Das Recht auf Leben aus der EKD-Perspektive

Seit einigen Jahren wird bekanntlich über eine mögliche Neufassung der Regelung zum Schwangerschaftsabbruch diskutiert. Im Fokus stehen die Fristen und Voraussetzungen, die strafrechtliche Regelung und die Pflicht zur Konfliktberatung. Die neue EKD-Schrift Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fasst evangelisch-ethische Überlegungen dazu zusammen, und will einen Kompromiss formulieren. Dass das nicht gelungen ist, zeit schon dieser Abschnitt:

Im Zentrum der theologisch-ethischen Argumentation steht die Überzeugung, dass der Schwangerschaftskonflikt aus der Kollision zweier unvereinbarer Ansprüche entsteht, in denen Christinnen und Christen jeweils ein göttliches Gebot sehen können: Dem Anspruch des ungeborenen Lebens, zur Welt gebracht zu werden, stehen die Ansprüche und Verpflichtungen gegenüber, die die Lebensführung an die betroffene Frau stellt: berufliche Verpflichtungen, soziale und psychische Notlagen, familiäre Pflichten oder die Sorge, den Ansprüchen eines zukünftigen Kindes nicht gerecht werden zu können. Aus dieser Kollision entsteht für die Schwangere ein unauflösbarer Konflikt, da sie sich nicht in der Lage sieht, beiden Ansprüchen und Verpflichtungen zugleich zu folgen. Die evangelische Kirche anerkennt diesen Konflikt als unauflösbar und lehnt eine einseitige Privilegierung einer der beiden Ansprüche ab. Ausgehend von der Schöpfungslehre hebt die evangelische Kirche die besondere Rolle der Schwangeren bei der Weitergabe des Lebens hervor: Gottes Ruf ins Leben kann nur mit der Hilfe einer Frau Realität werden. Diese Mitwirkung am Schöpfungsauftrag bringt es mit sich, dass die Frau die Entscheidung für oder gegen ein Kind letztlich nur alleine in verantworteter Freiheit treffen kann und treffen muss.

Das Lebensrecht einen Ungeborenen wird hier auf die gleich Stufe gestellt wie z.B. berufliche Verpflichtungen. Solche Vergleiche sind unfassbar zynisch. David Wengenroth kommentiert für IDEA treffend: 

Die EKD-Stellungnahme scheitert schon daran, diesen Konflikt überhaupt auch nur angemessen zu beschreiben. So heißt es in dem Text, der Schwangerschaftskonflikt entstehe aus einer „Kollision zweier unvereinbarer Ansprüche, in denen Christinnen und Christen jeweils ein göttliches Gebot sehen können: Dem Anspruch des ungeborenen Lebens, zur Welt gebracht zu werden, stehen die Ansprüche und Verpflichtungen gegenüber, die die Lebensführung an die betroffene Frau stellt: berufliche Verpflichtungen, soziale und psychische Notlagen, familiäre Pflichten oder die Sorge, den Ansprüchen eines zukünftigen Kindes nicht gerecht werden zu können.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Kann man also unter anderem in „beruflichen Verpflichtungen“ ein „göttliches Gebot sehen“, das die Tötung eines ungeborenen Menschen rechtfertigt? Das ist entweder erschreckend zynisch gedacht – oder erschreckend ungeschickt formuliert. In beiden Fällen verfestigt es das Bild einer Kirche, die in zentralen ethischen Fragen nicht mehr sprachfähig ist.

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5 Kommentare
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FrankS
1 Monat zuvor

Bei der Beurteilung dieses Textes muss ich mir vor Augen führen, dass es kein geistlicher Text ist. Daran ändern die wenigen eingestreuten Bezüge auf Gott und Bibel leider gar nichts.

Die Stellungnahme der EKD spiegelt Gedanken wieder, die gesellschaftlich gerade noch so akzeptiert sind. Die EKD positioniert sich einmal mehr öffentlich als Teil dieser Welt und nicht als Vertretung irgend eines Teils des Leibes Christi.

Mittlerweils kommen mir da eben solche zynischen Gedanken, wie sie die EKD (unwissentlich? ) formuliert. Sie betreffen den (geistlichen) Leib Christi und die Position, die die EKD zu ihm einnimmt… Gibt es sowas wie geistliche Abtreibung? Ich hoffe nicht.

1 Monat zuvor

Ich habe großen Respekt vor Leuten die die evangelische Kirche aus den Fängen des Teufels retten wollen. Die Frage muss aber erlaubt sein, wann ist die Schmerzgrenze erreicht und ab wann macht man sich mitschuldig, wenn man dieser Pseudokirche anhängt?

Last edited 1 Monat zuvor by Robert Renk
Udo
1 Monat zuvor

Eine „Kirche“, die eine an Bibel und Bekenntnis orientierte Theologie verachtet, kann dann auch bei ethischen Fragen nur noch das Echo einer orientierungslosen anti-christlichen Gesellschaft wiedergeben.

Udo
1 Monat zuvor
Stephan
1 Monat zuvor

In einer Meldung der KNA vom 23.12. heißt es, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die evangelische Kirche auf einem neuen Rekordtief angekommen sei. Evangelische Kirche: 27%, katholische Kirche leicht „verbessert“ auf 11%. Damit liegt die ev. Kirche ungefähr (falls man all diesen Umfragen und statistischen Erhebungen vertrauen darf) auf Höhe des Vertrauens der Bevölkerung in politische Parteien. Wenn man als Kirche nicht mehr als die Institution wahrgenommen wird, in der sich Gläubige organisieren, die der festen Hoffnung sind, dass sie die Ewigkeit miteinander verbringen werden und die darauf ihr diesseiges Leben ausrichten, sondern als eine Gruppe mit einer Vertrauensquote von 27% gesehen wird, dann gäbe es genug Anlass darüber nachzudenken, wo man als Kirche falsch abgebogen ist. Wenn man sich aber lediglich in der hohen Kunst des nach dem Munde redens übt, hier dem Nachplappern der Wünsche von gottesfernen Politikern, und eben nicht den biblischen Befund zur Thematik (hier: Abtreibung) vertritt, dann kassiert man richtigerweise ein Vertrauen in der… Weiterlesen »

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