Dogmatik

Die »Institutio«, gleich zweimal

Glaubenslehre.jpgDie Neukirchener Verlagsgesellschaft veröffentlicht zum Calvinjahr 2009 eine Reihe interessanter Bücher. Auch das seit langem vergriffene Hauptwerk von Johannes Calvin, die Institutio Christianae Religionis, wird anlässlich des Jubiläums in der Übersetzung von Otto Weber neu aufgelegt. Nicht nur jüngere Leser werden sich darüber freuen, dass das Buch diesmal in lateinischer Schrift besonders leserfreundlich gesetzt wird.

Wer nicht warten (und Geld sparen) möchte, kann die vom Verlag RVB soeben herausgegebene erste Auflage der Institutio von 1536 erwerben. Diese kürzeste Auflage erschien erst 1887 in deutscher Sprache in der Übersetzung von Bernhard Spiess. Für die Neuauflage wurde die Übersetzung von Spiess von Mitarbeitern und Studenten des Martin Bucer Seminars sprachlich und orthographisch modernisiert. Zudem wurden die Abkürzungen und Verweise gleichgeschaltet, die biblischen Belegstellen überprüft und neue Zwischenüberschriften zur schnelleren Orientierung eingefügt.

Das Buch kann hier bestellt werden: www.amazon.de. Außerdem gibt es eine kleine Leseprobe: calvin_leseprobe1.pdf.

Calvin über Sündenerkenntnis und Sündenvergebung

Johannes Calvin schrieb 1536 über Sündenerkenntnis und Vergebung der Sünden:

Nunmehr lässt sich leicht einsehen, was man aus dem Gesetze zu lernen hat. Es sind folgende Wahrheiten: Gott ist unser Schöpfer, Herr und Vater; aus diesem Grunde schulden wir Ihm Lob, Ehrfurcht und Liebe. Da aber niemand von uns seine Aufgabe erfüllt, so verdienen wir alle Fluch und Verdammnis und schließlich den ewigen Tod. Einen andern Weg des Heils also müssen wir suchen, als den durch die Gerechtigkeit unserer Werke. Dieser aber ist die Vergebung der Sünden. Sodann, da es nicht in unserer Tüchtigkeit noch Fähigkeit liegt zu leisten, was wir dem Gesetze schuldig sind, so müssen wir an uns verzweifeln und anderswoher Hilfe suchen und erwarten. Sind wir in diese Demut und Erniedrigung herabgestiegen, alsdann leuchtet uns sofort Gott entgegen und zeigt sich gefällig, gütig, milde und nachsichtig, wie denn von Ihm geschrieben steht: »Er widersteht den Hoffärtigen, den Demütigen aber gibt Er Gnade« (Jak 4,6; 1 Petr 5,6). Und sobald wir Seinen Zorn mit vertrauensvollem Bitten abwenden und Verzeihung erflehen, gewährt Er dieselbe zweifellos, erlässt alles, was auch nur unsere Sünden verdient, und nimmt uns zu Gnaden an.
Doch damit nicht genug. Wenn wir erst einmal Seine Hilfe und schützende Hand anflehen, in der festen Überzeugung, dass wir, mit Seinen Schutzmitteln ausgerüstet, alles können, so schenkt Er uns nach Seinem gütigen Willen ein neues Herz mit (Ezechiel 36, 26ff), durch welches wir wünschen, eine neue Kraft, durch welche wir vermögen Seine Aufträge zu befolgen. Und zwar spendet Er uns dieses alles um Jesu Christi willen, unseres Herrn, der, als Er allein beim Vater war (Joh 1,1–14), unser Fleisch annahm, um dadurch einen Bund mit uns einzugehen und uns mit Gott aufs Innigste zu verbinden, die wir durch Sünden in weitem Abstand von Ihm getrennt waren (Jes 53,4–6). Er hat sogar durch Seines Todes Verdienst unsere Verpflichtungen gegenüber der Gerechtigkeit Gottes ausgelöst und Seinen Zorn besänftigt, indem Er uns von Fluch und Verdammnis, der wir verfallen waren, loskaufte und die Strafe der Sünde an Seinem Leibe ertrug, um uns von derselben loszusprechen (Eph 2,4–6; Kol 1,13.14). Er hat alle Fülle himmlischer Güter zur Erde herniedersteigend mit sich gebracht, um dieselbe mit reichlich spendender Hand auf uns auszugießen (Joh 1,14.16; 7,38; Röm 8,32). Dies sind aber die Gaben des Heiligen Geistes, durch welchen wir wiedergeboren, aus der Gewalt und den Fesseln des Teufels befreit, zu Söhnen Gottes aus Gnaden (unentgeltlich) angenommen und zu jedem guten Werke geheiligt werden. Durch Ihn ersterben auch, solange wir in diesem sterblichen Leibe gehalten werden, in uns die schlechten Begierden und Fleischeslüste, kurz, alles Böse, was nur noch die verdrehte und verkehrte Verderbtheit unserer Natur erzeugt; durch Ihn werden wir von Tag zu Tag erneuert, um in einem neuen Leben (in der Erneuerung des Lebens) zu wandeln und der Gerechtigkeit zu leben.

Die Zukunft der Rechtfertigungslehre

Piper_Justification.jpgGestern lag das vor einigen Wochen bestellte Buch The Future of Justification: A Response to N.T. Wright von John Piper im Briefkasten. Hier kurz ein erster Eindruck:

Das Paperback umfasst 239 Seiten, ist in elf Kapitel (S. 13–188) und sechs Anhänge (S. 189–225) gegliedert und enthält ein Bibelstellen-, Personen- und Sachregister (siehe unten). Es ist in einem gut verständlichem Amerikanisch geschrieben und somit auch für theologisch interessierte Laien lesbar. Wer kein Griechisch gelernt hat, wird eine Umlautschrift beim zitierten Grundtext vermissen. Übersetzungen ins Englische werden allerdings durchgehend angeboten.

Piper will mit dieser Publikation vor allem die reformierte Rechtfertigungslehre gegen die Revisionen durch die Neue Paulusperspektive, insbesondere gegen Wright, verteidigen.

Der Neutestamentler Thomas R. Schreiner, Verfechter der »Alten Paulusperspektive«, schreibt zum Buch:

In this captivating book John Piper defends the truth that justification is the heart of the gospel. Wright’s views are presented with scrupulous fairness. I found this book to be not only doctrinally faithful but also spiritually strengthening.

Piper hat das Manuskript vor der Veröffentlichung an N.T. Wright geschickt und Anmerkungen erbeten. Wright sandte ein 11.000 Wörter umfassendes Antwortschreiben zurück und präzisiesierte seine eigenen Auffassungen. Piper hat daraufhin das Skript nochmals überarbeitet und erweitert. Da N.T. Wright kürzlich in einem Interview John Piper für seine Fairness lobte, darf der Leser davon ausgehen, dass die Positionen des populären Bischofs zutreffend wiedergegeben werden.

Ich habe vor einigen Tagen Pipers eher pastoralen Vortrag auf der diesjährigen Hauptversammlung der ETS gehört und war etwas enttäuscht (vielleicht sollte ich ihn nochmal hören). Das Buch erweckt allerdings den Eindruck, Piper hat während seines Studienaufenthaltes am Tyndal House in Cambridge (dort entstanden die ersten Vorarbeiten) theologisch tief geschürft. The Future of Justification enthält gründliche Auslegungen (besonders natürlich des Römerbriefes) und ist eine geistlich herausfordernde Lektüre. Ich freue mich auf einige gemütliche Lesestunden in der Weihnachtszeit.

Hier noch das Inhaltsverzeichnis:

  • Acknowledgments
  • Introduction
  • On Controversy
  • CHAPTER ONE
    Caution: Not All Biblical-Theological Methods and Categories Are Illuminating
  • CHAPTER TWO
    The Relationship between Covenant and Law-Court Imagery for Justification
  • CHAPTER THREE
    The Law-Court Dynamics of Justification and the Meaning of God’s Righteousness
  • CHAPTER FOUR
    The Law- Court Dynamics of Justification and the Necessity of Real Moral Righteousness
  • CHAPTER FIVE
    Justification and the Gospel When Is the Lordship of Jesus Good News
  • CHAPTER SIX
    Justification and the Gospel: Does Justification Determine Our Standing with God
  • CHAPTER SEVEN
    The Place of Our Works in Justification
  • CHAPTER EIGHT
    Does Wright Say with Different Words What the Reformed Tradition Means by »Imputed Righteousness«
  • CHAPTER NINE
    Paul’s Structural Continuity with Second-Temple Judaism
  • CHAPTER TEN
    The Implications for Justification of the Single Self- Righteous Root of »Ethnic Badges« and »Self- Help Moralism«
  • CHAPTER ELEVEN
    »That in Him We Might Become the Righteousness of God«
  • CONCLUSION
  • A NOTE ON THE PURPOSE OF THE APPENDICES
  • APPENDIX ONE
    What Does It Mean That Israel Did Not »Attain the Law«
  • APPENDIX TWO
    Thoughts on Law and Faith in Galatians 3
  • APPENDIX THREE
    Thoughts on Galatians 5:6 and the Relationship between Faith and Love
  • APPENDIX FOUR
    Using the Law Lawfully Thoughts on 1 Timothy 1:5–11
  • APPENDIX FIVE
    Does the Doctrine of the Imputation of Christ’s Righteousness
  • APPENDIX SIX
    Twelve Theses on What It Means to Fulfill the Law
  • Works of N.T. Wright Cited in This Book
  • Scripture Index
  • Person Index
  • Subject Index

Nachtrag: Das vollständige Buch kann inzwischen, wie Markus im Kommentar mitteilte, hier heruntergeladen werden: books_bfj.pdf.

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