Abtreibung

Lebensschutz in der Bibel?

Nele Pollatschek sucht in der SZ nach neuen Arguementen in der Abtreibungsdebatte und versteigt sich zu der Behauptung, dass sich die Bibel nur an einer Stelle für den Schutz ungeborenen Lebens ausspricht, nämlich in 1Mose 38:

Wann also beginnt potenzielles Leben? Auf der Suche nach Antworten hilft die Bibel. Ein Buch, das sich in der “ Pro Life“-Bewegung großer Beliebtheit erfreut, obwohl es sich insgesamt eher pro-Schwangerschaftsabbruch geriert – ständig werden Feten in Gottesnamen aus ungläubigen Bäuchen gerissen. Die einzige Passage, die sich explizit für den Schutz potenziellen Lebens starkmacht, findet sich in Genesis 38. Nach dem Tod seines Bruders soll Onan mit dessen Witwe einen Nachkommen zeugen. Allerdings lässt Onan seinen Samen lieber zur Erde fallen, wofür Gott ihn mit dem Tod bestraft.

Wenn die Bibel männlichen Samen als potenzielles Leben ansieht, erkennt sie etwas biologisch Korrektes, denn tatsächlich strebt schon ein Spermium danach, menschliches Leben zu werden, indem es sich auf eine Eizelle zubewegt. Ein Spermium kann vom Bestreben, Leben zu werden, nur abgehalten werden, indem man es statt mit einer Eizelle mit unbelebbarem Milieu konfrontiert. Erde, Taschentuch, Socke, der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Da hat sich Frau Pollatscheck freilich verrannt. In 1Mose 38,8–9 weist Juda seinen zweiten Sohn Onan an, den Brauch der „Leviratsehe“ zu erfüllen, wonach ein Bruder die kinderlose Witwe seines Bruders heiraten und ihr Kinder schenken musste (vgl. 5Mose 25,5–10; Rut 1,11–13; 4,1–12; siehe a. Mt 22,24–25; Lukas 20,28). Der Text möchte gar nicht sagen, dass im männlichen Samen ein potentieller Mensch steckt. Nele Pollatscheks Strohmann-Argument, dass nämlich ungeborenes Leben nur dann Schutz verdient, wenn auch männliche Samen Lebensschutz erhalten, ist hinfällig. 

Es gäbe durchaus andere Bibeltexte, die davon sprechen, dass ungeborene Kinder Lebensschutz verdienen. Wie wäre es mit Jeremia 1,5, wo Gott zu dem Propheten spricht: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.“ Oder Psalm 139,13–16, in dem der König David ausspricht, dass seine Erschaffung im Mutterleib ein Grund dafür ist, Gott als den Schöpfer zu loben:

Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe. Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. Es war dir mein Gebein nicht verborgen, da ich im Verborgenen gemacht wurde, da ich gebildet wurde unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, da ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

Übrigens: Der Artikel von Frau Dr. Pollatschek ist wirklich seelenlos. Sie schlägt vor, dass in Deutschland in die Forschung für Uterus-Transplantationen investiert wird und dann in Zukunft die Männer, die gegen Schwangerschaftsabbrüche sind, sich eine Gebärmutter anschaffen und als Trans-Frauen potentielles Leben austragen dürfen: „Sollte die Forschung bei Transplantationen von Gebärmüttern in trans Frauen erfolgreich sein, könnten sich auch xy-chromosomale Schwangerschaftsabbruchsgegner für das Austragen potenziellen Lebens zur Verfügung stellen. Das wäre ein guter Kompromiss.“

Diesem seelenlosen Geplär setzte ich – auch wenn ich mich wiederhole – Bonhoeffers kluge Stellungnahme entgegen (Ethik, Werkausgabe, Bd. 6, S. 203–204):

Mit der Eheschließung ist die Anerkennung des Rechtes des werdenden Lebens verbunden, als eines Rechtes, das nicht in der Verfügung der Eheleute steht. Ohne die grundsätzliche Anerkennung dieses Rechtes hört eine Ehe auf Ehe zu sein und wird zum Verhältnis. In der Anerkennung aber ist der freien Schöpfermacht Gottes, der aus dieser Ehe neues Leben hervorgehen lassen kann nach seinem Willen, Raum gegeben. Die Tötung der Frucht im Mutterleib ist Verletzung des dem werdenden Leben von Gott verliehenen Lebensrechtes. Die Erörterung der Frage, ob es sich hier schon um einen Menschen handele oder nicht, verwirrt nur die einfache Tatsache, daß Gott hier jedenfalls einen Menschen schaffen wollte und daß diesem werdenden Menschen vorsätzlich das Leben genommen worden ist. Das aber ist nichts anderes als Mord. Daß die Motive, die zu einer derartigen Tat führen, sehr verschiedene sind, ja daß dort, wo es sich um eine Tat der Verzweiflung in höchster menschlicher oder wirtschaftlicher Verlassenheit und Not handelt, die Schuld oft mehr auf die Gemeinschaft als auf den Einzelnen fällt, daß schließlich gerade an diesem Punkt Geld sehr viel Leichtfertigkeit zu vertuschen vermag, während bei den Armen auch die schwer abgerungene Tat leichter ans Licht kommt, dies alles berührt unzweifelhaft das persönliche, seelsorger[liche] Verhalten gegenüber dem Betroffenen ganz entscheidend, es vermag aber an dem Tatbestand des Mordes nichts) zu ändern. Gerade die Mutter, der dieser Entschluß zum Verzweifeln schwer wird, weil er gegen ihre eigenste Natur geht, wird die Schwere der Schuld am wenigsten leugnen wollen.

Abtreibungsdebatte: „Sexualität und Kinderwunsch stimmen nicht überein“

Die Befürworter eines Abtreibungsrechts melden sich vermehrt zu Wort, nachdem eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission empfohlen hat, in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft Abbrüche zu legalisieren (den Hinweis auf beide nachfolgend besprochene Stellungnahmen verdanke ich einem Beitrag der TAGESPOST).

Der Jurist und Journalist Heribert Prantl empfiehlt in einem Beitrag für die SZ die vollständige Abschaffung des § 218. Er beruft sich auf ein Votum der beiden Höchstrichter Ernst Gottfried Mahrenholz und Berthold Sommer zum letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1993. Dort haben diese erklärt: „Zu den spezifischen Grundbestimmungen menschlichen Seins“ gehöre, dass „Sexualität und Kinderwunsch nicht übereinstimmen“. Prantl versteigt sich zu der Aussage: „Der 218 ist daher dem Buchstaben und dem Geiste nach immer noch ein Recht zur Ächtung der Frau … Paragraf 218 ist bis heute Ausdruck der Missachtung der Frau.“

In der WELT hat sich Professor Kai Möller gegen das Verbot der Abtreibung ausgesprochen. Er schreibt:

Klar erscheint mir jedoch, dass die in Deutschland geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfehlt ist, da sie das Demokratieprinzip verletzt. Zur Erinnerung: das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Legalisierung der Abtreibung nicht mit der Pflicht des Staates, menschliches Leben zu schützen, vereinbar ist. Nochmals: es ist aus moralischer Sicht natürlich gut vertretbar, gegen Abtreibung zu sein. Aber als verfassungsrechtliche Vorgabe ist diese Haltung verfehlt, denn sie erklärt die politischen Überzeugungen aller derjenigen, die aus guten, rechtfertigbaren Gründen für die Legalisierung der Abtreibung eintreten, für illegitim. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben in ihren Urteilen zum Schwangerschaftsabbruch ihre eigenen moralischen Präferenzen dem ganzen Land aufgezwungen.

Möller bringt ein von der Philosophin Judith Jarvis Thomson entwickeltes Argument in die Debatte ein:

Für den Lebensschützer liegt das Hauptargument auf der Hand: Eine Abtreibung bedeutet die Zerstörung menschlichen Lebens. Niemanden, auch nicht Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, lässt dieser Punkt völlig kalt. Insofern kann ich nachvollziehen, wenn Menschen aus echter Überzeugung die Meinung vertreten, dass Abtreibung als Zerstörung menschlichen Lebens und insofern im Grundsatz als rechtswidrig anzusehen sein sollte, wie es dem geltenden Recht entspricht.

Für die Gegenposition gibt es auch gute Gründe. Das stärkste Argument wurde von der amerikanischen Philosophin Judith Jarvis Thomson entwickelt. Ihr Beispiel ist folgendes: Stellen Sie sich vor, dass während Ihres Schlafs ein berühmter Violinist, der eine schlimme Nierenkrankheit hat, an Sie angeschlossen wird, sodass er Ihre Nieren benutzt und so am Leben bleiben kann. Hätten Sie das Recht, die Verbindung zu kappen, wenn das den sicheren Tod des Musikers bedeuten würde?

Ganz klar lautet die Antwort: ja, das Recht hätten Sie, denn niemand darf Ihren Körper gegen Ihren Willen benutzen. Thomson argumentiert nun, dass es sich bei der Schwangerschaft ähnlich verhält. Selbst wenn man davon ausginge (was sie für zweifelhaft hält), dass der Fötus ein Recht auf Leben hat, bedeutet dies nicht, dass die Frau verpflichtet ist, ihm ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Man könnte sagen: wenn sie dies tut, dann ist es ein Akt der Liebe, aber es liegt im Wesen der Liebe, das diese nicht erzwungen werden kann und darf.

Dieses Analogieargument wird von den Abtreibungsbefürwortern sehr gern herangezogen. Deshalb an dieser Stelle der Hinweis, dass sich Johannes Gonser in seinem Buch Abtreibung – ein Menschenrecht? (#ad) sehr gründlich damit befasst hat. Seiner Einschätzung nach ist nicht nur die Übertragbarkeit der Analogie problematisch. Er argumentiert auf Grundlage diverser ethischer Prinzipien für die These, dass dieses Argument selbst durch das Zugeständnis der Analogie fehlschlägt und zeigt auf, welche in moralischer Hinsicht weiteren problematischen Implikationen sich aus den darin propagierten Annahmen ergeben.

Lebensrechtler, die den Stellungnahmen von Prantl und Möller sachlich gut begründet widersprechen möchten, sind gut beraten, wenn sie die Abhandlung von Gonser gründlich studieren.

[#ad]

Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen denkbar

Die Ampel hatte versprochen, sich mit dem rechtlichen Status von Schwangerschaftsabbrüchen zu befassen. Dafür setzte sie eine Kommission ein. Die legt nun Empfehlungen vor. Abtreibungen sollen nach Auffassung dieser Kommission künftig in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen grundsätzlich erlaubt sein. Das berichtet DER SPIEGEL unter Berufung auf den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe, der kommenden Montag vorgestellt werden soll. Die FAZ schreibt

Darin heißt es laut Magazin, dass die grundsätzliche Rechtswidrigkeit der Abtreibung in der Frühphase der Schwangerschaft nicht haltbar sei. Die aktuellen Regelungen im Strafgesetzbuch hielten einer „verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung“ nicht Stand. Sobald der Fötus eigenständig lebensfähig ist, sollten Abbrüche laut Kommission hingegen weiterhin verboten bleiben. Diese Grenze liege ungefähr in der 22. Woche seit Beginn der letzten Menstruation.

Eine Abtreibung ist derzeit grundsätzlich rechtswidrig. Sie bleibt jedoch straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Vertreter aus Kirche, Staat und Gesellschaft haben sich irritiert bis ablehnend zu den an das Magazin DER SPIEGEL durchgestochenen Empfehlungen geäußert, berichtet DIE TAGESPOST:

Berlins Erzbischof Heiner Koch, der die Familien-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz leitet, sagte der Katholischen Nachrichtenagentur KNA, „die bestehende Regelung hält sowohl die Not und Sorge der Mutter als auch Schutz des Kindes hoch. Das durch eine Neuregelung zu gefährden, halt ich für sehr problematisch“. Er hoffe, dass die Politik bei dem Thema sehr bedacht vorgehe. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ja eindeutig: Es nimmt die Gesellschaft und den Staat in die Pflicht, das ungeborene Leben zu schützen. Insofern muss erstmal der Nachweis geführt werden, wie das ohne Strafrecht in verfassungskonformer Weise sichergestellt werden kann“, betonte Koch.

Bluttest auf Gendefekte liefert falsche Ergebnisse

Krankenkassen bezahlen vorgeburtliche Bluttests auf Trisomie. Viele Schwangere nutzen ihn anders als geplant. Gerade bei jungen Frauen liefern sie falsche Resultate – was zu vielen Schwangerschaftsabbrüchen führt. Bei einer 25-jährigen Schwangeren etwa liegt die Wahrscheinlichkeit für ein falsch-positives Ergebnis bei 49 Prozent, schreibt Sabine Menkens DIE WELT:

Das Problem dabei: Der Test liefert keine Diagnose, sondern lediglich eine Wahrscheinlichkeit für eine Chromosomen-Anomalie. Während die Negativergebnisse ziemlich zuverlässig sind, zeigt der Test vor allem bei jüngeren Frauen, bei denen das Trisomie-Risiko gering ist, häufig sogenannte falsch-positive Ergebnisse an. Bei einer 25-jährigen Schwangeren etwa liegt die Wahrscheinlichkeit für ein falsch-positives Ergebnis bei 49 Prozent – verbunden mit der echten Gefahr, dass Frauen womöglich panikartig eine Abtreibung vornehmen lassen, ohne die nötige diagnostische Abklärung abzuwarten.

„Der Test verspricht etwas, was er null einhalten kann“, sagt Rüffer. „Wir brauchen dringend ein umfassendes Monitoring zu den Folgen der Kassenzulassung und die Einsetzung eines Expertengremiums, das sich mit den rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der NIPT-Kassenzulassung befasst.“ Einen entsprechenden Antrag hat die interfraktionelle Gruppe Pränataldiagnostik, die sich seit Jahren mit den ethischen Implikationen des NIPT beschäftigt, jetzt auch in den Bundestag eingebracht.

Das ist ein Skandal, finde ich. Corinna Rüffer von den Grünen hatte es vorausgesagt: Wenn der vorgeburtliche Bluttest auf Trisomie 13, 18 und 21 erst einmal Kassenleistung sei, dann würde er massenhaft eingesetzt. Eben nicht nur bei Schwangeren mit einem begründeten Verdacht auf eine kindliche Gen-Anomalie.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Wann beginnt mein Recht auf Leben?

In seinem Buch A Defense of Abortion schreibt der an der University of Colorado lehrende Philosophieprofessor David Boonin, dass „ein Fötus im Grunde einfach nur ein menschliches Wesen in einem sehr frühen Stadium seiner Entwicklung“ sei. Er erkennt also an, dass ein Mensch mit dem Embryo/Fötus, der man einmal war, identisch ist. Trotzdem verteidigt er das Recht auf Abtreibung.

Scott Klusendorf hat sich seine Argumentation und die Einwände seiner Gegner genau angesehen und schreibt: 

Es genügt nicht, ein Mensch zu sein, so Boonin, um daraus ein Recht auf Leben abzuleiten. Konkret erklärt er: „Die Tatsache, dass ein menschlicher Fötus zur selben Spezies gehört wie Sie und ich, kann kein Argument sein, ihm dasselbe Recht auf Leben wie Ihnen und mir zuzusprechen.“ Der intrinsische Wert eines Menschen ist nach Boonins Definition eine zufällige Eigenschaft, die ein Fötus erst im späteren Verlauf der Schwangerschaft erwirbt, nämlich nachdem eine organisierte kortikale Hirnaktivität vorhanden ist, die zum aktuellen Zeitpunkt ein Verlangen nach etwas ermöglicht – was laut Boonin zwischen fünfundzwanzig und zweiunddreißig Wochen nach der Empfängnis der Fall ist. Nur ein gegenwärtiges Verlangen, kein zukünftiges, verleihe Wert und begründe ein Recht auf Leben. Da ein Fötus im frühen Stadium kein gegenwärtiges Verlangen hat, habe er auch kein Recht auf Leben.

Kurz gesagt, der Mensch ist zwar ab einem bestimmten Zeitpunkt existent, aber er wird erst zu einem späteren Zeitpunkt in dem Sinne intrinsisch wertvoll, dass er Subjekt von Rechten wird. Bis dahin mag die Abtreibung moralisch kritisierbar sein, nicht aber moralisch unzulässig.

Mehr: www.evangelium21.net.

[#ad]

Kultur des Todes (21): Frankreich verankert Recht auf Abtreibung in Verfassung

Das Recht auf Abtreibung wird künftig in der französischen Verfassung verankert. Die dafür nötige Drei-Fünftel-Mehrheit wurde laut FAZ am Montag in Versailles bei einer Sitzung beider Parlamentskammern erreicht. Nur 72 Abgeordnete stimmten dagegen, 780 dafür. 50 Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Premierminister Gabriel Attal sprach von einer „moralischen Schuld“ gegenüber allen Frauen, die gelitten hätten:

Uns verfolgen das Leiden und die Erinnerung an so viele und so viele Frauen, die jahrzehntelang darunter gelitten haben, nicht frei sein zu können“, sagte er und freute sich über den „erfolgreichen Abschluss eines langen Kampfes“.

An die Freiheit und den Schutz der ungeborenen Kinder denkt keiner. Das schreit zum Himmel und zeigt, wohin die Reise in Europa nach der Säkularisierung geht. Präsident Emmanuel Macron schrieb auf der Plattform X: „Frankreichs Stolz. Universelle Botschaft.“ Jetzt wird angestrebt, in der EU weiterzumachen

Es gibt weiterhin Bestrebungen, das aus französischer Sicht „universelle“ Frauenrecht auch in der EU zu verankern. „Die nächste Etappe wird sein, diese Freiheit in der Grundrechtecharta der EU einzuschreiben, wie Frankreich es im Januar 2022 vorgeschlagen hat“, schrieb der frühere Europaminister Clément Beaune.

Aktualisiert am 05.03.2024, 14:37 Uhr.

[#ad]

Der Zensurzonen-Plan: Friedliche Gebete dürften eigentlich nicht verboten werden

In den vergangenen Wochen hatte ein neuer Gesetzesentwurf für Verunsicherung und Diskussionen gesorgt: Das Vorhaben, das zurzeit vom Bundesrat behandelt wird, sieht die Einführung von Zensurzonen vor und Bußgelder von bis zu 5000€ bei Verhalten, das „verwirrend“ oder „verstörend“ wirken könnte.

Dabei ist unklar, ob die Regierung die friedlichen Gebete verbieten möchte. Rechtsexperte und Leiter der europäischen Rechtsabteilung bei ADF International, Dr. Felix Böllmann, ist sich sicher: „Friedliches Gebet kann nicht verboten werden. Die Überzeugung, dass jedes Leben schützenswert ist und Unterstützung verdient, ist nicht kriminell. Die Einführung von Zensurzonen schadet der Gesellschaft und nützt nur Abtreibungsorganisationen, die schon seit langem dafür lobbyieren. Die Grundrechte sind auf der Seite der friedlichen Beter. Unabhängig davon, was man über Abtreibung denkt, schadet die Zensur von Hilfsangebot und Überzeugung jedem.“

Doch was soll genau verboten werden? Sind Belästigungen, gar Hass und Hetze, wie die Bundesfamilienministerin unlängst behauptete, vor Abtreibungsorganisationen tatsächlich ein akutes, landesweites Problem? Auf Anfrage gab die Bundesregierung kürzlich zu: „Konkrete zahlenmäßige Erkenntnisse … liegen der Bundesregierung nicht vor.“

„Die Bundesregierung will etwas verbieten, weiß aber nicht was und warum.“

„Friedliche Gebetsversammlungen sollten vom Staat geschützt, nicht bekämpft werden. Die Bundesregierung will etwas verbieten, weiß aber nicht was und warum. Das ist gesetzgeberischer Blindflug! Dadurch entsteht ausschließlich Verwirrung, und zwar bei rechtstreuen Bürgern, die sich für eine gute Sache engagieren ebenso, wie bei Polizeibeamten und Ordnungsamtsmitarbeitern, die die vagen Verbotstatbestände dann vor Ort umsetzen müssten“, so Dr. Felix Böllmann.

Dramatisieren die Medien Schwangerschaftskonflikte?

Ich finde es erschreckend, wie unkritisch die FAZ Ansichten von Abtreibungsbefürtwortern propagiert und infolgedessen auch noch groben Unfug verbreitet. In dem Interview „Frau allein, traurig, depressiv“ darf die Filmemacherin Franzis Kabisch darlegen, wie es Abtreibungsgegner gelungen ist, mittels Fotos und bildgebender Verfahren die Kritik an Schwangerschaftsabbrüchen zu untermauern. Den Interviewer Matthias Dell, (schreibt auch für ZEIT, SPIEGEL und DEUTSCHLANDRADIO) scheint es zu erfreuen, wenn über die spielerische Leichtigkeit bei der seelischen Verarbeitung von Abtreibungen berichtet wird. 

Konkret: Kabisch behauptet: 

Mit der Personalisierung des Fötus. Viele Forscherinnen markieren das als einen wichtigen Punkt. Der Fötus wurde instrumentalisiert von rechten Gruppen – als eigene Person, die, wie die Historikerin Barbara Duden das nennt, zum „öffentlichen Fötus“ wurde. Der braucht nichts, sondern ist autonom und universal. Diese völlige Loslösung von der Schwangeren hat es einfach gemacht, sich für den Fötus einzusetzen. Der wird dagegen auch nie Widerstand leisten und so vereinnahmt für einen „Lebensdiskurs“, in dem die schwangere Person ihm entgegengesetzt ist als Bedrohung. Dabei ist niemand automatisch ein autonomer Mensch, auch das Baby braucht nach der Geburt Fürsorge, Nahrung.

Was passiert hier: Menschen, die davon überzeugt sind, dass auch ein ungeborenes Kind Person ist, werden in die rechte Ecke gestellt. Zugleich wird die These aufgestellt, dass diese Leute meinten, ein Fötus sei autonom und könne von einer schwangeren Frau völlig losgelöst betrachtet werden. Beide Behauptungen sind falsch.

Erwartbar wird in dem gesamten Interview auf das Forschungslage zur Situation der Frauen gar nicht eingegangen. Vermittelt werden soll: Die allermeisten Frauen sind glücklich mit ihrer Entscheidung, abgetrieben zu haben. Was über die Medien – insbesondere durch Bilder – vermittelt wird, dass nämlich Föten Personen seien und Frauen, die abgetrieben haben, Selbstzweifel hätten, ist nur konstruierte Wirklichkeit.

Dass der STERN 1971 mit seine Kampanie „Ich habe abgetrieben“ Frauen bewusst „in Szene gesetzt“ hat, wird nicht einmal erwähnt. Im Gegenteil! Kabisch behauptet: „Es stehen sogar die Namen darunter. Und die Frauen sehen eigentlich alle zufrieden aus, erleichtert oder einfach so, wie man sich Menschen im Alltag vorstellt, die nicht für ihr Leben traumatisiert sind.“

Haben die Kulturwissenschaftlerin Franzis Kabisch und der Medienjournalist Matthias Dell übersehen, dass es ein großer Bluff war, als Romy Schneider, Senta Berger und Alice Schwarzer zusammen mit 371 anderen Frauen im Stern bekannten „Wir haben abgetrieben!“? Alice Schwarzer hat zum Beispiel schlicht gelogen: „Aber das spielte keine Rolle. Wir hätten es getan, wenn wir ungewollt schwanger gewesen wären“ (vgl. hier).

Wenden wir uns kurz von der medialen Wirklichkeit ab. Die Ärztin Angelika Pokropp-Hippen zitiert in ihrem Aufsatz über das Post Abortion Syndrom (PAS) aus einer Studie des Elliot Institutes, bei der 260 Frauen von 15 bis 35 Jahren aus 35 verschiedenen Staaten der USA zu ihrem Gefühlszustand nach der Abtreibung befragt wurden: 

  • 92,60% der befragten Frauen leiden an starken Schuldgefühlen
  • 88,20 % leiden an Depressionen
  • 82,30 % haben ihr Selbstwertgefühl verloren
  • 55,80% haben Selbstmordgedanken
  • 66% beendeten die Beziehung zu ihrem Sexualpartner nach der Abtreibung
  • 40,60% begannen, Drogen zu nehmen
  • 36,50% flüchteten in den Alkohol

Johannes Gonser setzt sich in seinem Buch Abtreibung – ein Menschenrecht?: Argumentationshilfen zur Debatte um den Schwangerschaftsabbruch übrigens gründlich mit der Frage auseinander, ob ein ungeborener Mensch Person ist oder nicht. Das Buch ist meiner Meinung nach ein wichtiger Debattenbeitrag.

Lernziel Abtreibung

Der Druck steigt: Schwangerschaftsabbrüche sollen verpflichtender Bestandteil der Medizinerausbildung werden. Die FAZ schreibt:

Für Juri Ghofrani Azar ist dieser Schritt längst überfällig. Schon seit Jahren fordern die „Medical Students for Choice“, zu denen Azar gehört, dass das Thema Abtreibung im Medizinstudium ausführlicher behandelt wird. Die studentischen Aktivisten fordern das Recht auf einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch. Dazu gehöre, dass angehende Mediziner umfänglich für den Eingriff ausgebildet würden. Geschehe das nicht, werde die medizinische Grundversorgung gefährdet.

Was im Medizinstudium gelehrt wird, legt in Grundzügen die Approbationsordnung für Ärzte fest. Zusätzlich enthält der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Empfehlungen zum Lehrinhalt. Die konkreten Lehrpläne jedoch werden von den medizinischen Fakultäten aufgestellt.

Künftig sollen Medizinstudenten verpflichtend lernen, wie ein medikamentöser und ein operativer Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden und welche ethischen und rechtlichen Dimensionen dies hat. Denn die Bundesregierung will, dass der Nationale Lernzielkatalog, der den Erwerb solchen Wissens vorsieht, für das Medizinstudium verbindlich wird.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

EKD will Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren

Die Evangelische Kirche in Deutschland will den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren, lehnt ihn ethisch aber weiter ab. Das ist widersprüchlich, meint der Theologe Ulrich Körtner aus Wien. Er geht mir in senier Kritik nicht weit genug, bringt aber doch einige katastrophale Positionen gut auf den Punkt.

Zum Beispiel hier:

Während das für die EKD unter anderem bedeutet, ihr Augenmerk auf eine strikte Beratungspflicht zu legen, bedeutet es für die Diakonie das Gegenteil. Ihr Argument: Frauen würden durch die Beratungspflicht im Grunde bevormundet. Genauso argumentiert auch die Evangelische Frauenarbeit Deutschland. Mit derart widersprüchlichen Wortmeldungen nimmt man sich politisch aus dem Spiel.

Am meisten hat aber die verblüffende Theologieabstinenz beider Papiere für Kritik und Irritationen gesorgt. Man kann den Stellungnahmen zu Gute halten, dass es sich nicht um kircheninterne Schreiben, sondern um Voten im rechtspolitischen Raum handelt. Aber auch zwischen den Zeilen ist selbst für Eingeweihte von theologischer Reflexion kaum etwas zu erkennen. Mehr noch: Die Diakonie kritisiert in ihrer Stellungnahme ausdrücklich, der jetzige § 218 entspreche „einer unausgesprochen religiösen Setzung“, die in einer pluralistischen Gesellschaft nicht verbindlich gemacht werden könne. Auch so kann eine Kirche dazu beitragen, ihren ohnehin schwindenden öffentlichen Einfluss weiter zu minimieren.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Nach oben scrollen
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner