Justus Bender von der FAZ beobachtet eine Spaltung der linken Bewegung. Auf der einen Seite gibt es die Linksliberalen, die sich auf Leute wie Immanuel Kant, Martin Luther King, Mahatma Gandhi, John Rawls oder Jürgen Habermas berufen. Diese sehen sich als die Gleichstellungsbeauftragten der Weltgeschichte: Alle Menschen waren gleich und sollten gleich behandelt werden. „Ihr Liberalismus war eine solche Selbstverständlichkeit, dass links und linksliberal wie Synonyme verwendet wurden, es sei denn, es ging um Maoisten einer K-Gruppe, aber selbst von denen redeten manche über Freiheit und Gleichheit, wenn es ihnen in den Kram passte.“
Dann kamen die jungen Linken, die anfingen, die Identität von Menschen in das Zentrum der Diskurse zu rücken.
Identität stand in der antiken Philosophie immer für Gleichheit. Platon und Aristoteles fragten, ob ein Kind, das zum Greis altere, noch derselbe Mensch sei. Für die neuen Linken stand Identität nun für Ungleichheit. Ein Schwarzer ist kein Weißer, ein Mann keine Frau, ein Schwuler kein Hetero. Es ging darum, den Opfern von Diskriminierung nicht ihre Erfahrung abzusprechen. Sie sollten berichten, ihnen sollte geglaubt werden und sie sollten ihr Recht bekommen. Kein Weißer sollte sie einschüchtern, kein Mann und erst recht kein weißer Mann.
Aus dem Wunsch, Opfer in den Vordergrund zu stellen, entstand eine Hierarchie. Wer als schwarze lesbische Frau sprach, stand ganz oben, der weiße Mann hingegen ganz unten. Wer als Weißer für Farbenblindheit argumentierte oder anmerkte, alle Menschen seien gleich, wurde unter Verdacht gestellt. Erkannte er die Opferperspektive nicht an? Verwei- gerte er die Auseinandersetzung mit der Hegemonie seiner Ethnie? „Heraus kommt die schleichende kulturelle Entwertung fast aller Werte der Aufklärung: alles von Universalismus, über Autonomie zu Freiheit. Sie werden alle zweitrangige Prinzipien“, sagt der Soziologe Frank Furedi.
Ein interessante Beobachtung, für die es sich lohnt, die FAS zu besorgen (FAS vom 02.08.20, Nr. 31, S. 4).
Der vollständige Text aus der FAS ist inzwischen online einsehbar unter: http://www.faz.net.
Liebe Grüße, Ron