Apologetik

Tim Keller: Vier Fragen, die wir klären sollten?

Tim Keller rät der PCA (Presbyterian Church in America), sich in den nächsten Jahren mit vier praktisch-theologischen Fragen auseinanderzusetzen (als Forschungsthemen):

  • das fehlende Gebet im Leben von Pastoren;
  • der Umgang mit Kontroversen im Zeitalter der Sozialen Medien;
  • die biblische Unterweisung von Jugendlichen, die stark von den kulturellen Narrativen unserer Zeit geprägt sind;
  • die (Wieder)-Entwicklung einer evangelistischen Gemeindekultur angesichts einer immer kritischer werdenden Öffentlichkeit.

Ich vermute, dass diese Fragen auch in anderen Bünden und Ländern von großer Bedeutung sind.

Also reinhören:

VD: ES

James W. Sire (1933 – 2018)

SireJames W. Sire, ein Mitstreiter von Francis Schaeffer und Os Guinness, ist am 6. Februar 2018 heimgegangen. Er hat viele hilfreiche Bücher verfasst. Ein Buch, nämlich Die Welt – aus der Sicht der anderen, ist sogar in Deutschland erschienen und kann noch hier und da antiquarisch erworben werden.

Das Magazin CT schreibt:

As chief editor for IVP, Sire advanced the Christian worldview movement through the books he edited and wrote, most famously his 1976 title The Universe Next Door, which was named one of CT’s books of the year more than 30 years later.

“Sire was a keystone in the intellectual renewal of evangelicalism in the 1960s and 70s,” wrote Andy Le Peau, a longtime editor at IVP, noting that “Sire was first to publish a number of influential figures.”

CT once called Sire a “midwife” of Schaeffer, the theologian known for founding the L’Abri community. The two met back in 1968 and went on to work together on books including Schaeffer’s How Should We Then Live? and Whatever Happened to the Human Race?, as well as transcripts of his talks.

“It was a very troubled time intellectually—evangelicals were just out of the intellectual forest and ready to battle the world. [Schaeffer] set a lot of people thinking,” Sire said, likening his philosophical approach to the prophet Jeremiah.

Mehr:  www.christianitytoday.com.

 

Stephan Lange: Begründet glauben

51i9Bx7cJ7L AC US436 QL65Ist es eigentlich vernünftig, an Gott zu glauben? Kann beim Thema Glauben überhaupt von Vernunft gesprochen werden? Oder handelt es sich dabei nicht vielmehr um ein Gefühl, welches sich schwer beschreiben und noch schwerer begründen lässt?

Stephan Lange, Autor eines neuen Buches zur christlichen Apologetik, vertritt die Ansicht, dass es durchaus vernünftige Gründe für den Glauben und die Existenz Gottes gibt. In Begründet glauben. Denkangebote für Skeptiker und Glaubende legt er dar, warum er meint, dass es sich beim Glauben an Gott nicht um reine Gefühlsduselei oder um Weltflucht handelt. Schritt für Schritt veranschaulicht Stephan Lange, welche ernstzunehmenden (natur-)wissenschaftlichen Hinweise vorliegen, die eine Existenz Gottes wahrscheinlich machen, auch wenn sie sich trotzdem nicht endgültig beweisen lässt. „Wenn etwas (wie zum Beispiel Atome oder Gravitationswellen) existieren kann, auch wenn es sich nicht naturwissenschaftlich nachweisen lässt, warum sollte dann nicht auch Gott existieren können?“, schreibt er auf S. 24. Von dieser Ausgangsfrage her nimmt er den Leser mit auf einen Exkurs, auf dem er vielen kritischen Fragen, wie zur Existenz Gottes, zum Leid in der Welt oder zur Auferstehung, nachgeht. Dabei gibt er sowohl Nichtgläubigen als auch Gläubigen viel Stoff und gute Argumente zum Nachdenken und lädt dazu ein, sich mit den bohrenden Fragen zu Gott und zum Glauben einmal neu auseinander zu setzen.

Stephan Lange befasst sich auf seinem Blog mitdenkend.de mit kritischen Fragen zum christlichen Glauben. Er schreibt für das Hochschulmagazin „bedacht“ und ist deutschlandweit als Referent für Vorträge und Workshops unterwegs.

Pascals Pensées neu aufgelegt

41PS8WIaIIL SX354 BO1 204 203 200Nachfolgend ein Buchhinweis aus Glauben und Denken heute 1/2017:

  • Blaise Pascal, Pensées – Gedanken, editiert und kommentiert von Philippe Sellier. Aus dem Französischem übersetzt und mit einer Konkordanz von Sylvia Schiewe. Darmstadt: WGB, 2016. ISBN-10: 3534232984, 434 S., 49,00 Euro.

Pascals Pensées zählen zu den bedeutenden theologisch-philosophischen Texten europäischer Tradition. Die mehr als 800 Fragmente, die nach Pascals Tod gefunden wurden, enthalten eine wirkmächtige Apologie des christlichen Glaubens, deren Stil und Scharfsinnigkeit nach wie vor fasziniert. Das Buch des berühmten Mathematikers und Philosophen prägt die philosophische und theologische Diskussion bis heute. Seine Überlegungen zum Verhältnis zwischen Mensch und Gott, zu den Erkenntnismöglichkeiten der Wissenschaft und den Hoffnungen auf ein ewiges Leben, sind ebenso wie die berühmte „Wette“ unvergessen und immer wieder Mittelpunkt religionsphilosophischer Debatten.

Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft in Darmstadt hat die maßgebliche Standardedition der Pensées von Philippe Sellier im Jahr 2016 erstmals in deutscher Sprache zugänglich gemacht. Die Ausgabe folgt der von Pascal selbst mutmaßlich beabsichtigten Anordnung und gilt als Meilenstein der Pascal-Forschung. Der lebendige und erzählerische Stil der Übersetzung erleichtert die Annäherung an den großen christlichen Denker.

Die Anmerkungen Salliers glänzen durch Klarheit und Sachlichkeit. Ergänzt wird der Text im Anhang durch ein Personen- und Stichwortregister sowie durch eine Konkordanz,die die Fragment-Nummern bedeutender Pensées-Ausgaben angibt. Der Satz, der den Text gemäß der 2. Sellier-Ausgabe vollständig wiedergibt, enthält am Rand zudem eine Marginalkonkordanz mit den Fragment-Nummern der wichtigsten Ausgaben (Sellier 2, Lafuma u. Brunschvicg). Im deutschsprachigen Raum setzt diese Ausgabe für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Buch den Standard.

Christ & Politik

Ich lade herzlich zur Vorlesung: Christ & Politik: Historische Entwicklungen, aktuelle Sichtweisen, konkrete Herausforderungen mit Prof. Dr. Harald Seubert (STH) in München ein.

Die Ergebnisse einer neuen Barna-Umfrage über den Einfluss nicht-christlicher Weltanschauungen auf das Denken und Leben von Christen haben bestätigt, dass Christen, auch wenn sie sich aus der Welt zurückziehen (Vielleicht gerade dann?), in der Gefahr stehen, von anderen Weltanschauungen vereinnahmt zu werden. Viele Gemeinden verlieren ihre Jugendlichen, weil die Vergewisserung des christlichen Glaubens und die apologetische Auseinandersetzung mit prominenten denkerischen Strömungen nicht stattgefunden hat (siehe dazu hier). Deshalb ist es wichtig, sich mit Herausforderungen der Gegenwart auseinanderzusetzen, auch mit dem Thema Politik.

Prof. Seubert ist als Philosoph und Religionswissenschaftler ein profilierter Experte für das Thema Christ & Politik. Der Kurs wird in seinem ersten Teilsegment in die Geschichte des Verhältnisses christlichen Glaubens und Politik von der römischen Antike bis in die globale Postmoderne einführen. Im zweiten Teil werden zentrale Stücke einer Systematik dieses Verhältnisses thematisiert. Abschließend wird es um die besonders drängenden Fragestellungen vor dem Horizont christlicher Ethik im globalen Zeitalter gehen.

Die Vorlesung beginnt um 10.00 Uhr und geht bis ca. 17.00 Uhr. Weitere Einzelheiten über den Kurs können dem digitalen Flyer entnommen werden: seubert_vorlesung2017.pdf. Das Studium der vorbereitenden Literatur ist freiwillig.

Wie Weltanschauungen Christen heute beeinflussen



Die Ergebnisse einer neuen Barna-Umfrage über den Einfluss nicht-christlicher Weltanschauungen auf das Denken und Leben von Christen überraschen nicht. Beunruhigend sind sie trotzdem. Sie demonstrieren flagrant, dass in den letzten Jahrzehnten in den Ausbildungsstätten, Gemeinden und Familien sehr viel falschgelaufen ist.

Kurz: Sowohl die Vergewisserung des christlichen Glaubens als auch die apologetische Auseinandersetzung mit prominenten denkerischen Strömungen hat so gut wie nicht stattgefunden. Nun driften vor allem die jungen Leute – besonders im urbanen Umfeld – munter ab.

Hier ein paar Einblicke in das Denken, Fühlen und Leben eher „lebendiger Christen“ aus Nordamerika:

  • 61 % stimmen mit Ideen überein, die in der Strömung der neuen Spiritualität verwurzelt sind (z.B. therapeutischer Deismus, Ideen wie „Wenn du Gutes tust wirst du belohnt.“).
  • 54 % akzeptieren postmoderne Ansichten (z.B.: Relativismus: „Es gibt keine objektive Ethik.“).
  • 36 % stimmen mit dem Marxismus verbundenen Ideen zu (z.B. mehr Staat: „Die Regierung, statt Einzelpersonen, sollte möglichst viele Ressourcen kontrollieren, um sicherzustellen, dass jeder seinen fairen Anteil bekommt.“).
  • 29 % glauben an Vorstellungen, die auf dem Säkularismus beruhen (z.B. Konzentration auf die materielle Welt: „Mache so viel wie möglich aus deinem jetzigen Leben.“)

Wir benötigen radikale Umdenkprozesse. Wir brauchen etwa:

  • eine vertiefte Beschäftigung mit der (heute so unbeliebten) biblisch-christlichen Dogmatik;
  • eine apologetisch-konfrontative Auseinandersetzung mit nicht-christlichen Weltanschauungen, zu der auch die Schulung im philosophischen Denken und die Kulturapologetik gehören (z.B. Medienkritik);
  • eine Kampfansage an das Wohlfühlchristentum, welches meint, mit Entertainment, versöhnter Verschiedenheit, populistischem Lobpreis und Lebenshilfepredigten erfülle Gemeinde ihre Berufung;
  • eine Wiederbelebung der Katechese unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Familien- und Gemeindeumfeld;
  • radikale und greifbare Modelle einer schöpferischen Gegenkultur, die die Wahrheit und Schönheit des evangelischen Glaubens gerade auch für junge Menschen greifbar werden lässt;
  • ein Jüngerschaftstraining, welches Nachfolge nicht auf Fragen persönlicher Frömmigkeit reduziert;

Das alles kostet übrigens neben Mut und Disziplin auch Geld. Das Geld ist prinzipiell sogar da. Leider wandert viel Vermögen gerade in jene Programme, die das fromme Amüsement anstatt die christliche Bildung fördern (wer es nicht glaubt, mute sich mal einschlägige TV- oder Radioformate zu).

Hier die Zusammenfassung der Barna-Umfrage: www.barna.com.

Theo:logisch

Theologisch cover finalErfreulicherweise liegt ein weiteres Buch von William Lane Craig in deutscher Sprache vor. In seinem Buch theo:logisch: Warum der christliche Glaube vernünftig ist spannt er einen weiten Bogen von der Feinabstimmung des Universums und vom Ursprung des Lebens über die Realität des Bösen bis zur Person Jesu Christi. Das tut er stets konsequent nach den Regeln der Logik und zeigt, dass der Glaube an Gott keineswegs unvernünftig ist.

Herausgekommen ist ein anspruchsvolles und zugleich gut lesbares Buch, das uns zu den  wichtigen Fragen des Lebens führt. Denn es geht nicht nur darum, ob Gott existiert oder nicht, sondern auch um die jeweiligen Konsequenzen für den einzelnen Menschen.

Hier gibt es eine Leseprobe: theologisch_leseprobe-2.pdf.

J. Frame: Geschichte der westlichen Philosophie und Theologie

51foGIlO8QL SX354 BO1 204 203 200Was macht ein Buch lesenswert und hilfreich? Neben seinem Inhalt sicherlich die Tatsache, dass komplexe Dinge leicht verständlich und trotzdem nicht allzu simpel dargestellt werden.

John Frame, Professor für Systematische Theologie und Philosophie am Reformed Theological Seminary in Orlando (USA), wird seit Jahrzehnten – über reformierte Kreise hinaus – dafür geschätzt, genau diese Art von Büchern zu schreiben. Da sind u.a. zwei Titel zur Apologetik, eine vierbändige Dogmatik (Lordship-Series), eine kürzere Systematische Theologie und neuerdings auch ein Buch zur Philosophie- und Theologiegeschichte:

Zum Inhalt: Nach einem Vorwort von Albert Mohler und Frame selbst, bietet er im ersten Kapitel auf 36 Seiten eine Einführung zu den Fragen: Was ist Philosophie und wieso sollte man sich als Christ mit ihr beschäftigen? Welche größeren Teilbereiche umfasst die Philosophie (Metaphysik, Epistemologie und Ethik, wobei Frame sich auf die ersten beiden konzentriert)? In welcher Beziehung stehen sie zueinander? Welche Sichtweisen bietet die Bibel zu diesen Themen? Was kann der Mensch eigentlich von sich aus wissen und was hat die Sünde damit zu tun?

In den darauffolgenden zwölf Kapiteln beschreibt Frame die unterschiedlichen Epochen, ihre einflussreichsten Vertreter, die wichtigsten Fragestellungen jener Zeit und welche biblischen Perspektiven es dazu gibt. Die Kapitel und Themenbereiche sind im Einzelnen:

  • Griechische Philosophie
  • Frühe christliche Philosophie
  • Philosophie des Mittelalters
  • Das Denken der frühen Neuzeit
  • Theologie in der Aufklärung
  • Kant und seine Nachfolger
  • Theologie im 19. Jahrhundert
  • Nietzsche, Pragmatismus, Phänomenologie und Existenzialismus
  • Liberale Theologie des 20. Jahrhunderts, Teil 1
  • Liberale Theologie des 20. Jahrhunderts, Teil 2
  • Sprachphilosophie im 20. Jahrhundert
  • Die jüngste christliche Philosophie

Damit hört Frames Buch allerdings noch nicht auf. Ab Seite 579 findet man noch einen Anhang mit 20 Ressourcen, d.h. Rezensionen zu wichtigen Büchern und Artikel zu besonderen Themen, die in den vorigen Kapiteln angerissen wurden (z.B. ontologischer Gottesbeweis, Determinismus und freier Wille, menschliche Sprache und göttliche Offenbarung, Wissen von Nichtgläubigen über Gott, usw.).

Einige Beobachtungen zum Aufbau des Buches: A History of Western Philosophy and Theology ist nicht nur äußerst klar und verständlich geschrieben, es ist auch didaktisch vorbildlich strukturiert: Auf das normale Inhaltsverzeichnis mit Seitenangaben folgt zur besseren Übersicht ein detailliertes Inhaltsverzeichnis mit allen Unterthemen (analytical outline); danach findet der Leser einen Verweis auf die dazugehörigen Vorlesungen Frames, die man gratis über iTunes nachhören kann. Am Ende gibt es ein Glossar mit Begriffserklärungen, eine kommentierte Bibliographie mit weiterführender Literatur, ein ausführliches Quellenverzeichnis der verwendeten Bücher und Onlineartikel, ein Namensverzeichnis, ein Schlagwörterverzeichnis, ein Verzeichnis der zitierten Bibelstellen und schließlich eine kurze Übersicht der großen Wendepunkte in der Geschichte der Philosophie bzw. der Theologie. Man sieht: Das Buch ist darauf ausgelegt, nicht bloß ein einziges Mal gelesen zu werden.

Auch die einzelnen Kapitel sind didaktisch gut aufgebaut: Auf jeder geraden Seitenzahl ist noch einmal der Kapitelaufbau abgedruckt und der Unterabschnitt markiert, den man gerade vor sich hat. Grafiken erleichtern das Verständnis abstrakter Konzepte; zentrale Aussagen sind am Rand noch einmal extra abgedruckt; Fotos der jeweiligen Philosophen und Theologen machen die bloßen Namen lebendiger. Immer wieder erinnert Frame auch an die Inhalte der vorherigen Kapitel, um thematische Querverbindungen und manchen roten Faden nachzuzeichnen. Am Ende eines jeden Kapitels sind noch einmal die behandelten Themen als Schlagworte aufgelistet, zusätzlich gibt es eine Liste mit Fragen zur Wiederholung und Vertiefung des Gelesenen, ebenso eine kommentierte Bibliographie mit Büchern, Onlineressourcen und Primärquellen zum jeweiligen Kapitel, sowie eine Auflistung wichtiger Zitate. Für weitere Artikel und vertiefende Exkurse verweist Frame stets auf die jeweiligen Kapitel seiner Lordship-Series und auf seine Homepage, die er zusammen mit seinem Kollegen, dem Neutestamentler Vern Poythress führt.

Was sind Schwachpunkte von A History of Western Philosophy and Theology? Zwar ist der Band durchaus umfassend, doch kann er letztlich nur ein Überblick bzw. eine solide Einführung sein. Denn wer auf knapp 580 Seiten eine Geschichte der westlichen Philosophie und Theologie vorlegen möchte, muss sich zwangsläufig auf eine Auswahl beschränken. Daher ist Frames Buch längst nicht so ausführlich wie Störigs Klassiker Kleine Weltgeschichte der Philosophie dem jedoch die biblisch-theologische Perspektive fehlt. Einzelne Schlüsselfiguren und ihre Denksysteme untersucht Frame eingehend auf mehreren Seiten (z.B. Augustinus, Thomas von Aquin, Kant, Schleiermacher, Barth, Pannenberg und auch Moltmann), andere Denker und Strömungen werden wiederum relativ kurz abgehandelt (z.B. Luther, Calvin und die Reformation). Römisch-katholische oder orthodoxe Denker kommen höchstens am Rande vor.

Obwohl Frames Darstellungen der ausgewählten Philosophen und Theologen stets nachvollziehbar und gehaltvoll sind, folgt er in der Regel der Mehrheitsmeinung der Forschung. In der Auswertung untersucht er zentrale Schwachpunkte und unbiblische Gedankengänge der einzelnen Denker und Strömungen, konzentriert sich dabei aber immer auf das Wesentliche. Leser mit Vorwissen hätten sich da wahrscheinlich etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht.

Grundsätzlich stützt sich Frame auf die vollkommene Verlässlichkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel als Gottes Wort, darüber hinaus nutzt er den Ansatz der voraussetzungsbewussten Apologetik (presuppositionalism) im Sinne von Cornelius Van Til (siehe hier).  Trotz hilfreicher Erklärungen hätte mancher Leser auch hier detailliertere Begründungen erwartet, warum gerade dieser Ansatz der Apologetik – obwohl äußerst passend und sinnvoll – die richtige Lesebrille für den Rest des Buches bietet.

Letztlich merkt man in seiner Argumentation, dass Frame vor allem Systematischer Theologe ist und die Exegese bei ihm bereits vorher im Hintergrund stattgefunden hat. Wie auch in seinen anderen Bücher nutzt er ausführlich sein Modell der Lordship-Theologie, um verschiedene, „dreifaltige“ bzw. „drei-polige“ Verständnishilfen zu entwickeln: Ausgehend von Gottes trinitarischem Charakter offenbart er sich „drei-polig“ in seiner Autorität, Macht und Gegenwart. Jegliches Wissen des Menschen als Gottes Geschöpf und Diener sieht Frame ebenfalls auf drei Ebenen (normativ, situativ und existenziell). Dann wiederum nutzt er vier-polige Konzepte, um biblische Denkmuster mit unbiblischen zu vergleichen (z.B. Gottes Transzendenz und Immanenz gegenüber Wittgensteins perfekter Sprache und seinem Konzept des Mystischen). So didaktisch wertvoll diese drei- und vier-poligen Verständnishilfen auch sein mögen, an manchen Stellen wirken sie etwas willkürlich und abstrakt.

Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis offenbart einen ungewöhnlichen Schwerpunkt, den ich persönlich jedoch nicht als Manko wahrgenommen habe: Frame bietet den letzten 300 Jahren der Philosophie- und Theologiegeschichte außergewöhnlich viel Raum und zeigt, welche gedankliche Basis hinter den Themen und Fragen steckt, die uns gerade heute relevant erscheinen.

Zugegeben –  viele einflussreiche Denker werden nicht behandelt (z.B. J. Butler, M. Nussbaum, J. Habermas), u.a. weil sie in der philosophischen Ethik arbeiten, die Frame hier nicht schwerpunktmäßig behandelt. Und der Postmoderne gesteht Frame wie selbstverständlich nur 2,5 Seiten zu. Trotzdem weist er nach, wo unsere heutigen Fragen, Ideologien und „Erkenntnisse“ herkommen, auf welche Theorien sie aufbauen und dass sie oft gar nicht so revolutionär sind, wie wir vielleicht dachten. Augenöffner sind auf jeden Fall die Kapitel zur Liberalen Theologie in ihren unterschiedlichen Ausführungen, aber auch Frames konstruktiv-kritische Kommentare zu den mittlerweile zahlreichen christlichen Philosophen unserer Zeit. Das macht A History of Western Philosophy and Theology letztlich unglaublich „aktuell“.

Welches Fazit bleibt? John Frames Buch ist nicht perfekt, dafür aber äußerst lesenswert und hilfreich. Wer solide Englischkenntnisse mitbringt, wird auf den ersten Blick eine gut verständliche Einführung in das philosophische und theologische Denken der westlichen Welt vorfinden und auf viel Stoff zum Weiterdenken stoßen. Ich würde das Buch jederzeit Hauptamtlichen im christlichen Dienst empfehlen, weil es ihre Arbeit und auch die missionarische Verkündigung ohne Frage stärken wird. Ebenso werden engagierte Ehrenamtliche in der Gemeindearbeit und Studierende unterschiedlicher Studienrichtungen (Geschichte, Soziologie, Theologie, Philosophie, Lehramt allgemein, usw.) von dem Buch profitieren.

Auf den zweiten Blick hingegen ist A History of Western Philosophy and Theology ein Weckruf und Ansporn. John Frame zeigt auf bescheidene und zugleich direkte Art und Weise: Gottes verlässliches und unfehlbares Wort vermag den philosophisch-kritischen Anfragen der Menschheit nicht nur standzuhalten, sondern bietet selbst das tragfähigste Weltbild. Wer sich im Gegensatz dazu von postmodernen, liberal-christlichen oder entschieden nichtchristlichen Konzepten Antworten erhofft, wird mehr als enttäuscht werden. Alles in allem also ein wichtiges Buch, das hoffentlich bald in deutscher Sprache erscheint und vielen weiterhelfen wird, das Evangelium von Jesus Christus treu und „vernünftig“ weiterzugeben.

Daniel Vullriede

Cornelius Van Til: Der reformierte Pastor

cornelius_van_tilDer reformierte Theologe Cornelius Van Til (1895–1987) gilt als Begründer der sogenannten voraussetzungsbewussten Apologetik (im englischen Sprachraum spricht man von „Presuppositionalism“, ein Begriff, der gelegentlich auch mit „Präsuppositionalismus“ oder „präsuppositionaler Apologetik“ übersetzt wird). Er studierte am Calvin College, dem Princeton Theological Seminary und promovierte 1927 an der Universität Princeton. Da sich das Princeton Theological Seminary nach dem segensreichen Wirken von Charles Hodge (1797–1878) und Benjamin Warfield (1851–1921) Ende der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts für den theologischen Liberalismus öffnete, gründete der Presbyterianer John Gresham Machen (1881–1931) im Jahr 1929 das konservative Westminster Theological Seminary. Dort wurde Cornelius Van Til 1930 als Professor für Apologetik berufen und erst nach über 40-jähriger erfolgreicher Lehrtätigkeit im Jahre 1972 emeritiert.

Van Til verbrachte sein erstes Lebensjahrzent in den Niederlanden. In diese Zeit fällt das erfolgreiche Wirken des Theologen und Politikers Abraham Kuyper (1837–1920). (A. Kuyper gilt als Begründer des Neo-Calvinismus, gründetet 1880 die Freie Universität in Amsterdam und lehrte dort als Professor Theologie. Von 1901 bis 1905 war er niederländischer Ministerpräsident, siehe dazu auch hier). Nachdem seine Familie nach Nordamerika ausgewandert war, knüpfte Van Til an die akademischen Leistungen der Niederländer A. Kuyper, D. H. Th. Vollenhoven (1892–1978) und H. Dooyeweerd (1894–1977) sowie H. Bavinck (1854–1921) an und entwickelte seine eigene apologetische Vorgehensweise.

Van Til beeinflusste besonders die nordamerikanische Apologetik. Unter den vielen Theologen, die den Ansatz der voraussetzungsbewussten Apologetik übernahmen, sind Greg L. Bahnsen (1948–1995) und John M. Frame (*1939) herauszuheben. Beide haben im Sinne ihres Lehrers apologetisch gearbeitet und eigene Interpretationen seiner Methodologie vorgelegt. Da Frame signifikante Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Van Til offenlegte, ist er bei einigen engen „Van Tilianern“ umstritten. Dagegen gilt Bahnsen in diesen Kreisen als treuer Gefolgsmann seines Westminster Lehrers. Auch der Theologe Jay Adams studierte bei Van Til und hat die voraussetzungsbewusste Apologetik in den Bereich der Seelsorgelehre übertragen. Mehrere von Van Tils Studenten sind heute zudem renommierte Apologeten, obwohl sie die Vorgehensweise ihres Lehrers modifizierten oder sogar ablehnten. So avancierte beispielsweise Edward John Carnell (1919–1967) zum Professor für Apologetik am Fuller Seminary in Pasadena (USA). Francis Schaeffer reifte in den evangelikalen Kreisen zum einflussreichsten apologetischen Denker des vergangenen Jahrhunderts. (Van Til war über die Verfremdung und Entschärfung seiner voraussetzungsbewussten Apologetik alles andere als erfreut und verfasste entsprechende Kritiken, die auf der CD-ROM Werkausgabe enthalten sind. Vor Francis Schaeffer hatte Van Til großen Respekt und die Schrift „The Apologetic Methodology Of Francis A. Schaeffer“ wurde zu Lebzeiten des Verfassers nicht publiziert, sondern nur unter den Studenten verteilt. Für weitere Informationen siehe: C. Van Til, The Works of Cornelius Van Til, 1997.)

Schauen wir uns an, was den Ansatz von Van Til gegenüber der klassischen Apologetik auszeichnet:

Van Til war vom traditionellen Ansatz der Apologetik enttäuscht, gelegentlich wird ihm sogar vorgeworfen, die evidentialistische Methode scharf bekämpft zu haben. Dies trifft nur eingeschränkt zu, da für ihn die evidentialistische Apologetik nicht durchweg verwerflich war, sondern lediglich kurz griff. In seinem Buch Common Grace and the Gospel schreibt er:

„Soweit zwischen den beiden Positionen entschieden werden musste, wählte ich die Position von Kuyper anstelle der von Hodge und Warfield. Aber zwei Überlegungen nötigten mich, letztlich die Kombination einiger Elemente aus beiden Positionen zu suchen.“ (C. V. Til, Common Grace and the Gospel, 1995, S. 184.)

Von der so genannten Old Princeton-Schule, für die Charles Hodge und Benjamin Warfield stehen, übernahm Van Til die Auffassung, der christliche Glaube sei vernünftig zu rechtfertigen. Noch fester als sie war er davon überzeugt, dass allein christlicher Glaube intellektuell verantwortbar sei. Van Til nahm auch die von der Old Princeton-Schule behauptete Antithese zwischen christlichem und nicht-christlichem Denken auf, allerdings meinte er, dass diese Antithese von der Old Princeton-Schule im theologischen Denken zwar gut begründet und berücksichtigt, aber nicht konsequent auf die apologetische Arbeitsweise übertragen wurde.

Wie Hodge oder Warfield glaubte Van Til, dass wir Christen uns auf unsere Sinnesorgane, auf die Logik und auf Erfahrungssätze verlassen können, da wir wissen, dass Gott diese Welt schuf und die Sinnesorgane dafür da sind, Orientierung in dieser Welt zu ermöglichen. Aber er kombinierte diesen sogenannten Common Sense-Realismus mit der schärferen „Kuyperianischen Form“ der Antithese (die so genannte Amsterdamer-Schule).

Der Common Sense-Realismus behauptet, dass Nicht-Christen in einer von Gott geschaffenen Welt leben und deshalb auf der Grundlage christlicher Denkvoraussetzungen operieren, ob sie diese nun anerkennen oder nicht. Für die Old Princeton-Schule heißt das, dass Christen viele Denkvoraussetzungen mit den Nicht-Christen teilen. Christen wie Nicht-Christen sind Geschöpfe Gottes und in eine gemeinsame Welt hineingestellt. Auf diesem gemeinsamen Fundament stehend, können nun Argumente für oder gegen die Existenz Gottes vorgetragen werden. Warfield, Hodge oder auch Montgomery sind der Auffassung, dass die Summe der Argumente deutlich dafür spricht, dass Gott da ist.

Van Til war dagegen wie Kuyper überzeugt, dass Nicht-Christen die christlichen Denkvoraussetzungen besonders in den Glaubensfragen unterdrücken und damit die klassischen Argumente für das Dasein Gottes ins Leere laufen. Er behauptete wiederholt, dass es diese gemeinsamen Denkvoraussetzungen oder diesen „neutralen Boden“ nicht gäbe. Der natürliche Mensch revoltiere als Sünder gegen die Wahrheit Gottes und interpretiere deshalb die Wirklichkeit anders als ein Christ. Van Til schreibt:

„Der reformierte Apologet stimmt nicht überein mit der Interpretation des natürlichen Menschen, er selbst [also der natürliche Mensch] sei der letztgültige Bezugspunkt. Er muss daher seinen Anknüpfungspunkt mit dem natürlichen Menschen in dem suchen, was unterhalb der Schwelle seines Bewusstseins liegt, nämlich in dem Sinn für das Göttliche, den er zu unterdrücken sucht. Und um das zu tun, muss der reformierte Apologet auch einen Anknüpfungspunkt suchen mit den Systemen, die vom natürlichen Menschen errichtet wurden. Aber dieser Anknüpfungspunkt muss zu einer Art Frontalzusammenstoß führen. Wenn es keinen Frontalzusammenstoß mit den Systemen des natürlichen Menschen gibt, dann wird es keinen Anknüpfungspunkt an den Sinn für das Göttliche im natürlichen Menschen geben. Das heißt also: Wenn der reformierte Apologet mit dem natürlichen Menschen nicht über das Objekt des Wissens übereinstimmt, darf er mit ihm auch nicht über die Methode übereinstimmen, die angewandt wird, um Wissen zu erlangen. Gemäß der Lehre des reformierten Glaubens sind alle Tatsachen der Natur und der Geschichte das, was sie sind, und tun das, was sie tun, in Übereinstimmung mit dem einen umfassenden Ratschluss Gottes. Alles, was vom Menschen gewusst werden mag, weiß Gott schon. Es wird von Gott bereits gewusst, weil es von ihm kontrolliert wird.“ (C. V. Til, Common Grace and the Gospel, 1995, S. 98–99)

Unsere Denkvoraussetzungen fungieren wie ein Rahmen für unsere Beobachtungen und Überlegungen. Nur wenn die Selbstoffenbarung Gottes unser letzter Bezugsrahmen ist, kann die richtige Interpretation unserer Welt und der geistlichen Wirklichkeiten gelingen.

51rq3fWIYsL SX306 BO1 204 203 200In der deutschen Sprache ist bisher so gut wie nichts von Cornelius Van Til erschienen. Christian Beese hat allerdings nun das Buch Der reformierte Pastor und die Verteidigung des christlichen Glaubens (ein Kapitel aus dem Buch The Reformed Pastor and Modern Thought) herausgegeben. Der Text, der sich mit der katholischen Dogmatik, dem Ökumenismus und dem Protestantismus (einschließlich Kant) befasst, wird durch die berühmte Schrift „Mein Credo“ ergänzt. „Mein Credo“ erschien zuerst im Band Jerusalem and Athens. Der Herausgeber der deutschen Ausgabe schreibt dazu:

„Mein Credo“ ist eine einführende, grundlegende Zusammenstellung seiner Gedanken, erschienen in Jerusalem and Athens, Critical Discussions on the Philosophy and Apologetics of Cornelius Van Til. Dieser 500 Seiten starke Band, herausgegeben von E. R. Geehan, ist Dr. Van Til aus Anlass seines 75. Geburtstages und seines 40-jährigen Dienstjubiläums als Professor für Apologetik am Westminster Theological Seminary gewidmet. Zusätzlich zu zwei größeren Essays von Herman Dooyeweerd und Hendrik G. Stoker sind in Jerusalem and Athens Beiträge folgender Autoren enthalten: Berkouwer, Trimp, Packer, Rogers, Zuidema, Jewett, Hughes, Gaffin, Ridderbos, Mekkes, Weaver, Rushdoony, Singer, Lewis, Home, Lane, Knudsen, Montgomery, Pinnock, Reid, Howe und Holmes. Ein Merkmal dieser Festschrift ist, dass Dr. Van Til in den meisten Fällen auf die Beiträge antwortet.

Meine Hoffnung ist, dass diese beiden vergleichsweise kurzen Auszüge sich als eine gute Einführung in das Denken von Cornelius Van Til erweisen werden.

„Der Mensch stammt vom Affen ab, also müssen wir einander lieben.“

41ahQ6vWBwL SX320 BO1 204 203 200In dem Buch Making Sense of God: An Invitation to the Skeptical (Viking, 2016) schreibt Tim Keller  (S. 42–43):

Der russische Philosoph Wladimir Solowjow gab folgende sarkastische Zusammenfassung des ethischen Denkens des säkularen Humanismus: „Der Mensch stammt vom Affen ab, also müssen wir einander lieben.“ Der zweite Teil des Satzes folgt nicht aus dem ersten. Wenn es früher natürlich war, dass die Starken die Schwachen gefressen haben, warum dürfen die Menschen das dann heute nicht mehr? (. . .) Angesichts der säkularen Sichtweise auf das Universum ist die Schlussfolgerung der Liebe oder der sozialen Gerechtigkeit nicht logischer als die Schlussfolgerung, zu hassen oder zu zerstören. In einem konsequent-naturwissenschaftlichen Materialismus und in einem liberalen Humanismus passen diese beiden Überzeugungen einfach nicht zueinander. Das eine Überzeugungsgebilde widerlegt das andere. Viele würden das eine zutiefst inkohärente Weltanschauung nennen.

Weiter Zitate aus dem Buch und eine PDF-Datei mit dem ersten Kapitel sind bei Evangelium21 zu finden: www.evangelium21.net.

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