Johannes Calvin

Der „Unterricht in der christlichen Religion“

Seine Institutio machte Johannes Calvin mit einem Schlag berühmt. Bis in die Gegenwart ist sie die wichtigste Gesamtdarstellung der reformierten Lehre geblieben und in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Allerdings fand die Idee des Reformators, Bürger zu einem gemeinsamen Glaubensbekenntnis zu verpflichten, zu seinen Lebzeiten keine Mehrheit.

Hier ein weiterer DLF-Bericht von Rüdiger Achenbach:

Gott findet einen verstockten Intellektuellen

Der spätere Reformator Johannes Calvin erhielt seine Bildung in streng katholischen Einrichtungen. Dann aber kam es zu einer „unmittelbaren Verwandlung“. Aus einem verstockten Intellektuellen wurde ein Nachfolger Jesu Christi.

Hier ein DLF-Beitrag von Rüdiger Achenbach:

Calvin und der Tod

Am 27. Mai 1564, also vor 450 Jahren, starb Johannes Calvin. Gern wird der Genfer Reformator als eiskalter Despot dargestellt. Das aber trifft sicher nicht zu. Calvin konnte hart sein und neigte, besonders wenn er gesundheitlich angeschlagen war, zum Jähzorn. Aber eigentlich war er ein zart besaiteter Gelehrter, dem die Politik eher schwer fiel. Kurz vor seinem Tod sagte er: „Ich habe inmitten von viel Streit gelebt. Abends wurde ich aus Spott mit 50 bis 60 Büchsenschüssen begrüßt. Was glaubt ihr, wie sehr mich das verängstigt hat, mich armen, schüchternen Gelehrten, so wie ich bin und so wie ich immer gewesen bin, was ich ehrlich zugebe?“ Calvin hatte viele Feinde. Als er einmal durch Genf ging, hetzte jemand die Hunde auf ihn und rief: „Packt ihn, packt ihn!“

Ich möchte nachfolgend zwei Belege für seine „weichen Seiten“ anbringen. Hermann Selderhuis schreibt (Johannes Calvin, 2009, S. 301):

Die Vorstellung, Calvinisten seien Menschen, die angesichts des Todes keine Emotionen zeigen und ihre Liebsten begraben, ohne eine Träne zu vergießen, um so zu demonstrieren, dass sie alles aus Gottes väterlicher Hand empfangen, ist jedenfalls nicht durch Calvin entstanden. Sicher, es war für ihn ein Trost, »dass selbst der Tod für einen Christenmenschen nicht unglücklich sein kann« (CO 6, 631). Zugleich sind seine Briefe jedoch voller Tränen über Menschen, die ihm nah gestanden hatten und die gestorben waren. Für Calvin stand die Trauer darüber nicht im Konflikt mit seiner Auffassung, dass Gott alles lenke. Als er von der Verfolgung der Waldenser hörte, schrieb er Farel: »Ich schreibe unter Tränen und erschöpft vor Trauer muss ich plötzlich so heulen, dass ich mit dem Schreiben aufhören muss« (CO 12, 76). Und als sein Freund Guillaume de Trie, der Herr von Varennes, gestorben war, wurde Calvin vor lauter Trauer krank. »Ich muss diesen Brief aus meinem Bett heraus diktieren, denn mein lieber Varennes wurde mir genommen« (CO 18, 6491).

Als Calvin im Sterben lag, war es ihm ein großes Anliegen, Vergebung für seine Schwächen zu erbitten (Johannes Calvin, 2009, S. 304–305):

Am 2. Februar 1564, einem Mittwoch, hielt Calvin seine letzte Vorlesung über einen Abschnitt aus dem Buch Ezechiel. Am darauf folgenden Sonntag hielt er seine letzte Predigt, zu der man ihn auf einem Bett zur Kanzel bringen musste. Zu Ostern, am zweiten April, trug man ihn noch einmal zur Kirche, um mit ihm ein letztes Mal das Abendmahl zu feiern. Danach machte er sein Sterbebett zur Kanzel, als er zuerst am 27. April den Kleinen Rat und dann am 28. April das Konsistorium zu einem letzten Gespräch einlud. Den Tod vor Augen, wollte er die Politiker und Amtsträger Genfs noch ein letztes Mal sehen und vor allem noch einmal mit ihnen reden. Und das tat er im Stil der Erzväter, jedoch ohne seine Sterbensworte zu inszenieren. Calvin war Advokat und kein Schauspieler, deshalb sprach er nicht dramatisch, sondern sachlich und pastoral. Er machte sich die Tatsache zunutze, dass er nicht plötzlich starb und dass er bis in seine letzten Tage bei klarem Verstand blieb, um noch einmal ein Zeugnis zu geben. So arbeitete er bis zu seinem letzten Atemzug. In beiden Gesprächen bat Calvin um Vergebung für seine Schwächen. Und man verzieh ihm auch. Beza schrieb, dass Calvins Krankheit diesen am Ende seines Lebens verdrießlich gemacht habe, und auch, dass Calvin dadurch manchmal ein schwieriger Umgang gewesen sei. Seiner Meinung nach habe Gott jedoch auch das zum Guten benutzt. Auch Colladon schrieb Calvins Jähzorn der göttlichen Vorsehung zu, da Gott von diesem Makel Calvins doch Gebrauch habe machen können. Calvin sprach ganz offen über seine Fehler. Seiner Meinung nach machte es auch wenig Sinn, diese zu verschweigen, da Gott und die Engel ohnehin darum wussten (CO 9, 890). Während seiner Anwesenheit in Genf, so Calvin, habe es viele Diskussionen und viel Streit gegeben und das sei nicht die Schuld der Ratsmitglieder gewesen, sondern vor allem seine eigene.

A. Kuyper: Martin Luther

Abraham Kuyper über Martin Luther:

Luther ist wahrlich nicht nur der Glaubensheld der lutherischen Kirchen, sondern ebenso für uns Reformierte der Mann unserer Sympathie, der Vertraute auch unseres Herzens, dessen Wort und Werk alle Kirchen der Reformation nicht nur vieles zu danken haben, sondern, was mehr sagt, das beseelende Element ihrer Erneuerung. Wir Reformierten können uns Calvin nicht denken ohne die breiten Schultern Luthers, auf denen sich eine schlanke Gestalt erhebt. 

Calvin: Vom Nutzen fester Lehre

Ein schönes analytisches und nuthetisches Zitat für Pastoren und sonstige Christen mit Lehrverantwortung.

Es kann auch nicht anders sein, als dass in eine Seele, die fester Lehre entbehrt, von allen Seiten nichtige Anflüge von Irrtümern eindringen.

Calvin und die Gotteserkenntnis

Der Reformator Johannes Calvin eröffnet seine Institutio bekanntlich mit einer Erörterung der Gotteserkenntnis.

All unsere Weisheit, sofern sie wirklich den Namen Weisheit verdient und wahr und zuverlässig ist, umfaßt im Grunde eigentlich zweierlei: die Erkenntnis Gottes und unsere Selbsterkenntnis. Diese beiden aber hängen vielfältig zusammen, und darum ist es nun doch nicht so einfach zu sagen, welche denn an erster Stelle steht und die andere aus sich heraus bewirkt. Es kann nämlich erstens kein Mensch sich selbst betrachten, ohne sogleich seine Sinne darauf zu richten, Gott anzuschauen, in dem er doch „lebt und webt“ (Apg. 17,28). Denn all die Gaben, die unseren Besitz ausmachen, haben wir ja offenkundig gar nicht von uns selber. Ja, selbst unser Dasein als Menschen besteht doch nur darin, daß wir unser Wesen in dem einigen Gott haben (nihil aliud … quam in uno Deo subsistentia)! Und zweitens kommen ja diese Gaben wie Regentropfen vom Himmel zu uns hernieder, und sie leiten uns wie Bächlein zur Quelle hin.

Calvin spricht nicht nur zum Eingang der Institutio darüber. Die Frage der Erkenntnis Gottes ist eine für seine gesamte Theologie zentrale. Warum? Hier eine Antwort von John Frame (The Doctrine of The Knowledge of God, 1987, S. 2):

Woher hatte Calvin diesen bemerkenswerten Gedanken? Zweifellos gewann er ihn durch sein eigenes Studium der Heiligen Schrift. Wir neigen dazu zu vergessen, wie oft in der Bibel Gott seine großen Taten so ausführt, dass Menschen „erkennen“ werden, dass er HERR ist (vgl. Ex 6,7; 7,5.17; 8,10.22; 9,14.29f; 10,2; 14.4.18; 16,12; Jes 49,23.26; 60,16 etc.). Die Schrift betont oft, dass, obwohl in gewissem Sinne alle Menschen um Gott wissen (vgl. Röm. 1,21), in einem anderen Sinne das Erkennen ausschließliches Privileg der erlösten Menschen ist und in der Tat das ultimative Ziel des Lebens eines Gläubigen. Was könnte mehr „zentral“ sein als das? Aber in unserer modernen Theologensprache, ob orthodox, liberal, akademischen oder populärwissenschaftlich, kommen diese Worte nicht leicht über unsere Lippen. Wir sprechen viel lieber über gerettet sein, wiedergeboren sein, gerechtfertigt sein, angenommen sein, geheiligt sein, Geistestaufe, den Eintritt in das Reich Gottes, dem Sterben und Auferstehen mit Christus, den Glauben oder die Buße als über die Erkenntnis des HERRN. Für Calvin gab es diese Zurückhaltung nicht. Er war ganz zu Hause in der biblischen Sprache, er machte sie wirklich zu seiner eigenen. Damit hob er einen reichen Schatz der biblischen Lehre, gegenüber dem wir heute weitgehend ignorant sind.

Calvin-Studienausgabe in 10 Teilbänden

Es gibt gute Nachrichten für Freunde und Feinde des Calvinismus: Die Calvin-Studienausgabe erscheint in wenigen Wochen als Gesamtausgabe in 10 Teilbänden.

Wer bis Ende Dezember 2012 bestellt, erhält die Werke für 129,00 Euro, ab 2013 kostet die Gesamtausgabe dann 149,00 Euro.

Hier die Teilbände:

Bd. 1.1: Reformatorische Anfänge 1533-1541
Bd. 1.2: Reformatorische Anfänge 1533-1541
Bd. 2: Gestalt und Ordnung der Kirche
Bd. 3: Reformatorische Kontroversen
Bd. 4: Reformatorische Klärungen
Bd. 5.1: Der Brief an die Römer
Bd. 5.2: Der Brief an die Römer
Bd. 6: Der Psalmen-Kommentar
Bd. 7: Predigten über Dtn und den 1Tim (1555-1556)
Bd. 8: Ökumenische Korrespondenz

Obwohl sich wahrscheinlich einige der Leute ärgern, die die Bände bisher einzeln erworben haben, halte ich die Entscheidung des Verlags, nun eine Gesamtausgabe auf den Markt zu bringen, für lobenswert. Die Edition, an der Eberhard Busch, Matthias Freudenberg, Alasdair Heron, Christian Link, Peter Opitz, Ernst Saxer und Hans Scholl mitgewirkt haben, kann ich sehr empfehlen.

 

 

Calvins Abschiedsrede

Matthias Freudenberg schreibt in seinem Aufsatz „Calvins Einfluss auf die Entwicklung des reformierten Verständnisses der Kirche“, (M. Hofheinz; W. Liebmann; M. Salmann: Calvins Erbe, Vandenhoeck & Ruprecht, 2011, S.19–20):

Kurz vor seinem Tod sprach Calvin davon, dass man sogar Hunde auf ihn gehetzt und geschrien habe: „Faß, faß!“ Seine Arbeit wurde immer wieder von theologischen Gegnern und vom Genfer Rat in Frage gestellt. Umgekehrt räumte Calvin kurz vor seinem Tod in einer Abschiedsrede an die Pfarrer ein: „Ich habe viele Schwächen gehabt, die Ihr ertragen mußtet.“ Calvin sagte das nicht nur deshalb, weil er um seine persönlichen Grenzen und Schwächen wusste, sondern weil es zu seinem theologischen Verständnis der Kirche gehörte, dass diese in der Spannung von begrenztem Menschenwerk und göttlicher Verheißung existiert.

„Wir sind die Kirche!“ Wirklich?

Seit Jahren höre ich es: „Die Kirche ist kein Ort, zu dem wir hingehen. Wir sind die Kirche.“ Autoren wie Wayne Jacobsen (Der Schrei der Wildgänse) haben im Kirchenvolk Spuren hinterlassen und den frommen postmodernen Individualismus auf die Spitze getrieben: „Gemeinden sind Institutionen, auf die ich als Christ gut verzichten kann.“

Was Jacobsen anbetrifft, kann ich die Unterlagen von Hanniel Strebel empfehlen. Mit dem protestantischen Verständnis von „extra ecclesiam salus non est“ (dt. „Außerhalb der Gemeinde ist kein Heil“) hat sich Sebastian Heck in seinem Aufsatz „Die (Heils-)Notwendigkeit der Kirche [Gemeinde]; römisch oder reformatorisch?“ auseinandergesetzt.

Jenseits dieser wichtigen Kritiken und der Fragen um Kirchenordnung, Ämter und Sakramente, möchte ich darauf hinweisen, dass wir nicht die Kirche sind. Kirche ist nicht dort, wo wir sind, sondern dort, wo Gottes Wort von Menschen geglaubt wird und Christus als das Haupt erscheint. Der Reformator Johannes Calvin hat es 1544 gegenüber den Theologen der Pariser Universität Sorbonne so gesagt (CStA, Bd. 3, S. 72–75):

Wir alle bekennen, daß es eine allgemeine Kirche gibt und von Anfang der Welt an gegeben hat und bis zu ihrem Ende geben wird. In Frage steht die äußere Erscheinung, an der man sie erkennen kann. Nach unserer Überzeugung liegt sie im Wort Gottes. Oder besser gesagt darin, daß Christus ihr Haupt ist. Darum behaupten wir: Wie nun ein Mensch an seinem Gesicht erkannt wird, so muß man die Kirche in Christus anschauen … Laßt uns deshalb festhalten, daß die Kirche sichtbar ist, wo Christus erscheint und wo sein Wort gehört wird, wie geschrieben steht: „Meine Schafe hören meine Stimme“ (Joh 10,27).

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