Mai 2014

Die Illusion mit der Inklusion

Es ist ein hehres Ideal: Kinder mit und solche ohne Behinderung sollen gemeinsam unterrichtet werden. Doch viele Lehrer und Fachleute sagen: Das hilft keinem der Schüler wirklich.

Katrin Hummel zieht eine differenzierte und nüchterne Bilanz. Darin heißt es:

Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, zweifelt ebenfalls daran, dass Regelschulen in jedem Fall der geeignete Ort für Förderkinder sein sollen: „Warum es die hochdifferenzierten, höchst individuell fördernden und von hochprofessionellem Lehrpersonal geführten Förderschulen wegen der UN-Konvention zukünftig nicht mehr oder kaum noch geben soll, erschließt sich keiner nüchternen Betrachtung.“

Es gibt Eltern von Förderkindern, die das genauso sehen, zum Beispiel die „Landeselternschaft der Förderschulen mit Schwerpunkt geistige Entwicklung NRW“. Längst nicht alle wollen von ihrer neuen Wahlfreiheit Gebrauch machen und ihre Kinder auf Regelschulen schicken. Man würde sie aber dazu zwingen, wenn man die Förderschulen abschaffen würde – was man tun müsste, damit die Inklusion bezahlbar wird.

Mehr: www.faz.net.

Der grüne Weltgeist

Analysen von Hans-Werner Sinn werden gern als Panikmache beiseite geschoben. Ich bin gespannt, was wir in 15 Jahren über diesen Satz denken:

Die Politiker, die aktuell an der Macht sind, handeln ziemlich verantwortungslos; die Probleme, die sie momentan nicht lösen, muss die nächste Generation in vielfach verschärfter Form ausbaden.

Das ganze Interview mit Prof. Sinn gibt es beim Schweizer Monat: www.schweizermonat.ch.

VD: WH

Menschenzucht

Gehört die Zukunft den Designer-Babys? Der französische Reproduktionsbiologe Jacques Testart warnt in seinem jüngsten Buch Wie morgen Kinder gemacht werden vor einem zunehmendem Missbrauch fortpflanzungsmedizinischer Techniken. Der Atheist sagt:

„Die In-vitro-Fertilisation wird benutzt, um eine große Zahl von Embryonen zu erzeugen, unter denen ausgewählt wird, welchen man in die Gebärmutter einpflanzt. Die Präimplantationsdiagnostik wurde in Frankreich nur für Paare erlaubt, bei denen die Gefahr besteht, dass sie eine ‚besonders schwere Krankheit‘ vererben können. Aber ‚besonders schwer‘ – das ist so schwammig, dass es Tür und Tor für subjektive Entscheidungen öffnet. Letztendlich wird man sich an den technischen Möglichkeiten und an den Wünschen der Betroffenen orientieren. Darin sehe ich derzeit die schlimmste Entgleisung.“

Hier ein hörenswerter Beitrag von Bettina Kaps:

Calvin und der Tod

Am 27. Mai 1564, also vor 450 Jahren, starb Johannes Calvin. Gern wird der Genfer Reformator als eiskalter Despot dargestellt. Das aber trifft sicher nicht zu. Calvin konnte hart sein und neigte, besonders wenn er gesundheitlich angeschlagen war, zum Jähzorn. Aber eigentlich war er ein zart besaiteter Gelehrter, dem die Politik eher schwer fiel. Kurz vor seinem Tod sagte er: „Ich habe inmitten von viel Streit gelebt. Abends wurde ich aus Spott mit 50 bis 60 Büchsenschüssen begrüßt. Was glaubt ihr, wie sehr mich das verängstigt hat, mich armen, schüchternen Gelehrten, so wie ich bin und so wie ich immer gewesen bin, was ich ehrlich zugebe?“ Calvin hatte viele Feinde. Als er einmal durch Genf ging, hetzte jemand die Hunde auf ihn und rief: „Packt ihn, packt ihn!“

Ich möchte nachfolgend zwei Belege für seine „weichen Seiten“ anbringen. Hermann Selderhuis schreibt (Johannes Calvin, 2009, S. 301):

Die Vorstellung, Calvinisten seien Menschen, die angesichts des Todes keine Emotionen zeigen und ihre Liebsten begraben, ohne eine Träne zu vergießen, um so zu demonstrieren, dass sie alles aus Gottes väterlicher Hand empfangen, ist jedenfalls nicht durch Calvin entstanden. Sicher, es war für ihn ein Trost, »dass selbst der Tod für einen Christenmenschen nicht unglücklich sein kann« (CO 6, 631). Zugleich sind seine Briefe jedoch voller Tränen über Menschen, die ihm nah gestanden hatten und die gestorben waren. Für Calvin stand die Trauer darüber nicht im Konflikt mit seiner Auffassung, dass Gott alles lenke. Als er von der Verfolgung der Waldenser hörte, schrieb er Farel: »Ich schreibe unter Tränen und erschöpft vor Trauer muss ich plötzlich so heulen, dass ich mit dem Schreiben aufhören muss« (CO 12, 76). Und als sein Freund Guillaume de Trie, der Herr von Varennes, gestorben war, wurde Calvin vor lauter Trauer krank. »Ich muss diesen Brief aus meinem Bett heraus diktieren, denn mein lieber Varennes wurde mir genommen« (CO 18, 6491).

Als Calvin im Sterben lag, war es ihm ein großes Anliegen, Vergebung für seine Schwächen zu erbitten (Johannes Calvin, 2009, S. 304–305):

Am 2. Februar 1564, einem Mittwoch, hielt Calvin seine letzte Vorlesung über einen Abschnitt aus dem Buch Ezechiel. Am darauf folgenden Sonntag hielt er seine letzte Predigt, zu der man ihn auf einem Bett zur Kanzel bringen musste. Zu Ostern, am zweiten April, trug man ihn noch einmal zur Kirche, um mit ihm ein letztes Mal das Abendmahl zu feiern. Danach machte er sein Sterbebett zur Kanzel, als er zuerst am 27. April den Kleinen Rat und dann am 28. April das Konsistorium zu einem letzten Gespräch einlud. Den Tod vor Augen, wollte er die Politiker und Amtsträger Genfs noch ein letztes Mal sehen und vor allem noch einmal mit ihnen reden. Und das tat er im Stil der Erzväter, jedoch ohne seine Sterbensworte zu inszenieren. Calvin war Advokat und kein Schauspieler, deshalb sprach er nicht dramatisch, sondern sachlich und pastoral. Er machte sich die Tatsache zunutze, dass er nicht plötzlich starb und dass er bis in seine letzten Tage bei klarem Verstand blieb, um noch einmal ein Zeugnis zu geben. So arbeitete er bis zu seinem letzten Atemzug. In beiden Gesprächen bat Calvin um Vergebung für seine Schwächen. Und man verzieh ihm auch. Beza schrieb, dass Calvins Krankheit diesen am Ende seines Lebens verdrießlich gemacht habe, und auch, dass Calvin dadurch manchmal ein schwieriger Umgang gewesen sei. Seiner Meinung nach habe Gott jedoch auch das zum Guten benutzt. Auch Colladon schrieb Calvins Jähzorn der göttlichen Vorsehung zu, da Gott von diesem Makel Calvins doch Gebrauch habe machen können. Calvin sprach ganz offen über seine Fehler. Seiner Meinung nach machte es auch wenig Sinn, diese zu verschweigen, da Gott und die Engel ohnehin darum wussten (CO 9, 890). Während seiner Anwesenheit in Genf, so Calvin, habe es viele Diskussionen und viel Streit gegeben und das sei nicht die Schuld der Ratsmitglieder gewesen, sondern vor allem seine eigene.

„Transformation“ statt „Mission“

Auf einem dreitägigen Zukunftsforum haben kürzlich rund 800 Verantwortliche aus 563 Kirchenkreisen über die Zukunft der EKD nachgedacht. Karsten Huhn war für ideaSpektrum dabei und hat u.a. folgende Beobachtung gemacht (ideaSpektrum, Nr. 21, 21. Mai, S. 15):

Auffallend: Das in den 2000er Jahren vorübergehend beliebt gewordene Wort Mission ist erst mal wieder von der Tagesordnung verschwunden. Stattdessen dominiert jetzt das Wort Transformation. Auf dem Zukunftsforum hat man es so oft gehört, dass man es am liebsten auf den Index setzen möchte.

Ashley Null in München

Dr. Ashley Null

Die „Rechtfertigung“ oder „Glaubensgerechtigkeit“ ist ein zentraler Begriff der christlichen Gnadenlehre. Sie fragt danach, was geschehen muss, damit das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, das durch die Sünde des Menschen gestört ist, wieder geheilt werden kann. Welche Rolle spielen dabei Glaube und Werke?

In einer Vorlesung Ende Mai am Martin Bucer Seminar in München wird Dr. Ashley Null die Entwicklung der protestantischen Rechtfertigungslehre auf dem Hintergrund der scholastischen Theologie beleuchten. Ashley Null lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin (Lehrstuhl für Kirchengeschichte mit Schwerpunkt Mittlere und Neuere Kirchengeschichte sowie Reformationsgeschichte) und ist einer der führenden Experten für Thomas Cranmer (1489–1556).

Wir haben uns dazu entschlossen, für die Veranstaltung keinen Gasthörerbeitrag einzunehmen (wir werden eine allg. Kollekte einsammeln). Uns liegt viel daran, dass möglichst viele Hörer an der Veranstaltung teilnehmen, da wir so einen ausgewiesenen Experten für die Reformationszeit nicht alle Tage in München anbieten können. Also laden Sie bitte auch mögliche Interessenten und Freunde ein!

Weitere Informationen hier: AshleyNull.pdf. Wer Interesse hat, kann sich gern formlos als Gasthörer anmelden. Weitere Informationen dazu hier: www.bucer.de/muenchen.html.

R. Slenczka kritisiert Grundlagentext „Rechtfertigung und Freiheit“

Das hier kürzlich vorgestellte EKD-Grundlagendokument „Rechtfertigung und Freiheit“ ist von Professor Reinhard Slenczka scharf kritisiert worden. „Zu wiederholten Malen ist in Kirchen der Reformation der Versuch gescheitert, Erklärungen zu dem reformatorischen Zentralthema Rechtfertigung zu verfassen und in kirchlichen Gremien zu verabschieden“, schreibt der emeritierte Systematiker in seinem Gutachten „Das Unverständnis von Rechtfertigung in der Kirche der Reformation“.

Hier einige Auszüge:

Dass diese noch nicht so lange zurückliegenden und mit einer umfangreichen Diskussion verbundenen Vorgänge offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurden, führt dazu, dass in dem vorgelegten Text des Rates sämtliche Grundfehler wiederholt werden, die davon ausgehen, dass man Rechtfertigung für eine zeitbedingte Erfindung von Theologen hält, die den veränderten Gesellschaftsverhältnissen anzupassen ist. So lautet die Leitfrage in diesem neuen Versuch, Rechtfertigung verständlich zu machen: „Wie kann Kirche so gestaltet werden, dass in ihr tatsächlich von Jesus Christus geredet wird, also als dem, in dessen Person, Wort und Werk Gott wie sonst nirgends gegenwärtig ist?“ (57). In diesem Satz ist schon der Grundfehler erkennbar: Jesus Christus ist nicht Subjekt und Herr der Kirche, die sein Leib ist, sondern er ist Gegenstand der Vermittlung durch Theologie und Kirchenleitung. Man muss ihn also „annehmbar“, attraktiv, machen. Das geschieht mit den Mitteln von Anpassung und Werbung, nicht aber durch das Handeln Gottes in Erwählung und Verwerfung.

Die Aufgabe von Theologie und Kirche besteht nicht darin, dass Antworten auf die Fragen der Zeit gegeben werden, indem man sich Vorstellungen der Zeit und Forderungen der Gesellschaft anpasst. Aufgabe rechter Theologie ist vielmehr die immer von neuem notwendige Unterscheidung von wahrer und falscher Lehre, von Gehorsam und Ungehorsam gegen Gottes Gebote mit dem Ziel, dass die Kirche in der Wahrheit bleibt und dass in der Sünde gefangene Menschen zum Heil, zur Rettung aus dem Endgericht, durch die Gnadenmittel von Wort und Sakrament durch Umkehr und Erneuerung geführt werden. Das ist Wesen und Auftrag der Kirche von ihrem Herrn; auf diese Weise wird das vor der Erschaffung der Welt (Eph 1, 4) erwählte Volk Gottes aus der Welt herausgerufen. Wenn das nicht gesehen und beachtet wird, verfallen Theologie und Kirche in gesellschaftspolitische Ideologiebildung. Sie wird zur Zivilreligion und zur Staatskirche mit gesellschaftspolitischen Aufgaben und Interessen. Sie mag den Namen und Anschein haben, dass sie lebt, aber sie ist tot (Offb 3, 1).

Was in dem Dokument vom Glauben „sola fide“ als „theologischer Grundgedanke – kein Marionettentheater“ gesagt wird (87 f), kann man nur als albern bezeichnen. Faktisch wird der Glaube hier nicht als Gabe, sondern als Werk verstanden: „Glauben ist eine neue existentielle Haltung Gott und sich selbst gegenüber. Im Glauben lässt der Mensch seine Rechtfertigung durch Gott zu und versteht sich von ihr her. Glauben heißt Ja sagen dazu, dass man selbst nichts dazu beitragen kann, dass Gott gnädig ist. Im Glauben nimmt der Mensch seinerseits an, dass Gott ihn trotz allem angenommen hat. Allein durch Glauben heißt eben ‚nicht durch Werke‘. Der Mensch muss sich Gottes Gnade gefallen lassen, er muss aushalten, dass er selbst nichts zu seiner Rechtfertigung beitragen kann.“ Damit wird eine menschliche Einstellung und Verhaltensweise beschrieben, ja sogar befohlen, wo eigentlich von Gabe und Empfang durch den Heiligen Geist zu reden wäre.

Das Gutachten kann freundlicherweise bei der „Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern“ (KSBB) heruntergeladen werden: ksbb-bayern.de.

Holger hat ebenfalls einen ausführlichen Kommentar verfasst: lahayne.lt.

Schätze der Gnade

NewImageDas Blog des lesenswerten Timotheus Magazins hat das Buch Schätze der Gnade besprochen:

Alte Wahrheiten werden wieder neu entdeckt, belebt und für die Kirche Jesu fruchtbar gemacht. In den USA hat die reformatorische Theologie bereits feste Formen erhalten, durch namhafte Führungspersönlichkeiten, Ausbildungsstätten, Gemeindeverbände, Missionswerke, Publikationen sowie Konferenzen. So sehr man auch gerne am Segen der Amerikaner teilhat, so wünscht man sich doch eine (dauerhafte) Erweckung für das eigene Land. Das Buch Schätze der Gnade – Reformatorische Theologie im 21. Jahrhundert kann dabei richtungsweisend sein und wertvolle Impulse liefern.

Hier mehr: timotheusmagazin.de.

N. Bolz: „Geistiger Selbstmord“

Der Philosoph Norbert Bolz erklärte 2008 FOCUS online, warum er nach den Werten der Familie jene der Religion verteidigt

Irgendetwas muss Gott sein. Das ist evident beim Kult ums moderne Ich. Das ist auch evident bei der grünen Religion, wo Gottvater durch Mutter Erde ersetzt wird. Die Sozialreligion wiederum, in welcher der Staat quasi die göttliche Rolle einnimmt, ist sicher die wichtigste und immer noch folgenreichste. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass wir immer tiefer in den Staatsgötzendienst steuern – und jede Menge Theologen sind bereit, aus Gründen der Anpassung an dieser Sozialoffenbarung mitzuwirken. Das Traurige ist eben, dass solche Ersatzreligionen gerade von denen praktiziert und vorangetrieben werden, von denen man eigentlich erwarten sollte, dass sie denken können.

Wenn der Antichrist auftritt, heißt es bei Paulus, dann wird er an seiner Rhetorik von Sicherheit und Friede erkennbar sein. Ich glaube, das ist die Befreiung, wenn es so pathetisch sein darf, die Deutschland fehlt: Wir sind immer noch gebannt von der Rhetorik des Gutmenschentums und müssen einfach erkennen, das ist die Rhetorik des Antichristen. Es ist meine stille Aufklärungshoffnung, dass man wenigstens den intelligenten Leuten hierzulande diesen Zusammenhang noch mal klarmachen kann.

Mehr: www.focus.de.

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