August 2017

Neue Wege in der Liebe: Die Nashville-Erklärung

Vor zwei Tagen habe ich mir die TV-Sendung „Neue Wege in der Liebe: Moderne und traditionelle Beziehungsmodelle“ angesehen. Die Sexologin und Paartherapeutin Ann-Marlene Henning stellt dort heraus, dass die „Verhandlungsmoral“ die alte „Verbotsmoral“ längst abgelöst hat und alles möglich ist, was jemand begehrt (siehe dazu auch: Die Postmoderne, 2007, S. 53–57). Da ist etwa Sylvia, die sich als geborene Polyamore bezeichnet und jetzt, da sie gleichzeitig mehrere Menschen beiderlei Geschlechts liebt, endlich glücklich ist. Oder da sind Uli und Martin, die ihre Beziehung als offen bezeichnen und in ein Liebesnetzwerk eingebettet sind. Entscheidend ist, was ich fühle, die Lust. Letztes Tabu ist der Zwang. Das verbreitetste Modell – so Ann-Marlene Henning – sei es, in einer Hauptbeziehung zu leben und gleichzeitig mehrere Nebenbeziehungen zu haben. Dabei läuft alles transparent. Zur Offenheit gehört das Gespräch über mein Netzwerk und den letzten Höhepunkt. Die Beziehungszeiten werden übrigens immer kürzer. Das Singledasein ist – vielleicht eine logische Konsequenz – ein wachsendes Format. Bei allem gesetzgeberischen Einsatz für die Ehe, den wir in den letzten Monaten erlebt haben, finde ich – nebenbei – interessant, dass die polyamoren Netzwerke und das Singledasein so im Trend liegen.

Machen wir uns nichts vor. Die Sexualethik ist seit Jahren ein wichtiger Prüfstein für die Bekenntnisfestigkeit der christlichen Kirchen. Der Druck von außen und innen wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Vor allem die junge Generation wird über die Kultur und die Schule beflügelt, neue Beziehungsmodelle attraktiv zu finden und sie auch mal auszutesten.

Um so wichtiger ist es, dass Pastoren, Gemeindeleiter und Jugendleiter (!) Farbe bekennen. Keine Meinung zu haben, sich aus dem Prozedere einfach schick herauszuhalten, ist, seien wir ehrlich: billige Anpassung.

Mehr als 150 evangelikale Leiter aus den USA haben nun eine theologische Stellungnahme zur Sexualethik veröffentlicht, das so genannte Nashville-Statement. Zu den ersten Unterzeichnern gehören Theologen wie J.I. Packer, Wayne Grudem, Mark Dever, Heath Lambert, Vaughan Roberts, John Frame, Kevin DeYoung, Thomas Schreiner oder Michael Reeves. Auch der Philosoph J.P. Moreland oder die Literaturwissenschaftlerin Rosaria Butterfield haben die Erklärung unterschrieben (an dieser Stelle kann gezeichnet werden).

Die Nashville-Erklärung kann hier heruntergeladen werden: The-Nashville-Statement-and-Initial-Signatories-List.pdf.

Wie heute über Sünde sprechen?

Tim Keller über den Götzendienst in der postmodernen Kultur:

Die Lehre der Schrift über Götzendienst ist besonders hilfreich für Evangelisation in einem postmodernen Kontext. Christen definieren Sünde typischerweise als Brechen von Gottes Gesetz. Richtig erklärt ist das natürlich eine gute und ausreichende Definition. Aber das Gesetz Gottes umfasst sowohl Unterlassungssünden als auch Begehenssünden, und es beinhaltet Herzenseinstellungen sowie Verhalten. Diese falschen Einstellungen und Beweggründe sind gewöhnlich unmäßige Begierden – Formen des Götzendienstes. Wenn wir jedoch gegenüber den meisten Zuhörern Sünde als „Brechen von Gottes Gesetz“ definieren, dann liegt in ihrem Verständnis die Betonung vollkommen auf dem Negativen (Begehenssünden) und dem Externen (Verhalten statt Einstellungen). Es gibt daher bedeutsame Gründe dafür, dass „Gesetze brechen“ nicht der beste Weg ist, um für postmoderne Menschen Sünde zu erklären.

Wenn ich mit einem jungen, nichtchristlichen Städter über Sünde rede, fange ich gewöhnlich so an: „Sünde bedeutet nicht nur, schlechte Dinge zu tun; sondern grundsätzlicher etwas Gutes zu etwas Ultimativem zu machen. Sünde bedeutet, dein Leben und deinen Sinn auf irgendetwas zu bauen, selbst etwas sehr Gutem, mehr als auf Gott. Worauf immer wir unser Leben bauen, wird uns antreiben und verknechten. Sünde ist zuerst Götzendienst.“

Mehr: www.evangelium21.net.

David Platt: Glaube allein

Während der E21-Konferenz 2017 sprach David Platt über die Rechtfertigung aus Glauben allein. Sehr Hörenswert (Übersetzung: Christian Wegert)!

Seelsorge ist Gebet

Rudolf Bohren (Dem Worte folgen, 1963, S. 111):

Will unsere Seelsorge die Seelsorge Gottes sein, dann ist sie die Seelsor­ge der geistlich Armen, die nichts können als schreien, rufen, betteln. Sie ist Gebet. So wird unsere Seelsorge zur Seelsorge Jesu Christi selber, daß unser erstes und letztes Werk in der Seelsorge das Gebet ist.

Come Behold the Wondrous Mystery

Come Behold the Wondrous Mystery, a capella. Das gefällt mir:

Hier der Text:

Come behold the wondrous mystery

In the dawning of the King
He the theme of heaven’s praises
Robed in frail humanity

In our longing, in our darkness
Now the light of life has come
Look to Christ, who condescended
Took on flesh to ransom us

Come behold the wondrous mystery
He the perfect Son of Man
In His living, in His suffering
Never trace nor stain of sin

See the true and better Adam
Come to save the hell-bound man
Christ the great and sure fulfillment
Of the law; in Him we stand

Come behold the wondrous mystery
Christ the Lord upon the tree
In the stead of ruined sinners
Hangs the Lamb in victory

See the price of our redemption
See the Father’s plan unfold
Bringing many sons to glory
Grace unmeasured, love untold

Come behold the wondrous mystery
Slain by death the God of life
But no grave could e’er restrain Him
Praise the Lord; He is alive!

What a foretaste of deliverance
How unwavering our hope
Christ in power resurrected
As we will be when he comes

What a foretaste of deliverance
How unwavering our hope
Christ in power resurrected
As we will be when he comes

– Matt Boswell, Michael Bleecker, Matt Papa 2013

Der Konservatismus des Heribert Prantl

Mit dem sympathischen Slogan „Ehe für alle“ wurde in Deutschland der Weg für die gleichgeschlechtliche Ehe freigemacht (zum Erfolgsbegriff siehe hier). Für Heribert Prantl ist das neue Ehe-für-alle-Gesetz jedoch immer noch diskriminierend, da es die Zuordnung eines männlichen oder weiblichen Geschlechts verlangt, also – so Prantl – ein Mensch mit uneindeutigen geschlechtlichen Merkmalen nicht heiraten darf.

Die Ehe wird, heißt es im Ehe-für-alle-Gesetz, „von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts“ geschlossen. Mit dieser Formulierung wird also die Zugehörigkeit der Menschen, die heiraten wollen, zu einem bestimmten Geschlecht verlangt und festgeschrieben. Das heißt: Menschen, die weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden, sind von der Ehe ausgeschlossen. Darf die eindeutige Geschlechtlichkeit in dieser Weise hervorgehoben und betont werden?

Deshalb fordert Prantl die Öffnung für folgende Konstellationen: Mann-Frau, Mann-Mann, Frau-Frau, Mann-Inter, Frau-Inter und Inter-Inter (siehe diese Videokolumne).

Als die „Ehe für alle“ eingeführt wurde, war abzusehen, dass mit einer weiteren Öffnung der Konstellationen gerechnet werden darf (vgl. meinen Kommentar hier). Kurioserweise vertritt Heribert Prantl in seinem „Plädoyer für Konsequenz“ auf dem Hintergrund aktueller Entwicklungen eine nahezu konservative Position. Warum? Nun, einmal wirkt die Festlegung auf die Geschlechter Frau-Mann-Inter geradezu altmodisch. Facebook kennt inzwischen 60 Geschlechtsidentitäten, darunter die Unentschiedenen, also jene, die eine Festlegung gänzlich meiden oder das Geschlecht je nach Begehren wechseln. Eine Festlegung auf Intersexualität ist im Ozean der Geschlechter also nach wie vor ausschließend. Zum anderen erscheint die Begrenzung auf zwei Personen wie eine willkürliche Setzung. Warum nicht eine Ehe zwischen drei oder fünf Menschen?

Diese Debatten werden kommen, über semantische Streitigkeiten hinausgehen und dann dazu anstiften, den Sinn von Ehe und Familie gänzlich infrage zu stellen. Der vermeintliche Kampf für die Aufwertung der Ehe zwingt sie in die Bedeutungslosigkeit.

Carl Truman: Reformatorische Theologie

Zum 500. Reformationsjubiläum sprach Marvin Olasky am Patrick Henry College mit Carl Trueman über die reformatorische Theologie. Bei der Erörterung von Luthers „Theologie des Kreuzes“ kommen auch das Wohlstandsevangelium und das positive Denken à la Norman Vincent Peale zur Sprache. Besonders hilfreich finde ich Truemans Ermahnung zur Orthodoxie in der Liebe.

Sprachwaschmaschine

Sprache wird immer wieder angepasst, um Menschen nicht zu verletzen oder herabzusetzen. Der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant nennt das „Sprachreinigung“. Dahinter stecke meist ein politisches Motiv. Ihm gehen solche „semantischen Zwänge“ oft zu weit.

Im DLF erklärt Trabant, was er unter einer „Sprachwaschmaschine“ versteht und warum aus ihr manchmal eine Gehirnwäsche wird.

Die Sprachwaschmaschine ist ein gesellschaftliches Spiel, wenn Sie so wollen, in dem Sprache, die nicht gefällig ist, korrigiert wird: erst kritisiert wird, dann korrigiert wird. Gefällig heißt in diesem Fall tatsächlich philosophisch und wissenschaftlich nicht gefällig. Was ich da zeige in dem Aufsatz ist, dass aus der Philosophie heraus ein Bedürfnis nach reiner Sprache bestand, und zwar in dem Moment, in dem die Gelehrten, die europäischen Philosophen entdecken, dass die Volkssprachen und die verschiedenen Sprachen der Welt verschiedenes Denken enthalten. Die Entdeckung der verschiedenen Semantiken der Sprachen, das war eigentlich der Ausgangspunkt. Und dann haben die Philosophen gesagt: Um Gottes willen, das Volk denkt ja was ganz Schreckliches, etwas, was nicht der Wissenschaft entspricht, und das müssen wir auf jeden Fall ausmerzen. Der erste, der das richtig leidenschaftlich gedacht hat, war der englische Philosoph Francis Bacon.

Hier der sehr empfehlenswerte Beitrag:

 

VD: AW

Erweiterte Interlinearbibeln für Logos

In der Bibelsoftware Logos ermöglicht eine erweiterte Interlinearbibel den Zugriff auf den biblischen Grundtext in Hebräisch oder Griechisch innerhalb einer Übersetzung und liefert zudem eine linguistische Kurzanalyse.

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Bald wird es unter Logos neben der Luther84 zwei weitere deutschsprachige Interlinearbibeln geben, nämlich Schlachter2000 und Luther2017.

Mehr hier: deutsch.logos.com.

Mehr Informationen über deutschsprachige Logos-Ausgaben gibt es hier: de.logos.com.

Der neue Paulus

Die neutestamentliche Wissenschaft diskutiert seit vielen Jahren über die sogenannte „Neue Paulusperspektive“ (engl. „New Perspective on Paul“, abgekürzt meist als „NPP“, siehe dazu auch hier und hier). Die Bezeichnung, die auf einen Aufsatz von James D. G. Dunn aus dem Jahr 1983 zurückgeht, steht für eine theologische Strömung, die die Paulusexegese heute durchdringend prägt und der von manchen Bibelauslegern eine epochale Bedeutung zugeschrieben wird. Die „Neue Paulusperspektive“ tritt mit dem Anspruch auf: Die Paulusauslegung hat bisher versäumt, die Paulustexte innerhalb ihres historischen Kontextes zu deuten. Wenn wir die Brillen der theologischen Traditionen ablegen und zum Verstehen des Neuen Testaments das frührabbinische Judentum heranziehen, begegnen wir dem wahren Apostel Paulus. Der Apostel, den wir bisher zu kennen glaubten, ist nicht viel mehr als eine Fiktion gewesen.

Bei der neuen Sichtweise geht es nicht allein um einen akademischen Diskurs. Neben strittigen Themen wie etwa Antijudaismus, Bundestheologie, Gesetzesfunktion oder Reich Gottes werden auch Kernaspekte der Rechtfertigungslehre verhandelt. Im Raum steht nicht weniger als die große Frage: „Haben wir zentrale Gesichtspunkte des Evangeliums bisher falsch verstanden?“

So manche Entwicklungen in der Praktischen Theologie und Missionswissenschaft, denken wir nur an den missionalen Ansatz, die Transformationstheologie oder die aktuelle Faszination für die politische Theologie, haben mehr mit der NPP zu tun, als das auf den ersten Blick erkennbar ist. Die Befürworter der neuen Sicht betonen die Inklusivität des Evangeliums und das Herabkommen des Himmelreiches auf die Erde. Wir hören Sätze wie: „In der Bibel bedeutet Erlösung nicht: Gott errettet die Menschen aus der Welt heraus, sondern Erlösung ist die Errettung der Welt an sich.“

Ich habe den diesjährigen Sommerurlaub unter anderem dafür genutzt, einige Vorträge, die ich 2016 und 2017 zur „Neue Paulusperspektive“ gehalten habe, für ein kleines Buch mit rund 70 Seiten zu überarbeiten. Im ersten Teil stelle ich bedeutende Wegbereiter der „Neuen Paulusperspektive“ vor. Im anschließenden Kapitel mache ich die Leser mit zwei prominenten Verfechtern der neuen Sichtweise, die auch in bekenntnisorientierten Kreisen fleißig studiert werden und inzwischen eine entsprechende Wirkung entfaltet haben, vertraut. Im dritten Teil skizziere ich herausstechende Anliegen der neuen Paulusinterpretation. Der vierte Teil ist schließlich der kritischen Würdigung gewidmet. Ich versuche zu zeigen, dass die Strömung durchaus unser Bibelstudium stimulieren kann und uns zwingt, genauer hinzuschauen und unsere Exegese hier und da zu revidieren. Ich zeige allerdings ebenfalls, dass es allerlei gute Gründe dafür gibt, Erträge der „Neuen Paulusperspektive“ zu hinterfragen. Meine Kritik beschränkt sich dabei nicht auf die kontroverse Sichtweise der Rechtfertigungslehre. Freilich schenke ich Themen rund um das „Evangelium“ und die „Glaubensgerechtigkeit“ mehr Aufmerksamkeit als anderen. Die Arbeiten von N.T. Wright bekommen dabei besonders viel Raum. Anmerkungen und ein Literaturverzeichnis liefern zahlreiche Anstöße zum Weiterdenken.

Die Abhandlung will nicht mehr als eine Handreichung sein. Der beibehaltende Vortragsstil nötigt, sich auf die „groben Linien“ zu konzentrieren. Gleichwohl hoffe ich, dass die Ausführungen Interessenten, Theologiestudenten und lehrenden Mitarbeitern in den Gemeinden dienlich sind und zur eigenen Auseinandersetzung mit der Strömung der „Neuen Paulusperspektive“ anregen.

Bestellt werden kann die Handreichung als Paperback- und als Kindle-Buch.

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