U. Eibach: Menschenwürde und Lebensschutz

Prof. Ulrich Eibach (Bonn) zeigt in einem kurzen Beitrag, dass der Begriff „Menschenwürde“ zunehmend von seinem Ursprung abgekoppelt wird. Die moderne Lesart der Menschenwürde als empirisch feststellbare Qualität begünstigt die Rechtfertigung der Tötung menschlichen Lebens am seinem Anfang und an seinem Ende. Eibach:

Dieses Verständnis von der Würde des Menschen, das die Väter des GG’es leitete, ist maßgeblich durch die jüdisch-christliche Lehre von der Gottebenbildlichkeit aller Menschen bestimmt. Die Würde, Mensch und zugleich Person zu sein, gründet danach nicht in empirisch feststellbaren Qualitäten, sondern darin, dass Gott den Menschen zu seinem Ebenbild bestimmt hat. Kein Mensch wird dieser Bestimmung im irdischen Leben voll gerecht. Die Gottebenbildlichkeit wird letztlich erst im Reich Gottes, im Sein bei Gott vollendet. Diese letztlich zukünftige Würde ist jedoch dem irdischen Leben von Gott her bereits unverlierbar zugesprochen. Person ist der Mensch allein durch das, was Gott an ihm und für ihn tut. Der Mensch konstituiert weder sein Leben noch seine Würde selbst, sondern er empfängt sie von Gott her. Die MW ist also eine „transzendente Größe“, die von Gott her dem „Lebensträger“ (= Leiblichkeit) zugleich mit dem Gegebensein von Leben, also dem gesamten menschlichen Leben unverlierbar vom Beginn bis zum Tod zugeordnet ist und bleibt, daher nicht in Verlust geraten kann, wie versehrt auch immer Körper, Seele und Geist sein mögen. Es gibt also kein „würdeloses“ und „lebensunwertes“, bloß biologisch menschliches Leben. Im Unterschied zur Person können wir das, wozu der Mensch durch andere Menschen (Erziehung) und sich selbst wird, als Persönlichkeit bezeichnen. Sie ist in der Tat eine empirische Größe, die durch Krankheit abgebaut und zerstört werden kann. Identifiziert man die Person mit der Persönlichkeit, so wird zugleich das Leben mit der Krankheit bzw. der Behinderung gleichgesetzt, der Mensch wird dann durch sie definiert, er ist Behinderter, Pflegefall usw. Man schließt dann zuletzt aus der Zerrüttung der Persönlichkeit, dass es sich um „minderwertiges“, wenn nicht gar „menschenunwürdiges“, „würdeloses“, bloß „vegetatives“ Leben handele, das man um seiner selbst wie auch um der Last willen, die es für andere darstellt, besser von seinem Dasein „erlösen“ solle.

Die idealistische und auch die empiristische Philosophie stellen die Autonomie in den Mittelpunkt ihres Menschenbildes, sie betrachten das Angewiesensein auf andere Menschen als eine minderwertige Form des Menschseins. Nach christlicher Sicht ist Leben immer verdanktes, sich anderen verdankendes Leben. Der Mensch ist, um überhaupt leben zu können – nicht nur im Kindesalter, sondern bleibend das ganze Leben hindurch -, auf Beziehungen zu anderen Menschen angewiesen, nicht nur als Säugling und als behinderter und alter, sondern auch als gesunder und sich „autonom“ wähnender Mensch. Er lebt in und aus diesen Beziehungen und nicht aus sich selber, er verdankt ihnen und damit in erster Linie anderen und nicht sich selbst sein Leben. Daher ist das „Mit-Sein“ (Miteinandersein) Bedingung der Möglichkeit des Selbstseins, hat seinsmäßigen Vorrang vor dem Selbstsein. Diesem Angewiesensein entspricht das Für-Sein der Anderen, ohne das Leben nicht sein, wenigstens aber nicht wirklich gelingen kann. Dies ist auch bei mündigen Menschen der Fall. Es tritt jedoch bei schwer kranken, behinderten und pflegebedürftigen Menschen am deutlichsten hervor, weil bei ihnen das „Aus-sich-selbst-leben-können“ am wenigsten möglich ist.

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