Ethik

Beiträge aus dem Bereich Ethik.

Mit dem »Playboy« aus dem Gottesdienst

Der Nachrichtendienst kath.net schreibt über den GoSpecial Gottesdienst der evangelischen Andreasgemeinde (und zitiert dabei wohl eine Meldung von idea spektrum):

»Der GoSpecial ist ein Gottesdienst für Playboy-Leser – nicht für idea-Leser.« Mit diesen Worten hat der Pastor der evangelischen Andreasgemeinde in Eschborn-Niederhöchstadt bei Frankfurt am Main, Kai S. Scheunemann, die Zielgruppe des einmal im Monat stattfindenden GoSpecial-Gottesdienstes verdeutlicht.

Der Gottesdienst am 11. April zum Thema »Reges Verkehrsaufkommen – ein total unverkrampfter GoSpecial über Sex« hatte zu kritischen Rückfragen auch von idea-Lesern geführt, weil nach dem Gottesdienst unter den 400 Besuchern 120 Exemplare der Männerzeitschrift »Playboy« verteilt worden waren. Diese Idee sei von Kirchendistanzierten gekommen, und man habe sie gerne aufgegriffen, schreibt Scheunemann in einem Antwortschreiben an Freunde und Kritiker. »Wir haben mit diesem Gottesdienst vor allem ein Ziel: Menschen, die nie auf die Idee kämen, in eine Kirche zu gehen, mit der Schönheit und Liebe Gottes zu überraschen, zu zeigen, dass Gott so ganz anders ist, als sie bislang gedacht haben«, erläutert der Theologe.

Dies gelinge immer wieder. So habe sich ein Besucher des jüngsten Gottesdienstes zu einem Glaubensgrundkurs angemeldet. Der GoSpecial-Gottesdienst werde nicht nur für, sondern auch von kirchendistanzierten Mitarbeitern gestaltet.

Und weiter:

In dem Antwortbrief heißt es weiter, dass die Andreasgemeinde durchaus Grenzen habe, auch wenn sie »überzeugt liberale Standpunkte« vertrete. Sie verstehe sich als »leidenschaftlich missionarische« Gemeinde. Sie vertrete jedoch kein statistisches Verständnis des Christseins, das festlege, wer Christ sei und wer nicht. Da gebe es von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedliche Auffassungen. Das Spektrum reiche von »kein Sex vor der Ehe« oder »kein Rauchen, kein Alkohol« bis zu »keiner Atomkraft« oder »kein Fleisch aus Massentierhaltung«. Die Andreasgemeinde propagiere dagegen ein dynamisches Verständnis des Christseins. Die Grenze werde allein von der Frage bestimmt: »Ist mein Leben auf Jesus hin ausgerichtet?« Nicht ein Verhalten mache Menschen zu Christen, sondern ihr Verhältnis zu Jesus Christus. Hier gelte das Wort des Kirchenvaters Augustinus: »Liebe, und tu was du willst!«

Der »Offene Brief« von Kai S. Scheunemann, übrigens Mitarbeiter bei »Kirche mit Vision« (Rick Warren) und verantwortlich für die »Willow Creek Edition«, kann hier herunter geladen werden: Offener_Brief_KS_zum_GS_Sex_01.pdf.

In einem Leserbrief bin ich auf das Erklärungssschreiben von Kai. S. Scheunemann eingegangen. Ich gebe meine Reaktion hier wieder, da die Angelegenheit die Aufmerksamkeit achtsam lebender Christen verdient:

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Leserbrief zum Beitrag: »Pastor rechtfertigt ›Playboy‹-Verteilung«

»Alles, was aufgenommen wird, wird auf die Weise des Aufnehmenden aufgenommen«, sagten schon die mittelalterlichen Gelehrten. Diese Einsicht lässt sich wunderbar daran demonstrieren, wie Kai S. Scheunemann Luther, Bonhoeffer und Augustinus für die Rechtfertigung seiner sexualethischen Positionen in Anspruch nimmt. Auf Augustins »Liebe und tue, was du willst«-Zitat möchte ich kurz eingehen.

Augustinus von Hippo (354–430 n.Chr. ) schrieb auf Lateinisch. Das Zitat entstammt seinem Kommentar zum 1. Johannesbrief (In epistulam Ioannis ad Parthos, tractatus VII, 8). Er gebraucht dort für die Benennung der Liebe weder »amor« noch »caritas«, sondern »dilectio«. Die damit bezeichnete Liebe meint keine Gefühlsregung oder gar Sinnlichkeit, sondern die vernünftig ausgewählte Liebe (vgl. die etymologische Verwandtschaft zu »electio«). Augustinus fokussiert mit »dilectio« auf die Liebe, die den Menschen freisetzt, mit Freude das zu tun, was Gott gefällt, ganz im Sinne von Joh 14,15, wo Jesus sagt: »Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.« Gemeint ist also die Liebe, die dem Glaubenden durch den Heiligen Geist gegeben ist und die den Willen des Vaters im Himmel sucht (vgl. Röm 5,5). Der Kirchenvater kannte gar keine »wahre Liebe«, die sich über die von Gott geforderte Gerechtigkeit und die uns geschenkten Gebote hinwegsetzen könnte.

Es gibt in der Geistesgeschichte noch einen anderen »Großen«, der sich das »Tu, was du willst, soll sein das ganze Gesetz. Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen«, auf die Fahne geschrieben hatte, nämlich Aleister Crowley (1875–1947). Crowley verlegte den Schwerpunkt auf den »wahren Willen« des Menschen, wir könnten auch sagen: auf den Willen des Fleisches. Etwa so: »Wenn du tust, was du wirklich und bewusst willst, wirst du magische Macht (über andere) besitzen.«

Christen tun gut daran, Gottesliebe nicht mit Selbstliebe zu verwechseln.

»Das Spiel ist aus«

DER SPIEGEL schreibt in »Die Logik des Bankrotts« (Nr. 19, 10.05.2010, S. 54):

»Das Bankensystem«, sagt ein schottischer Investmentbanker, … »gleicht heute einem riesigem Schneeballsystem«. Die Geschäfte würden immer virtueller, die Substanz immer fragwürdiger. »Deshalb stecken wir in einer Sackgasse, wir wollen es nur noch nicht wahrhaben. Aber hier in London fühlt es sich an wie das Ende einer Epoche. Es fühlt sich an wie: Das Spiel ist aus.«

Gender Voodoo

Harald Martenstein meint, die Gender-Politik und Voodoo laufen auf das Gleiche hinaus. In der ZEIT online schreibt er:

Es gibt neue Religionen. Zwischen Männern und Frauen existieren, auch im Verhalten und im Alltag, eine ganze Reihe Unterschiede, die biologisch bedingt sind und nichts mit Gesellschaft zu tun haben, sie können auch nicht wegerzogen werden. Diejenige Strömung der Gender Studies, die diese offensichtliche Tatsache leugnet, hat etwa so viel mit Wissenschaft zu tun wie der Voodoo-Kult auf Haiti. Gender-Professorinnen sollten folglich nicht aus dem Wissenschaftsetat finanziert werden, sondern aus der Kirchensteuer.

Hier mehr: www.zeit.de.

Zur Sexualmoral einer Gesellschaft

Amitai Etzioni schreibt in seinem Buch: Die Entdeckung des Gemeinwesens, Ansprüche, Verantwortlichkeiten und das Programm des Kommunitarismus, Stuttgart 1995 auf S. 31:

Die Sexualmoral einer Gesellschaft spricht oft Bände über die Art und Weise, wie sie ganz allgemein moralische und soziale Dinge angeht. Heutzutage wissen viele Eltern nicht so recht, was sie ihren Kindern in sexuellen Fragen denn sagen sollen. Seit wir nämlich die Vorstellung ad acta gelegt haben, »man solle bis zur Ehe warten“«, reden wir ganz diffus davon, dass man nur in einer “festen Beziehung“ miteinander schlafen sollte. Viele geben ihren Sprösslingen nur einige vage Ratschläge auf den Weg –»nie beim ersten Mal“« und »wenn, dann mit Verhütungsmitteln«“ und dergleichen …… Die Ehe ist für viele eine Wegwerfbeziehung geworden. Sie wird oft wie ein Mietvertrag eingegangen – mit dem Vorbehalt, dass man sie ja beenden und sich nach einem neuen Objekt umsehen könnte, wenn die beteiligten Parteien nicht damit zufrieden sind. Wir wissen nicht mehr so recht, ob und wann wir heiraten sollen oder ob wir eheliche Treue erwarten dürfen. Und wenn wir Kinder in die Welt setzen, ist uns unklar, was wir ihnen schulden“.

VD: iDAF

Sexueller Missbrauch und Heuchelei

C.S. Lewis hat in seiner Autobiografie Überrascht von Freude (Brockhaus 1982) die organisierte Päderastie in seinem Jungeninternat ausführlich beschrieben. Die jungen, hübschen und feminineren Jungs mussten oft in die Rolle einer Hausdirne schlüpfen, um einem oder mehreren der älteren Jungs als Lustknabe zu dienen (vgl. S. 74–76). Das war damals der Schulbetrieb.

Für Lewis ist klar, dass bei diesem Thema viel geheuchelt wird (S. 93). Ich vermute, er hat Recht. Drei aktuelle Beispiele:

(1) Kaum jemand spricht in diesen Tagen darüber, dass wahrscheinlich mehr als zwei Drittel aller Missbrauchsfälle innerhalb der Familien vorkommen. Besonders Patchwork-Familien begünstigen den Missbrauch (Quelle mit weiteren Hinweisen):

In seiner Studie »Die dunkle Seite der Kindheit« belegt der Autor [Dirk Bange], daß Religionszugehörigkeit keinen Einfluß auf die Mißbrauchs-Häufigkeit hat: sexueller Mißbrauch kommt in katholischen, evangelischen oder konfessionslosen Familien im wesentlichen im gleichen Ausmaß vor. Dasselbe schreibt Clara Wildschütte in ihrer Studie »Psychodynamik einer Mißbrauchsfamilie«. Von großer Bedeutung für die Häufigkeit sexuellen Mißbrauchs ist jedoch die Frage, ob der Täter ein biologischer oder »sozialer« Vater (neuer Liebhaber der Mutter, Stiefvater, Pflegevater) ist.

(2) Während wir einerseits eine Welle medialer Empörung erleben, scheint fast unter zu gehen, dass Roman Polanski wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung einer Minderjährigen viele Sympathien erhalten hat. Das Erste berichtete:

»Das ist lächerlich«, sagt Claudine Wilde. »Das ist einfach nur schlimm.« Auch Peter Lohmeyer hat kein Verständnis. »Arme Sau, mit über 70 noch dahin transportiert zu werden«, sagt er. »Ich denke, Guido Westerwelle sollte mal Obama anrufen. Das ist seine Aufgabe. Er hat seine Schuld eingestanden, mehrmals.« Auch international bildet sich eine breite Unterstützerfront für Polanski. Auf dem Filmfest in Zürich gab es großen Protest gegen seine Verhaftung. Mehr als 100 prominente Weggefährten haben eine Erklärung unterschrieben, auf der sie die sofortige Freilassung Polanskis fordern, darunter auch Kult-Regisseur Woody Allen, die deutschen Regisseure Wim Wenders und Tom Tykwer sowie die Schauspielerin Tilda Swinton. Sie alle nehmen den großen Künstler Polanski in Schutz und vergessen nach Meinung von Medienexperte Jo Groebel, dass der Mensch Polanski immerhin wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen verhaftet wurde.

(3) Als Heuchelei empfinde ich es auch, dass in unserer postmodernen Lebenskultur übersehen wird, dass etliche Väter der Postmoderne die »Grenzüberschreitung« erkenntnistheoretisch begründet haben. Verweisen ließe sich hier z.B. auf Marquis de Sade, Georges Bataille oder manche Prominente der 68er-Generation (siehe auch hier). Zitieren möchte ich Michel Foucault, der sich als Übervater der Postmoderne-Debatte theoretisch und praktisch für eine Sexualität »ohne Gesetz« stark machte. In einem späten Gespräch mit Edmund White sagte Foucault (Interview mit Edmund White , 12. Mai 1990, in: James Miller, Die Leidenschaft des Michel Foucault, Kiepenheuer und Witsch 1995, S. 81):

In einem gewissen Sinne habe ich während meines gesamten Lebens versucht, intellektuelle Dinge zu tun, um schöne Knaben anzuziehen.

Der Protest gegen den Missbrauch von Kindern stützt sich auf ein christliches Menschenbild, nach dem die Würde jedes Menschen nicht durch eines sozialen Konsens erzeugt wird. Durch die Ebenbildlichkeit wird im jüdisch-chrisltichen Kontext dem Menschen eine ihm eigene Würde zuerkannt. Diese Würde ist unveräusserlich und unbedingt zu schützen.

Foucault bezeichnete solche Vorstellungen als humanistisch und falsch und plädierte für ein Denken, dass sich von den abendländischen Strukturen löst. Er wollte die Destruktion des Subjekts, »d.h. eine ›kulturelle‹ Attacke: Aufhebung der sexuellen Tabus, Einschränkungen und Aufteilungen; Praxis des gemeinschaftlichen Lebens; Aufhebung des Drogenverbots; Aufbrechung aller Verbote und Einschließungen, durch die sich die normative Individualität konstituiert und sichert. Ich denke da an alle Erfahrungen, die unsere Zivilisation verworfen hat oder nur in der Literatur zuläßt« (Michael Foucault, »Gespräch zwischen Michel Foucault und Studenten« in: Michel Foucault, Von der Subversion des Wissens, Fischer Wissenschaft, 1987, S. 95).

Der Protest gegen den Missbrauch von Kindern atmet die Asche des Abendlandes, nicht die der Verheißungen poststrukturalistischer Theorien.

Homosexualität und Pädophilie

Bertone, die rechte Hand von Papst Benedikt XVI., hatte bei einem Besuch in Chile einen Zusammenhang zwischen der Ehelosigkeit der Priester und Pädophilie verneint und erwähnte dabei Studien, die einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie sähen: »Das ist die Wahrheit, und das ist das Problem.«

Wie zu erwarten, löste diese politisch gänzlich unkorrekte Bemerkung einen gewaltigen Proteststurm aus. »Der Vatikan sollte sich auf der UN-Generalversammlung vor der Welt und der Geschichte entschuldigen«, erklärte die italienische Homosexuellenorganisation GayLib. In Frankreich schaltete sich sogar die Regierung ein: »Frankreich erinnert an sein entschiedenes Engagement im Kampf gegen Diskriminierungen und Vorurteile in Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung und der sexuellen Identität«, sagte Außenamtssprecher Bernard Valero.

Bei so einem medialen Gewitter kann es passieren, dass auch der skeptische Beobachter glaubt, was da phrasenhaft wiederholt wird: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie.

Ich bin nun wahrlich kein Anwalt des Vatikans. Aber ich zitiere an dieser Stelle gern einmal eine Leserzuschrift aus dem unverdächtigen Deutschen Ärzteblatt (Jg. 106, Heft 49, 4. Dezember 2009, S. A 2469):

Insgesamt ist nach einer Analyse von 19 Einzelstudien die Wahrscheinlichkeit, ein Kind sexuell zu missbrauchen, bei homosexuell Lebenden zwölfmal höher als bei heterosexuell Lebenden. Bei bisexuell Lebenden ist sie sogar 16-mal höher …

Die Studien werden im Beitrag teilweise angeführt. Hier die Quelle: aerzteblatt.de.

Die gekränkte Ehre

Aylin Korkmaz wurde im November 2007 von ihrem kurdischen Ex-Mann mit 26 Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Weil sie sich von ihm getrennt hatte, wollte er sie töten – um seine »Ehre« wiederherzustellen. DIE WELT mit der 37-Jährigen über Ehrenmorde, arrangierte Ehen und ihr Engagement für Frauen.

Hier: www.welt.de.

Mehr Fälle von Sodomie

Die FAZ berichtete am 9. April:

Die Zahl von sexuellen Handlungen an und mit Tieren nimmt nach Einschätzung von Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger (CDU) auch in Hessen zu. Zum einen berichteten Amtstierärzte, dass ihnen solche gemeinhin als Sodomie bezeichneten Verhaltensweisen immer häufiger zur Kenntnis gelangten, zum anderen belegten einschlägige Internetforen, in denen Täter sich zu solchen Praktiken bekennen oder sogar »Gebrauchsanweisungen« geben würden, diese Entwicklung, heißt es in der Antwort der Ministerin auf eine Anfrage mehrerer CDU-Abgeordneter. Sie vermute, dass die Taten, von denen die Behörden wüssten oder die gar vor Gericht verhandelt würden, »nur die Spitze eines Eisbergs« seien.

S. Dittert, O. Seidl u. M. Soyka schreiben in »Zoophilie zwischen Pathologie und Normalität«, Der Nervenarzt 1/2005, S. 61–67:

Der Wandel in der gesellschaftlichen Beurteilung sexueller Mensch-Tier-Kontakte von der Sodomie, Bestiophilie (oder gar Bestialität) als schwerster Sünde mit gerichtlicher Verfolgung oder gar Todesstrafe über Jahrhunderte hinweg bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts mit der heutigen Einstellung zur Zoophilie, die von der getadelten Perversion über die sexuelle Deviation bis zur Störung der Sexualpräferenz und schließlich »persönlichen Angelegenheit« reicht, wenn es nicht zur Verletzung oder gar Tierquälerei kommt, ist schon ein eindrückliches Dokument menschlichen Gesinnungswandels.

Da fällt mir Lev 18,23 ein: »Kein Mann und keine Frau dürfen mit einem Tier geschlechtlich verkehren. Das ist widerwärtig und macht unrein.«

Hier die vollständige Meldung: www.faz.net.

Monopolverlust der Ehe

Bis in die 1970er Jahre hinein haben fast alle Erwachsenen geheiratet. Seit der Postmoderne sinken nach Auskunft des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie die Heiratsquoten deutlich ab.

Das Institut schreibt zu dieser demographischen Entwicklung:

Der »Zweite Demographische Übergang« beendete diese Epoche der bürgerlichen Familiengesellschaft. Ehe und Familie verlieren seitdem sukzessive an sozialer Geltung: Zunächst nahmen Scheidungen zu, dann breiteten sich nichteheliche Lebensgemeinschaften aus und schließlich wuchs die Zahl der Singles. Die Familiengründung verschob sich immer mehr in ein höheres Lebensalter, zuerst wurden höhere Geburtenparitäten seltener und schließlich nahm auch die Kinderlosigkeit zu. Kinder sind längst nicht mehr ein selbstverständlicher Teil der Lebensplanung, sondern konkurrieren mit anderen Optionen (Konsum, Freizeit, Beruf). Im Zentrum der postmodernen Mediengesellschaft steht das autonome Individuum: Sein Selbstverwirklichungsstreben soll nicht durch endgültige Bindungen an Personen (Kinder, Ehegatten), Institutionen (Staat, Kirche) und Moral behindert werden. Die »traditionelle« Familie gilt dem postmodernen Individualismus als überholte Institution und ihr Bedeutungsverlust als emanzipatorische Befreiung. Gerne verdrängt werden die Kosten dieser Emanzipation: Weil die Familie ausfällt, muss immer häufiger der Staat für Kinder und alte Menschen sorgen. Gleichzeitig schwindet das Reservoir junger Arbeits- und Pflegekräfte, Steuer – und Beitragszahler. Diese Kollateralschäden der Emanzipation unterhöhlen die Fundamente des seit dem 19. Jahrhundert aufgebauten Wohlfahrtsstaatsgebäudes. Im Gegensatz zu Deutschland hatten die »neuen Industrieländer« kaum Zeit, eine solche Sozialarchitektur zu errichten: Fast zeitgleich erleben sie den ersten und den zweiten »Demographischen Übergang« – umso härter dürften sie die sozialen Konsequenzen des »exzessiven Individualismus« (E. Durkheim) treffen.

Hier mehr: www.i-daf.org. Interessant ist ausserdem folgender Artikel: www.welt.de.

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