„Dein Name werde geheiligt“

Helmut Thielicke sagt über „Dein Name werde geheiligt“ aus dem Vaterunser (Das Gebet, das die Welt umspannt, 1983, S. 41–42): 

Luther sagt einmal in seiner Auslegung des Vaterunsers über diese Bitte das erschütternde Wort: „Ich weiß in der ganzen Schrift keine Lehre, die unser Leben mächtiger und mehr schwächt und vernichtet als dieses Gebet“; und als Begründung fügt er hinzu: „Wir leben alle ein Leben, in dem Gottes Name und Ehre ständig gelästert werden, wir haben andere Götter und wollen selber die Herren unseres Lebens sein.“ So ist die erste Bitte des Vaterunsers ein heimliches Bußgebet, ein Sündenbekenntnis von zermalmender Wucht, und keiner kann beten, der nicht diese Instanz des Gerichts, diesen Abgrund des Am-Ende-Seins durchläuft.

Denn zu jedem Gebet gehören zwei Voraussetzungen: Einmal: Ich muß wissen, zu wem ich rede. Darüber belehrt uns Jesus ja auch als allererstes. Wir dürfen sagen: „Unser Vater!“ Diese Anrede ist recht eigentlich ein stilles, gleichsam nur angedeutetes Dankgebet. Wenn ich dieses Dankgebet in Worte fassen sollte, würde ich sagen: „Gottlob, daß du da bist und uns hörst; gottlob, daß wir dir alles sagen dürfen – von den größten Dingen, die unsere Vernunft ausdenken kann, bis zu den alltäglichen Bagatellen, die unser Leben bedrängen. Gottlob, daß wir dir sagen dürfen von unserer Sehnsucht nach deinem Reich und zugleich von etwas so Kleinem wie unserer täglichen Brotration, die du deinen Kindern nicht versagen wirst; gottlob, daß wir so mit dir reden dürfen, und daß wir durch Jesus Christus deine lieben Kinder sind.“

Nicht wahr, das ist die erste Voraussetzung alles Betens: Wir müssen wissen, mit wem wir reden – und daß es der Vater ist, der uns hört.

Die zweite Voraussetzung aber, die erfüllt werden muß und ohne die es kein echtes Beten gibt, besteht darin, daß wir auch wissen, wer wir selber sind. Im Gebet appellieren wir ja nicht nur an das Herz des Vaters, sondern wir schlagen auch an unsere Brust. Niemand kann „Vater“ sagen, der nicht gleichzeitig sagt: „Ich komme aus einer großen Fremde und bin nicht wert, daß ich dein Sohn heißen soll. Vater, dein Name ist mir nicht heilig gewesen, ich habe ihn hundertfältig verleugnet.«

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3 Monate zuvor

Die erste Ausgabe dieses Buches stammt aus den späten 40 er Jahren und 1983 erschien die 4. Auflage. Dies als Hinweis zur zeitlichen Einordnung

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