Kultur des Todes (18): Strafbarkeit von Abtreibungen abschaffen

Es passt zur geistlichen Verfassung in Europa: Die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus dringt auf eine Reform des Strafrechts und möchte den Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, streichen (zur Lage in Frankreich vgl. hier). Die FAZ berichtet:

„Wer anders als die Schwangeren selbst sollte entscheiden, ob sie ein Kind austragen möchten oder können?“, fragte Paus. „Wer anders als die Frauen selbst sollte darüber entscheiden, wann und in welchen Abständen sie Kinder bekommen?“.

Grundpfeiler des Menschenrechts auf reproduktive Selbstbestimmung seien neben dem Zugang zu sicheren und erschwinglichen Verhütungsmitteln auch die Gewährleistung von Schwangerschaftsabbrüchen sowie einer selbstbestimmten und sicheren Schwangerschaft und Geburt. „Frauen die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, dürfen nicht länger stigmatisiert werden“, sagte die Ministerin.

Die Einsetzung einer Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin wurde übrigens im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbart, ohne die Streichung des Paragrafen 218 zu erwähnen. Dort heißt es (S. 92):

Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen. Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher. Schwangerschaftskonfliktberatung wird auch künftig online möglich sein. Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB.

Mehr: www.faz.net.

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20 Kommentare
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Udo
1 Jahr zuvor

Nun, wer christophobe Familienpolitik favorisiert und auf Meinungsfreiheit keinen besonderen Wert legt, sollte auch beim nächsten Mal „Die Grünen“ wählen.

Alex aus Cloppenburg
1 Jahr zuvor

Also, wenn jemand Gefahr läuft, die Grünen zu wählen, dann doch die LeserInnen des Theoblogs.

Felixpe
1 Jahr zuvor

Es ist ja nicht wirklich eine Überrachung, dass jetzt §218 unter Beschuss steht. Es ist nur logisch konsequent, nachdem §219a (das absurde »Werbeverbot«) zu Fall gebracht wurde. Wenn §218 fällt, wäre das ein gigantischer Sieg für den Feminismus und würde zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung von Frauen (genau genommen: Schwangeren) führen. Das ist Fakt. Die politische Frage ist, ob man das erlauben will. Die Frage ist, ob Frauen das Recht auf Freiheit nun haben dürfen, oder nicht. Einfach gesagt: Die Frage ist, ob wir wie die Taliban sein wollen, oder nicht. Ich nicht. Ich bin ein Mann, und ich kann gar nicht schwanger werden, ich finde es aber überheblich, als Nichtbetroffener da Vorschriften zu machen. Es ist natürlich sehr bequem, als Mann den Frauen was verbieten zu wollen, womit man sich selber nie beschäftigen muss. Bequem aber falsch. Der Gedanke, einem anderen Menschen so radikal das eigene Leben, den eigenen Körper zu diktieren, der stößt mich zutiefst ab und ist… Weiterlesen »

Alex aus Cloppenburg
1 Jahr zuvor

@Felixpe:
Abtreibung hat nichts mit Freiheit zu tun. Bestenfalls eine Freiheit, anderes Leben zu verhindern. Dazu hat keiner das Recht!
Ich bin gegen die christliche Instrumentalisierung dieses Themas, aber Abtreibung ist nun mal kein Recht, welches jemand für sich beanspruchen kann. Das Thema „Abtreibung“ darf auch nicht losgelöst von der Sexualethik diskutiert werden. Würden die Leute verantwortungsvoll mit der eigenen Sexualität umgehen, bräuchte es keine Abtreibung.
Die Emanzipation der Frau an dem Recht auf Abtreibung festzumachen, ist zynisch.

Matze
1 Jahr zuvor

@Felixpe Echt, aber ich habe selten so etwas menschenverachtendes zu diesem Thema gelesen wie der Kommentar. Wir wollen auf der einen Seite jedes männliche Küken retten. Auf der anderen Seite die Abtreibung bis kurz vor der Geburt zulassen. Wenn es eine Diskussion in dem Zuge geben würde um Verhütung wieder stärker in das Bewusstsein sein zu bringen hätte ich ja irgendwie noch Verständnis. Dass aber eine Frau ganz abgesehen von dem menschlichen Leben dass ab der Zeugung vorhanden ist nun das Kind 9 Monate mit sich unter Schmerzen mit sich rumträgt hat doch nicht mit Selbstbestimmung der Frau zu tun. Nein, die Frau wird so erniedrigt und respektlos von den Männern behandelt. Denn wenn kein echter Kinderwunsch da ist kann ich doch auf die verschiedenste Weise verhüten. Auch gerade beim Sex wie bei anderen Bereichen des Lebens gehört dazu, dass man mit einem gewissen verantwortlichem Verhalten vorgeht. Das hat mit Glauben auch gar nichts zu tun sondern schon mal allein… Weiterlesen »

Udo
1 Jahr zuvor

Wie sagte schon der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski treffend: „Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt.“ 
Ohne Gott nimmt eben auch die „geistige Entropie“ ständig zu und nähert sich dem Zustand Israels in der Richterzeit: „Jeder tat, was er für richtig hielt.“ (Die Bibel, Richter 17,6b). Oder wie wärs mit den Werten der Sawi in Papua-Neuguinea, die Heuchelei oder Verrat als eine erstrebenswerte Verhaltensweise ansehen. Ganz nach dem Motto: Ich fand Judas schon immer ganz toll.
Wer Jesus Christus kennt, kennt auch die Werte für ein lebenswertes Leben und eine heile Gesellschaft. Werte, die im Leben und im Sterben tragen.

Alin
1 Jahr zuvor

Ich verstehe die Aufregung und moralische Entrüstung bei einigen hier nicht. Es entsteht eine Debatte um Paragraph 218. Eine Debatte ist auch immer Ausdruck gesammtgesellschaftlicher Entwicklungen. Es ist deshalb gut diese Debatte zu führen. Statt zu moralisieren fände ich es in diesem Fall sinnvoller, einen Konsens aufgrund von Argumenten zu suchen und zu finden. Dafür ist es aber auch notwendig, den Versuch zu unternehmen, die jeweils andere Seite zu verstehen. Es macht auf mich jedoch den Eindruck, dass dass hier nicht wirklich geschieht, sondern sehr einseitig argumentiert wird. Deshalb ein Versuch von mir: Um seine Schutzpflicht gegenüber dem Ungeborenen wahrnehmen zu können, wird den schwangere Frauen vom Gesetzgeber eine Austragungspflicht auferlegt. Dementsprechend geht es den Befürworter einer Abschaffung des 218 vor allem darum, so weit ich es durchblicke, durch die Streichung des 218 Ihr Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung und Autonomie als Abwehrrecht gegenüber dem Statt wahrzunehmen. In diesem Sinne ist die Forderung auch moralisch zu vertreten. P.s. Eines kann ich… Weiterlesen »

Benjamin
1 Jahr zuvor

Es gibt vieles, dass ich nicht weiß. Daher eine Frage:

Ist es nicht Fremdbestimmung, wenn man über einen Menschen mit anderer DNA herrscht?

Alex aus Cloppenburg
1 Jahr zuvor

@ Alin
zu deiner Frage:
Ist die Bibel mit Ihren Beschreibungen, Forderungen, Gesetzen und Lehren immer moralisch unhinterfragbar?????

Aus meiner Sicht muss die Bibel immer interpretiert und in gewisser Weise bestimmte Aussagen daraus hinterfragt werden. Das tun alle Gläubigen- selbst die „bibeltreusten“.
Bei diesem Thema geht es doch nicht um
biblische Aussagen, sondern um einen Konflikt bei Grundrechten. Das Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung kollidiert mit dem Grundrecht auf Leben des noch ungeborenen Lebens. Aus meiner Sicht überwiegt das Grundrecht auf Leben. Die körperliche Selbstbestimmung hat auch und vor allem mit einer verantwortungsvollen Sexualität zu tun. Frau wird nicht einfach so schwanger. Extrembeispiele wie Vergewaltigungen oder mögliche Gefährdungen der Gesundheit der Frauen sind keine Argumente für ein Recht auf Abtreibung.

Alin
1 Jahr zuvor

Die „Bibeltreuesten“ hinterfragen die Bibel in ihren moralischen Aussagen? Wage ich zu bezweifeln!

Nochmal:
So wie ich es verstehe geht es den Abtreibungsbefürwortern in der Hauptsache darum, dass sie vom Gesetzgeber formal gezwungen werden, Ihre Schwangerschaft auszutragen. Dies bedeutet eine körperliche Fremdbestimmung durch den Staat – eine solche körperliche Fremdbestimmung ist für die meisten der Abtreibungsgegner in bestimmten Fristen unverhältnismäßig. Hier wäre zu diskutieren, ab wann es verhältnißmäßig wäre….

Matze
1 Jahr zuvor

@Alin und auch nochmals:

Warum wird dann nicht vor dem Sex vorher miteinbezogen geredet und verhütet, wenn man kein Kind will. Eine körperliche Fremdbestimmung wäre zum Beispiel auch wenn Frauen wegen irgendwelcher Abhängigkeiten zum Sex genötigt werden. Dann muss man eben an sie Männer ran. Wozu haben wir eine me too Debatte? Daraus folgt um es mal zuzustimmen: es entsteht da der Eindruck, dass manche noch an den Klapperstorch glauben und meinen eine Schwangerschaft kommt rein zufällig auf einmal über einen…..

Alin
1 Jahr zuvor

Matze, tut mir leid, ich kann deinen Ausführung nicht folgen…

Alin
1 Jahr zuvor

Es ist meiner Meinung nach wichtig zu verstehen, dass es bei der Abtreibungsdebatte nicht nur um das Abwägen von Grundrechten geht, sondern um eine Debatte, inwieweit eine körperliche Fremdbestimmung durch den Gesetzgeber gerechtfertigt ist… Und das ist durchaus einer Debatte Wert, oder nicht.

Johannes G.
1 Jahr zuvor

@Alin

was genau meinst du mit „körperlicher Fremdbestimmung durch den Gesetzgeber“?

Der Gesetzgeber darf sicherlich keiner Frau eine Schwangerschaft aufzwingen (z. B., indem einer Frau gegen ihren Willen ein Embryo eingepflanzt werden soll). Er muss es aber ebenso sicher einem siamesischen Zwilling verbieten, sich einer „Trennungsoperation“ zu unterziehen, wenn dadurch der andere Zwilling versterben würde (z. B. weil dieser zwingend auf ein lebenswichtiges Organ im Körper des anderen Zwillings angewiesen ist) und jeder Arzt, der einen solchen Eingriff durchführt, würde unbezweifelbar ein Tötungsdelikt begehen. Wenn man diese Situation unter der Prämisse, dass auch dem ungeborenen Menschen ein Recht auf Leben zukommt, auf eine Schwangerschaft überträgt, lässt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer „Trennungsoperation“ in diesem Fall (die in nahezu allen Fällen zudem durch eine direkte und beabsichtigte Tötungshandlung charakterisiert ist), recht einfach beantworten.

LG
Jo

Alin
1 Jahr zuvor

Mit körperlicher Fremdbestimmung durch den Gesetzgeber meine ich die Pflicht zum Gebären. Deine Analogie passt nicht, sie spricht von einem Verbot.

Zudem ist der Aspekt der körperlichen Fremdbestimmung mehr noch auch auf das Verhältnis Ungeborenes – Schwangere übertragbar. Der Körper der Schwangeren wird vom Ungeborenen verwendet. Geschieht das gegen ihren Willen, ist das rechtlich betrachtet schwierig, selbst wenn das Ungeborene in allen Aspekten als vollwertiger Mensch betrachtet wird. Aber auch da passt deine Analogie nicht, da sich in dieser die Zwillinge seit jeher das entprechende Organ geteilt haben, beide hatten also schon immer den gleichen Anspruch darauf. Bei einer Schwangerschaft gibt es kein ähnliches Abhängigkeitsverhältnis.

Deshalb vorsicht bei der Verwendung von Analogien.

Ich gebe hier nur die Argumente, soweit ich sie verstehe, von der „Gegenseite“ wieder, um so vielleicht Basis für Verständigung zu schaffen. Habe selbst noch keine definitive Meinung.

Johannes G.
1 Jahr zuvor

@Alin, danke für die Rückmeldung. In meinem Beispiel mit den Zwillingen besteht die Pflicht, die Verbindung aufrechtzuerhalten und daher ist diese Situation durchaus analog – und zwar nicht nur neun Monate, sondern dies betrifft das ganze Leben. Auch der Körper des Zwillings mit allen lebenswichtigen Organen (Z1) wird vom anderen Zwilling (Z2) per se ohne dessen Zustimmung verwendet und dies kann somit ebenfalls gegen den Willen von (Z1) erfolgen. Der Gesetzgeber verpflichtet die Frau zudem nicht zum „Gebären“ (das muss sie so oder so – die Frage ist nur, ob der heranwachsende Mensch tot oder lebendig zur Welt kommt), sondern er verbietet ihr, das heranwachsende Kind zu töten. Die Analogie trifft daher auch in diesem Punkt: In beiden Fällen besteht die Pflicht, die Verbindung zu einem anderen Menschen aufrechtzuerhalten (da er durch die Trennung sterben würde) und sich seiner Tötung zu enthalten. Und selbst wenn (Z2) schon immer ein Organ im Körper von (Z1) genutzt hat, folgt allein daraus sicher… Weiterlesen »

Last edited 1 Jahr zuvor by Johannes G.
Alin
1 Jahr zuvor

Johannes, mit Gebärpflicht meine ich natürlich die Pflicht zum Austragen des Kindes bis zur völligen Reife. Ansonsten würde das Gesetz ja auch keinen Sinn machen. Daher passt deine Analogie nicht. Analogien müssen auch sinnvoll sein. Dass ein Arzt in einem pränatalen, chrurgischen Eingriffe zwei völlig voneinande getrennte, von einander unabhängige Kinder zu einem einzigen Individuum zusammennäht ist abstrus. Zudem wäre dieser Akt ja gerade nicht legal, da der kranke Zwilling sich so eines Organs des gesunden Zwillings bemächtigt. Es würde so garnicht zu einer solchen Situation kommen. Zu deinem Beispiel mit dem Stillen: Es ist wichtig, dass wir bei der Abtreibungsfrage wischen moralischen Verpflichtungen und rechtlichen Forderungen unterscheiden. Würde die Frau das Kind ohne Grund nicht stillen und verhungern lassen, wäre sie ein moralisches Monster und jeder hätte das Recht sie so zu bezeichnen. Das bedeutet aber nicht, dass man Sie dazu rechtlich verplichten kann. Und übrigens ist diese Analogie wiederuum nur unzureichend, da eine Abtreibung in der Regel niemals… Weiterlesen »

Alin
1 Jahr zuvor

Sorry für die Rechtschreibung, war in Eile…

Johannes G.
1 Jahr zuvor

@Alin da ich aktuell wenig Zeit habe und um die Sache fokussiert zu halten, versuche ich, in einzelnen Punkten zu antworten: (a) Mein Hinweis auf die „Gebärpflicht“ war keine Analogie, sondern einfach nur ein Hinweis, dass der ungeborene Mensch so oder so den Körper der Mutter verlassen muss. (b) Ob ein Gedankenexperiment abstrus ist, spielt im (moral)philosophischen Diskurs keine Rolle. Entscheidend ist, ob dadurch ein moralisches Prinzip expliziert werden kann. Deine These war, dass die Verwendung eines fremden Organs, sofern dies schon immer genutzt wurde, für die Frage nach der Zulässigkeit einer Trennung maßgeblich ist. Mit diesem Beispiel wollte ich daher lediglich zeigen, dass dieser Faktor meiner Einschätzung nach keine Rolle spielt (und das gilt auch, wenn der Chirurg dabei offenkundig illegal gehandelt hat). Daher nochmals die Frage: Meinst du, dass sich (Z1) aufgrund der Umstände in dieser abgewandelten Version von (Z2) trennen darf? (c) Verstehe ich dich richtig, dass du der Auffassung bist, dass die Frau das Kind verhungern… Weiterlesen »

Last edited 1 Jahr zuvor by Johannes G.
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