Die menschliche Vernunft bei Calvin

Günter Frank schreibt über die natürliche Gotteserkenntnis bei Johannes Calvin („Gläubige Vernunft – vernünftige Glaube“, in: Herman J. Selderhuis, Calvinus clarissimus theologus, RHT 18, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2012, S. 141–157, hier S. 155):

Zu Anfang seines dritten Kapitels des 1. Buches der „Institutio“ untersucht Calvin genauer die Struktur der von Natur aus eingestifteten Gotteserkenntnis. Dass dem menschlichen Geist ein natürlicher Instinkt (instinctus naturalis) und ein Samen der Religion (semen religionis) innewohnt, steht danach – wie Calvin betont – außer jedem Zweifel. Dies beinhaltet das Wissen, dass Gott existiert und er der Schöpfer der Welt ist. Und dieses Wissen ist nach Calvin auch durch den Sündenfall nicht zerstört worden. Es ist, als von Gott dem Geist des Menschen eingestiftet, unzerstörbar. Gerade auch der Widerspruch der Gotdosen ist – wie Calvin fortführt – ein Beweis dafür, dass diese Überzeugung auf natürliche Weise allen eingestiftet ist. Das heißt aber auch: eine Vernunft, die sich nicht auch in Ihrer Offenheit gegenüber der Transzendenz begreift, verfehlt sich prinzipiell. Die menschliche Vernunft wird auch nach Calvin erst dann richtig begriffen, wenn sie zugleich jene Offenheit mit bedenkt, welche die Grenze der „ratio“ übersteigt.

Natürlich war Calvin insgesamt weniger an einer philosophischen Argumentation interessiert ist. Dennoch hatte Van Houten m.E. zu Recht seine Untersuchung insgesamt darin zusammengefasst, dass die intellektuelle oder konzeptuelle Erkenntnis der Existenz Gottes auch nach dem Sündenfall im menschlichen Geist bleibe, auch wenn es sich – wie Calvin hervorhebt – nur um ein verworrenes und kein vollständiges Wissen von Gott in Form der Idolatrie handelt. Diese Gotteserkenntnis ist Kern einer bleibenden und unverlierbaren strukturellen Gottebenbildlichkeit des menschlichen Geistes. Was ihm in dieser Erkenntnis mangele, ist die Erkenntnis von Gottes wahrer Natur und die dieser korrespondierenden Antwort des Glaubens und der Frömmigkeit.

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2 Kommentare
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1 Jahr zuvor

Gotdosen – was Calvin damit gemeint hat?

Udo
1 Jahr zuvor

„Gotdosen“ sind die „Gottlosen“.

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