Winter- statt Weihnachtsmarkt

Noch vor dem „Holy Shit Shopping“ eröffnet an diesem Freitag die „Winterwelt“ am Potsdamer Platz die neue Saison der Berliner Weihnachtsmärkte. Aber Weihnachtsmarkt möchte man das in Berlin nicht mehr nennen. Während bei Traditionsveranstaltungen Dresdner Striezelmarkt nach wie vor Gottesdienste zur Eröffnung, Krippenspiele und christliche Chormusik auf dem Programm stehen, wird anderswo nicht einmal mehr Weihnachten im Namen erwähnt. Das liegt aber nicht an der Politik oder der wachsenden muslimischen Bevölkerung. 

Marc Felix Serrao kommentiert berechtigt: 

Weihnachten wird nicht verboten. Es verblasst ganz von selbst.

In Deutschland gibt es heute keine einzige Grossstadt mehr mit einer evangelischen Mehrheit und nur noch weniger als eine Handvoll mit einer katholischen Mehrheit. Diejenigen, die sich aus den Kirchen verabschieden, werden nicht verjagt. Sie verabschieden sich einfach. Für die einen ist der massive Kindesmissbrauch und dessen jahrzehntelange Vertuschung ausschlaggebend, für die anderen die plumpe und einseitige Politisierung vieler Kirchenvertreter.

Was entsteht, wenn sich Gotteshäuser leeren und christliche Rituale von immer weniger Menschen praktiziert und verstanden werden, sind Travestien wie die Winterwelt am Potsdamer Platz. Sie haben nichts mehr mit Weihnachten zu tun, und trotzdem können die Veranstalter sie als „perfekten Ort“ vermarkten, „um sich auf die Festtage einzustimmen“.

Der Schweizer Philosoph und Priester Martin Rhonheimer hat sich einmal als katholischen Liberalen bezeichnet und erklärt, dass das etwas ganz und gar anderes sei als ein liberaler Katholik. Ersterer achte die Freiheit anderer, mache aber am eigenen Glauben keine Abstriche. Letzterer trage die Prinzipien der säkularen Welt „unter dem Deckmantel von Demokratisierung und Pluralisierung in einer Weise in die Kirche“, die am Ende deren Dogma und Morallehre auflöse.

So ist es – und nicht nur in der katholischen Kirche. Pseudoweihnachtliche Wintermärkte sind keine Folge einer Islamisierung oder einer Multikulti-Politik, sondern eines liberal gewordenen Christentums. Sie sind ein Teil von dessen Auflösungsprozess.

Mehr: www.nzz.ch.

VD: BS

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3 Kommentare
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1 Stunde zuvor

Es ist sicher Zeichen eines kulturellen Shifts, aber ich habe Weihnachtsmärkte (und das ganze Weihnachtsgeschäft) sowieso immer mehr als geistliche Prostitution von Kommerz und Kirche empfunden.
Ich glaube nicht, dass Christus gesteigerten Wert auf Weihnachtsmärkte und die „Leise rieselt der Schnee“-Verkitschung seiner Geburt legt.
Manchmal denke ich, dass das Wunder der Inkarnation durch nichts mehr verdunkelt wird als durch dieses ganze Drumherum von Weihnachtsmarkt bis Weihnachtsmärchen.

Matze
18 Minuten zuvor

Die starke Säkularisierung am Potsdamer Platz gab es schon in den Zeiten der DDR wozu dieser Platz früher gehört hat. Und da liegt auch die Symbolik, denn nach der Wende wurde nicht versucht, den Glauben stark in den Osten hineinzutragen, sondern die Glaubenden wurden eher von der Liberalität und des Atheismuses im Osten angesteckt. Da gab es viele Schritte dazu. So sollte man zum Beispiel aus bibeltreuer Sicht schon fragen ob die Integration der Pfingstbewegung in der abgelaufenen Form richtig war. Aus heutiger Sicht hätte eine klare Distanzierung vom Wohlstandsevangelium und Extremcharismatismus geholfen und wenn man da nur Gemeinden aufgenommen hätte, die sich davon distanzieren. Mit dieser Breite konnte man später liberale Einstellungen zu Ehe und Familie, zu Adventisten u.a. nicht mehr aussen vor halten. Diese schrittweise Entwicklung hat immer mehr das Licht der evangelikalen Bewegung verlöschen lassen. Es gab bis vor 30-40 Jahren von evangelikaler Seite immer wieder klare Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Fragen. Diese Möglichkeit haben wir uns aus… Weiterlesen »

Matze
16 Minuten zuvor

Und ergänzend zum Thema: Welche Gemeinde würde das heute noch kritisieren und öffentlich darauf reagieren wenn es einen Wintermarkt anstatt einem Weihnachtsmarkt gibt?

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