Heil

Wenn gute Werke dem Glauben im Weg stehen

In seiner Römerbriefvorlesung von 1515/16 sagte Martin Luther:

Wohl finden sich viele, die die Güter zur Linken, die zeitlichen, um Gottes willen für nichts achten und gerne preisgeben, wie Juden und Ketzer tun; aber die auch die Güter zur Rechten, die geistlichen Güter und die rechtschaffenen Werke für nichts achten, um Christi Gerechtigkeit zu erlangen, deren sind es wenige. Das vermögen Juden und Ketzer nicht. Und doch wird, es sei denn, dass dies geschehe, niemand selig werden. Immer wollen und hoffen sie darauf, dass ihre eigenen Werke vor Gott geachtet und belohnt werden. Aber unverrückbar fest steht der Satz: „Es liegt nicht an jemandes Wollen und Laufen, sondern an Gottes Erbarmen“ (Röm. 9,16).

Anm.: „Jude“ ist hier im Sinne von „Werkgerechtigkeit“ zu verstehen und nicht antisemitisch gemeint.

Worin besteht das Heil des Menschen?

In einem Religionsbuch für die Oberstufe habe ich gerade einen Beitrag von Gerhard Szcesny (1918-2002) gelesen. Er erörtert darin die Frage: Worin besteht das „Heil“ des Menschen?

Die „Antwort“ lautet:

In der möglichst vollkommenen Ausbildung und Ausschöpfung seiner Anlagen und der bestmöglichen Erfüllung der individuellen und gesellschaftlichen Aufgaben, die ihm seine Zeit stellt, oder in der Konzentration auf jene Talente und Tugenden, die ihn mit der „anderen Wirklichkeit“ in Berührung bringen und auf sie vorbereiten? Ist es vor allem wichtig, dass der Mensch sich unablässig darum bemüht, die Heilswahrheiten seiner Religion zu erkennen, oder ist es wichtiger, dass er sich in seinem Leben den ethischen Erfordernissen seiner Religion entsprechend verhält?

Meine erste Reaktion: Eine Antwort, die der Erwartungshaltung des Fragenden entspräche, wäre (a) unevangelisch und (b) unkatholisch.

Meine zweite Reaktion: Eigentlich ist das genau das, was viele Menschen in und außerhalb der Kirche über das Heil denken. Leider. Viel Aufklärung braucht es. Die Verkündigung des Evangeliums, der guten Nachricht nämlich, dass das Heil außerhalb von uns in Christus zu finden ist, tut Not.

Heil liegt außerhalb eigener Kräfte

Martin Luther schreibt (WA 18, 633):

Der Mensch kann aber erst dann vollständig gedemütigt werden, wenn er weiß, dass sein Heil gänzlich außerhalb seiner eigenen Kräfte, Absichten, Bemühungen und seines eigenen Willens, seiner Werke liegt und ganz und gar von der Entscheidung, der Absicht, vom Willen und Werk eines anderen abhängt, nämlich Gottes allein. Solange er sich nun einredet, dass er auch nur ein klein wenig zu seinem Heil beitragen kann, bleibt er im Vertrauen auf sich selbst und verzweifelt nicht vollständig an sich, demütigt er sich nicht vor Gott. Statt dessen nimmt er sich Ort, Zeit oder irgendein Werk vor oder hofft es oder wünscht es mindestens, mit dem er schließlich zum Heil gelange. Wer aber in keiner Weise daran zweifelt, er hänge ganz vom Willen Gottes ab, der verzweifelt gänzlich an sich selbst, der wählt nichts, sondern erwartet den wirkenden Gott. Der ist der Gnade am nächsten, dass er heil wird.

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