Kritische Rassentheorie

Sogar die Zahlen sind politisch

In den USA kursiert seit Jahren der Verdacht, Mathematik sei eine europäische und damit weiße Erfindung und müsse daher völlig neu bewertet werden. Nun geht es auch in Großbritannien der Mathematik im Namen der Wokeness-Bewegung an den Kragen.

Die FAZ schreibt: 

Die jüngsten Empfehlungen fordern eine von den Studenten mitbestimmte multikulturelle und entkolonialisierte Sicht auf die Fächer. Studenten müssten auf problematische Fragen in der Entwicklung der ihnen beigebrachten Inhalte aufmerksam gemacht werden, wie etwa darauf, dass Pioniere der Statistik die Rassenhygiene gefördert hätten und dass Mathematiker mit dem Sklavenhandel, dem Rassismus oder dem Nationalsozialismus verstrickt gewesen seien.

Die Mathematik steht als Ziel für Forderungen nach Gleichheit, Vielfalt, Zugänglichkeit und Inklusivität keineswegs allein da. Ähnliche Feststellungen und Anregungen finden sich in den jüngsten „Benchmark-Statements“ der QAA für fünfundzwanzig Fächer. So wird Informatikern nahegelegt, sich damit zu befassen, wie „Spaltungen und Hierarchien von kolonialem Wert“, was immer das heißen mag, in ihrem Fach vervielfältigt und bekräftigt würden.

Zurecht sehen einige Professoren die Gefahr der Verdummung und einer ideologischen Vereinnahmung durch aktivistische Akademiker.

Weiter heißt es zu Cancel-Culture: 

An den Hochschulen beanspruchen Studenten das Recht, nicht gekränkt zu werden, wie die Rektorin der Universität Oxford unlängst bedauerte. In Cambridge teilt die Rektorin eines Colleges den Studenten schriftlich mit, dass sie einen Vortrag der sich zur binären Geschlechterordnung bekennenden „Economist“-Journalistin Helen Joyce boykottieren werde, weil deren Ansichten „beleidigend und hassenswert“ seien. Kein Wunder, dass Studenten sich ermutigt fühlten, die wegen ihrer „genderkritischen“ Haltung geschasste Philosophieprofessorin Kathleen Scott durch Trommelprotest zu übertönen. Die Mentalität, die solchen Initiativen zugrunde liegt, hat die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie in der vergangenen Woche in ihrem Beitrag zur diesjährigen Vortragsreihe zu Ehren des BBC-Gründers John Reith aufgegriffen. Sie sprach im Zusammenhang mit dem Recht der freien Rede von einer durch die Cancel-Kultur verursachten „Epidemie der Selbstzensur“, die dazu führe, dass die Literatur zunehmend durch die ideologische Brille gesehen werde, statt nach literarischen Maßstäben bemessen zu werden.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Intersektionalität – ein christlicher Weg zu mehr Gerechtigkeit?

Bietet die Intersektionalität einen biblischen und funktionierenden Weg zu wahrer Gerechtigkeit? Rosaria Butterfield berichtet aus ihrem Leben und gibt ein paar hilfreiche Hinweise für Christen im Umgang mit Ungerechtigkeiten: 

Vor ein paar Jahren, während einer offenen Fragestunde an der Hochschule, beschuldigte mich eine Studentin der Hassrede. In meiner Vorlesung hatte ich von einem Gespräch erzählt, welches ich 1998 in meiner Küche mit meiner Freundin Jill, die als Trans­gender lebte, geführt hatte. Ich hatte ihr gestanden, dass ich anfing zu glauben, dass das Evan­gelium wahr wäre, dass Jesus leben würde und dass wir alle in großen Schwierigkeiten steckten.

Die Studentin bat daraufhin um das Mikrofon und platzte heraus: „Das ist Hassrede! Als Sie beschrieben haben, wie Ihre Transgender-Freundin Ihre Hände mit den ihrigen umschlossen hat, während Sie ihr von Ihrem neuen Glauben erzählten, da haben Sie sie herabgesetzt. Denn Sie haben damit gesagt, dass Ihre Transgender-Freundin große Hände hat.“

Ich stockte völlig perplex bei der Antwort: „Also, … Sie wollen sagen, dass es Hassrede ist, zu erwähnen, dass Jills Hände groß sind?“

Die Studentin explodierte förmlich: „Aber sicher ist es das!“

„Jill ist ohne Stöckelschuhe 1,89 groß“, erklärte ich. „Ich komme auf 1,58. Meine Hände schaffen auf dem Klavier kaum eine Oktave. Ja, im Vergleich zu meinen sind die Hände von Jill groß. Groß ist hier ein beschreibendes Adjektiv.“

Die Studentin hob ihre eigenen Hände verärgert in die Höhe, während sie ausrief: „Transgender-Frauen werden durch solch unsensible Bemerkungen verletzt. Ja, das ist Hassrede.“

„Warum sollte es ein Ausdruck von Hass sein, wenn ich sage, dass Jills Hände groß sind?“ fragte ich.

Sie: „Das ist genau das, was LGBTQ+ Menschen in den Selbstmord treibt.“

Ich: „Aber die Größe von Jills Händen ist doch eine messbare, objektive Wahrheit.“

Sie: „Es geht doch nicht um Wahrheit! Ihre Wahrheit ist nicht meine Wahrheit. Ihre Wahrheit hasst meine Realtität!“

Wie konnten wir dahin kommen, dass es für einen Men­schen Sinn macht, eine Wahrheit abzulehnen, nicht weil sie falsch, sondern weil sie schmerzhaft ist? Wie konnten wir dahin kommen, dass wir Menschen, die doch im Bild des heiligen Gottes geschaffen sind, vor allem über ihre Zugehörigkeit zu einer politischen oder sozialen Gruppe definieren, als ob das ihr wahrstes und unauslöschlichstes Wesensmerkmal wäre? Gemäß dieser Weltsicht also könnten meine Worte einen Selbstmord verursachen, während die operative Geschlechts­umwandlung, die es einem biologischen Mann erlaubt, sich als eine Frau darzustellen, Würde und Selbstsicherheit hervorbringt?

Mehr: www.evangelium21.net.

Antirassismus als Religion

Thomas Thiel stellt für die FAZ das neue Buch von John McWhorter vor. In „Die Erwählten“. Wie der neue Antirassismus die Gesellschaft spaltet warnt McWhorter vor einer woken Identitätspolitik, die die Gesellschaft neu formatiert und selbst ideologische und rassistische Züge trägt:

Der ideologische Antirassismus ist für den Autor das Gegenteil von echtem Antirassismus. Es gehe seinen Anhängern nicht um Solidarität mit Außenseitern, sondern um die Zurschaustellung der eigenen Moral. McWhorter nennt ihn sogar eine Form des Rassismus, der schwarzen Menschen mehr schade als nutze. Er dränge sie in die Rolle des passiven Opfers einer rassistischen Gesellschaft und rede ihnen jede Initiative und Verantwortungsbereitschaft aus. Er lehre sie, sich nicht als Individuum, sondern als Mitglied einer Gruppe zu verstehen, die durch ihre Umwelt zum Scheitern verdammt ist. Was schwarzen Menschen übrig bleibe, ist Bücher über ihre Identität und den ubiquitären Rassismus, dem sie ausgesetzt seien, zu schreiben.

McWhorter schreibt, dass bei der Zurschaustellung des eigenen Opferstatus oft übertrieben werde. Selbst dunkelhäutig, schöpft er dabei aus eigener Erfahrung. Es gibt für ihn aber noch einen weiteren wichtigen Grund, sich dieser Ideologie zu verweigern: Es verstelle den Blick auf die Wirklichkeit, wenn alles auf das Motiv der Rasse reduziert werde. Sozialer Fortschritt sei davon nicht zu erwarten.

Mehr: www.faz.net.

Kritische Rassentheorie wirkt toxisch

Eine Gruppe farbiger Intellektueller hat einen Offenen Brief an die National School Boards Association und an lokale Schulbehörden in der gesamte USA verfasst, in dem sie diese auffordern, Lehrpläne, die von der „Critical Race Theory“ (dt. Kritische Rassentheorie, abgekürzt „CRT“) inspiriert sind, fallen zu lassen. In dem Schreiben, das auf der Website 1776 Unites veröffentlicht wurde, einer Organisation, die Lehrpläne als Gegengewicht zum 1619 Project der New York Times entwickelt hat, heißt es, dass die Kritische Rassentheorie und das „Narrativ der rassischen Missstände“ eine „schädigende Wirkung“ auf Kinder aus einkommensschwachen Familien und Minderheiten haben. Die 21 Gelehrten schreiben:

Das vorherrschende Narrativ der Rassismuskritik verdirbt den Unterricht in amerikanischer Geschichte und Geisteswissenschaften schon seit vielen Jahrzehnten, hat sich aber im letzten Jahr gefährlich beschleunigt. Die schädlichsten Auswirkungen eines solchen Unterrichts haben Kinder aus einkommensschwachen Minderheiten, denen implizit vermittelt wird, dass sie hilflose Opfer sind, die keine Macht haben und ihre Zukunft nicht selbst gestalten können.

Der Initiative scheint es darum zu gehen, den Hass aus der Aufarbeitung von Sklaverei und Apartheid zu nehmen. In ihrem „Woodson Center’s 1776 Unites“-Lehrplan schlagen sie vor:

Kontinuität, nicht Bruch. 1776 Unites konfrontiert mit den Realitäten der Sklaverei und des Rassismus in der amerikanischen Geschichte und erkennt sie gleichzeitig als Verrat an den höchsten Prinzipien unserer Gründung an. Führungspersönlichkeiten wie Thomas Jefferson werden in unserer Geschichte trotz, nicht wegen, ihrer persönlichen und politischen Fehler gefeiert. Der Kampf der Amerikaner, sich zu erheben und unsere eigenen Werte zu verwirklichen, ist Teil unserer Geschichte – so war es schon immer.

Würde, nicht Missgunst. Während 1776 Unites offen mit der düsteren Realität der Rassentrennung umgeht, zeigt es auch, wie schwarze Amerikaner ihr eigenes Schicksal in die Hand genommen haben und trotz harter Beschränkungen aufblühten, wie die Entwicklung von fast 5.000 ländlichen Schulhäusern unter der Leitung von Booker T. Washington und Julius Rosenwald zeigt. Diese Schulen wurden zu Quellen des lokalen Stolzes und trugen dazu bei, die Bildungslücke zwischen Weißen und Schwarzen zu schließen.

Widerstandsfähigkeit, nicht Zerbrechlichkeit. Das Wissen um die Errungenschaften der Vergangenheit hilft den Schülern, ihre Verantwortung als amerikanische Bürger besser zu verstehen. Eine Lektion über die „Woodson-Prinzipien“, die individuelle Verantwortung und Stärke im Angesicht von Widrigkeiten feiern, fordert die Schüler auf, wichtige Unterstützung aus der Familie, dem Glauben, der Gemeinschaft und der Teilnahme am staatsbürgerlichen Leben zu ziehen.

Hier der Offene Brief: 1776unites.com.

VD: DG

Westliche Wissenschaft unter Generalverdacht

Andreas Bikfalvi ist Professor für Biomedizin an der Universität Bordeaux und dem Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale in Frankreich. In einem Gastbeitrag für die FAZ beschreibt er, wie die Kritische Rassentheorie inzwischen die freien Naturwissenschaften bedroht (28.07.2021, Nr. 172, S. N4). Demnach finden identitäre Ideologien  immer mehr „Einzug in unsere Gesellschaft und haben bedenkliche Auswirkungen auf alle Aktivitäten des menschlichen Geistes, besonders auf die Wissenschaft und ihre verschiedenen Anwendungsbereiche wie die Medizin und Technik“. Es gibt inzwischen Aktivisten, die die neuzeitlichen Wissenschaften als Errungenschaft der Weißen zerstören wollen.

Bikfalvi schreibt zu Richard Delgado, einem der Väter der Kritischen Rassentheorie: 

Richard Delgado, einer der Begründer der Theorie, und seine Ehefrau und Mitautorin Jean Stefancic nennen als charakteristische Elemente der kritischen Rassentheorie den Antirationalismus, die Anti-Aufklärung, die Ablehnung von Egalität im klassischen Sinne, von Liberalismus und der Neutralität des Rechts, dazukommen Referenzen auf nach eigenen Vorstellungen zu Recht interpretierte Denker wie Gramsci und Derrida sowie die Intersektionalitätstheorie mit ihren schematischen Opferhierarchien. Rassismus wird als gesellschaftlicher Normalzustand behauptet.

Als Grundlage von Wissen gilt nicht die rationale Analyse, sondern die subjektive Erfahrung und der soziale, ethnische und sexuelle Hintergrund eines Sprechers, sein Sprechort. Dazu kommt eine Obsession, jedes wissenschaftliche Faktum als soziales Konstrukt zu bezeichnen, was dazu berechtigen soll, über methodisch erworbenes Wissen nach Belieben hinwegzugehen. Tatsächlich ist eine auf möglichst objektive und gesetzmäßige Erkenntnis von Naturerscheinungen ausgerichtete Naturwissenschaft auf dieser Grundlage nicht zu betreiben.

Man möchte den Autoren nicht den Besuch eines Krankenhauses empfehlen, in dem nach ihren Prämissen gearbeitet wird. Der innere Widerspruch dieser Theorie ist, dass sie zwar einerseits jedes essentialistische Konzept verwirft, am Ende aber selbst auf eine umso stärkere Betonung von Rasse und anderen Identitätsmerkmalen hinausläuft: Rasse ist die Trennlinie zwischen verschiedenen Gruppen.

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