Die Pädagogin und Psychologin Isabella Gölles erklärt der FAS, warum für sie Disziplin die Schlüsselkompetenz der Zukunft ist – ganz gegen den Zeitgeist. In dem nachfolgenden Auszug sticht heraus, dass es ihrer Meinung nach wichtig ist, dass Kinder sich an Vorgaben halten, die von außen an sie herangetragen werden. Ihr Beispiel ist der Chorgesang, der ja nie nur Ausdruck innerer Gefühligkeit sein kann.
Zitat:
[#ad]Sie kritisieren, dass Erziehung beliebig geworden ist, man den Kindern zu wenig zumutet und ihnen keine klaren Regeln vorgibt. Warum ist das schlecht?
Weil sie dann nicht auf das echte Leben vorbereitet werden. Einen starken Charakter entwickelt man nur, indem man Widerstände selbst überwindet, durch eigenen Antrieb oder durch kleine Hilfen. Und wenn man gar keine Latte gesetzt bekommt, dann nimmt man den Kindern die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Oft herrscht bei Eltern eine Form von Gleichgültigkeit; dabei haben sie eine Verantwortung, die Kinder auf das Leben vorzubereiten.
Und wie geht das?
Es gibt eine Flut an Möglichkeiten, denen wir und unsere Kinder in diesen Zeiten ausgesetzt sind. Das, was uns helfen kann, ist eine gewisse Selbststruktur und Selbstkontrolle. Zum Zweiten geht es auch darum, dass wir, um in der Gruppe friedlich miteinander weiterleben zu können, klare Strukturen und klare Regeln brauchen, die auch teilweise antrainiert werden müssen. Wenn man dieses Sichzurücknehmen in der Gruppe nie erfahren hat, weil immer alles frei war, dann kann man es sich sehr schwer selbst erarbeiten.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wenn ein Kind zum Beispiel im Chor singen möchte, gibt es gewisse Vorgaben: Alle müssen gleich singen. Es gibt natürlich verschiedene Stimmlagen, aber eben auch gewisse Strukturen, an die man sich halten muss. Wenn man eine Leistung bringen will oder auch was Schönes entstehen lassen möchte, muss man aufeinander hören und aufeinander achtgeben. Aber auch sich einordnen – nicht unterordnen – in diese Gruppe. Und man muss Leistung bringen, stetig üben und jede Woche zur Probe gehen.