Der Gebetsruf im Islam

Die Stadt Köln erlaubt den Muezzin-Gebetsruf. Zunächst befristet auf zwei Jahre. Der Muezzin darf freitags zwischen 12 und 15 Uhr für maximal fünf Minuten die Gläubigen zum Gebet rufen. Die Entscheidung wurde überwiegend begrüßt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker sprach von einem „Zeichen des Respekts“ sowie von religiöser Freiheit und Vielfalt.

Geht es dabei wirklich nur um die selbstverständlich zuzugestehende Religionsfreiheit, also um die Frage, ob Muslime ihre Glaubenspflichten ungehindert erfüllen können? Ist der Gebetsruf eine schlichte Einladung zum Gottesdienst, so ähnlich wie das Läuten der Kirchenglocken?

Die Islamwissenschaftlerin Prof. Christine Schirrmacher weist in einer Stellungnahme aus dem Jahre 2005 darauf hin, dass der Gebetsruf nicht nur eine religiöse Dimension ausfüllt, sondern ebenso politische und gesellschaftliche Aspekte umfasst. Sie schreibt: 

Es geht bei der Forderung nach dem Gebetsruf per Lautsprecher deshalb auch nicht darum, daß Muslime erst durch den Einsatz des Lautsprechers das islamische Gesetz in Deutschland treu erfüllen können, denn es ist kein Lautsprecher notwendig, damit das Gebet gültig wird. Der lautsprecherverstärkte Gebetsruf berührt auch keine sonstige Bestimmung der islamischen Pflichtenlehre.

Die größte Bedeutung hat der lautsprecherverstärkte Gebetsruf dagegen als Mittel der Verkündigung des Islam: Klassischerweise teilt der Islam die ganze Welt in zwei Bereiche ein, nämlich in einen Bereich, in dem der Islam schon Staatsreligion ist und die islamische Ordnung aufgerichtet ist; dies ist das „Haus des Islam“ (arab. dâr al-islâm). Im „Haus des Krieges“ (dâr al-harb) gilt das islamische Recht noch nicht. Das Bestreben, zumindest von politisch aktiven muslimischen Gruppierungen, von welchen sich etliche in Moscheevereinen organisieren, geht nun dahin, im „Haus des Krieges“ die islamische Ordnung aufzurichten. Das geschieht nicht unbedingt auf militärischem Wege, sondern durchaus auf friedlichem Weg, mit Hilfe einer Durchdringung der Gesellschaft mit dem Islam und seinen Werten, denn der Islam versteht sich ja als umfassendes System, das nicht nur die Religion eines Menschen bestimmt, sondern seine familiären und sozialen Beziehungen ebenso regelt wie Leitlinien für Politik und Wirtschaft gibt.

Bei der Forderung nach dem Gebetsruf per Lautsprecher geht es deshalb vor allem darum, dem Islam öffentlich Gehör zu verschaffen, ja seine Ausbreitung zu demonstrieren, den aus muslimischer Sicht einzig wahren Gott und seinen Propheten Muhammad auszurufen, sowie den Glauben an Allah öffentlich zu proklamieren. Der Gebetsruf hat also nicht nur eine religiöse, sondern auch eine politische und gesellschaftliche Komponente. Er ist ein Mittel islamischer Propaganda.

Mehr hier: www.islaminstitut.de.

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20 Kommentare
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Udo
3 Jahre zuvor

Interessant, dass man den Aufruf „Allahu Akbar“ mit Kirchenglocken vergleicht und mit der Überschrift „geschätzte und gelebte Vielfalt“ versieht. Das kann man dann wohl nur mit einer gehörigen Portion kultureller Unkenntnis und Geschichtsvergessenheit, die auch nicht mehr weiß, was unsere Gesellschaft einer jüdisch-christlichen Vergangenheit zu verdanken hat.

Clemens Altenberg
3 Jahre zuvor

Nicht, dass ich einen Muezzin in meiner Nähe haben möchte oder den Koran unkritisch sehen könnte, aber die Geschichte lehrt ja, dass wir dem Islam aus der Zeit wo er die kulturelle Speerspitze war ebenso ein paar Nebensächlichkeiten verdanken: Die Gewohnheit sich regelmäßig zu waschen, Kanalisation, Städte, die bei Nacht beleuchtet sind, kein religiöses Tabu den menschlichen Körper medizinisch zu untersuchen, die Rettung wichtiger Werke der griechischen Philosophie, die Liebeslyrik und die Gitarre…

Last edited 3 Jahre zuvor by Clemens Altenberg
Stephan
3 Jahre zuvor

@Clemens Altenberg

Richtig, als er die kulturelle Speerspitze WAR. Heute sind die meisten Strömungen kulturell eher eine Sperrspitze, die dann auch vor der Zerstörung von Kulturgütern nicht zurück schreckt. In der Kirchengeschichte gab es ähnliches, auf der einen Seite kulturelle Errungenschaften, auf der anderen Seite Engstirnigkeiten und Zerstörungen. Und auch im Weltlichen gab es immer mal wieder Kulturzerstörung, Bücherverbrennungen, Cancel Culture, …, da nimmt sich kein politisches Lager was.

Ich bin der Meinung, dass man den „Ist-Zustand“ einer Religion oder einer Strömung innerhalb einer Relegion betrachten muss, um feststellen zu können, ob ein Nebeneinander bedenkenlos machbar ist.

Der Blick zurück wäre wichtig, um aus der Geschichte lernen zu können – z.B. wie aus dem Islam der jetzige Zustand entstehen konnte. Oder warum die Reformation erfolgte. Allerdings scheinen Gesellschaften immer wieder zur kollektiven Lernresistenz zu neigen.

Helge Beck
3 Jahre zuvor

Ach ja die Evangelikalen und ihr Feindbild Islam. Was soll man da auch anderes erwarten.

Klaus
3 Jahre zuvor

Helge Beck, Sie können wohl nur destruktiv. Im Netz nennt man das Trollen. Jede Diskussion ist Zeitverschwendung

Stephan
3 Jahre zuvor

Was Helge Beck vielleicht nicht weiß: es gibt durchaus interessante Schnittmengen zwischen Evangelikalen und dem Islam, die ihm als Linksaußen gar nicht so in den Kram passen dürften. – Auch der Islam kennt Jesus (zwar nicht so, wie ihn die Bibel beschreibt, aber immerhin als Propheten) – er kennt Maria – und wenn ich mich recht entsinne, empfiehlt der Koran die Lektüre der Thora und des Evangeliums (Sura 3,48 ?) – Schöpfung statt Kreation – Ablehnung gewisser sexueller Praktiken und -Verhaltensweisen – Ablehnung von Drogen – ewiges Leben, Gericht, …. – … und noch ein paar Dinge mehr (z.B. Feminusmus, …) Natürlich gibt es auch Unterschiede, wobei insbesondere der politische Machtanspruch und der mittlerweile stark ausgeprägte Antisemitismus (das ist sicherlich die eine verbindende Gemeinsamkeit mit linken Haltungen) zu unvereinbaren Positionen zwischen Islam und Christentum führen, generell zwischen politischem Islam und den immer noch auf dem Christentum basierenden Gesellschafts- und Wertestrukturen des Westens. Auch denke ich, dass wir nicht den gleichen… Weiterlesen »

Chrissen
3 Jahre zuvor

1. Johannes 2,22-23: Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Der ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater. In der Heiligen Schrift sagt Gott, daß Satan der Vater der Lüge ist – so ist klar, was der Islam ist und was wir von ihm zu halten haben. 2. Korinther 6,14-17: Geht nicht unter fremdartigem Joch mit Ungläubigen! Denn welche Verbindung haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn wir sind der Tempel des lebendigen Gottes; wie Gott gesagt hat: „Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.“ Darum geht aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch… Weiterlesen »

Matze
3 Jahre zuvor

Das verstehe wer will: die Tinte im Buch “ glauben,lieben,hoffen“ ist noch nicht mal ganz trocken und bei uns Evangelikalen wird bei den Moslems vor der Türe gekehrt. Wir sollten uns eher darum kümmern dass das Evangelium deutlich und glaubhaft verkündigt bei all Skandalen in Groß- und Freikirchen.

Ben
3 Jahre zuvor

Ach ja, der Helge Beck und sein Feindbild die Evangelikalen. Was soll man da auch anderes erwarten?

Stephen
3 Jahre zuvor

@Matze: richtig
@Mehrere: Herr Beck ist unsere kritische Präsenz und manchmal unbequemer Begleiter. Der Kommentar hier gehört nicht zu seinen besten, aber manche Antworten darauf sind ähnlich schlecht. Ja, wir haben ein Problem mit dem Islam, und müssen aufpassen, dass Kritik nicht Feindschaft wird. Denn Probleme haben ist okay, wenn gut begründet. Wenn die Islamkritik gut begründet ist – und ich denke, sie kann das sein – muss er da Zugeständnisse bringen. Wenn nicht, dann sind spitze Pfeile verdient!
Zu der Behauptung, Herr Beck sei linksaußen, fehlen die Beweise. Beckkritisch darf man sein, aber nicht Beckfeindlich!

Matze
3 Jahre zuvor

Hallo Ron,
Es ist schön jemand zu finden, der die eigene Meinung vertritt und das ist bei der NZZ bei einer solchen Frage nicht anders zu erwarten. Nur ist das gesellschaftlich wie sich das Meinungsbild und die veröffentlichte Meinung entwickelt eben nicht relevant. Nehmen wir das Beispiel Gender: da haben einige wenige am Anfang getrommelt wie verrückt, dann Netzwerke in Gesellschaft und Politik gebildet und so wird sich dieses Denken gesellschaftlich durchsetzen wie der Muezzinruf auch, wodurch beides aber nicht richtiger wird. Deshalb sollte als Gegenentwurf der christliche Glaube gelebt werden und das glaubwürdig und eng an der Schrift orientiert. Wir können und sollten uns mit diesem Themen beschäftigen, aber wir sollten auch eine Alternative anbieten können. Nur so wie das gerade im evangelikalen Bereich abgeht ist dies eben nicht der Fall.

ali
3 Jahre zuvor

Muezzin-Rufe an einem grossmehrheitlich nicht islamischen Ort u/o Land ist kein Ausdruck von toleranter Freiheit und Vielfalt, sondern eine grobfahrlässige Provokation. Da missbraucht eine öffentliche Amtsperson das ihr anvertraute Amt als Oberbürgermeisterin in einer Art und Weise, welche einem fahrlässigen Spiel mit dem Feuer gleich kommt. Und zeigt auf, dass es bei dieser Entscheidung mindestens an der nötigen staats- und rechtsstaatlichen Sensibilität fehlte. So etwas zuzulassen, ohne sich die demokratische Legitimation vom Souverän geben zu lassen. Dem religiösen Islam wurde damit ein Bärendienst geleistet. Und ja, das Verbot von Minaretten in der Schweiz in der Tat als hellsichtige Entscheidung geedelt. Nicht im Traum wäre einem so etwas damals eingefallen. Absolut schockierend!

Johannes
3 Jahre zuvor

Interessant ist vor allem, dass Absolutheitsansprüche anscheinend unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Wie der Zufall will entzündet sich nun gleichzeitig eine Debatte um den Bibelvers an der Kuppel des neu errichteten Berliner Stadtschlosses (Apg. 4,12 „in keinem anderen ist das Heil“), der vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. einst angebracht wurde und den man im Humbold-Forum anscheinend nicht ertragen kann…

Matze
3 Jahre zuvor

Hallo Ron, mit „Alternative“ habe ich nicht eine Alternative zum Gebetsruf der Moslems gemeint. Warum soll sich die Mehrheitsgesellschaft über den Gebetsruf der Moslems aufregen, wenn der christliche Glaube keine ernsthafte Alternative darstellt? Oder anders gesagt: Warum sollen Moslems oder Atheisten Christen werden wenn ihnen der Glaube nicht vorgelebt wird? Oder noch viel schlimmer: wenn selbst viele wiedergeboren Christen in meinem Umfeld der Meinung sind, dass alle Religionen zum ewigen Leben führen, die Pastoren in den entsprechenden Gemeinden dies auch so vermitteln und dies mitten in der EAD passiert. Wie soll man sich dann da glaubhaft über den Muezzinruf aufregen? Es wird doch so indirekt sogar dafür Unterstützung gegeben, dass der Muezzinruf immer mehr toleriert wird. Und daran schließt sich an: wie ernsthaft meinen wir bibeltreuen Christen es wirklich Ernst und sind wir bereit uns mit der Mehrheitsmeinung in Kirchen und Freikirchen anzulegen?

Udo
3 Jahre zuvor

Wer die weltweite Christenverfolgung durch den Islam und den immanenten Antisemitismus im Islam bagatellisiert bzw. ignoriert, wird auch nichts gegen den Muezzinruf haben.

Helge Beck
3 Jahre zuvor

In manchen konservativen christlichen Kreisen scheint es ein tiefgreifendes Missverhältnis zu fundamentalen Menschenrechten wie Religionsfreiheit und Gleichbehandlung zu geben. Gerade in Deutschland mit seiner geschichtlichen Bilanz an Diskriminierung religiöser Minderheiten empfinde ich das als verstörend.

Adnan
3 Jahre zuvor

Ich schreibe aus einer Umgebung, in der der Muezzin jeden Tag fünf mal ruft. Zuweilen nutze ich als Christ diesen Ruf als Erinnerung und spreche mit dem Herrn. Allerdings habe ich mir auch von etlichen frommen muslimischen Freunden erklären lassen, dass sie es schlimm finden, dass der Ruf des Muezzin lautsprecherverstärkt ist. Die älteren von ihnen haben mir erzählt, wie es früher war und wie sehr sie es schätzen würden, wieder die unverstaerkte menschliche Stimme vom Minarett zu hören. Wie oft habe ich Kritik auch zum Teil vernichtende Kritik über den lautsprecherverstärkten Ezan von durchaus gläubigen jungen Muslimen gehört. Sie glauben, dass hinter dem lautstaerkerverstaerkten Ruf keineswegs islamische Frömmigkeit sondern politische Machtausübung kleiner Gruppen steckt, denen es letztlich egal ist, ob dieser Ruf eigentlich für viele hiesige Menschen in seiner aufdringlichen Lautstärke durchaus abstossend ist. Ich befürchte, dass auch in Deutschland mit der Entscheidung in Köln nicht nur die negative Religionsfreiheit von Nichtmuslimen berührt wird. Sondern durchaus auch die Freiheit… Weiterlesen »

2 Jahre zuvor

Danke für die unermüdliche Arbeit, die in diesem Blog steckt.
Lg Emma

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