Ein umwerfendes Zitat von Emil Brunner (Das Gebot und die Ordnungen, 1939, S. 64):
Das ist der Glaube, daß der Mensch nunmehr sich, sein Leben, sein Selbst als ein Leben von Gott her, nicht mehr als ein Leben zu Gott hin weiß. Daß im Menschen diese Umdrehung der Lebensrichtung um 180 Grad, diese Umkehrung oder Bekehrung stattfindet, das ist die Wiedergeburt, die göttliche Setzung des neuen Menschen. Daß aber diese Wiedergeburt als Bekehrung, als Selbstverständnis und Selbstwendung stattfindet, das ist der göttliche Geiststempel dieses Geschehens, wodurch es von Zauberei unterschieden ist. Glauben heißt: so wiedergeboren sich wissen, das Leben als ein geschenktes und die Gerechtigkeit als die „fremde“ hinnehmen. Das neue Leben ist das Leben im Indikativ, statt im Imperativ Gottes, im von Gott her Sein, nicht mehr im zu Gott hin Streben. Erst jetzt ist es wahr geworden: das Gute ist das, was Gott tut, nicht das, was der Mensch tut.
Damit ist, im Blick auf das Sittliche, ein Doppeltes gesagt. Erstens ist jetzt endlich der Mensch nicht mehr „selb-ständig“, sondern „gott-ständig“. Er hat ja seine Gerechtigkeit als eine fremde; „Christus ist meine Gerechtigkeit“, mein neues Ich. Nicht mehr sich selbst traut er das Gute zu, sondern Gott allein. Nicht mehr sich selbst hat er, wie vorher, im Zentrum, sondern Gott. Damit ist er — endlich — geworden, was er auf dem gesetzlichen Weg immer vergeblich zu werden versuchte, vergeblich darum, weil es mit der Gesetzlichkeit unvereinbar ist: frei von sich selbst, vom Sich-selbst-suchen. Bevor er etwas tut, ist er schon bei Gott. Bei allem, was er tut, darf er — ohne erst zu Gott hin zu müssen — von Gott herkommen. Er hat Gott sozusagen immer im Rücken, statt, wie als Gesetzlicher, vor sich. Das ist die Freude und der Friede des neuen Lebensstandes.