengebäudes frei sind. Auch die inoffiziellen Kirchen und Hausgemeinden sind voll.

Doch die Christen sind nicht die einzige Religionsgemeinschaft, die ein spektakuläres Wachstum zu verzeichnen hat. Auch buddhistische Tempel ziehen große Menschenmassen an, die dort beten und den Rat von Mönchen suchen.

Die Selbstverbrennungen tibetischer Mönche und anderer Tibeter und die Schwierigkeiten der christlichen Shouwang Gemeinde zeigen die nach wie vor bestehenden Grenzen der Religionsfreiheit in China auf, bei gleichzeitigem Wachstum lebendiger Religionsgemeinschaften. Da der Großteil der Verletzungen der Religionsfreiheit in China vom Staat und seinen Organen ausgeht, verlangt diese widersprüchliche Situation nach einem tieferen Verständnis des kommunistischen Staates und seiner Haltung gegenüber der Religion.

Ein Staat geführt von Managern

Wenn man die Entwicklung der Religionspolitik des kommunistischen China verstehen will muss man erkennen, dass seine Haltung zur Religion weitgehend die Ansichten der modernen chinesischen Elite und bereits die der Vorgänger der kommunistischen Machthaber reflektiert. Einfach gesagt, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Haltung chinesischer Denker und Mitglieder der politischen Elite geprägt von Geringschätzung für  Religion und religiöse Menschen. Die Elite sieht Religion bzw. „Aberglauben“, wie sie religiöse Überzeugungen nennt, schon lange als Hindernis für die Modernisierung Chinas. Die ersten kommunistischen Führer Chinas waren direkte ideologische Nachfahren der nicht kommunistischen Verfechter der Modernisierung Chinas im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Für die kommunistischen Eliten Chinas, einschließlich Mao Tse-Tungs, war die Modernisierung Chinas oberste Priorität, um China zu einem fortgeschrittenen Staat zu machen, der im Konkurrenzkampf mit dem Westen erfolgreich bestehen kann. Auch die politische Unabhängigkeit vom Ausland, insbesondere von westlichen Staaten, wurde als hohe Priorität gesehen. Alles, was diesen Zielen im Weg stand, galt es zu eliminieren.

Diese Perspektive führte zu einem – nach dem Verständnis der Elite – pragmatischen Verhalten gegenüber Religionsgemeinschaften und Gläubigen. Man praktizierte eine systematische Unterdrückung der Religion und der Gläubigen. Bald nach der Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949 begann der Staat eine systematische Ausrottungspolitik gegenüber einheimischen spirituellen Überzeugungen, die man als Teil der lokalen Traditionen sah, die bisher Fortschritt und Entwicklung behindert hatten. Gleichermaßen unterdrückte der Staat ausländische Religionen und insbesondere das Christentum systematisch in dem Versuch, alle Kanäle zu eliminieren, durch die feindliche ausländische Mächte das neu errichtete kommunistische Regime und das von diesem angestrebte Sozial- und Wirtschaftssystem beseitigen könnten. Die Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 bildete den Höhepunkt des ideologischen Wütens im kommunistischen China. Während dieser Phase wurden die Religionsgemeinschaften und ihre Anhänger in den Untergrund gedrängt. Doch die Kulturrevolution war nur ein zeitlich beschränktes Kapitel in der Geschichte des Kommunismus in China.

Mit der Reformära kehrte der Pragmatismus zurück, als die politischen Führer Chinas sich bewusst dafür entschieden, ideologische Überlegungen hintan zu stellen und zur Aufgabe der Modernisierung des Landes zurückzukehren. Seit dem Beginn des 21. Jahrhundert ist  „soziales Management“ zu einem wesentlichen politischen Ziel geworden. Die politische Führung betont die Bedeutung der sozialen Stabilität, selbst wenn dies auf Kosten der Modernisierung gehen könnte.

Ideologische Rhetorik ist jedoch nicht vollkommen verschwunden und wird auch nicht verschwinden. So erklärte Vizeminister Zhu Weiqun im Dezember 2011, dass Kommunismus und Religion unvereinbar sind und dass Mitglieder der Kommunistischen Partei religiöse Überzeugungen ablehnen müssen. Solche Aussagen sind aus vielen Gründen interessant, unter anderem weil daraus hervorgeht, dass es Parteimitglieder mit religiösen Überzeugungen gibt. Es dringen immer wieder Berichte nach außen, dass protestantische Christen in hohen Positionen der Regierung zu finden sind, hochrangige Mitglieder des Militärs waren angeblich Anhänger der inzwischen verbotenen aber im Untergrund weiterbestehenden Falun Gong Bewegung. Der Gründer von Falun Gong hatte ursprünglich sogar staatliche Unterstützung erhalten und auch vergleichbare philosophische und Gesundheitsbewegungen („Qigong“) wurden durch den kommunistischen Staat gefördert. Es bleibt abzuwarten, wie sich religiöse Überzeugungen in den Reihen von Funktionären und Beamten auf die Ansicht der politischen Eliten Chinas auswirkt, dass Religion „Aberglaube“ und ein Hindernis für die Modernisierung sei. Eine Änderung dieser Ansicht der Elite könnte eine sehr positive Auswirkung auf die Religionsfreiheit in China haben.

Ganz im Gegensatz zu den Aussagen von Zhu Weiqun wurden kürzlich religiöse Gruppen ermutigt, sich für die Notleidenden im Land zu engagieren, Stiftungen und Organisationen zu gründen, um den Nöten der Menschen zu begegnen. Andrerseits wurden die Religionsgemeinschaften davor gewarnt, ihr karitatives Engagement zu nützen, um ihre religiösen Überzeugungen zu verbreiten.

Der kommunistische Staat hat eine wesentliche Rolle bei der wirtschaftlichen Transformation Chinas gespielt und sich dabei nicht von der offiziell proklamierten kommunistischen Ideologie leiten lassen. „Niemand glaubt mehr an den Kommunismus“, diese Aussage hörten die Mitarbeiter von Forum 18 immer wieder bei ihren Gesprächen in China, auch von Regierungsbeamten. Seit der Kulturrevolution hat sich der Staat eines Großteils seines marxistischen ideologischen Gepäcks entledigt. Hauptanliegen ist die Modernisierung des Landes, und vielleicht noch mehr, der Machterhalt. Daher wird es den Religionsgemeinschaften gestattet, zu existieren und sogar zu wachsen, so lang sie das Ziel der Modernisierung des Staates und den Fortbestand der Herrschaft der Kommunistischen Partei nicht gefährden.

Die Leichtfertigkeit der Sterbehelfer

27 Menschen wurden 2011 von der Organisation Sterbehilfe Deutschland bei der Selbsttötung unterstützt. Zahlreiche Betroffene waren nur psychisch krank, andere sogar kerngesund.

Dieser Kult um die Selbstbestimmung dürfte auch dafür verantwortlich sein, dass es unter den 27 Fällen nur fünf gibt, bei denen eine zweifellos unheilbare und in absehbarer Zeit zum Tode führende Krankheit vorlag, ALS oder ein rasch voranschreitender Krebs. Daneben finden sich sieben Fälle mit tatsächlich schlechter Prognose und großen Beschwerden, mit denen die Personen aber in der Zeit der Begutachtung noch recht gut leben konnten.

In der Mehrheit der Fälle jedoch, insgesamt 15, lagen entweder keine Beschwerden vor, oder es handelte sich um psychische Störungen, bei denen eine an Lebensverbesserung orientierte Medizinethik von einer Beihilfe zum Suizid völlig absehen muss.

Mehr: www.welt.de.

Grudem: Systematische Theologie in deutscher Sprache

Da ich immer wieder gefragt werde, auf diesem Weg der Hinweis, dass die Übersetzungsarbeiten an der Systematischen Theologie von W. Grudem in die letzte Phase eingetreten sind. Der Text steckt im Lektorat und der bearbeitende Lektor hofft, dass das Buch im Sommer (oder  einige Wochen früher) in die Buchläden kommt.

Die Johannesoffenbarung

eva_cover_978-3-374-02879-5.jpgIn der Evangelischen Verlagsanstalt ist gerade ein neues Buch über die Johannesoffenbarung erschienen:

  • Martin Karrer, Michael Labahn (Hrsg.): Die Johannesoffenbarung: Ihr Text und ihre Auslegung, Evangelische Verlagsanstalt, 2012, 496 S., 64 Euro.

Der Verlag schreibt über das Buch:

In der aktuellen Forschung finden die Johannesoffenbarung, ihre Text- und Auslegungsgeschichte wieder stärkere Beachtung. Der Sammelband nimmt diese Entwicklung auf und legt Vorträge einer Tagung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel, ergänzt durch weitere richtungsweisende Beiträge, vor. Die Schwerpunkte Textgeschichte und Auslegung ermöglichen, mit Hilfe unterschiedlicher methodischer Zugänge wesentliche Forschungsfel­der abzuschreiten: Textüberlieferung und Schriftrezeption, religionsgeschichtliche Problematik, Bilderwelt, Aspekte der Hermeneutik sowie der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte, der literarischen Struktur und ihrer sprachlich-theologischen Konzeption sowie das Wechselspiel von Text und Rezipient unter tiefenpsychologischer Perspektive. Die Beiträge belegen, dass die beständige Überprüfung bisheriger Annahmen der Exegese notwendig und lohnenswert ist, und vertiefen das Verständnis der Johannes­offenbarung.

Das Buch enthält zahlreiche Aufsätze zur Textkritik und -geschichte. Am Schluss gibt es einen Beitrag mit dem Titel „Die Johannesoffenbarung in den grossen Bibelkodizes“, der Übersetzungen unterschiedlicher Manuskripte (Sinaiticus, Alexandrinus etc.) sowie eine Einführung von Martin Karrer anbietet.

Generation „Maybe“

Oliver Jeges, 29 und Volontär an der Axel-Springer-Akademie, beschreibt sich und seine Generation als verunsichert: „Wir 20- bis 30-Jährigen sind eine Generation ohne Eigenschaften. Gut ausgebildet, aber ohne Plan, ohne Mut, ohne Biss. Weil alles möglich ist, sind alle heillos überfordert.“

Weiter heißt es in dem Die WELT-Beitrag:

Was früher der Inbegriff von Biederkeit war, gilt mittlerweile wieder als erstrebenswert. Bei Licht betrachtet kommt eine Generation zum Vorschein, die sich lieber für spießige Fernsehserien wie „Desperate Housewives“ oder „How I Met Your Mother“ interessiert als für Ideen.

Eine Umfrage hat vor Kurzem ergeben, dass jeder Fünfte unter 30 Auschwitz nicht kennt. Man darf vermuten, dass es sich dabei nicht nur um Bildungsverlierer handelt. Aber nicht nur ein scharfes Bewusstsein, auch der Mut scheint auf der Strecke zu bleiben. Weder im Beruf („Irgendwas mit Medien“) noch im Privaten („Irgendwann möchte ich auch Kinder haben“) wollen wir uns festnageln lassen. Wir wollen nicht planen, sondern in den Tag hinein leben. Den Eigenschaftslosen fehlt der Kompass.

Wir schlafwandeln durch eine vernetzte Welt voller Möglichkeiten und fühlen uns verunsichert angesichts der Fülle von Optionen. Wir wollen Lebenskünstler sein und denken wie Beamte. Wir verwalten das Erbe unserer Eltern und Großeltern. Ein postmodernes „Anything goes!“ hat uns überrumpelt, und jetzt wissen wir nicht mehr weiter. Wir haben uns in eine Mentalität des Entweder-oder verrannt, die uns zum Verhängnis wurde; wollen überall dabei sein und nichts verpassen. Ein Irrweg. Der Mut zur Entscheidung ist wieder gefragt. Auch wenn das manchmal unangenehm ist.

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