September 2012

Islamischer Religionsunterricht in NRW

Die Islamwissenschaftlerin Prof. Christine Schirrmacher hat das NRW-Modell zum Islamunterricht kritisiert. Sie befürchtet, dass Konservative Beiratsmitglieder zu viel Einfluss auf die Schüler haben könnten. Liberalere Muslime dagegen blieben ungehört. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER meldet:

Nordrhein-Westfalen bietet seit Ende August als erstes Bundesland bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht als reguläres Schulfach an. Weil es bei den Muslimen noch keine Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes als Ansprechpartner für den Staat gibt, wurde befristet bis 2019 ein Beirat aus acht Vertretern von Islamverbänden und qualifizierten Einzelpersonen berufen – wobei die Verbände allen Mitgliedern zustimmen müssen.

Auf diese Weise könnten die etablierten Islamverbände ganze Schülergenerationen mit ihren Vorstellungen prägen, während die Ansichten von wenig organisierten liberalen Muslime in den öffentlichen Schulen ungehört blieben, kritisierte Schirrmacher. Sie sieht eine „Gefahr der Islamisierung“, zumal zwei Beiratsmitglieder in der Vergangenheit durch fundamentalistische Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht hätten. Das Beiratsmodell breche zudem mit geltendem Verfassungsrecht. Bereits zuvor hatte der hessische Justiz- und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) verfassungsrechtliche Bedenken gegen das nordrhein-westfälische Konzept geäußert. „Hier simuliert der Staat Religion“, kritisierte Hahn die Beiratslösung.

Die ausführliche Pressemeldung des Instituts gibt es hier: PM068.pdf.

Die Schule der Zukunft

Es lohnt sich, die Anliegen pädagogischer Strömungen konsequent zu Ende zu denken. Ein schwedischer Kommunalpolitiker hat sich die Mühe gemacht, den Gedanken der Reformpädagogik zu radikalisieren. Wie so oft denken die Schweden europäische Bildungspolitik voraus. Das Ergebnis: Die Schulen können nun auch auf „Lernbegleiter“ verzichten.

Es geht natürlich wieder um „Entgrenzung“, um die ganz persönliche Reise eines jeden Kindes. Ob der Traum der Schülers in Erfüllung geht? SPIEGEL ONLINE schreibt:

„Eine Schule, die die Zukunft ist, hat keine Klassen, keinen Unterricht, keine Stufen, keine Schüler oder Lehrer. Stattdessen ist es ein unerhört komplexes Umfeld, in der Menschen sich mit sich selbst beschäftigen, ihren Ansichten und ihren Ressourcen, um den Tag reicher zu beenden, als man ihn begonnen hat.“

Zudem solle die Schule der Zukunft subjektiv sein: Schüler sollten sich selbst überlegen, welches Ziel und welche Bedeutung ihre ganz persönliche Reise habe.

Die Bedingungen, so der Vorschlag, könnten auf zweierlei Arten gelöst werden: „Zunächst sollten Schulgebäude die letzte Alternative sein, wenn es um Umgebungen fürs Lernen geht, nicht die erste.“ Zum anderen müssten Gebäude zukünftig wesentlich effektiver genutzt werden als heute. Warum soll man die Schule nicht für andere Akteure öffnen? Für Mama und Papa beispielsweise: „Der einfachste Weg nach vorn wäre es, dass die Schule wenigstens für die Eltern der Schüler ein attraktives Umfeld ist, wenn sie in ihrem Alltag nach einem alternativen Arbeitsplatz suchen.“ Das würde die Kosten senken und die Grenze zwischen Schule und dem Rest der Welt aufweichen.

Ich schlage ganz progressiv vor, noch weiter zu denken. Schafft die Schulen wieder ab und traut den Eltern zu, dass sie die Kinder bilden können. Also: Anstatt Mama und Papa jetzt auch noch in die Schulen zu schicken, damit die Gebäude effektiver genutzt werden, lasst doch einfach die Kids bei den Eltern. Das senkt nicht nur die Kosten, sondern macht den Kindern noch mehr Spass.

Dylan – Aus tiefster Not schreit er zu ihm

51zhUff5OaL._AA300_.jpgEs ist nicht das erste und hoffentlich auch nicht das letzte religiöse Album von Bob Dylan. „Tempest“ aber überzeugt selbst Zweifler: Der Theologen Knut Wenzel hat für die FAZ die CD der Woche besprochen:

Und jetzt also: „Tempest“, statt eines religiösen Albums. Es ist ein grandioses Pop-Album geworden. Das rein Religiöse ist nicht seine Antithese, sondern sein doppelter Boden. „Tempest“ ist durchtränkt von religiöser Metaphorik, aber es ist keineswegs ein religiöses Album. Oder wir müssen an Kunstwerken wie diesem lernen, dass wir nicht mehr wissen, was eine rein religiöse und was eine bloß profane Äußerung ist. Das religiöse Ausdrucksrepertoire ist, aufs Ganze gesehen, unüberschaubar; dem engeren jüdisch-christlichen Feld aber entnimmt Dylan ein Lieblingsidiom; oft und oft hatte man sich gewünscht, er würde ablassen von ihm: dem der Apokalyptik. Hier nun überzeugt dies Idiom mit einem Mal auch den Skeptiker.

Wie sieht die Apokalypse nach Bob Dylan im Jahr 2012 aus? Sie hat alle selbstgerechte Überheblichkeit verloren. Sie verdammt nicht mehr die Welt ob ihrer Schlechtigkeit, sie beklagt ihren Nieder- und Untergang. Nicht mehr von Hass ist diese apokalyptische Vision befeuert, wenn man einmal vom Hasslied „Pay in Blood“ absieht, das zugleich der funkigste Song des Albums ist. Vielmehr wird die Klage von Wertschätzung gewärmt.

Mehr: www.faz.net.

 

 

Die Auferstehung

Der Althistoriker Jürgen Spieß, Leiter des Instituts für Glaube und Wissenschaft, hat kürzlich in der Mennonitischen Freikirche Wels einen Vortrag über die Historizität der Auferstehung gehalten. Der Vortrag ist stellenweise sehr persönlich gehalten und mit einer (fast britischen) Portion Humor gewürzt. Spieß landet am Ende zielgenau auf dem Punkt. Ein guter „Anstoß“ für Leute, die meinen, Heilsgeschichte habe mit der Historie nichts zu tun.

Hier:

Die Wiege der Christenheit ist bedroht

Die Wiege der Christenheit im Nahen Osten ist zunehmend bedroht. Vor rund 2.000 Jahren verbreitete sich der Glaube an Jesus Christus vom Heiligen Land aus rasch in den gesamten Nahen und Mittleren Osten sowie nach Nordafrika. Doch heute stehen die Christen in dieser inzwischen meist islamisch geprägten Region unter starkem Druck – durch extremistische Muslime oder staatliche Repressionen.

idea schreibt:

Die Wiege der Christenheit im Nahen Osten ist zunehmend bedroht. Vor rund 2.000 Jahren verbreitete sich der Glaube an Jesus Christus vom Heiligen Land aus rasch in den gesamten Nahen und Mittleren Osten sowie nach Nordafrika. Doch heute stehen die Christen in dieser inzwischen meist islamisch geprägten Region unter starkem Druck – durch extremistische Muslime oder staatliche Repressionen. Der mit vielen Hoffnungen verbundene Arabische Frühling bringt den christlichen Minderheiten keine guten Aussichten. Vielmehr werden ihre Freiheiten und ihr gesellschaftlicher Status durch neue islamistische Regierungen weiter eingeschränkt; die Verfolgung nimmt zu. Hunderttausende Christen haben bereits ihre Heimat verlassen. Darauf macht das Hilfswerk für verfolgte Christen „Barnabas Fund“ (Pewsey/Südengland) in einer Dokumentation aufmerksam.

Dabei handelt es sich keineswegs durchweg um winzige Minderheiten. Fast jeder zehnte (9,7 Prozent) der 173,3 Millionen Einwohner in den 20 Ländern der Region – von Marokko im Westen bis Oman im Osten (einschließlich Israel und den Palästinensergebieten) – ist Christ. Den höchsten Anteil weist der Libanon auf, wo 39,3 Prozent der 4,3 Millionen Einwohner Christen sind. In Kuwait leben unter den 2,8 Millionen Einwohnern 430.000 Christen; das sind 15,3 Prozent. Jeweils um die zehn Prozent sind es in Ägypten (83,6 Millionen Einwohner) und Syrien (22,5 Millionen). Unter 0,1 Prozent liegt der Anteil der Christen im Jemen (24,8 Millionen Einwohner), Marokko (32,3 Millionen) und der Türkei (74,7 Millionen). In der Islamischen Republik Iran mit 74,8 Millionen Einwohnern leben nach Schätzungen von Barnabas Fund etwa eine Million Christen – 1,3 Prozent. Damit ist ihr Anteil dort ebenso hoch wie im benachbarten Irak (31,2 Millionen Einwohner). Im strikt islamischen Saudi-Arabien sind 5,4 Prozent der 26,5 Millionen Einwohner Christen – fast ausschließlich Beschäftigte aus dem Ausland. Ähnliches gilt für die Golfstaaten: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen christlichen Bevölkerungsanteil von 8,8 Prozent; in Katar sind es 8 und in Bahrain 6,6 Prozent.

Mehr: www.idea.de.

Inklusion mit Augenmaß

Manchem gilt Inklusive als Zauberwort, das eine neue pädagogische Epoche einläuten soll. Erzwungene Gemeinsamkeit aller hilft aber weder den behinderten noch den nichtbehinderten Kindern. Heike Schmoll wirbt dafür, Freiräume für individuelle Entscheidungen zu erhalten – für die Eltern und vor allem ihre behinderten Kinder.

Nicht nur in Hamburg ist die gemeinsame Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Kindern an die Stelle der Utopie von der Einheitsschule getreten. Inklusion scheint für viele das Zauberwort zu sein, das eine neue pädagogische Epoche einläuten soll. Völlig unklar ist indessen, wie der gemeinsame Unterricht in Schulen eigentlich verwirklicht werden soll. Weder sind die meisten Gebäude barrierefrei, noch verfügen die Schulen über Lehrer, die für die neue Aufgabe auch nur annähernd ausgebildet wären. Wer die Inklusion als quasi-totalitären Anspruch an Schulen zu kritisieren wagt, setzt sich dem Verdacht aus, der Selektion anzuhängen und sich den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention zu widersetzen.

Doch davon kann keine Rede sein. In der UN-Konvention, der mehr als 150 Staaten einschließlich der Bundesrepublik zugestimmt haben, geht es ganz elementar darum, Menschen mit Behinderungen Zugang zum staatlichen Bildungssystem zu geben. Den haben sie in Deutschland längst, und zwar je nach Grad der Behinderung an allgemeinbildenden Schulen oder Förderschulen, die in der Konvention ausdrücklich nicht als Form von Diskriminierung gebrandmarkt werden, sondern als behindertengerechte Förderung. Würde dies erst einmal zur Kenntnis genommen, könnte die emotionalisierte Debatte über die Inklusion erheblich sachlicher geführt werden.

Hier der ausgezeichnete Kommentar: www.faz.net.

Als David Foster Wallace einen Killer anheuerte

Seit seinem Selbstmord wird er fast wie ein Heiliger verehrt. Jetzt ist in den USA die erste Biografie über den letzten postmodernen Schriftsteller des Maximal-Romans erschienen. Das Buch über David Foster Wallace sorgt für ziemlich viel Aufregung, weil es einen zerrissenen Unheiligen zeigt. Zu einem besseren Leben, so notiert er irgendwann auf ein Blatt Papier, würden „2-3 Stunden täglich schreiben“, „Kirche“ und „5 mal die Woche Selbsthilfegruppe“ gehören.

Hier der Artikel von Wieland Freund: www.welt.de.

Pakistan: Der Fall Rimsha Masih

Viele Nachrichtenagenturen haben berichtet, dass die pakistanische Polizei hat am 16. August ein 11 Jahre altes Mädchen festgenommen hat. Vermeintliche Zeugen haben sie beschuldigt, Seiten eines Korans verbrannt zu haben. Die Elfjährige gehört nach Angaben von polizeilichen Behörden der christlichen Minderheit an. Das Mädchen ist auf der Polizeistation gemäß dem Blasphemie-Gesetz festgenommen worden. Eine Untersuchung hat ergeben, dass das Mädchen mit dem Namen Rimsha Masih unter dem Down-Syndrom leidet. Aus Angst vor Racheakten von Muslimen sind 600-1000 Christen aus dem Slum Meherabadi geflohen, um in anderen Regionen der Hauptstadt Islamabad Schutz zu suchen.

Inzwischen ist es zu einer Kehrtwende in diesem Fall gekommen. Ein radikaler Mullah, der verdächtigt wird, gegen die junge Christin gehetzt zu haben, ist festgenommen worden. Er soll Beweise manipuliert haben, um dem Mädchen ein Verfahren wegen Koran-Verbrennung anzuhängen, meldet u.a. der SPIEGEL.

Der DLF hat derweil einen nicht mehr ganz aktuellen aber informativen Beitrag über diesen Fall und die Problematik des Blasphemie-Gesetzes ausgestrahlt:

100 Jahre John Cage

John Cage wäre heute 100 Jahre alt geworden. Er brachte die Philosophie des Zufalls in die Musik und prägte damit die U-Musik und das Kunstverständnis des 20. Jahrhunderts. In den Feuilletons wimmelt es heute nur so von Würdigungen. Die FR stellt in ihrer Printausgabe sogar Cage als Pilzexperten vor.

Im Andenken an die Zufallsmystiker hier zwei Zitate von Francis Schaeffer:

Wie können wir den leben, 2000, S. 194:

Cage glaubte, dass das Universum ein zufälliges Universum sei, und um dies klar zum Ausdruck zu bringen, produzierte er seine Musik durch Zufall. Er versuchte, dies mit totaler Konsequenz zu betreiben. Manchmal komponierte er mit Hilfe des „Münzenwerfens“. Ein anderes Mal stellte er eine Maschine auf, die ein Orchester durch zufällige Bewegung dirigierte, damit die Musiker nicht wußten, was als nächstes kommen sollte. Oder er stellte zwei Dirigenten, jeder für den anderen unsichtbar, vor dasselbe Orchester, um eine völlige Verwirrung zu erreichen. Auch hier besteht wieder eine enge Verbindung zur Malerei. Cage nannte eine Komposition aus dem Jahre 1947 Musik für Marcel Duchamp. Aber Cage erreicht durch seine Zufallsmusik nichts als Lärm. Einige seiner „Musikstücke“ bestehen aus bloßem Schweigen (unterbrochen lediglich von gelegentlichen Geräuschfetzen, die aus der Umwelt aufgenommen sind), aber sobald er anfing, seine Zufallsmethode anzuwenden, entstand nichts als Lärm. Aber auch bei Cage zeigte sich, daß man auf dieser Basis nicht leben kann, weil die Zufallsvorstellung in bezug auf das Universum mit dem tatsächlichen Universum nicht übereinstimmt. Cage ist ein Experte auf dem Gebiet der Mykologie, der Pilzkunde. Er selbst war es, der sagte: „Mir wurde klar, daß ich sehr bald ein toter Mann wäre, wenn ich nach meiner Zufallsmethode Pilze sammeln würde.“ Bei der Pilzsuche muß sehr sorgfältige Unterscheidung angewandt werden. Cages Theorie vom Universum stimmt eben mit der Realität des Universums nicht überein.

Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts, 1973, S. 24:

Leonard Bernstein bot ihm einmal für einen Abend die Leitung des New Yorker Philharmonischen Orchesters an. Cage dirigierte ein Stück seiner eigenen Zufallsmusik, und als es zu Ende war und er sich vor dem Publikum verbeugen wollte, glaubte er Dampf aus der Dampfheizung entweichen zu hören. Dann merkte er, daß die Orchestermitglieder zischten. Aus John Cages Kommentaren geht hervor, daß es ein traumatisches Erlebnis gewesen sein muß. Aber ich habe oft darüber nachgedacht, was ich an diesem Abend den Musikern gerne gesagt hätte. Ich bin überzeugt, hätte man sich eine Stunde mit ihnen unterhalten, dann hätte man festgestellt, daß die meisten von ihnen in Wirklichkeit dieselbe Philosophie vertreten, die auch John Cage vertritt — daß das Universum mit dem Unpersönlichen plus Zeit plus Zufall begonnen hat. Aber warum haben sie dann gezischt? Sie zischten, weil ihnen das Resultat ihrer eigenen Lehre nicht gefiel, als es ihnen in dem Medium vorgeführt wurde, für das sie ein feines Empfinden hatten. Sie zischten sich in Wirklichkeit selbst aus.

Eine große Zahl von Eltern und Professoren zischt sich selbst aus. Was die Studenten tun, passt ihnen nicht. Sie sind nicht damit einverstanden, was diese ganze Generation tut. Aber genau wie die Musiker haben sie sich eines nicht klargemacht: dass sie im Grunde dasselbe glauben und unaufrichtig — oder zumindest inkonsequent — sind, indem sie nicht das tun, was ihre Kinder tun. Ihre Söhne und Töchter haben einfach das angenommen, was die Eltern sie gelehrt haben, und haben es zum logischen Schluss geführt.

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