»Personal Jesus«
Nina Hagen erklärt der SZ, dass sie Gott auf einem LSD-Trip getroffen hat und Edo Reents überschlägt sich mit Lob für ihre neue Gospel-Platte: faz.net.
Nina Hagen erklärt der SZ, dass sie Gott auf einem LSD-Trip getroffen hat und Edo Reents überschlägt sich mit Lob für ihre neue Gospel-Platte: faz.net.
Mitten in der Kapitalismuskrise wird von der linken Avantgarde der Kommunismus neu entdeckt. Ihr Star ist der slowenische Philosoph Slavoj Žižek, der Marxismus mit Pop und Psychoanalyse vermischt (siehe auch hier).
Philipp Oehmke hat über Žižek, der derzeit so viele Bücher veröffentlicht, dass er selbst nicht dazu kommt, sie alle zu lesen, ein derart erheiternden Beitrag geschrieben, dass ich sogar bei 35 Grad Celsius mehrmals einem Lachkrampf erlegen bin. Wenn schon das Lesen eines Essay über Slavoj Žižek ein Erlebnis ist, kann man sich leicht vorstellen, was für ein Erlebnis es sein muss, ihn leibhaftig zu treffen.
Hier zwei Kostproben:
Am frühen Nachmittag endlich sitzt Žižek in der ersten Reihe im großen Saal der Volksbühne, er muss jetzt eine Stunde lang schweigen. Er kann vieles, aber das ist eine fast unlösbare Aufgabe. Neben sich hat er eine Plastiktüte von Saturn, in der er alles transportiert, was er braucht in diesen drei Tagen. Der Saal ist voll, die rund tausend Zuhörer sitzen sogar auf den Treppenstufen. Es sind junge Menschen, die meisten unter dreißig, ein Panoptikum linker Subkulturen, manche haben sich als Brecht verkleidet, andere als Sartre, viele sehen aus, als wären sie auf Rucksacktrip durch Südostasien und würden gleich anfangen, mit brennenden Keulen zu jonglieren. Alle haben Simultanübersetzungskopfhörer auf den Ohren, denn die Vorträge sind auf Französisch (Badiou), Italienisch (Negri) oder Englisch mit starkem Akzent (Žižek und der Rest). Nur Žižek hat keinen Kopfhörer auf den Ohren, er braucht keinen, er ist fließend in sechs Sprachen, darunter auch Deutsch.
Dabei sind die meisten Wortbeiträge schon in ihrer Originalsprache kaum zu verstehen. Simultan übersetzt werden sie zu sinnfreier Lyrik. Aber es soll hier nicht um einfache, um konkrete Antworten gehen, die gibt es bei der Linkspartei oder den Gewerkschaften. Genauso wenig soll es um einen Blick zurück in die Geschichte gehen, zurück in das düstere 20. Jahrhundert, zu seinen Katastrophen, die im Namen des Kommunismus geschehen sind, zu seinen Opfern, zu den mehr als 30 Millionen Ermordeten, zu Stalin, zu Pol Pot, den Arbeitslagern, der Überwachung. Nein, es soll hier um Theorie gehen, um eine neue „kommunistische Hypothese“, wie Badiou es nennt, um Universalismus, das Subjekt in der Geschichte, Wahrheitsereignisse, um Hegel und um Psychoanalyse nach Jacques Lacan.
Žižek hat eine Kunstfigur erschaffen, seine Auftritte sind Performances, irgendetwas zwischen Kunst und Comedy. Er sagt, er möchte weg von diesen Stand-up-Comedy-Auftritten, in Berlin will er einen ernsthaften Vortrag halten, vor allem über Georg Wilhelm Friedrich Hegel, von ihm handle auch sein neues Buch, 700 Seiten habe er schon geschrieben. Für 700 Seiten über den vielleicht schwierigsten Denker der Philosophiegeschichte braucht ein normaler Mensch zehn Jahre. Žižek hat es in den vergangenen Monaten im Flugzeug geschrieben.
Nach exakt drei Stunden Žižek-Time passiert Tröstliches. Plötzlich scheint sein Akku leer, die Maschine stoppt. Žižek hat Diabetes, der Blutzucker ist viel zu hoch, nein, viel zu niedrig, die Krankheit scheint im Moment besonders schlimm zu sein. Doch Slavoj Žižek wäre nicht Slavoj Žižek, wenn er das so banal sagen würde. Er sagt lieber: »Wissen Sie, meine Diabetes ist inzwischen ein sich selbst erhaltendes System: völlig unabhängig von äußeren Einflüssen! Sie macht, was sie will. Und jetzt muss ich schlafen.«
Den vollständigen Text gibt es hier: www.spiegel.de.
Der Leiter des Berliner Archivs der Jugendkulturen, Klaus Farin, beschreibt in seinem Aufsatz »Jugendkulturen heute« (APuZ 27/2010, 5. Juli 2010, S. 5) das postmoderne Phänomen der multiplen Identitäten unter Jugendlichen:
Man kann sich Jugendkulturen bildlich wie Tropfen in einem Meer vorstellen: Es regnet selten neue Jugendkulturen, aber innerhalb des Meeres mischt sich alles unaufhörlich miteinander. Immer wieder erfasst eine große (Medien-)Welle eine Jugendkultur, die dann für eine kurze Zeit alle anderen zu dominieren scheint wie Techno in den 1990er Jahren und derzeit Hip-Hop. Doch die Küste naht, und auch die größte Welle zerschellt. Das Wasser verdampft dabei jedoch nicht, sondern es fließt wieder ins offene Meer zurück – zersprengt in viele kleine Jugendkulturen, verwandt und doch verschieden.
Diese ständige Vermischung hat insgesamt die Grenzen zwischen den Szenen seit den 1990er Jahren deutlich durchlässiger werden lassen. Selbstverständlich ist jeder Szeneangehörige immer noch zutiefst davon überzeugt, der einzig wahren Jugendkultur anzugehören (Arroganz ist seit jeher ein wichtiges Stilmittel von Jugendkulturen), doch die Realität zeigt: Kaum jemand verbleibt zwischen dem 13. und 20. Lebensjahr in einer einzigen Jugendkultur; typisch ist der regelmäßige Wechsel: heute Punk, in der nächsten Saison Gothic, ein Jahr später vielleicht Skinhead oder Skateboarder. Oder gleich Punk und Jesus Freak, Skateboarder und Hip-Hopper. Oder: An diesem Wochenende Gothic, am nächsten Brit-Popper, der Montag gehört der Liebsten, am Mittwoch geht’s ins Fitnessstudio, am Freitag zur THW-Jugend oder zur Jungen Gemeinde. Für eine wachsende Gruppe der Jüngeren ist eine Identität, eine Rolle zu wenig. Ambivalenz und Flexibilität sind die Lebensprinzipien immer mehr jüngerer Menschen. Was der (Arbeits-)Markt ihnen zwangsweise lehrt, pflanzt sich in den selbstbestimmten Freizeitwelten fort.
Gemeinden, so könnte man schließen, sollten dem Fragmentarisierungstrend nicht übereifrig folgen, sondern das offene Meer im Blick haben.
Ich kann die APuZ-Ausgabe zum Thema Jugendkulturen Pastoren und Mitarbeitern in der Jugendarbeit empfehlen: HQ156C.pdf.
Ferdinand Knauß hat sich auf die Suche gemacht. Er wollte einfach mal wissen, was die Gender Studies über das »Kinderkriegen« zu sagen haben. Knauß:
Ich fand in einer halben Stunde Internet-Recherche sonst keine Publikationen aus dieser Disziplin, die die Fortpflanzung des Menschen (und nicht der Coli-Bakterien) in ihre Theorien der Geschlechtlichkeit zu integrieren versuchen. Die grundlegendste aller anthropologischen Tatsachen, dass nämlich Menschen sich fortpflanzen, und dass sie es auf geschlechtliche Weise tun, dass (nur) Männer zeugen und (nur) Frauen gebären, und dass dies uns Menschen mit unseren nächsten tierischen Verwandten verbindet, ist für die Geschlechterforschung ein blinder Fleck! Ausgerechnet! Da schreiben Geschlechterforscher die Bibliotheken voll über Geschlechterrollen und »Körper« (der »Körper«-Begriff in den Gender Studies wird mein nächster Beitrag, erinnern Sie mich daran!) – und das was doch der existentielle Grund für den Unterschied der Körper und Rollen der Geschlechter ist, spielt offenbar so gut wie keine Rolle. Wie kann diese Geschlechterforschung für ihre Thesen Plausibilität behaupten, wenn sie zum zentralen Urgrund der Geschlechtlichkeit so wenig erhellendes zu sagen hat?
Hier der Beitrag: www.brainlogs.de.
Jean Baudrillard schrieb mit Der symbolische Tausch und der Tod ein Hauptwerk der Postmoderne. In seiner Medienkritik betonte er stets, dass die Bilder der Wirklichkeit mächtiger seien als die Wirklichkeit selbst. Mit seiner Theorie von der Herrschaft des Signifikanten über das Signifikat (»Simulation«) beeinflusste er auch Größen der Pop-Kultur, zum Beispiel die Rockband U2 (z.B. bei »Even Better Than the Real Thing«, siehe hier).
Thomas Assheuer schrieb in seinem Nachruf »Der letzte Prophet« über Jean Baudrillard:
Wenn es Jean Baudrillard nicht gegeben hätte, dann wäre die Welt um ein Epochengefühl ärmer gewesen. Nichts verbindet sich mit seinem Namen mehr als die Vorstellung von der »Postmoderne«, der Zeit nach dem Ende der Zeiten und dem Abschied von der Geschichte. Die Rede von der Postmoderne war die suggestive Zauberformel der achtziger Jahre, und sie hat die Köpfe verhext wie kaum eine zweite. Postmoderne hieß für Baudrillard: Die Zivilisation hat ihren Siedepunkt überschritten, von nun an wird sie erkalten. Sie tritt auf der Stelle, und es wird viel passieren, aber nichts mehr geschehen. Die Ereignisse finden nicht mehr statt, und wenn, dann nur noch als Simulation auf dem Bildschirm. In der neuen Ära, der Ära der Nachgeschichte, gibt es weder Wahrheit noch Politik. Nietzsche, so Baudrillard, habe sich noch mit dem Tod Gottes herumgeschlagen; wir, die endgültig Modernen, aber hätten es mit dem Verschwinden der Geschichte und dem Ende der Politik zu tun. Die Achtundsechziger waren die letzte Zuckung im historischen Lauf der Dinge, danach begann die »Agonie des Realen«, die »große Absorption«, das elende Verschwinden.
Nun ist nach gut dreißig Jahren erstmals auf Deutsch Jean Baudrillards massenkritisches Werk Im Schatten der schweigenden Mehrheiten erschienen.Thomas Thiel schreibt in seiner Rezension für die FAZ:
Die Geschichte der Massen kennt nur eine kurze Phase der Euphorie. Taub für den geschichtlichen Appell, resistent gegenüber den marxistischen Versuchen, sie zum revolutionären Subjekt zu machen, sank die Masse bald wieder zurück ins Unförmige und Verachtete. Unter dem Eindruck neuer Medien ist ein neues Lob des Massenhaften ausgebrochen, das digital belebten Kollektiven eine eigene Form der Intelligenz attestiert und die überall mitmachende, sendende, kommentierende Masse als Hoffnungsträger egalitärer Utopien feiert.
Im Reich der unzähligen Sender, Freunde und Gesprächspartner herrscht die Tendenz, Quantität als Qualität zu bewerten. Wenn das Ausgezeichnete schon nicht in die Masse diffundiert, dann kann Quantität immerhin – Stichwort Emergenz – in Qualität umschlagen. Demgegenüber dräut mehr und mehr das Bewusstsein, dass auch die digitale Utopie der von ihr produzierten Masse erliegen könnte.
Das Buch:
kann hier bestellt werden:
C.S. Lewis hat in seiner Autobiografie Überrascht von Freude (Brockhaus 1982) die organisierte Päderastie in seinem Jungeninternat ausführlich beschrieben. Die jungen, hübschen und feminineren Jungs mussten oft in die Rolle einer Hausdirne schlüpfen, um einem oder mehreren der älteren Jungs als Lustknabe zu dienen (vgl. S. 74–76). Das war damals der Schulbetrieb.
Für Lewis ist klar, dass bei diesem Thema viel geheuchelt wird (S. 93). Ich vermute, er hat Recht. Drei aktuelle Beispiele:
(1) Kaum jemand spricht in diesen Tagen darüber, dass wahrscheinlich mehr als zwei Drittel aller Missbrauchsfälle innerhalb der Familien vorkommen. Besonders Patchwork-Familien begünstigen den Missbrauch (Quelle mit weiteren Hinweisen):
In seiner Studie »Die dunkle Seite der Kindheit« belegt der Autor [Dirk Bange], daß Religionszugehörigkeit keinen Einfluß auf die Mißbrauchs-Häufigkeit hat: sexueller Mißbrauch kommt in katholischen, evangelischen oder konfessionslosen Familien im wesentlichen im gleichen Ausmaß vor. Dasselbe schreibt Clara Wildschütte in ihrer Studie »Psychodynamik einer Mißbrauchsfamilie«. Von großer Bedeutung für die Häufigkeit sexuellen Mißbrauchs ist jedoch die Frage, ob der Täter ein biologischer oder »sozialer« Vater (neuer Liebhaber der Mutter, Stiefvater, Pflegevater) ist.
(2) Während wir einerseits eine Welle medialer Empörung erleben, scheint fast unter zu gehen, dass Roman Polanski wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung einer Minderjährigen viele Sympathien erhalten hat. Das Erste berichtete:
»Das ist lächerlich«, sagt Claudine Wilde. »Das ist einfach nur schlimm.« Auch Peter Lohmeyer hat kein Verständnis. »Arme Sau, mit über 70 noch dahin transportiert zu werden«, sagt er. »Ich denke, Guido Westerwelle sollte mal Obama anrufen. Das ist seine Aufgabe. Er hat seine Schuld eingestanden, mehrmals.« Auch international bildet sich eine breite Unterstützerfront für Polanski. Auf dem Filmfest in Zürich gab es großen Protest gegen seine Verhaftung. Mehr als 100 prominente Weggefährten haben eine Erklärung unterschrieben, auf der sie die sofortige Freilassung Polanskis fordern, darunter auch Kult-Regisseur Woody Allen, die deutschen Regisseure Wim Wenders und Tom Tykwer sowie die Schauspielerin Tilda Swinton. Sie alle nehmen den großen Künstler Polanski in Schutz und vergessen nach Meinung von Medienexperte Jo Groebel, dass der Mensch Polanski immerhin wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen verhaftet wurde.
(3) Als Heuchelei empfinde ich es auch, dass in unserer postmodernen Lebenskultur übersehen wird, dass etliche Väter der Postmoderne die »Grenzüberschreitung« erkenntnistheoretisch begründet haben. Verweisen ließe sich hier z.B. auf Marquis de Sade, Georges Bataille oder manche Prominente der 68er-Generation (siehe auch hier). Zitieren möchte ich Michel Foucault, der sich als Übervater der Postmoderne-Debatte theoretisch und praktisch für eine Sexualität »ohne Gesetz« stark machte. In einem späten Gespräch mit Edmund White sagte Foucault (Interview mit Edmund White , 12. Mai 1990, in: James Miller, Die Leidenschaft des Michel Foucault, Kiepenheuer und Witsch 1995, S. 81):
In einem gewissen Sinne habe ich während meines gesamten Lebens versucht, intellektuelle Dinge zu tun, um schöne Knaben anzuziehen.
Der Protest gegen den Missbrauch von Kindern stützt sich auf ein christliches Menschenbild, nach dem die Würde jedes Menschen nicht durch eines sozialen Konsens erzeugt wird. Durch die Ebenbildlichkeit wird im jüdisch-chrisltichen Kontext dem Menschen eine ihm eigene Würde zuerkannt. Diese Würde ist unveräusserlich und unbedingt zu schützen.
Foucault bezeichnete solche Vorstellungen als humanistisch und falsch und plädierte für ein Denken, dass sich von den abendländischen Strukturen löst. Er wollte die Destruktion des Subjekts, »d.h. eine ›kulturelle‹ Attacke: Aufhebung der sexuellen Tabus, Einschränkungen und Aufteilungen; Praxis des gemeinschaftlichen Lebens; Aufhebung des Drogenverbots; Aufbrechung aller Verbote und Einschließungen, durch die sich die normative Individualität konstituiert und sichert. Ich denke da an alle Erfahrungen, die unsere Zivilisation verworfen hat oder nur in der Literatur zuläßt« (Michael Foucault, »Gespräch zwischen Michel Foucault und Studenten« in: Michel Foucault, Von der Subversion des Wissens, Fischer Wissenschaft, 1987, S. 95).
Der Protest gegen den Missbrauch von Kindern atmet die Asche des Abendlandes, nicht die der Verheißungen poststrukturalistischer Theorien.
Anthony Bradley meint, das Ende der Emerging Church-Bewegung sei gekommen:
The emerging church movement has ended. Andrew Jones, a leader of the movement in the U.K., wrote about the demise at the end of 2009. Rob Bell, the founding pastor of Mars Hill Bible Church in Grand Rapids, Mich., delivered an April 4 sermon on the Resurrection that marks, in my opinion, the end of an era. Bell recounts how Mars Hill started out to be a different kind of church without the baggage of watered-down “seeker” churches and the religious legalism of “traditional” churches. In a moment of wonderful honesty Bell admitted that Mars Hill had become a big institution that wounded people in similar ways as the churches many Gen-Xers swore they would not mimic. Jones affirms much of Bell’s experience on his blog.
Bedeutsamer scheint mir diese Anmerkung zu sein:
Because post-modernism as movement is dead as scientific realism emerged as a recent culture-shaping philosophical movement, the generation of Christians struggling to meet the challenges of post-modernism, instead of yelling at it hoping it would go way, are shifting as well to address a world asking different questions. While the effects of the emerging church movement will linger for some time we will begin to see books praising and attacking the movement go out of movement go out of print.
Für Christen eröffnete sich die Chance, vorauszudenken, anstatt hinter her zu laufen.
Hier der vollständige Artikel von Anthony Bradley: online.worldmag.com.
Entfremdung ist das Stichwort für Lady Gagas Selbstinszenierung. Katrin Horn, die derzeit über das Thema Deconstructing Gender Hegemony, Queering the Cultural Mainstream: Camp as a subversive strategy in the production and reception of contemporary American popular culture promoviert, hat das neue Video »Telephone« von Lady Gaga analysiert:
Ihre ständige wechselnden Images, ihre Kostüme, Frisuren und Make-Up, manchmal sogar Masken, sind Maskeraden, sind nicht einfach Kleidung, sondern Teil der Performance Art. Damit perfektioniert Gaga ein Spiel mit den Geschlechtern und Identität, das in den 80ern Annie Lennox und Madonna in unterschiedlicher Ausprägung ins Pop-Geschäft eingebracht haben und das vor allem bei Annie Lennox zu ähnlichen Hermaphroditen-Vorwürfen führte wie bei Lady Gaga. Dass Lady Gaga jedoch ein eigenes Video nutzt, um das Gerücht erneut zu thematisieren (und es damit vor dem Vergessen zu bewahren) und es einerseits aus der Welt zu schaffen („Told you she didn’t have a dick“), andererseits aber ihr Bedauern über diesen Umstand auszudrücken („Too bad“), ist neu und für einen einfachen Marketing-Gag mehr als ungewöhnlich. Darüber hinaus inszeniert sie sich sowohl als Sex-Babe (etwa in der Cage-Dancing-Szene), dessen Darstellung jedoch von Bildern als Mord-Opfer unterbrochen wird, als auch als Drag-Queen-Version der amerikanischen Hausfrau. Darüber hinaus gibt es Lady Gaga in der bereits erwähnten Myra-Breckinridge-Ausführung (eine MTF-Transgender aus einem Camp-Klassiker, die sich anschickt die Weltordnung umzustürzen), als hosenloses Biker-Chick und als Shania-Twain-Country-Inkarnation. Falls „sexy“ also überhaupt das richtige Wort zur Beschreibung ihrer Wirkung ist, gilt dies wohl vor allem für ein queeres Verständnis von Sex-Appeal. „Verstörend“ trifft die Ästhetik ihrer Performance und Sexualität jedoch in den meisten Fällen deutlich besser.
Wenn Judith Butler also Recht hat und „gender parody“ das richtige Mittel ist, um die heteronormative Matrix in Frage zu stellen und Linda Hutcheon mit ihrer Definition von Parodie als „repetition with a critical difference“ richtig liegt, ist Lady Gaga und ihr Performance-Marathon mit Pulp-Bezug in „Telephone“ ein mehr probates Mittel zur Subversion der Popkultur. Hinzu kommt, dass Gaga den Zuschauern das längst überfällige Happy-End zum Road-Movie Thelma & Louise nachreicht und damit das seinerzeit anscheinend nötige Eindämmung transgressiver Weiblichkeit einholt.
Hier der vollständige Text: genderblog.de.
Bis in die 1970er Jahre hinein haben fast alle Erwachsenen geheiratet. Seit der Postmoderne sinken nach Auskunft des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie die Heiratsquoten deutlich ab.
Das Institut schreibt zu dieser demographischen Entwicklung:
Der »Zweite Demographische Übergang« beendete diese Epoche der bürgerlichen Familiengesellschaft. Ehe und Familie verlieren seitdem sukzessive an sozialer Geltung: Zunächst nahmen Scheidungen zu, dann breiteten sich nichteheliche Lebensgemeinschaften aus und schließlich wuchs die Zahl der Singles. Die Familiengründung verschob sich immer mehr in ein höheres Lebensalter, zuerst wurden höhere Geburtenparitäten seltener und schließlich nahm auch die Kinderlosigkeit zu. Kinder sind längst nicht mehr ein selbstverständlicher Teil der Lebensplanung, sondern konkurrieren mit anderen Optionen (Konsum, Freizeit, Beruf). Im Zentrum der postmodernen Mediengesellschaft steht das autonome Individuum: Sein Selbstverwirklichungsstreben soll nicht durch endgültige Bindungen an Personen (Kinder, Ehegatten), Institutionen (Staat, Kirche) und Moral behindert werden. Die »traditionelle« Familie gilt dem postmodernen Individualismus als überholte Institution und ihr Bedeutungsverlust als emanzipatorische Befreiung. Gerne verdrängt werden die Kosten dieser Emanzipation: Weil die Familie ausfällt, muss immer häufiger der Staat für Kinder und alte Menschen sorgen. Gleichzeitig schwindet das Reservoir junger Arbeits- und Pflegekräfte, Steuer – und Beitragszahler. Diese Kollateralschäden der Emanzipation unterhöhlen die Fundamente des seit dem 19. Jahrhundert aufgebauten Wohlfahrtsstaatsgebäudes. Im Gegensatz zu Deutschland hatten die »neuen Industrieländer« kaum Zeit, eine solche Sozialarchitektur zu errichten: Fast zeitgleich erleben sie den ersten und den zweiten »Demographischen Übergang« – umso härter dürften sie die sozialen Konsequenzen des »exzessiven Individualismus« (E. Durkheim) treffen.
Hier mehr: www.i-daf.org. Interessant ist ausserdem folgender Artikel: www.welt.de.
Helene Hegemann wurde in den vergangenen Wochen wie ein Wunderkind durch die Feuilletons gereicht. Inzwischen ist allen klar, dass sie beträchtliche Teile ihres postmodernen Erfolgsromans Axolotl Roadkill abgeschrieben hat (wird wohl nächste Woche auf der SPIEGEL-Liste Platz 2 belegen). Wie reagiert die Autorin aus der auf Authentizität versessenen Jugendkultur auf die Plagiatsvorwürfe? Lapidar:
Ich habe mich also überall bedient, wo man Inspiration findet. Originalität gibt’s sowieso nicht, nur Echtheit.
Sie wird eine Heldin bleiben.
Durch den spektakulären Fall ist inzwischen die literarische Vorlage berühmt geworden. Strobo, das Buch jenes Bloggers, der anonym bleiben möchte, gewährt Einblicke in die Verlorenheit und Einsamkeit der Menschen, die in ihrer Erlebniskultur die Auflösung des Ich zelebrieren und in nüchternen Minuten spüren, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Mögen noch viele aufwachen.
Die FAZ hat mit »Airen« gesprochen. Ja, ich empfehle auch den ganz frommen Blog-Lesern einmal in die Welt der multiplen Identitäten einzutauchen (und wenigsten die unten angeführten Zitate, vielleicht aber auch eines der beiden Bücher, zu lesen). Das kann eine sehr heilsame Erfahrung sein.
Hier: www.faz.net.