Ukraine

Das Moskauer Patriarchat als Staatsorgan

Eine enge Verquickung von Kirche und Staat ist meist hochproblematisch. Stephan Baier weist darauf hin, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche sich neoimperialen Zielen unterordnet und in die aggressive Politik des Kremls integriert ist. Die Ukraine ist zumindest um Religionsfreiheit bemüht, auch wenn das wahrscheinlich in der Praxis recht kompliziert ist und aus der Sicht mancher Gemeinden unbefriedigend läuft.

Zitat:

Anders als in Russland herrscht in der Ukraine ein bunter konfessioneller Pluralismus, wobei der Staat seit seiner Unabhängigkeit 1991 je nach Regierung die eine oder die andere Orthodoxie unterstützte. In der Erklärung des Allukrainischen Rates heißt es dazu: „Seit Beginn ihrer Unabhängigkeit ist die Ukraine weltweit für ihre hohen Standards der Religionsfreiheit bekannt, die auch unter Kriegsrecht gewahrt und respektiert werden.“ Das im August 2024 verabschiedete „Gesetz zum Schutz der Verfassungsordnung im Bereich der Tätigkeit religiöser Organisationen“ habe den Grund, dass sich die russische Orthodoxie „direkt am Krieg gegen die Ukraine beteiligt, offen zur Zerstörung der ukrainischen Souveränität, Kultur und nationalen Identität bekennt, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen segnet und die Tötung ukrainischer Zivilisten sowie die illegale Besetzung ukrainischer Gebiete offen unterstützt“.

Die ukrainischen Kirchen und Religionen erinnern daran, dass der russische Patriarch Kyrill von einem „Heiligen Krieg“ sprach und russischen Soldaten, die im Krieg sterben, die „vollständige Vergebung ihrer Sünden“ zusagte. Damit billige er die Tötung von Ukrainern, auch von Christen verschiedener Konfessionen. Die Erklärung des Allukrainischen Rates, dem auch die katholische Kirche des lateinischen wie des byzantinischen Ritus angehört, weist mit Recht darauf hin, dass in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine die Aktivitäten der christlichen Konfessionen eingeschränkt oder verboten sind: „Der russische Staat verletzt und missachtet sowohl auf seinem eigenen Territorium als auch in den besetzten ukrainischen Gebieten systematisch alle Grundprinzipien der Religionsfreiheit.“

Mehr: www.die-tagespost.de.

Selenskyj als Antichrist

Reinhard Flogaus beschreibt in einem Gastbeitrag für die FAZ (27.01.2022, Nr. 301, S. 15), dass die politische, mediale und kirchliche Propaganda in Russland zunehmend religiöse Bilder für die Rechtfertigung des Krieges mit der Ukraine in Anspruch nimmt. Die verwendeten Assoziationen und Sinnbilder sind absurd. Ich befürchte jedoch, dass es Anhänger gibt, die darauf reinfallen.

Einige Beispiele:

Der von Putin gegen den Westen gerichtete Vorwurf des Satanismus war schon im April von dem russischen Ultranationalisten Alexander Dugin zur Rechtfertigung des Krieges in der Ukraine benutzt worden. In einem Artikel bezeichnete Dugin den Krieg in der Ukraine als Auseinandersetzung zwischen „geistigen Wirklichkeiten“. Entweder die Ukraine komme wieder „unter die Herrschaft Christi und seiner unbefleckten Mutter, oder sie wird unter der Herrschaft Satans bleiben“, so Dugin. Mit dem Kampf in der Ukraine habe die große endzeitliche Schlacht zwischen der „Orthodoxen Zivilisation“ und „der Welt des westlichen Antichrists“ begonnen. Auf die Pest der Corona-Pandemie folge nun der zeite apokalyptische Reiter – der Krieg. Nicht Russland brauche die Ukraine, wohl aber Christus.

Fanden Dugins Endzeitphantasien zunächst kein großes Echo, so änderte sich dies nach Putins Anprangerung des angeblichen „Satanismus“ des Westens. Zu den Kriegszielen der Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine kam in der russischen Propaganda nun auch das der „Entsatanisierung“. Als Erster forderte dies das Oberhaupt der Republik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow. Aber auch Alexej Pawlow, der stellvertretende Sekretär des Russischen Sicherheitsrates, behauptete, die satanischen Kulte nähmen in der Ukraine überhand und Russland müsse die Ukraine „entsatanisieren“. Schon der Umsturz in der Ukraine 2014 sei ein Werk neuheidnischer Kräfte gewesen. Und Ex-Präsident Dmitrij Medwedjew, der sich seit geraumer Zeit als der radikalste Kremlvertreter zu profilieren sucht, beschimpfte am 4. November, dem russischen „Tag der Einheit des Volkes“, die ukrainische Regierung als einen „Haufen von Wahnsinnigen und Drogensüchtigen“ und erklärte, es sei die Aufgabe Russlands, in der Ukraine den obersten Herrscher der Hölle zu stoppen, egal welchen Namen er trage – „Satan, Luzifer oder Iblis“. Anfang Dezember wurde im russischen Staatsfernsehen allen Ernstes diskutiert, ob Selenskyj selbst der Antichrist sei oder nur einer seiner Dämonen.

Ukraine: Keine Spur von entführtem Pastorenehepaar aus Mariupol

Nach wie vor fehlt jede Spur von dem am Abend des 21. September verhafteten Pastor Leonid Ponomaryov, Leiter einer Gemeinde des Rats der Baptistengemeinden in Mariupol und seiner Frau Tatyana. Abgesehen von dieser Entführung sind auch weitere, teilweise mehrere Monate zurückliegende Übergriffe gegen religiöse Leiter in den von Russland besetzten bzw. annektierten Gebieten der Ukraine bekannt geworden. Bereits am 23. Juni brachte das russische Militär eine Delegation von Priestern des Moskauer Patriarchats nach Mariupol. Sie besuchten mehrere Kirchen, darunter auch die der Orthodoxen Kirche der Ukraine angehörende Kirche des Heiligen Petro Mohyla. Petro Andriuschtschenko, ein Berater des bereits aus der Stadt geflohenen ukrainischen Bürgermeisters von Mariupol bezeichnete die ungebetenen Besucher als mit Priestergewändern bekleidete Geheimdienstbeamte und berichtete, sie hätten die zahlreichen von Freiwilligen und Wohltätern gesammelten Bücher der Bibliothek der Kirche in den Hof gebracht und verbrannt.

Im Juli eroberten russische und von Russland unterstützte Truppen die Stadt Lyssytschansk in der Region Lugansk. Innerhalb weniger Tage beschlagnahmten sie das Gebäude der Baptistengemeinde, der größten protestantischen Gemeinde in der Stadt. Männer in Uniform rissen das Eingangstor nieder, um sich Zutritt zu verschaffen. „Sie warfen all unser Eigentum hinaus, einschließlich unserer christlichen Literatur, darunter Bibeln und Lehrmaterial“, berichtete der Pastor der Gemeinde, Eduard Nosatschov. Einige der verbliebenen Gemeindeglieder nahmen die Bibeln, die man in einen Nebenraum geworfen hatte, nach und nach mit und versteckten sie trotz der Gefahr an sicheren Orten. Das Gebäude wird jetzt von der von Russland kontrollierten Stadtverwaltung genutzt. Ende September nutzten es die Behörden der Volksrepublik Lugansk auch als Wahllokal für das Scheinreferendum über den Anschluss des Lugansker Gebiets an Russland. Pastor Nosatschov, der selbst bei den Ereignissen nicht anwesend war, da er bereits im April die Stadt wegen der Kämpfe verlassen hatte, berichtete auch, dass die christlichen Gemeinden am Ort vor dem Krieg die Bevölkerung unterstützt hätten. Dennoch hätten die Bewohner nach Einrücken der Russen die örtlichen Christen und deren Wohnsitz an die neuen Machthaber verraten. Nach Angaben von Pastor Nosatschov hätten Russische Beamte auch gegenüber Mitgliedern verschiedener christlicher Gemeinden in Lyssytschansk erklärt, dass die Militärverwaltung alle Baptisten, Pfingstler und Adventisten als Extremisten eingestuft und ihnen die Betätigung verboten hätte.

Am 14. Juni führten Beamte des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB eine Razzia in einer Baptistengemeinde in Vasilivka durch und erfassten die Daten aller Anwesenden. Dies berichtete ein Leiter des Ukrainischen Baptistenbundes gegenüber Forum 18. Die Beamten erklärten, dass die Gemeinde als „destruktive Sekte“ geschlossen würde und dass keine weiteren Versammlungen gestattet würden. Durchsuchungen fanden an mehreren Gottesdienststätten in den besetzten Gebieten statt. Am 18. Juni nahm das russische Militär Valentin Zhuravlev, einen Pastor der protestantischen Kirche Quelle des Lebens in Melitopol, der auch als Tierarzt tätig ist, bei einer nicht politischen überkonfessionellen Gebetsversammlung auf dem Stadtplatz fest. Er wurde Berichten zufolge bereits freigelassen. Anfang August beschlagnahmte das russische Militär das Gebäude der von Pastor Viktor Sergeyev geleiteten Christengemeinde Melitopol und verbot alle weiteren Gottesdienste. Das große Gebäude mit Brunnen und Palmen auf dem Gelände wird inzwischen als Kultur-, Unterhaltungs- und Sportkomplex genutzt. Am 4. August postete die Ortschefin eines nahegelegenen Dorfes ein Foto von sich selbst und dem beschlagnahmten Gebäude der Christengemeinde Melitopol auf Telegram, auf dem eine große russische Flagge prangte. Dazu schrieb sie: „Grüße vom Jugend- und Sportministerium. Das Gebäude der Sekte, die sich gegen die russische Föderation versammelt hat, dient ab jetzt dem Nutzen der Russischen Föderation.“ Das Gebäude der Pfingstgemeinde von Melitopol wurde laut Berichten einer lokalen Nachrichtenagentur vom 30. August vom russischen Militär beschlagnahmt und dient jetzt als Militärbasis

Am 11. September war die protestantische Gnadenkirche in Melitopol Ziel einer Razzia des russischen Militärs während des sonntäglichen Gottesdienstes. Die Soldaten erfassten Namen und Ausweisdaten aller Anwesenden. Allen Männern wurden Fingerabdrücke abgenommen und ihre Identitätsdokumente wurden ihnen abgenommen. Das Militär beschuldigte die Mitglieder der Gemeinde, Verbindungen zu den USA zu haben und erklärten das Gebäude für verstaatlicht. Sie sprachen ein Verbot aus, wieder zu kommen. Zwei Pastoren wurden festgenommen.

Am 21. September besuchten russische Militärangehörige die Baptistengemeinde im Dorf Tschkalovo im Bezirk Melitopol und verboten alle weiteren Gottesdienste. „Nach dem Referendum werdet ihr nicht mehr hier sein wir haben nur einen Glauben – den Orthodoxen“ erklärte laut Angaben eines Gemeindemitglieds einer der Soldaten.

Ebenfalls geschlossen wurde die Birlik (Einheit) Moschee in einem Dorf in der Region Cherson. Rustem Asanov, der Imam der Moschee, ein Krimtatar, wurde bereits im Frühjahr festgenommen und in einem unterirdischen Raum von russischen Besatzern misshandelt. Die Moscheegemeinde wurde wie andere Religionsgemeinschaften aufgefordert, sich von ihrem ukrainischen Dachverband zu trennen und der entsprechenden russischen religiösen Körperschaft anzuschließen. Ein Behördenvertreter, der sich weigerte seinen Namen zu nennen und sich nur mit dem Pseudonym „Bars“ (Leopard) zu erkennen gab, erklärte gegenüber Imam Asanov, dass sich zu gegebener Zeit alle Religionsgemeinschaften in den von Russland kontrollierten Gebieten nach russischem Recht beim Justizministerium der Russischen Föderation neu registrieren lassen müssten.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 21. Oktober 2022). Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA.

Krim: Menschenrechtsverletzungen nach russischem Recht

Auf dem Territorium der von Russland besetzten Krim werden alle Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit massiv eingeschränkt. Das heißt, die in Russland geltenden Gesetze und Einschränkungen werden auch auf der Halbinsel Krim angewandt. Das meldete das Forum 18 am 23. September 2022.

Seit der russischen Invasion im Jahr 2014 kam es demnach wiederholt zu Razzien, religiöse Literatur wurde beschlagnahmt, religiöse Leiter aus dem Ausland, die auf Einladung auf der Krim weilten, wurden ausgewiesen, Mietverträge für Gottesdienststätten einseitig aufgelöst und die Rückgabe von während der Ära der Sowjetunion beschlagnahmten Gottesdienststätten behindert. Mehrere Gottesdienststätten wurden durch die Behörden geschlossen. Es wurden wiederholt Geldstrafen gegen Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaft verhängt, die Gottesdienste oder Versammlungen ohne staatliche Erlaubnis geleitet hatten. Einige Muslime und Zeugen Jehovas wurden zu langjährigen Kerkerstrafen verurteilt.

Nach der Besetzung der Krim mussten sich alle Religionsgemeinschaften nach russischem Recht neu registrieren lassen. Von den 1.156 Gemeinschaften, die nach ukrainischem Recht legalen Status hatten, konnten bis zum von den russischen Behörden gesetzten Termin 1. Januar 2016 nur etwa 400 die Registrierung nach russischem Recht erlangen.

Vertreter der Zivilgesellschaft und Mitglieder zahlreicher Religionsgemeinschaft zögern aus Furcht vor möglichen staatlichen Repressionen Russlands, offen über Themen zu sprechen, die als Kritik an der Besetzung der Krim interpretiert werden könnten. Aleksandr Sedov von der nunmehr verbotenen Menschenrechtsgruppe der Krim merkte gegenüber Forum 18 an, dass die von der russischen Besatzungsmacht wegen der Ausübung der Religions- bzw. Glaubensfreiheit verhängten Strafen internationale Menschenrechtsnormen verletzen. Die Menschenrechtsgruppe wurde am 4. Mai 2022 von der russischen Generalstaatsanwaltschaft zur „unerwünschten Organisation“ erklärt. Dadurch macht sich jede Person, die sich vor an den Aktivitäten der Gruppe beteiligt, strafbar und kann sogar zu einer Haftstrafe verurteilt werden.

In seinem Bericht über die Menschenrechtslage in der Ukraine während des Zeitraums 1. August 2020 bis 31. Januar 2021 verurteilte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen (OHCHR) die unrechtmäßige Anwendung des Rechts der Russischen Föderation in dem besetzten Gebiet. Zu vergleichbaren Menschenrechtsverletzungen kommt es auch in den nur von Russland anerkannten „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk.

VD: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA 

Ukraine: Das Ende aller Gewissheiten?

„Krieg ist das Ende aller Gewissheiten“ schrieb der Tagesspiegel am 9. März 2022. Menschen in der Ukraine verlieren ihre Häuser, ihre Grundversorgung, ihre Heimat und vieles mehr. Daniel Knoll ermutigt uns in einem Artikel, den er für Evangelium21 geschrieben hat, angesichts dieser Entwicklungen den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern in Wort und Tat Zeugen des Evangeliums zu sein. Wie im Artikel deutlich wird, sind uns darin viele Geschwister in der Ukraine Vorbilder:

Als Christen und Gemeinden tun wir gut daran, die historischen Ereignisse dieser Tage auch aus dieser Perspektive zu betrachten – und entsprechend zu handeln. Wir können das Zeugnis ukrainischer Christen im Land finanziell unterstützen, solange es möglich ist. Wir können Glaubensgeschwister aufnehmen, die ihre Heimat verlassen mussten. Vor allem aber können wir gezielt und andauernd beten, dass Gott sich inmitten der Leiden dieses Krieges verherrlicht und seine Gemeinde – dort und hier – in der Überzeugung bestärkt: Krieg ist nicht das Ende aller Gewissheiten.

Mehr: www.evangelium21.net.

Putin widerlegt Nietzsche

Wladimir Putin ist ein lebendiger Beweis dafür, dass Nietzsche mit seiner Philosophie des Stärkeren völlig falsch lag. Nietzsche sagte (Der Antichrist, § 17, KSA, Bd. 6, S. 183; § 7, S. 174):

Wo in irgend welcher Form der Wille zur Macht niedergeht, giebt es jedes Mal auch einen physiologischen Rückgang, eine décandence.

Nichts ist ungesunder, inmitten unsrer ungesunden Modernität, als das christliche Mitleid.

Sonst: Ich bin erschüttert über die Ereignisse in der Ukraine. Eines der größten Länder der Welt – mit einer der größten Armeen, die es gibt – zieht in einen brutalen Angriffskrieg. Meine Gedanken und Gebete sind bei den Ukrainern. Sie sind auch bei den vielen friedliebenden Russen, die sich für die Allmachtsphantasien Putins schämen und gegen seine Kriegspolitik Stellung beziehen. Und sie sind bei den Menschen in den Anliegerstaaten. Besonders sind sie bei den Bürgern und Freunden im Baltikum. Ich habe dort sechs Jahre gelebt und erinnere mich an die Tage, als sich die baltischen Länder von der russischen Besatzung befreien konnten. Was für Freudentage. Ich bin fassungslos, dass nun die alten Ängste zurückkehren. Möge Gott das Schlimmste verhindern.

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