Ausmischung?

Der evangelische Pfarrer Jochen Teuffel hat heute in der FAZ den Artikel »Man höre doch mal dem Heiland zu« publiziert. Wieder kann ich Teuffel in vielen Punkten zustimmen, z.B. dort, wo er die Trennung von Kirche und Staat oder die Religionsfreiheit für alle Religionen fordert. Richtig ist zudem sein Verweis darauf, dass zum Christuszeugnis auch das Leiden gehört.

Doch dann lese ich:

Die Provokation des christlichen Glaubens besteht im letzten Wort Jesu am Kreuz: »Es ist vollbracht (tetelestai!« Der stellvertretenden Lebenshingabe des Gottessohnes ist menschlicherseits nichts hinzuzufügen. Was für Christen zu tun bleibt, ist die gottesdienstliche Feier des Pascha-Mysteriums Christi, das missionarische Namenszeugnis sowie der Dienst am fremden Nächsten. Im Übrigen gilt Toleranz, was nichts anderes heißt, als »Zuwiderliches« zu ertragen, weil man es weder abwenden noch ignorieren oder gar für sich akzeptieren kann.

Was Teuffel fordert, ist die »Ausmischung«. Christen, so verstehe ich Teuffel, sollten den Glauben vollständig privatisieren (also außerhalb der persönlichen Bekehrung keinen gesellschaftlichen Anspruch auf Einschluss erheben). Christen feiern Gottesdienst und mischen sich sonst nicht ein, auch dort nicht, wo sich Unrecht ausbreitet oder Freiheit erstickt wird. So hat es Luther nicht gemeint! Auch ich bin gegen die Gleichsetzung von Reich Gottes und Gesellschaft. Die Alternative zur Ideologisierung des Glaubens ist aber nicht die Ausmischung, sondern die friedliche Einmischung. »Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll«, hat Bonhoeffer einmal gesagt.

Hier der Artikel von Jochen Teuffel: www.faz.net. Mehr zu der Frage: »Sollen sich Christen in die Gesellschaft einmischen?« hier: diesseits.pdf.

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11 Kommentare
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13 Jahre zuvor

Ja, ich denke, es ist so:
Als Christ BIN ich nicht politisch, aber mein Glaube und somit meine Lebensweise und Alltag hat Auswirkungen auf die Politik, Gesellschaft etc. im weitesten Sinn. Jede Einstellung ist schließlich irgendwie politisch. Und Nächstenliebe ist darum zutiefst politisch, weil man sich in eine bestimmte Position zu den Mitmenschen stellt.
Das mit der Zwei-Reiche-Lehre finde ich immer problematisch, wenn sie einen von der Verantwortung entbindet – auch im Dritten Reich hatte das ja seine Auswirkungen …

13 Jahre zuvor

Danke für den Hinweis! Wirklich ein guter Kommentar.
Auch deine Kritik finde ich gut. Wobei ich nicht genau weiß, ob sie Teuffel wirklich trifft. Wenn ich es richtig verstanden habe, wendet sich seine Kritik gegen einen kulturellen Wertkonservativismus unter der Flagge des Christentums (in der Form einer „Leitkultur“). Als gesellschaftliche „Ausmischung“ habe ich das nicht verstanden. Gerade „das missionarische Namenszeugnis sowie der Dienst am fremden Nächsten“ schließen doch eine gesellschaftliche Einmischung ein, oder?

13 Jahre zuvor

Gut, jetzt habe ich den Artikel noch mal genau und ganz gelesen; vielleicht trifft es ihn echt nicht. Es klang auf mich anfangs nur so, als wolle er des Christentum irgendwie auf das Private „begrenzen“ und das scheint meiner Meinung nach nicht möglich. Weil der christliche Glaube m.E. nicht begrenzt werden kann.
Er besteht praktisch aus Mission, Dienen und ggf. Seelsorge, was per se schon gesellschaftliche Einmischung ist. Was ja zu Ethik, einem bestimmten gesellschaftlichen Handeln führt und somit die Gesellschaft (insbesondere eine Demokratie) in hohem Maße beeinflusst. (also auch politisch)
Eine „Leitkultur“ und da stimme ich ihm wohl auch zu, ist m.E. aber wirklich entgegen der christlichen Botschaft, weil der Christ als Einzelner in der Nachfolge steht.
Nur – was meint missionarisches Namenszeugnis genau und warum nur der „fremde“ Nächste? Ist damit der Muslim gemeint?
Meint er mit dem „es ist vollbracht“, dass der Christ nichts mehr selbst tun MUSS, aber DARF? Oder verstehe ich ihn da ganz falsch?

13 Jahre zuvor

[…] Insgesamt finde ich es ermutigend, dass Studenten und Lehrkräfte bemerken, dass wir Geisteswissenschaften und ethische Begründungen brauchen. Zugleich kann ich nur hoffen, dass Vertreter einer »kopernikanischen Wende« in der Ethik, wie z.B. Peter Singer, nicht allein das »Feld bestellen«. Falls die Menschen, die Ehrfurcht vor dem Leben haben, dieses Gebiet vollständig räumen, werden sich allerdings utilitaristische Ansätze durchsetzen (vgl. die Debatte hier). […]

Roderich
13 Jahre zuvor

Eine “Leitkultur” und da stimme ich ihm wohl auch zu, ist m.E. aber wirklich entgegen der christlichen Botschaft, weil der Christ als Einzelner in der Nachfolge steht. Ich finde, auch die indirekten Fruechte des Heiligen Geistes in der Kultur, d.h. christliche Braeuche und Sitten, sollten geschuetzt werden. (Auch wenn jeder weiss, dass eine „Kultur“ ohne die staendige Rueckkopplung an die Quelle, d.h. an den lebendigen Glauben an Gott, (auf Dauer) nicht viel wert ist und verfallen wird, und sowieso niemanden retten kann). Aber Gottes allgemeine Gnade gilt auch den Nichtchristen. Jeder profitiert, wenn christliche Werte (und eben nicht islamische, postmoderne, nihilistische oder humanistische) Werte eine Gesellschaft bestimmen – inklusive der Moslems, Postmodernen oder der Humanisten. Dabei handelt es sich aber um „zeitliche“ Segnungen. D.h. von einer „christianisierten“ Gesellschaft (und damit von einer christlichen Leitkultur) profitiert – in diesem Leben – jeder. (Das insofern als christliche Kultur heisst, dass Menschen tendenziell mehr die Gebote Gottes halten, ob sie nun Christen sind… Weiterlesen »

Johannes Strehle
13 Jahre zuvor

Auch ich habe Teuffel nicht so verstanden, dass er die gesellschaftliche und politische „Einmischung“ der Christen für überflüssig hielte. Ich habe seinen Beitrag als Warnung für Evangelikale verstanden, in der Auseinandersetzung mit dem Islam beruhigt auf dem Wrack der christlichen Leitkultur mitzuschwimmen. Politiker der C-Parteien hissen – aus Überzeugung oder Opportunismus – auf diesem Wrack immer dann eine Fahne, wenn der nächste Balken herausgerissen wird oder wenn sie konservative Wähler ansprechen wollen. Die Evangelikalen werden erleben, dass sie Im Namen der „christlichen“ Leitkultur je länger desto mehr an den Rand gedrängt werden. Gerade in der Auseinandersetzung mit dem Islam müssen sich Evangelikale deutlich von dem abgrenzen, was Politiker als christliche Leitkultur bezeichnen. Muslime nehmen die Gesellschaft des „christlichen“ Abendlandes als Gesellschaft der Gott-losigkeit, der Orientierungslosigkeit, der Amoral, der Schamlosigkeit wahr. Evangelikale müssen den Muslimen sagen, dass die europäische Kultur alles andere als christlich ist, auch wenn sie noch von einigen christlichen Fundamenten profitiert. In der Auseinandersetzung mit der europäischen Kultur,… Weiterlesen »

Schandor
13 Jahre zuvor

„Von der Homosexuellen-Lobby könnten die Evangelikalen lernen,
wie man Gesellschaft und Politik beeinflusst.
“Die Kinder dieser Zeit sind im Umgang mit ihren Zeitgenossen
klüger als die Kinder des Lichts.”“

mir aus der Seele gesprochen! Entweder liegt die Handlungsträgheit in der Ohnmacht der Christen (Zersplitterung, theologisch-konfessionelle Streitigkeiten, Mangel an Einheit, Mangel an Einsatzbereitschaft oder Mangel an Optionen) oder an deren angeborenem (zweite Geburt 😉 ) pazifistischen „Mit jedermann Frieden halten“-Neigungen, was hier freilich verfehlt wäre. Wieso müssen die Christen das Feld immer sieglos den Anti-Christen überlassen? Warum muss vom Wort Gottes geschwiegen werden, wenn Nicht-Christen den Raum betreten, und weshalb organisieren sich Christen nicht, um die Gegebenheit eines Rechtsstaats ebenso vor ihren Wagen zu spannen wie andere Randgruppen (ja! Rand-Gruppen) auch? Ist das Christentum immer die „kleine Herde“? Muss sie das bleiben, um authentisch zu sein?

13 Jahre zuvor

[…] (Zwei fetzigere Blog-Artikel zum Thema bei der Achse des Guten und aus ultra-katholischer Sicht hier, ein kürzerer, zustimmender Blog-Post bei theoblog) […]

Johannes Strehle
13 Jahre zuvor

S e n s a t i o n !

Im Jahre 66 nach Beendigung der Hitler-Diktatur durch die Alliierten
kam es erstmalig (!!!) zu einer Begegnung
zwischen dem Dachverband der Evangelikalen
– dem Hauptvorstand der Evangelischen Allianz –
und dem Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe.

„Dabei forderte Hermann Gröhe,
Christen sollten sich mehr politisch engagieren.
In der CDU-Zentrale … äußerte sich Gröhe positiv darüber,
dass die Evangelikalen in Deutschland „politischer geworden“ seien.
Dies sei auch nötig,
denn „glaubwürdig können wir unseren menschenfreundlichen Gott nur bezeugen,
wenn wir uns auch für eine menschenfreundlichere Welt engagieren“.
ideaSpektrum 14/2011

Johannes Strehle
13 Jahre zuvor

„Konservative Christen“, Evangelikale und Politik IdeaSpektrum: „Der Vorrang der Ehe vor anderen Partnerschaftsformen soll in Baden-Württemberg abgeschafft werden. Das sieht der … Koalitionsvertrag zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vor.“ „Zu den radikalsten Vorstellungen von einem „weltoffenen Baden-Württemberg“ gehört die „Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern“. Dadurch werde das Land „ein neues, tolerantes Gesicht“ erhalten. Wörtlich heißt es: „… Die Schulen sollen dazu angehalten werden, „dass in den Bildungsstandards sowie in der Lehrerbildung die Vermittlung unterschiedlicher sexueller Identitäten verankert wird“. „Theologisch konservative Christen sehen den Koalitionsvertrag kritisch. Besonders die angestrebte Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe …“ IdeaSpektrum ist also der Meinung, dass es auch Christen gibt, die das nicht kritisch sehen. Die sind allerdings nicht konservativ, d.h. sie brauchen noch eine Weile, bis sie auf der Höhe der Zeit sind. Was im Pfarrhaus gilt, muss doch nicht gleich für alle gelten. Wie reagieren die „konservativen Christen“? Die „Lebendige Gemeinde“ teilt mit, es „bereite (ihr) große Sorge“. „Es… Weiterlesen »

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