Demokratie

Leitkultur des Regenbogens

Der gestrige Tag hatte viel zu bieten. Wer sich dem Informationssturm der Medien nicht völlig entziehen konnte, wurde eindrucksvoll mit dem kulturellen Wandel konfrontiert, der unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten erfasst hat.

Was ist passiert?

Da spricht ein Sportler über seine sexuellen Präferenzen und erntet dafür den Respekt der Bundesregierung sowie eine mediale Aufmerksamkeit, von der ein Olympiasieger sein Leben lang nur träumen kann. Als ich heute Morgen bei Spiegel.de vorbeischaute, zelebrierten die ersten fünf Meldungen das „Coming-out“ eines Fußballspielers. Es ist, so wurde mir bekundet, „mutig, überfällig, wunderbar“. Wer das anders sieht, bekommt gleich eine Form der Angststörung unterstellt. Na gut.

Gleichzeitig rücken Politiker und die Presse den Initiator der Online-Petition „Kein Bildungsplan unter der Ideologie des Regenbogens“ derart ins Zwielicht, dass man den Eindruck bekommt, hier habe sich jemand strafbar gemacht, indem er als Bürger seine Meinungsfreiheit und das Mitspracherecht in Anspruch genommen hat. Die Grünen erkennen in der Petition „ein erschütterndes Maß an Homo- und Transphobie“. „Gegen den Initiator, einen Realschullehrer, gebe es inzwischen eine Strafanzeige und eine Dienstaufsichtsbeschwerde, sagte ein Sprecher des Kultusministeriums“, schreibt die ZEIT. Die Petition, so der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landesfraktion „birgt den Geist massiver Intoleranz und ist pädagogisch wie politisch unterste Schublade“.  „Lehrer hetzt gegen sexuelle Toleranz“, titelt der SPIEGEL.

Ach so? Heftige Vorwürfe stimulieren Neugier. Ich habe mir also die Petition gleich mal angeschaut. Und siehe da: Der Initiator grenzt sich eindeutig und glaubwürdig gegen die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung ab. Wörtlich heißt es:

Wir unterstützen das Anliegen, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle nicht zu diskriminieren. Bestehende Diskriminierung soll im Unterricht thematisiert werden. Die „Verankerung der Leitprinzipien“ und der Aktionsplan „Für sexuelle Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“ (2) schießen jedoch über das Ziel der Verhinderung von Diskriminierung hinaus. Das vorliegende Papier „Verankerung der Leitprinzipien“ und die Ankündigung die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ in ähnlicher Weise in den Bildungsstandards der einzelnen Fächer zu verankern, zielt für uns auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung an den allgemeinbildenden Schulen.

Von Homophobie also keine Spur! Die Petition wendet sich lediglich gegen die Vereinnahmung der Schulkinder durch die einseitig interessengeleitete „Aufklärungsarbeit“. Eine heute nachgeschobene Pressemitteilung macht zudem deutlich, dass die Initiative den pädagogischen Ansatz sehr wohl durchleuchtet hat. Dort ist zu lesen:

Verschiedene Lebensentwürfe sind in einer pluralistischen Gesellschaft selbstverständlich. Es gibt dem, dass diese im Unterricht thematisiert werden, nicht das Geringste entgegenzusetzen. Schon heute ist die Behandlung des Themas Familie & Lebensentwürfe in Fächern wie Biologie, Gemeinschaftskunde oder Ethik Normalität. Nach den Leitprinzipien soll die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ in der Sekundarstufe I vermittelt werden. Die LSBTTIQ- Interessensvertreter wollen „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ weiter gefasst sehen. Diese soll „spiral-curricular“ vermittelt werden, das heißt: von der kleinkindlichen Bildung bis zum Abitur in allen Altersstufen und über alle Fächer hinweg. Das würde einen Paradigmenwechsel in der Sexualerziehung darstellen, der das gute Miteinander von Schule und Elternhaus beendet. Wenn die Leitprinzipien so durchgehen, wie sie geschrieben sind, können die LSBTTIQ-Interessensvertreter ihre Agenda – wie bisher am Beirat vorbei – in allen Kompetenzformulierungen der Fächer unterbringen.

Weiterhin fehlt eine Kompetenzformulierung, wie aufrichtige Toleranz gelehrt wird und was „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ konkret bedeutet. Akzeptanz stellt ein zustimmendes Werturteil dar. Indem jemand etwas akzeptiert, heißt er es für gut, billigt es und geht auf die inhaltlichen Forderungen des Gegenübers ein. Akzeptanz schreibt die inhaltliche Positionierung der Schülerinnen und Schüler fest. Ihnen steht die Wahl eines persönlichen Werturteils nicht offen. Demgegenüber bedeutet Toleranz, dass Menschen mit unterschiedlichen Haltungen, Wertevorstellungen, etc. respektiert werden. In dem Werturteil, das man trifft, kann man inhaltlich aber einen anderen Standpunkt einnehmen. In der Akzeptanzforderung der Leitprinzipien wird die begründete Gefahr deutlich, dass der Bereich der Freiheit hin zur Unfreiheit überschritten wird.

Wenn die Forderungen der Landtagsfraktion der Grünen zum Bildungsplan 2015 durchgesetzt werden, müssen Lehrkräfte zukünftig auch irrationale Gender- Theoriekonstrukte unterrichten. Hier stellt sich die Grundsatzfrage, wie es die Landesregierung mit dem Wissenschaftsprinzip in Schule, Unterricht und Lehrerbildung hält. Zudem sind die Forderung nach „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ auf ihre Übereinstimmung zum Grundgesetz und dem Erziehungsauftrag der baden-württembergischen Landesverfassung zu überprüfen.

Das ist sachlich, nachvollziehbar und verdient Zustimmung!

Um das Jahr 2000 herum gab es in Deutschland eine Debatte um das Thema „Leitkultur“. Der Begriff, der von dem muslimischen Politologen Bassam Tibi in die politikwissenschaftliche Debatte eingeführt wurde, sollte einen gesellschaftlichen Wertekonsens beschreiben. Der Streit um die kulturelle Identität wurde damals reflexartig abgewürgt. Tage wie der 8. Januar 2014 erwecken den Eindruck, dass wir freilich doch eine Leitkultur bekommen. Vor allem diejenigen, die damals vor einer Leitkultur-Diskussion gewarnt hatten, zwingen uns nun intelligent und im Verbund mit mächtigen Medieninstitutionen eine Kultur auf, die von den Interessen einiger elitärer Minderheiten bestimmt ist. Wer anders denkt, wird schnell mal wegen Verunglimpfung einer bestimmten Personengruppe oder wegen Volksverhetzung angezeigt.

Das Verfahren gegen den Initiator wurde – wie die STUTTGARTER ZEITUNG heute meldet (09.01.2014, S. 6) – übrigens eingestellt. Die Prüfung habe ergeben, dass die Äußerungen der Petition durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien.

Ich bin für die Aufregung des gestrigen Tages gar nicht so undankbar. Sie gab mir den Anstoß, die Petition „Kein Bildungsplan unter der Ideologie des Regenbogens“ heute zu unterzeichnen.

Islam und Moderne

Prediger Fethullah Gülen hat kürzlich mit der FAZ über den Islam und die Moderne gesprochen. Für ihn lässt sich Etliches im Islam auf Prinzipien der Moderne hin auslegen. Mehr noch: Fethullah Gülen glaubt, der Islam sei ein Hort für die Demokratie:

Der Begriff Demokratie wird mit Wörtern wie sozial, liberal, christlich, direkt, repräsentativ oder parlamentarisch verbunden, obwohl sich diese Eigenschaften teilweise gegenseitig ausschließen. Die Prinzipien, die die Fundamente der Demokratie sind, und die Regierungsform stimmen mit den islamischen Werten überein. Werte und Prinzipien, die der Islam wie auch die Demokratie akzeptieren, sind Beratung, Gerechtigkeit, Religionsfreiheit, der Schutz der Rechte von Individuen und Minderheiten, das Recht eines Volkes zur Wahl seiner Regierung, die Verantwortung der Regierenden für ihre Tätigkeiten und die Unzulässigkeit der Herrschaft einer Minderheit oder Mehrheit über den jeweils anderen. Die allgemeinen Prinzipien des Islam zur Regierungsform sind also kein Hindernis für die Umsetzung der Demokratie. Sie bieten sogar eine geeignete Grundlage dazu.

Wie viele demokratische Staaten gibt es eigentlich in der islamischen Welt? Schade, dass in dieser FAZ-Ausgabe keine der vielen kritischen Stimmen zu Fethullah Gülen zu Wort kam.

Mehr hier: www.faz.net.

Demokratieverlust

Gleich zwei große deutsche Tageszeitungen beklagen heute den Demokratieverlust in Europa. In dem bemerkenswert klaren FAZ-Artikel »Spiel ohne Bürger« schreibt der Politikwissenschaftler Hans Vorländer (FAZ vom 12.07.2011, Nr. 159, Seite 8, m.W. (noch) nicht online):


Die Euphorie des Jahrhundertbeginns ist verflogen. Mehr noch: An ihre Stelle ist Skepsis, Kritik und auch eine gewisse Ratlosigkeit getreten. Vor allem die innere Entwicklung der etablierten Demokratien, von denen man früher als denen des »westlichen Typs« gesprochen hat, gibt Anlass, von einer grundlegenden Krise der Demokratie zu sprechen. Für manche ist gar die Demokratie in einen postdemokratischen Zustand eingetreten, ganz so, als neige sich das Zeitalter der Demokratien ihrem Ende zu. Nun ist zwar die Rede über die Krise der Demokratie fast so alt wie die Demokratie selbst. Ein Platon hätte ohne die Krise der Demokratie, die er mit der Verurteilung Sokrates‘ zum Tode durch die Bürger Athens identifizierte, gar nicht erst politisch zu philosophieren begonnen. Auch sind Demokratien immer labile Gebilde der Herrschaft gewesen. Und doch gibt es derzeit beunruhigende Krisenphänomene und Tendenzen, die das uns bekannte Bild der Demokratie verändern und wieder einmal nach der Zukunft der Demokratie zu fragen zwingen.

Es geht um Prozesse, die in den Kern des Selbstverständnisses der repräsentativen Demokratie zielen. Damit ist ein Typus von Demokratie gemeint, der sich historisch infolge der Revolutionen des 18. Jahrhunderts herausgebildet hat und der auf vermittelnde, stellvertretende Formen der Entscheidungsbildung basiert. Ein ausgeklügeltes institutionelles Arrangement politischer Ordnung hat den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess auf verschiedenen Ebenen organisiert und dabei weniger die direkte Beteiligung der Bürger – jenseits von Wahlen – als vielmehr die stellvertretende Erledigung von Entscheidungs- und Kontrollaufgaben in wechselseitig aufeinander einwirkenden Institutionen bevorzugt. Ein komplexes Institutionensystem sucht einer Demokratie der großen Zahl und des großen Raumes Stabilität, Legitimität und Effizienz zu geben. Dieses System kunstvoll verfasster institutioneller Ordnung befindet sich ganz offenkundig in einer Krise, deren Ausmaß noch kaum erkennbar und deren Lösungsmöglichkeiten völlig unklar sind.

In DIE WELT online sieht Thomas Schmid Zeichen für eine Refeudalisierung der Politik:

Wir sind Zeugen einer eigentümlichen Selbstermächtigung und Diskursverweigerung der Politik. Am deutlichsten wird das in der Europa-Politik, die ja – im Gegensatz etwa zur Sozialpolitik – immer schon vorwiegend eine abgekapselte Elitenveranstaltung gewesen war. Eigentlich müsste die EU auf Vertrauen, Transparenz und stete Erklärungsbereitschaft gebaut sein. Denn es gehört zu ihrem Prinzip, dass die in ihr versammelten Nationalstaaten einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Souveränität für das europäische Friedensganze aufgeben. Im Prinzip ist leicht einzusehen, dass das auf Dauer nur dann funktionieren kann, wenn dieses Gebilde durchsichtig bleibt und jeder Teilnehmer nachvollziehen kann, was mit der abgetretenen Souveränität und was mit den Transfersummen geschieht, die nun einmal eine Folge wechselseitiger Verantwortlichkeit sind.

Wie aus Evangelikalen Kriegstreiber wurden

Was ist ein Bright? Ein Bright ist eine Person, die ein naturalistisches Weltbild vertritt. »Das Weltbild eines Bright ist frei von übernatürlichen und mystischen Elementen. Die Ethik und Handlungen eines Bright basieren auf einem naturalistischen Weltbild.« (Quelle).

Die Brights sind nicht zimperlich. In dem Artikel »Mit der Jugend in den evangelikalen Gottesstaat« berichten sie kritisch über die Missionsstrategie der Organisation Jugend mit einer Mission (JMEM) und warnen scharf vor den Evangelikalen:

Liebe Eltern, schützen Sie Ihre Kinder vor dieser unerträglichen Indoktrination, wenn Sie nicht wollen, dass jemand versucht aus Ihrem Kind einen Gotteskämpfer zu machen. Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche gestalten evangelikale Freikirchen bewusst äußerst verlockend und zudem extrem günstig. Da die meisten unter dem Deckmantel der Evangelischen Allianz agieren, sollte Ihnen klar sein, dass nicht alles evangelisch ist, was sich so nennt. Allein die Bezeichnung Freikirche sollte immer Anlass sein genau zu prüfen. Schauen Sie sich die Webseiten der Kirchen gut an, falls vorhanden oder besuchen Sie einen Vortrag oder Gottesdienst der Einrichtung. Die wörtliche Auslegung der Bibel kann dabei nicht verborgen bleiben.

Liebe Lehrer, thematisieren Sie bitte die Problematik im Schulunterricht, damit die Kinder nicht naiv ins offene Messer laufen.

Die Evangelikalen sind aus Sicht der Brights nicht nur dumm, sondern gefährlich. Eine offene Gesellschaft kann sie eigentlich nicht ertragen. »Wir können uns alle nicht mehr leisten dieses Phänomen stillschweigend zu ignorieren oder gar zu tolerieren. Das müsste mittlerweile jedem klar sein.«

Ende März stellten die Brights einen neuen Beitrag mit dem viel versprechenden Titel: »Evangelikale Mission ohne Grenzen« ins Netz. Es handelt sich dabei nicht um einen eigenen Beitrag, sondern um den Artikel »Der falsche Flüchtling« aus der Tageszeitung (TAZ).

Der spannende Artikel, geschrieben von der Journalistin Simone von Schlindwein, befasst sich mit falsch begründeten Asylanträgen. Konkret geht es um den 24-jährigen Innocent Irankunda aus Ruanda. Er bat in Deutschland um Asyl, wurde jedoch abgeschoben, da nach Überzeugung der Behörden die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. Jetzt sitzt Innocent in in Kigali im Gefängnis. Er wurde dort wegen Urkundenfälschung und Gebrauchs gefälschter Dokumente zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Einzelheiten können im TAZ-Artikel nachgelesen werden. Noch detaillierter und den deutschen und ruandischen Behörden gegenüber kritischer schildert die Rechtsanwältin Florentine Heiber die Vorgänge.

In dem TAZ-Artikel »Der falsche Flüchtling« wird nun der Leiter einer evangelikalen Missionsgesellschaft als derjenige ausgemacht, der die Einschleusung von Ruandern nach Deutschland professionell organisiert hat und sich das üppig bezahlen ließ.

Irankundas Visum sei echt gewesen, bestätigt die deutsche Botschaft in Kigali. Allerdings seien die Dokumente im Anhang nicht einwandfrei. Die ruandische Organisation, in deren Auftrag Irankunda die Karlsruher Messe besuchen sollte und die den Visumantrag in seinem Namen einreichte, ist der Botschaft gut bekannt. »Evangelikale Missionare ohne Grenzen« heißt sie. Ihre »Trauma- und Stress Rehabilitierungs-Mission«, in der Irankunda beschäftigt sei, ist nichts Ungewöhnliches in einem Land, in dem so viele Überlebende des Völkermordes psychologische Hilfe benötigen. Doch warum schickt diese Organisation fünf Ruander, darunter Irankunda, auf eine Maschinenmesse – junge Menschen, die dann alle Asylanträge stellen?

»Evangelikale Missionare ohne Grenzen«. Das Stichwort ist gefallen. Es löst eine Kettenreaktion aus. Bei den Brights wird aus »Evangelikale Missionare ohne Grenzen« die Schlagzeile »Evangelikale Mission ohne Grenzen«. In einem Kommentar bei der TAZ heißt es dann sogar:

Wundert mich nicht, daß die Evangelikalen da ihre schmutzigen Finger drin haben, immer haben sie zusammen mit anderen christlichen Konfessionen schon den Völkermord an den animistischen Tutsis unterstützt und als heiligen Krieg gegen den Atheismus verklärt. Da wundert es nicht, wenn sie 
versuchen Opfer ihrer Indoktrination als Helfer und Unterstützung für den Versuch sich in den säkularisierten Ländern einzunisten in die erste 
Welt holen.

Da haben wir‘s: Die Evangelikalen sind schuld an dem Völkermord an den Tutsis.

Die Wahrheit ist einfacher. Hinter der Organisation »Evangelikale Missionare ohne Grenzen« steckt die in Ruanda registrierte Organisation »Ministère d’Evangélisation Sans Frontières« (MIESF). MIESF gibt ihren französischen Namen auf der eigenen Internetseite mit »Evangelistic Ministries without Borders« wieder. Die korrekte Übersetzung auf Deutsch heißt: »Dienst für Evangelisation ohne Grenzen« oder »Dienst für Mission ohne Grenzen«.

Alles, was für eine Verbindung zu den Evangelikalen spricht, ist also ein Übersetzungsfehler. Selbst dann, wenn MIESF darüber hinaus Verbindungen zur Evangelikalen Bewegung pflegte, erlaubte dies nicht den verallgemeinernden Schluss auf eine insgesamt kriegsfördernde und korrupte Bewegung. Viele Kriminelle geben sich fromm und christlich, weil sie auf diese Weise die Naivität der Menschen abschöpfen. (Fast täglich wird mir im Namen Gottes per email das Angebot unterbreitet, »armen Afrikanern« lukrativ bei der Verwaltung eines millionenschweren Erbes zu helfen.)

Ich habe nichts gegen Andersdenkende und bin froh, dass es kritische Journalisten oder die Brigths gibt. Der Dialog kann den Horizont erweitern, das Prüfen eigener Anschauung erzwingen und die Erkenntnis von Wirklichkeit fördern. Wir sollten aber sportlich miteinander diskutieren und dem anderen nicht gleich die Existenz- oder Denkberechtigung absprechen. Christen sind keine Feinde der offenen Gesellschaft!

– – –

Der Beitrag kann hier als PDF mit Quellen herunter geladen werden: Kriegstreiber.pdf .

Geplante EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung

mouthgag.jpgDietrich Bonhoeffer betont, dass das christliches Leben Teilnahme an der Christusbegegnung mit der Welt ist und schreibt in seiner Ethik (1958, S 89–90):

Von Christus her wird die gefallene Welt verständlich als von Gott für das Kommen Christi aufbewahrte, erhaltene Welt, in der wir als Menschen in gegebenen Ordnungen »gut« leben können und sollen. Wo aber der Mensch zum Ding, zur Ware, zur Maschine wird, und wo die Ordnungen willkürlich zerstört werden und zwischen »gut« und »böse« nicht mehr unterschieden wird, dort ist der Aufnahme Christi noch ein besonderes, über die allgemeine Sündhaftigkeit und Verlorenheit der Welt hinausgehendes Hindernis in den Weg gestellt. Dort zerstört die Welt sich selbst, so daß sie ernstlich teuflisch zu werden droht. Es ist mitten in der gefallenen, verlorenen Welt vor Gott ein Unterschied, ob der Mensch die Ordnung der Ehe wahrt oder zerbricht, ob er Recht oder Willkür übt. Gewiß ist auch der die Ehe Wahrende, das Recht Schützende noch Sünder, aber es bleibt der Unterschied, ob das Vorletzte beachtet und ernst genommen wird oder nicht. Es gehört zur Wegbereitung, das Vorletzte zu achten und in Kraft zu setzen um des nahenden Letzten willen.

Es gibt nach Bonhoeffer »keinen Rückzugsort des Christen von der Welt, weder äußerlich, noch in der Sphäre der Innerlichkeit. Jeder Versuch, der Welt auszuweichen, muß früher oder später mit einem sündigen Verfall an die Welt bezahlt werden« (Ethik, S. 65). Christen tragen Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für kommende Generationen. Sie sind berufen, dass Vorletzte vom Letzten her zu deuten, was heißt, dass sie nicht zum Jammern, sondern zur aktiven Weltgestaltung berufen sind und sich bei Meinungsbildungsprozessen einzumischen haben.

Ich möchte an dieser Stelle auf eine geplante EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung hinweisen (European Equal Treatment Directive). Die Richtlinie schlägt sinnvolle Bestimmungen vor, birgt aber auch das Potential in sich, die Freiheit von Menschen mit einer christlichen Gewissensbildung einzuschränken.

Die Richtlinie gibt vor, Diskriminierung aufgrund von (unter anderem) »Religion oder Überzeugung« und »sexueller Orientierung« bei der Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen in jedem Land der Europäischen Union zu beseitigen. Dies bedeutet, dass Unternehmen und deren Angestellte, die in der EU eine Dienstleistung (z.B. ein Hotelzimmer) oder Waren (z.B. Bücher) anbieten, diese vorbehaltlos erbringen müssen oder es riskieren verklagt zu werden, unabhängig davon, ob sie sich in einer Situation befinden, in der sie sexuelle Moralvorstellungen unterstützen, die ihren eigenen religiösen Überzeugungen entgegenstehen. Die Richtlinie deckt die Bereiche soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Wohnungswesen und Zugang zu Gütern und anderen Dienstleistungen ab, die der Öffentlichkeit sowohl im öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft zur Verfügung stehen, einschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Nachfolgend finden Sie dazu Informationen und Handlungsvorschläge, die wir in Abstimmung mit Christian Concern for our Nation übertragen haben. Genauer:

  1. Ein Info-Blatt zur geplanten EU-Direktive: Aktionsblatt_zur_EU_Direktive1.pdf
  2. Einen Satz Brief-Entwürfe für die Bundesministerin Fr. Dr. Köhler: EU_Direktive_Bundesministerin1.doc
  3. Einen Satz Brief-Entwürfe für die Ministerpräsidenten/innen: EU_Direktive-Ministerpräsidenten.doc
  4. Eine Liste mit Kontaktdaten zu Ministerpräsidenten und Ministerien: EU_Direktive_AdresslisteBM+MP.pdf
  5. Inoffizielle Übersetzung des Entwurfes für die Richtlinie »European Equal Treatment Directive«: eu_dokument_de.pdf

Die Endgültige Abstimmung über die Richtlinie wird von der spanischen Präsidentschaft vorbereitet soll im Sommer 2010 erfolgen (geplant war früher Januar 2010).

Weiterführende Informationen in englischer Sprache finden Sie auf der Internetseite von Christian Concern for our Nation. Dort ist auch ein ausgesprochen hilfreiches Interview mit dem Juraprofessor William Wagner zu sehen: www.ccfon.org. Wer die englische Sprache beherrscht, sollte sich die Zeit nehmen und das Gespräch anhören (15 Minuten).

Christentum und Demokratie

ChristentumundDemokratie.jpgFür christliche Kirchen wurzelt eine Grundvoraussetzung der Demokratie, die unantastbare Würde des Menschen, in seiner Gottebenbildlichkeit. Daraus erwächst die Verpflichtung, die Demokratie in kritischer Solidarität mitzugestalten.

Die aktuelle Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament widmet sich dem Thema »Christen in der Demokratie«. Der Beitrag »Demokratie und christliche Ethik«, verfasst von meinem Chef, befasst sich auch mit der Frage, wie die Evangelikalen zur demokratischen Ordnung stehen. Das Ergebnis mag den ein oder anderen überraschen.

Die gedruckte Ausgabe der Wochenzeitung Das Parlament erscheint am 30. März. Die digitale Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 14/2009) kann bereits hier frei herunter geladen werden: SMK6HX.pdf.

Evangelikale und die Demokratie

Demokratie.jpgMehrfach wurde in den letzten Jahren der Eindruck erweckt, evangelikale Christen hätten ein ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie. Das Martin Bucer Seminar und der Verein ProMundis e.V. (Bonn) haben in einer idea-Dokumentation das Verhältnis der Evangelikalen in Deutschland zur Demokratie dargestellt. Als Autor dafür wurde der Kölner Jurist Thomas Zimmermanns gewonnen. Der Rektor des Martin Bucer Seminars, Thomas Schirrmacher, erklärt dazu:

Millionen überzeugte Christen haben sich in allen demokratischen Ländern als gute Staatsbürger erwiesen, die rechtsstaatliche Verhältnisse stützen und zugleich das demokratische Recht auf eine eigene Meinung gerne und gewaltlos in Anspruch nehmen. Zudem verteilen sich überzeugte Christen in vielen Fragen auf das gesamte politische Spektrum, denn nicht jede politische Entscheidung berührt zentrale ethische Grundsatzfragen und aus vielen ethischen Grundwerten folgt nicht automatisch eine bestimmte konkrete Umsetzung – wenn man etwa an das soziale Netz eines Staates denkt.

Gleichzeitig sind überzeugte Christen keine netten Mitläufer und Befehlsempfänger, sondern halten eine gesunde Distanz zu allen politischen Utopien und allzu optimistischen Sichtweisen, dass sich alle Probleme durch Politik lösen lassen. Zudem folgen sie einem Wertesystem, das außerhalb der Reichweite des einzelnen Staates liegt und handeln »in Verantwortung vor Gott und den Menschen«. Sie fühlen sich an ihr von Gottes Offenbarung her gebundenes Gewissen stärker gebunden, als an Mehrheiten oder die augenblickliche politische Faktenlage.

Diese Bindung an höhere Werte gilt selbst für die Demokratie. Historische Erfahrung lehrt, dass Demokratie besser als jede andere Staatsform Tyrannei, Menschenrechtsverletzungen und einen zu großen Machtmissbrauch verhindern kann. Ja, es gibt schwerwiegende christliche Gründe für die Gewaltenteilung, etwa, dass Christen immer von der Neigung des Menschen zum Bösen ausgehen und es deswegen für weise halten, dass kein Einzelner eine zu große Machtfülle erlangt. Zudem befürworten Christen, dass auch die Herrschenden dem Gesetz unterstehen, nicht selbst das Gesetz sind.

Aber Demokratie ist kein Selbstzweck in sich. Wenn die Demokratie keine höhere Werte mehr verteidigt, kann sie sich selbst abwählen. Man kann auch Massenmörder demokratisch wählen und Rassismus legal in Gesetzesform gießen. Zudem leben wir in einer Parteiendemokratie, so dass sich letztlich politische Auffassungen nur durch wenige Nadelöhre kanalisieren lassen. Die Macht der Parteien lässt oft die Macht des Volkes schrumpfen, ja kann sogar die eigentlichen Regierungsfunktionen marginalisieren. Auch das werden Christen bei aller Unterstützung der Demokratien, in denen sie leben, immer wieder kritisch zur Sprache bringen.

Warum Demokratien die UNO-Konferenz in Durban meiden sollten

Pascal Bruckner hat für das Kulturmagazin Perlentaucher.de ein politisch nicht korrektes Essay über antisemitische und totalitäre Bestrebungen unter dem Dach der UNO verfasst. Kurz: »Der Antirassismus ist in der UNO zur Ideologie der totalitären Bewegungen geworden, die ihn für ihre Zwecke benutzen. Diktaturen oder notorische Halbdiktaturen (Libyen, Pakistan, Iran, Saudi Arabien, Algerien; Kuba, Venezuela und so weiter) bemächtigen sich einer demokratischen Sprache und instrumentalisieren juristische Standards, um sie gegen die Demokratien in Stellung zu bringen und sich selbst niemals in Frage zu stellen.«

Das vollständige Essay kann hier eingesehen werden: www.perlentauscher.de.

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