Wikipedia wird zensiert von einer Diskurspolizei, die entscheiden will, was wichtig ist und was nicht – sagen die Kritiker der Online-Enzyklopädie. Das stimmt so nicht, sagt Ur-Wikipedianer Kurt Jansson: Es mangelt nicht an Vielfalt. Sondern an Menschen, die bereit sind, die Dreckarbeit zu machen. DER SPIEGEL schreibt:
Wikipedia ist eine postmoderne Enzyklopädie. Eigentlich. Ihre Einträge folgen nicht einer bestimmten Ideologie, sondern sie nimmt für sich in Anspruch, alle Gegenstände von einem neutralen Standpunkt aus zu beschreiben.Nicht der eine, einzig korrekte Zugang zum Thema soll gewählt werden, die Autoren dürfen auch die weniger ausgetretenen Seitenpfade beschreiben, sofern sie wissenschaftlich korrekt ihre Quellen zitieren und die unterschiedlichen Standpunkte jeweils einordnen: Im Artikel »Homöopathie« darf die Behandlungsmethode ausführlich beschrieben werden, solange der Leser erfährt, dass Wissenschaftler bisher keine Wirkung über Placeboeffekte hinaus nachweisen konnten. Und im Artikel »Elvis Presley« dürfen die Elvis-Sichtungen Erwähnung finden, solange klargestellt wird: Der King ist tot.
Wikipedia ist ein spätes Kind der Aufklärung, und eine Vielzahl von Autoren treibt weiterhin der Ansporn des Enzyklopädisten Denis Diderot, »nicht zu sterben, ohne (sich) um die Menschheit verdient gemacht zu haben«. Der altehrwürdige Brockhaus war in den ersten Jahren die Messlatte, die es in Sachen Aktualität und Umfang zu übertreffen galt; auch in puncto Verlässlichkeit wollte man dem alles überstrahlenden Standardwerk das Wasser reichen. Doch nie hatte man wie der Brockhaus den Anspruch, einen Kanon wichtigen Wissens festzulegen. Nie wollte man dem Leser vorschreiben, was ihn zu interessieren habe und über welche Trivialitäten er sich doch bitte in anderen, weniger anspruchsvollen Werken informieren möge. Nie sollte es um Relevanz im eigentlichen Wortsinn gehen.
Hier der Beitrag von Kurt Jansson, lange Jahre Pressesprecher des Wikipedia-Projekts: www.spiegel.de.