Neue Paulusperspektive

Podiumsdiskussion mit N.T. Wright

Ich habe kürzlich auf die Tagung „Der gekreuzigte Messias“ mit N.T. Wright in der Schweiz hingewiesen. Die Podiumsdiskussion der Konferenz, in der es insbesondere um die Sühnetheologie, die Überbetonung des Exil- und Exodusmotives sowie die Israelfrage geht, kann hier nachgehört werden:

Das Heil des Einzelnen

Pierre Bühler, Professor für Systematische Theologie und Leiter des Instituts für Hermeneutik und Religionsphilosophie an der Universität Zürich, schreibt im Vorwort seiner Auseinandersetzung mit der politischen Theologie (Kreuz und Eschatologie, 1981, S. 1):

Es darf ruhig gesagt werden, daß das zentrale Interesse des Kreuzes, und deshalb auch des christlichen Glaubens im ganzen, das persönliche Heil des Einzelnen ist. Es muß auch ruhig – jedoch mit Entschiedenheit gesagt werden, denn sonst ist kaum einzusehen, wie man einem langsamen, aber sicheren finis christianismi entgehen will. Diese Kategorie des Einzelnen hatte schon Kierkegaard stark hervorgehoben und als eine für die Zukunft des Christentums entscheidende Dimension betont. „Der Einzelnem das ist die christlich entscheidende Kategorie, und sie wird auch entscheidend werden für die Zukunft des Christentums.“ Die Interpretation des Kreuzes hat an dieser Kategorie ihr kritisches Maß: das soll sich auch in unserer Behandlung des Verhältnisses von Kreuz und Eschatologie zeigen.

Tagung mit N.T. Wright: Der gekreuzigte Messias

Die Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie, das Theologisches Seminar St. Chrischona und die Staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel veranstalten in der Zeit vom 25.–27. Januar 2014 Studientage mit N.T. Wright in der Schweiz.

Auf einer dafür eingerichteten Internetseite schreibt Rainer Behrend zu N.T. Wright:

N.T. Wright ist gleichzeitig ein konservativer, innovativer und auch provokativer Theologe, dessen Gesamtwerk sich durch eine nicht oft zu findende, gut durchdachte erkenntnistheoretische Grundlage und eine fruchtbare Hermeneutik auszeichnet. Faszinierend ist dabei, wie sich seine Erkenntnistheorie und Hermeneutik in seiner exegetischen und theologischen Arbeit praktisch auswirken. So basiert z. B. der Grundaufbau seines großen Jesusbuches Jesus und der Sieg Gottes auf den weltanschaulichen Grundkategorien seiner Erkenntnistheorie. Es geht also um die Storys, die Praxis, die Symbole und die Fragen im Judentum z. Zt. Jesu und um Jesu Umgang mit diesen.

Wright liest die Bibel als dramatische Story in fünf Akten (Schöpfung, Fall, Israel, Jesus, Gemeinde). Er sieht den Anfang des 5. Aktes im NT beginnen. Die Rolle der Christenheit in der Zeit nach dem NT (also auch unsere heutige Rolle) sieht er darin, dass wir das begonnene Drama „weiterspielen“ (um in der Metapher zu bleiben), und dass uns dazu die Darstellung der fünf Akte in der Bibel als Autorität dienen. Diese Autorität definiert Wright in Analogie zur Autorität eines unvollständigen Shakespeare-Stückes, das erfahrenen Schauspielern gegeben wird, die es zu Ende spielen sollen: Sie müssen den Plot der ersten Akte verstehen und verinnerlichen, dürfen im letzten Akt nicht irgendetwas aufführen, was vor dem Hintergrund des Plots und der Charakterentwicklung der ersten Akte völlig unsinnig erscheint, aber sie dürfen im letzten Akt auch nicht immer nur einfach Wort für Wort Abschnitte aus den ersten Akten wiederholen. Es geht also um ein dynamisches Reagieren auf die Autorität Gottes, die er auf ganz verschiedene Weise durch die verschiedene Textgattungen der Bibel ausübt; es geht um die Autorität Gottes, die uns letztlich zu Akteuren in der Story Gottes mit der Welt macht.

Erfreulicherweise sollen auf dieser Veranstaltung auch Kritiker von N.T. Wrights Ansatz und der „Neuen Paulusperspektive“ zu Wort kommen. So ist geplant, dass Prof. Jacob Thiessen, der gerade die Publikation Gottes Gerechtigkeit und Evangelium im Römerbrief. Die Rechtfertigungslehre des Paulus im Vergleich zu antiken jüdischen Auffassungen und zur „Neuen Paulusperspektive“ für eine Veröffentlichung beim Peter Lang Verlag vorbereitet, an einer Podiumsdiskussion teilnimmt.

VD: WB

Moo kommentiert N.T. Wrights Paulinische Theologie

NewImageDer Neutestamentler Douglas Moo (Wheaton College, USA) hat N.T. Wrights neues voluminöses Werk über die Theologie des Paulus:

gelesen und für TGC rezensiert.

Hier ein Auszug:

God’s people are reconfigured around Messiah, who, by virtue of his faithfulness, accomplishes the task of rectifying the sin of Adam—a task first given to Abraham and one Abraham’s descendants failed to carry out. Paul’s reconfiguring of the Jewish concept of election is the way into his soteriology (912). Among the various elements of soteriology, Wright gives particular attention to justification: both because he views the juridical language of justification as “basic and nonnegotiable” (1039; incontrast to “subsidiary crater” views) and because it’s been controversial (e.g., the debate with John Piper). I strongly endorse Wright’s clear and convincing case for a strictly forensic sense of justification against those who would expand the concept to include transformation or (the more recent buzz word) “theosis” (956-59). Wright forthrightly argues a “Reformation-style” “faith alone” view of initial justification, claiming it’s the basis for our assurance and arguing the verdict announced now by faith will be confirmed on the last day (954-55; 1031-32). He also continues to stress a future justification that will be “according to the fullness of the life that has been led” (941; formally about “judgment,” but Wright clearly sees judgment and future justification as interchangeable) or “on the basis of the totality of the life led” (1028). I sympathize with Wright’s desire to accommodate the emphasis Paul puts on obedience, and I think he’s right to find a future aspect of justification in Paul. But little words are very important here; I agree future justification is “according to” the life lived but not “on the basis” of the life lived. I also continue to think Wright puts too much emphasis on the “covenant” side of justification at the expense of the forensic (he emphatically includes both in his view) and shifts the emphasis in Paul a bit by tying justification to the question of “How can we tell who are God’s people?” rather than “How can we become God’s people?”

Wright’s treatment of Paul’s eschatology is in keeping with his concern to read the apostle in terms of the Old Testament/Jewish “story.” He therefore stresses again the “return to Zion” theme and focuses special attention on Israel’s role in the eschaton, devoting more than a hundred pages to a careful, step-by-step interpretation of Romans 9-11 (1156-1258). In addition to a lot of good exegesis, there’s much to like here. Noting the climactic nature of 10:1-13 for the whole section, with its clear claim that salvation is tied to Christ, Wright convincingly rebuts the “two-covenant,” “post-supercessionist” reading that’s gaining currencytoday: “A moment’s reflection on the central passage 10:5-13, with its statement about Jesus and about faith and salvation, will reveal that it is straightforwardly impossible to read Romans 9-11 as anything other than a statement firmly and deeply grounded in christology (in the sense of Paul’s belief about the Messiah)” (1163). Much of Wright’s energy is directed toward defending his controversial claim that “Israel” in 11:26 refers to all Messiah’s people; and, while I am not convinced, I can identify with Wright’s admission to considerable wrestling over these chapters and acknowledge the strength of the case he makes.

Es freut mich, dass Wright (laut Moo) diesmal klarer zum Thema „Glaubensgerechtigkeit“ Stellung genommen hat. Es überrascht, dass er sich erneut für eine futuristische Rechtfertigung „nach der Fülle des Lebens, das geführt worden ist“ oder „auf der Grundlage der Gesamtheit des gelebten Lebens“, ausspricht. Wie in den Kommentaren zur Buchbesprechung vermerkt, distanzierte sich Wrigth auf der ETS Jahreskonferenz 2010 von seiner eigenen Formulierung: „Rechtfertigung auf Grundlage des Lebens“. Da nun eine ähnliche Formulierung in seinem Opus magnum zu finden ist, werden die Diskussionen weitergehen.

Hier die vollständige Rezension: thegospelcoalition.org.

Paulus in neuer Sicht?

41ZDZbp8DBLMit der „Neue Paulusperspektive“ (NPP) wurde in den letzten vier Jahrzehnten ein neues Kapitel der Paulusinterpretation eröffnet. Die Exegeten dieser Richtung sind sich mehr oder weniger darin einig, dass die Paulusauslegung besonders seit der Reformation einseitig individualistisch und das Judentum fälschlicherweise als Gesetzesreligion verstanden wurde. Die Gesetzespolemik des Apostels richte sich weder gegen die Tora noch gegen deren angeblichen jüdischen Missbrauch im Sinne einer Werkgerechtigkeit, sondern gegen die Beschränkung der göttlichen Erwählung auf das Volk Israel. Viele neue Paulusinterpreten stellen der lutherisch-reformatischen Rechtfertigungslehre eine partizipatorische gegenüber. Das Evangelium ist demnach keine Botschaft der Errettung von Sünde und persönlicher Schuld, sondern Ver­kündigung der Tatsache, dass Gläu­bige vollberechtigte Mitglieder des göttlichen Bundes sind. Die Rechtfertigungslehre wird entsprechend nicht mehr in der Anthropologie oder Soteriologie, sondern in der Ekklesiologie angesiedelt. N.T. Wright schreibt beispielsweise (What St. Paul Really Said, S. 119):

Bei „Rechtfertigung“ ging es im ersten Jahrhundert nicht darum, wie jemand eine Beziehung zu Gott aufbauen kann. Es ging um Gottes eschatologische, sowohl zukünftige als auch gegenwärtige Definition davon, wer tatsächlich ein Mitglied seines Volkes ist. Um es mit Sanders’ Worten auszudrücken: Es ging nicht so sehr um das „Hineinkommen“ oder das „Darin-Bleiben“, sondern darum, „wie man sagen kann, wer drin ist“. In der christlich-theologischen Fachsprache ausgedrückt, ging es weniger um Soteriologie als um Ekklesiologie, weniger um Errettung als um die Gemeinde.

Bei der Vielfalt der Meinungen unter dem Dach der NPP verliert man schnell die Übersicht. Ivana Bendik liefert nun mit ihrer 2008 in Basel angenommenen Dissertation Paulus in neuer Sicht? einen forschungsgeschichtlichen Überblick zur NPP. Sie geht den Anfängen dieser Perspektive nach und stellt die Positionen ihrer prominentesten Vertreter zugänglich dar. Damit liegt eine kritische Vermittlung der jüngeren Forschungsgeschichte in deutscher Sprache vor. Hilfreich sind daneben weiterhin die Einführung von Christian Strecker („Paulus aus einer ‚neuen Perspektive‘: Der Paradigmenwechsel in der jüngeren Paulusforschung“, Kirche und Israel 11 (1996), S. 3–17) und der von M. Bachmann im Jahr 2005 herausgegebene Sammelband  Lutherische und Neue Paulusperspektive (siehe zudem hier).

Die Untersuchung, die von Prof. Ekkehard W. Stegmann betreut wurde, enthält vier Teile. Zunächst werden die Hauptvertreter der Paulusforschung aus der Zeit von Ferdinand Christian Baur (1792–1860) bis Albert Schweitzer (1875–1965) vorgestellt. Besonderes Augenmerk richtet die Autorin dabei auf den Gedanken des Äonenwechsels. Im zweiten Teil behandelt sie einflussreiche Vertreter der NPP. Sie beginnt mit Rudolf Bultmann (1884–1976), der zwar nicht zur NPP gehört, aber mit seinem existenztheologischen Ansatz die jüngsten Entwicklungen mit vorbereitet hat. Sie bescheinigt ihm einerseits, wie Schweitzer die Eschatologie des Paulus zur Geltung gebracht zu haben. Andererseits wirf sie ihm vor – ebenfalls ähnlich wie Schweitzer –, das antike Judentum übergangen zu haben. Was Schweitzer und Bultmann dem Judentum anlasten, „wirft Paulus der Menschheit generell unter den Bedingungen des schuldbehafteten alten Äons vor“ (S. 18). Weiter beschäftigt sich Bendik mit Johannes Munck (1904–1965), Krister Stendahl ( 1921–2008), Ed Parish Sanders (* 1937) und James D.G. Dunn (* 1939).

Im dritten Teil formuliert die Autorin dann ihre Wertschätzung und Kritik. Die neuen Betrachtungsweisen der NPP unterlaufen die theologischen Interpretationen durch das Aufgebot religionsgeschichtlicher Argumente, die bisherige Schlüsseleinsichten der paulinischen Exegese aufweichen. Die neuen Rahmenbedingungen (Bendik überschreibt diesen Teil ihrer Untersuchung mit einem Zitat von Stendahl: „shift the frame“) erlauben es den Exegeten, das Zentrum der paulinischen Theologie in der universellen Erlösungslehre zu sehen. Sie „verstehen die individualistische Rechtfertigungslehre als ein Nebenprodukt derselben“ (S. 150) und knüpfen wesentlich an der soziologischen Perspektive Muncks an. Anstelle des Sünders rücken die Völker ins Zentrum. Wird in der traditionellen Paulusauslegung der Sünder durch Erlösung ein Gerechtfertigter, „kommen in den Darstellungen der New Perspective die Völker durch Rechtfertigung zu Erlösung, d.h. zu den Rechten an der Heilszusage Gottes an Israel“ (S. 151). Das Gesetz war – wie Sanders erfolgreich gezeigt hat – schon für die Juden nicht dafür gedacht, in den Gnadenbund hineinzukommen, es ermöglicht vielmehr Israel und den Heidenvölkern das Verbleiben im Kreis der Erwählten. Während für Juden wie Heiden der Glaube den Eintritt in den Bund kennzeichnet, ist das Halten des Gesetzes Signum des Bleibens im Bund (vgl. S. 151, 160–161). Sie bemängelt an der NPP, dass ihre Vertreter trotz der Chancen, die sich durch die religionsgeschichtliche Argumentation ergeben, immer wieder in alte Begründungsmuster zurückfallen und einer Antithese von Judentum und Christentum erliegen. Auf der Suche nach geschichtlicher Wahrheit operiere die NPP unkritisch mit übergeschichtlichen Begriffen wie Kirche, Christentum, Religion, Glaube, Identität oder Abgrenzung (vgl. S. 152).

Ihre eigene Paulusdeutung skizziert Ivana Benedikt im letzten Teil des Buches. Sie glaubt, der immer wieder behauptete Paradigmenwechsel habe gar nicht stattgefunden. Nach lautstarker Rehabilitation des Judentums werde nämlich Paulus in der NPP letztlich doch wieder gegen den Judaismus für das Christentum in Anspruch genommen. „Den Vertretern der New Perspective gelingt es … keineswegs, das klassische Paradigma zu verlassen. Die alte Antithese Judentum – Christentum, die sich in der Frage des Gesetzes zuspitzt, geistert in allen vorgestellten Entwürfen weiter herum“ (S. 151). Tatsächlich deute Paulus mit Hilfe der Tora seine Zeit als durch Christi Tod und Auferstehung erwirkte eschatologische Äonenwende. An das Judentum anknüpfend verkündigte der Apostel ein Evangelium, unter dem alle Völker von und vor Gott wieder zusammengeführt würden. Er rief also nicht zum Religionswechsel auf, sondern zeigte, dass durch Christus eine neue Epoche für alle Menschen in Erscheinung getreten ist. Sie schreibt (S. 194–195):

Paulus geht es weder um das individualistische Problem eines gnädigen Gottes noch um ethnische Probleme der Missionsgeschichte. Auch wenn alle diese Aspekte in den Briefen vorzufinden sind, bilden sie nicht das Axiom seiner Theologie. Die Ausgangslage liegt einzig und allein in der apokalyptischen Wende der Gegenwart und des Apostels Bemühen, mithilfe der Tora das zu erklären, was sich schon längst im göttlichen Plan durchgesetzt hat oder sich in Bälde durchsetzen wird. Von Geschehnissen der Äonenwende sind auch die Völker mitbetroffen. Sie sind jedoch nicht die alleinigen Protagonisten des endzeitlichen Dramas. Ihr Schicksal wurzelt in der Dynamik des Handelns Gottes mit Israel und ist von diesem im höchsten Masse abhängig. Der neue Äon trifft die Menschheit an sich und diese besteht aus der Sicht des Paulus aus Israel und den Völkern. Für die eschatologische Stellung eines oder einer Gerechten vor Gott ist jedoch die ethnische Zugehörigkeit bedeutungslos (Gal 6,15; 1 Kor 7,19).

So manches an dieser Einführung bleibt mir rätselhaft. Nur ein kleines Beispiel: Ist es wirklich kontrovers, dass Paulus den Juden das Evangelium verkündigte? (vgl. S. 194). Meiner Meinung nach ist der neutestamentliche Befund diesbezüglich überwältigend eindeutig, sogar dann, wenn ein Exeget Vorbehalte gegenüber der Apostelgeschichte hegt (siehe z.B. Apg 18,4; Röm 1,16; 11,13–15; 1Kor 9,20). Die vorgeschlagene Rechtfertigungslehre kann kaum überzeugen. Bendik lehnt eine Rechtfertigung als Übergangslehre für die Heidenvölker, wie sie von der NPP entwickelt worden ist, zurecht ab. Auch weist sie – was bei ihren Vorbehalten gegenüber der abendländischen Theologie nicht überrascht – eine forensische Rechtfertigungslehre zurück. Sie behauptet dagegen eine effektive Rechtfertigung, in der durch Glauben die sündige Menschheit in unschuldige pneumatische Wesen transformiert werde und der Kampf des Einzelnen mit seinem alten Adam der Vergangenheit angehöre (S. 187–188). Doch die effektive anthropologische Verwandlung, die sie dafür unter Berufung auf 1Kor 15,50 in den Anschlag bringt, ist für den begnadeten Sünder Paulus keine Gegenwartserfahrung, sondern Verheißung, die sich endgültig erfüllt, wenn von Christus errettete Menschen ihren himmlischen Auferstehungsleib empfangen.

Trotz solcher Anfragen lohnt sich die Lektüre des Buches. Eine Beobachtung finde ich übrigens geradezu brillant. Im Blick auf das vornehmlich soziologische Deutungsraster der NPP schreibt Ivana Bendik (S. 152):

Mit der soziologischen Perspektive rückt das Interesse an gruppendynamischen Prozessen in den Vordergrund und verdrängt das Nachdenken über die Zusammenhänge von Sündenmacht – σὰρξ – Gesetz unter den Bedingungen des alten Äons, die einen wichtigen Bestandteil der paulinischen Deutung der Endereignisse ausmachen.

  • I. Bendik, Paulus in neuer Sicht?: Eine kritische Einführung in die „New Perspective on Paul“, Stuttgart: Kohlhammer, 2010, Euro 24,00

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Fragen an E.P. Sanders

Der Neutestamentler Andrie du Toit wurde während seiner Promotionszeit in Basel von Karl Barth und Oscar Cullmann geprägt, bevor er sich in Südafrika als Experte für neutestamentliche und jüdische Exegese etablierte.

Eher zufällig fand ich in einem Vortrag, den er bereits 1985 in Trondheim gehalten hatte und der 1988 erstmalig veröffentlicht wurde, kritische Anfragen von du Toit an E.P. Sanders. Obwohl wahrscheinlich nur diejenigen etwas mit dem Zitat anfangen können, die sich mit der so genannten „Neuen Pauluspektive“ befassen, gebe ich den Auszug nachfolgend unkommentiert wieder (Andrie du Toit, Focusing on Paul, hrsg. von Cilliers Breytenbach u. David S. du Toit, Walter de Gruyter, 2007, S. 316):

Die Fragen mehren sich: Hat Sanders den Kontext und die Eigenart seiner Dokumente genügend beachtet? Wieviel sonstiges Zeugnis für eine Soteriologie des Verdienstes ist seiner eklektischen Methode zum Opfer gefallen? Wird ein Spezialist wie Billerbeck, der 16 Jahre an diesem Material gearbeitet hat, sich wirklich völlig geirrt haben? War Sanders Methode ausreichend, um die Grundstimmung (bzw. Grundstimmungen) des palästinensischen Judentums gründlich aufzufangen? Haben auch die Synoptiker, beziehungsweise ihre Quellen, diese Grundstimmung so völlig mißverstanden? Wie ist die jüdische καύχησις mit einem echt durchlebten Gnadenbewußtsein zu reimen? Oder müssen wir annehmen, sie sei eine Illusion des Paulus gewesen? Konnten nicht auch Erwähltsein aus Gnade und Zugehörigkeit zum Bunde zu Formeln erstarren oder sogar, wie aus der Kirchengeschichte zu belegen ist, eventuell zu einem Status vor Gott werden? Hätte man den damaligen Inhalt dieser Begriffe nicht gründlicher analysieren sollen? Ist die Art des jüdischen Sündenbewußtseins im ersten Jahrhundert genügend untersucht? Sündenbewußtsein bestimmt ja weitgehend, wie man die Gnade versteht und erlebt.

Methodologisch gibt es aber noch eine andere ernste Frage: Die „soteriologischen“ Aussagen in den jüdischen Dokumenten sind, wie die christlichen, alle eschatologisch bestimmt, das heißt sie haben mit dem Zugang zum endzeitlichen Heil zu tun. Dann aber liegt der kritische Vergleichspunkt nicht zwischen den jüdischen Auffassungen über den Zugang zum Bund und dem paulinischen Erlösungskerygma, sondern zwischen den jüdischen und den christlichen Aussagen über den Zugang zum endzeitlichen Heil. Sobald das jedoch geschieht, kommen die ἔργα jedoch wieder ganz neu ins Spiel! (Die paulinische Rechtfertigung ist ja eine Vorwegnahme des eschatologischen Urteils des himmlischen Richters.) Selbstverständlich gab es im jüdischen Denken eine starke Korrelation zwischen dem Zugang zum Bund und zum endzeitlichen Heil. Prinzipiell waren sie aber keineswegs identisch. Paulus wäre mit der Behauptung, daß Israel aus Gnade zum Bunde erwählt wurde, völlig einverstanden (vgl. Rom 11:28f.; 9:4). Seine Kritik liegt anderswo.

Ligon Duncan: Glaubensgerechtigkeit

AP0906.jpgIm Jahr 2005 erschien in der Zeitschrift Australian Presbyterian ein Interview mit Ligon Duncan über die Rechtfertigungslehre. Duncan betont den Aspekt der Anrechnung einer fremden Gerechtigkeit. Wer glaubt, wird nicht durch etwas in ihm oder seine Taten gerechtfertigt, sondern durch die Anrechnung dessen, was Christus für uns getan hat.

Now Paul takes this word »justify«, which means to »declare someone righteons«, and he goes on to say that we have been justified, that is, declared to be »not guilty« as a gift by God’s grace through the redemption which is in Jesus Christ. And so Paul, in Romans 3:24, makes it clear that the basis of our being declared not guilty is not to be found in us; instead, we are »justified« because of the redemption that is in Christ Jesus. The gift of being declared accepted by God is not based on something in us or in something that we do; rather, it is based on something which God has done in Jesus Christ. And that’s good news! We have someone else who has accomplished our salvation.

Der Beitrag:

  • J. Ligon Duncan: »Paul in Perspective«, Australian Presbyterian, September 2006,

indem Duncan sich auch über die Neue Paulusperspektive (und N.T. Wright) äußert, ist immer noch sehr lesenswert: AP0906.pdf.

Die ferne Vision des N.T. Wright

Mark Seifrid kritisiert in der aktuellen Ausgabe des JETS die Rechtfertigungslehre von N.T. Wright scharf. Luther habe seit seiner reformatorischen Entdeckung das Rechtfertigungsverständnis zurückgewiesen, welches Wright vertritt. Wright steht für Seifrid in der Tradition des Tridentinums (1545– 1563).

As Wright’s recent work again makes clear, his vision of justification is predicated on a confusion of »faith« and »faithfulness.« On the one hand, Wright is able to speak in relatively traditional terms of Abraham’s faith as »the sign of a genuine humanity, responding out of total human weakness and helplessness to the grace and power of God.« On the other hand, he immediately follows this description with the assertion that: »›faithfulness‹ has all along (so it seems) been the thing that God requires from his people.« The divine plan »has been fulfilled by the Messiah’s faithfulness (pistis),« so that »the badge of the covenant people from then on will be the same: pistis, faith, confessing that Jesus is Lord. Faith of this sort is the true-Israel, true-human sign, the badge of God’s redeemed people.« Questions naturally arise out of this confusion. Is faith to be equated with faithfulness? If »faith« is to be equated with »faithfulness,« shall we say that we are »justified by faithfulness«? If so, how much »faithfulness« is necessary for us to be justified at the final judgment? It is hard to see any difference between Wright’s correlation of »faith« and »faithfulness« and the Thomistic and Tridentine emphasis on »faith formed by love« (fides caritate formata) that finally saves, in contrast to »unformed faith« (fides informis).

In joining »faith« to »faithfulness« Wright construes faith as fundamentally active. For this reason, »faith« for him serves as a »sign,« »emblem,« or »badge,« a visible mark of the Christian. Precisely here Wright sets himself at odds with the apostle, for whom faith remains fundamentally passive and hidden, even though it is operative in the whole of life. God alone sees the hidden Jew and the circumeision of the heart (Rom 2:29). The obedience of faith is an obedience of reeeption that no longer seeks to secure life and righteousness by Performance, but simply grasps the divine word that announces the Christ who is present in the Gospel. All distance between God and the human being, between our present state and final justification, has been spanned by the crueified and risen Lord. Ironically, in his active coneeption of faith that sets distance between the human being and God, Wright meets his bete noire, Rudolf Bultmann. While Bultmann internalizes faith in existential decision, Wright externalizes it in the outward badge of faith(fulness). For Paul, faith is God’s creation. Both Wright and Bultmann turn faith into a moral demand that must be actualized, and thereby lose God’s absolute, unqualified gift of himself to us in Christ. Consequently, neither of them has a taste for the cross as a »great pleasure of our existence.«

Der Artikel »The Near Word of Christ and the Distant Vision of N.T. Wright« (JETS, Vol. 54, No. 2) wird in Kürze hier für einige Monate einsehbar sein.

Der Paulus den wir zu kennen meinen

Timothy Gombes hat sich in CT zur neuen Paulusperspektive geäußert:

Add to Paul’s pedestrian oratory a physical appearance that must have been quite unpleasant. In Acts 14:19-20, we read that Paul’s ministry in Lystra came to a terrible end when volatile crowds were incited to stone him and drag him from the city, »thinking he was dead.« Let this description work on your imagination for a moment: A bloodthirsty, riotous horde brutalizes Paul so badly that any chance of survival is dismissed. He must have been in horrible shape.

The Book of Galatians offers clues about what Paul looked like. Just after the episode in Lystra, Paul likely visited the Galatian churches, reporting that his physical condition »was a trial« to them (Gal. 4:13-14). He knew he looked repulsive and suspected that the sight of his injuries would turn stomachs. Of his scars and bruises, he says, »I bear on my body the marks of Jesus« (Gal. 6:17), and he writes elsewhere of his tremendous sufferings, including torture and beatings. The Acts of Paul and Thecla, an apocryphal text from the second century, states that Paul was »a man small in size, bald-headed, bow-legged, stocky with eyebrows meeting, rather long-nosed.«

If we encountered Paul today, we might be disappointed to find someone quite unlike the strong and decisive leader we often imagine. In fact, many of our contemporary churches would hardly consider him a viable pastoral candidate. In this regard, as in so many others, the New Testament evidence resists efforts to re-create Paul in our own image.

Hier: www.christianitytoday.com.

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