Augustinus-Ausgabe aus dem Kreis um Martin Luther?

In Paris hütet ein Privatgelehrter eine von alter Hand kommentierte Augustinus-Ausgabe. Gehört sie nach Wittenberg? Die FAZ schreibt:

Vor allem mit Hilfe des vor einigen Jahren verstorbenen Tübinger Kirchenhistorikers Heiko Oberman, seines Kollegen Gerhard Hammer und des Manuskript-Experten Karlfried Froehlich von der Universität Princeton gelang es allerdings, einige der Marginalien des besonders üppig annotierten achten Bandes als Texte von Martin Luther, Philip Melanchthon und Wenzeslaus Linck zu identifizieren. Es sind insbesondere die augustinischen »Enarrationes in Psalmos«, denen der Glossator Kommentare aus Luthers »Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens« und Lincks »Kurtz Summaria oder außzüge der Psalmen« gegenüberstellt. Schlüsseltexte von Melanchthon wiederum finden sich vor allem bei Augustinus‘ Anmerkungen zu den Psalmen 31 und fünfzig. Bis heute sind allerdings kaum mehr als die Hälfte der Randbemerkungen ihren Quellen zugeordnet.

Vieles deutet darauf hin, dass der unbekannte Scribent seine Arbeit um 1536 beendet hat. Peter Way schließt das aus datierten Hinweisen auf zeitgenössische Ereignisse. Die letzte Notiz bezieht sich auf die Enthauptung von John Kardinal Fisher am 22. Juni 1535. Heinrich VIII. hatte sie befohlen. Sie findet in Form eines kurzen Nachrufs auf Fisher neben dem Vorwort im ersten Band der Edition Erwähnung. Für Way ist dieses Datum mehr als nur ein Kuriosum. Es ist Teil seiner Indizienkette, die mitten in die Denkstuben der Wittenberger Reformatoren führt: Der Annotator muss ein Mann mit Zeit, Geduld und außergewöhnlicher Bildung gewesen sein.

Offenbar hat er neben bemerkenswerten sprachlichen Fähigkeiten auch über profunde editorische Kenntnisse verfügt. Immerhin hat er ungefähr 50.000 Einzelkorrekturen vorgenommen. Für seine Arbeit muss er Zugang zu einer guten Bibliothek gehabt haben. Aber nicht nur das: Er muss in der Lage gewesen sein, auf Originalmanuskripte der großen Reformatoren zuzugreifen. Etliche der Textstellen, die in den Marginalen auftauchen, lagen zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift noch nicht in vervielfältigter Form vor: »Wie aber hätte jemand aus ihnen zitieren können, wäre er nicht einer jener Scholaren gewesen, die Luther an der Wittenberger Leucorea um sich geschart hatte?«

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14 Jahre zuvor

For an online digital edition of vol. VIII along with online digital editions of Luther’s “Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens” published in 1533 and Linck’s “Kurtz Summaria oder auszuge der Psalmen” published in 1527 – use the HAB links below.

Vol. VIII – http://diglib.hab.de/wdb.php?distype=comment&dir=drucke/ed000015

Luther’s summaria – http://diglib.hab.de/drucke/g-306-8f-helmst-2s/start.htm.

Linck’s Kurtz Summaria – http://diglib.hab.de/drucke/c-353-8f-helmst-2s/start.htm

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