Die linke Elite und die Pansexualisierung des Alltags

Als der emeritierte Papst Joseph Ratzinger der 68er-Generation eine Mitverantwortung an der sexuellen Verwahrlosung und dem verbreiteten Missbrauch unter Minderjährigen gab, löste dies im Feuilleton eine Welle der Entrüstung aus. Die TAZ sprach schnell von einer Umkehrung. Ratzinger erkläre die Täter, also vor allem die Geistlichen, zu Opfern. Den Emanzipationsprozess, den die 68er herbeigeführt hätten, instrumentalisiere er nur, um die totalitäre Herrschaft der Kirche zu sichern.

Ich will die Probleme in den Kirchen nicht kleinreden. Allerdings bin ich der Auffassung, dass die journalistische Elite gern übersieht, wie tief das existentialistische und postmoderne Vordenkermilieu in die Pansexualisierung des Alltags verstrickt ist. Wer mir nicht glaubt, beschäftige sich etwa mit Georges Bataille oder den Überschreitungen von Michel Foucault (dem großen Pädagogen der Gegenwart, siehe dazu z.B. hier). Und Libération, früher maoistisches Kampfblatt der Linken in Frankreich, setzte in den 70ern starke Akzente für die Entkriminalisierung und kulturelle Wertschätzung der Pädophilie. Offensichtlich durften sich manche Mentoren der Bewegung bis in unsere Tage hinein austoben, ohne das jemand daran Anstoß genommen hat.

Das sollte sich ändern. Der aktuelle Skandal um den Schriftsteller Gabriel Matzneff, der gerade den Kulturbetrieb Frankreichs erschüttert, dürfte nur ein Vorbeben sein.

Die FAZ berichtet:

Im Jahr 1977 erschien in „Le Monde“ ein Aufruf, in dem die Aufhebung des französischen Verbots der Pädophilie gefordert wurde. Anlass war ein Prozess wegen Unzucht mit Zwölfjährigen. Unterzeichnet hatten den Text Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, Louis Aragon, Roland Barthes, Gilles Deleuze. Auch Jacques Derrida, Françoise Dolto, Louis Althusser, André Glucksmann, Philippe Sollers und Catherine Millet. Die späteren Minister Bernard Kouchner (Ärzte ohne Grenzen) und Jack Lang, die emblematische Figur der linken Kulturpolitik, zählten gleichfalls zu den Unterzeichnern. „Es reicht“, forderte die Petition: „Drei Jahre Gefängnis für Zärtlichkeiten und Küsse ohne Gewalt“ drohten den Angeklagten.

Wenn Ratzinger als zentrale Ursache für Missbrauch die Gottlosigkeit nennt, dürfte er – das werden wohl die meisten erst im Rückblick verstehen – Recht haben. Ergänzen sollten wir freilich: Die Gottlosigkeit fühlt sich auch in den Kirchen recht wohl.

Eine klare Leseempfehlung, auch wenn es für manche schwere Kost sein dürfte: www.faz.net.

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6 Kommentare
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Jutta
4 Jahre zuvor

So ganz spontan fällt mir dazu ein:
Wie war das mit den „Künstlern“ ?

Keine Rechtfertigung?
Grenzen- und schrankenlos?

Jutta
4 Jahre zuvor

Ich bin ziemlich sicher, dass Pädophilie überall stark verbreitet ist, und nur nicht an die Oberfläche kommt. Aber da müssen wir nur noch ein bisschen warten .. https://www.n-tv.de/panorama/In-Nigeria-blueht-der-Handel-mit-Kindern-article21494286.html „….Mary Ikoku ist Teil einer Kampagne gegen die Baby-Fabriken in ihrer Heimat. Nach ihren Erkenntnissen gibt es bisher keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass alle verkauften Babys in der Hand von kinderlosen Paaren landen. Einige gelangen wohl auch in die Hände von Pädophilen oder okkulten Zirkeln oder landen im Ausland. Das wäre auch das Schicksal der kleinen Tochter von Adebiyi gewesen, die innerhalb eines Monats viermal weiterverkauft worden war. … “ Kinder für alle, nachdem wir ja nun die „Ehe“ für alle haben – und wie die meisten Menschen wissen, bringen gewisse „Ehen“ nun mal keinen Nachwuchs zustande. Ja, es gibt Probleme auch in normalen Ehen, ich weiss , und die meine ich ausdrücklich nicht. Pädophilie ist für mich eine der schwersten Krankheiten, die jemanden befallen können .. schlimmer als Krebs. Aber was… Weiterlesen »

Markus Jesgarz
4 Jahre zuvor

Dies ist ein Kommentar zu der Aussage im Beitrag: Er schrieb über seinen Sex mit Kindern https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/paedophilie-in-frankreich-autor-schreibt-ueber-sex-mit-kindern-16583098.html am 16.01.2020 von Jürg Altwegg am Ende: Dass sich die Intellektuellen bereitwilliger als die Kirche mit ihren ideologischen Irrtümern und ihrer Propaganda für das Verbrechen Pädophilie auseinandersetzen würden, wird nach der „Affäre Matzneff“ niemand mehr behaupten wollen. Für Julliard begann in den siebziger Jahren Frankreichs Niedergang auch als kulturelle Großmacht. Jetzt hat die Pariser Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den heute 83 Jahre alten Matzneff aufgenommen. Meine Meinung ist: Die Pariser Staatsanwaltschaft hat zu recht Ermittlungen gegen den heute 83-Jährigen Gabriel Matzneff aufgenommen. Im Beitrag: Er war 50, sie 14 https://taz.de/Paedophilie-Skandal-in-Frankreich/!5652482/ am 14.01.2020 von Christine Longin steht am Anfang: Wenn Vanessa Springora von Gabriel Matzneff spricht, nutzt sie die Begriffe der Jagd. Den bekannten französischen Schriftsteller nennt sie das Raubtier, sich selbst seine Beute. Jahrzehntelang leidet die Verlagsdirektorin nach eigener Aussage unter der Beziehung, die der damals 50-jährige Matzneff ihr, der damals 14-Jährigen, aufzwang. Bis… Weiterlesen »

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