Atheismus

Bücher, Feuilleton, Rezensionen

Atheistische Tempel

Uwe Justus Wenzel stellt für die NZZ zwei Werke aus dem Lager des Neuen Atheismus vor. Die Sachbücher:

und:

sind allerdings deutlich weniger aggressiv und erheblich unterhaltsamer als die Werke der „militanten Atheisten“. Wenzel schreibt über Botten:

Besonders beeindruckt ist Botton von dem gewissermassen ganzheitlichen Ansatz der Religionen, für sämtliche Departemente des Daseins, von der Erziehung und der Politik über Alltagsriten und Festkalender bis zu Kunst und Architektur «Konzepte» in petto zu haben. Daraus pickt er sich die Rosinen heraus, die auch Ungläubigen mutmasslich munden.

Von ihren Gegnern lernen hin und wieder übrigens auch schon Dawkins und Co. Sie modeln aus den modernen Naturwissenschaften ein «naturalistisches» Weltbild, das in allen Lebenslagen Orientierung geben soll, und sie organisieren sich in Weltanschauungsgemeinschaften wie der der «Brights». Der deutsche Ableger dieser «hellen Köpfe» hat im «Darwin-Jahr» 2009 sogar dafür geworben, Christi Himmelfahrt als Feiertag zu streichen und stattdessen alljährlich einen «Evolutionstag» zu begehen. (Freilich wird der Auffahrtstag in deutschen Landen ohnehin seit langem bereits als «Vatertag» für Herrenpartien genutzt.)

Hier: www.nzz.ch.

VD: ML

Philosophie

Michael Schmidt-Salomon hat recht

Die Basler Zeitung hat in einer vierteiligen Serie zum Thema Atheismus Michael Schmidt-Salomon interviewt. Der Philosoph spricht davon, dass die Vernunft über den Glauben gestellt werden müsse (man stelle sich mal vor, ein fünfjähriges Kind würde das so machen). Daraufhin gab es so viele Kommentare von Lesern, dass die Zeitung beschloss, Auszüge aus der Diskussion ebenfalls zu veröffentlichen.

Das Medienmagazin pro schreibt:

Der 44-Jährige hofft, dass die Menschheit der „kollektiven Wahnidee“ der Religion absagt und sich endlich ausschließlich des Verstandes bedient. Die Evolution soll dabei helfen. Im Interview mit der Schweizer Zeitung stellt er indes klar: „Für den evolutionären Humanismus gibt es keine ‚ewigen Wahrheiten‘, keine ‚heiligen Schriften‘ und selbstverständlich auch keine unfehlbaren Propheten, Priester oder Philosophen.“

Er sei sich „sicher, dass Moses, Jesus und Mohammed irgendwann im kollektiven Bewusstsein der Menschheit ebenso verblassen werden wie zuvor Atum, Thot, Horus, Isis, Amun, Zeus, Dionysos, Pan, Poseidon, Hera, Jupiter, Venus, Vesta, Teutates, Taranis, Odin oder Thor.“ Es sei nicht zu erwarten, dass die Menschheit in 20.000 Jahren „ausgerechnet an den abrahamitischen Religionen festhalten wird“.

Aber Achtung: Hier stimme ich Schmidt-Salomon (ausnahmsweise) herzlich zu:

Schmidt-Salomon kritisiert im Interview den „aufgeklärten Glauben“ als „logisch inkonsistent“. „Denn kann man sich redlicherweise noch als ‚Christ‚ bezeichnen, wenn man weder an die ‚Schöpfung‘ noch an die ‚Auferstehung von den Toten‚ glaubt? Meine Erfahrung ist: Viele aufgeklärte ‚christliche Theologen‘ sind in Wahrheit getarnte ‚säkulare Humanisten‘, die aus sozialen Konventionen heraus noch einen ‚religiösen Dialekt‘ sprechen, der einigermassen fromm klingt, es aber längst nicht mehr so meint.“

Mehr: www.pro-medienmagazin.de.

Akzente, Bücher, Wissenschaftstheorie

Der Glaube der Neuen Atheisten

Magnus Klaue hat für die FAZ die Neuauflage von Fritz Mauthners voluminösen Werk Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande vorgestellt, das der Alibri Verlag in einer von Ludger Lütkehaus verantworteten Edition neu aufgelegt hat.

Klaue referenziert in seinem Artikel ein Argument gegen den Neuen Atheismus, das beispielsweise auch bei Timothy Keller in seinem Buch Warum Gott? zu finden ist. Die Neuen Atheisten glauben ebenfalls. Sie vertrauen auf die Ungeschichtlichkeit ihrer vom Positivismus und Pragmatismus geformten Argumente. Sie fangen nicht bei „Null“ an, sondern sind – das ist jetzt meine Perspektive – in einem naturalistischem Positivismus gefangen. Oder: Der Mensch wird seine Seele nicht finden, wenn er sich röntgen lässt.

Klaue schreibt (FAZ vom 18.01.2012, Nr. 15, S. N4):

Trotz der schon hier erkennbaren Neigung, geistige Phänomene nicht nur als geschichtliche zu begreifen, sondern sie auf soziale und natürliche Ursachen zu reduzieren, sie nicht in ihrer Autonomie, sondern als „Produkte“ wahrzunehmen, schließt diese Betrachtungsweise nicht aus, die Religionen auf ihren Wahrheitsgehalt zu befragen. Der moderne Atheismus dagegen nimmt die vermeintliche wissenschaftliche Unbegründbarkeit des Glaubens und seine Unvereinbarkeit mit den Erfordernissen gesellschaftlicher Praxis unmittelbar als Beweis gegen ihn. Die Geschichtlichkeit der positivistischen und pragmatistischen Denkform selbst zu erwägen, fällt ihnen nicht ein. Sie wird als überhistorisch aufgefasst, wenn etwa Dawkins in „Der Gotteswahn“ dekretiert, Gottes Existenz oder Nicht-Existenz sei „eine wissenschaftliche Tatsache“, die prinzipiell, „wenn nicht sogar praktisch“ entscheidbar sei. Ähnlich begreift Schmidt-Salomon das religiöse Bedürfnis als wissenschaftlich ableitbare „Tatsache“, nicht aber als Erscheinungsform des Bewusstseins mit eigenem Geltungsrecht, wenn er im „Manifest des evolutionären Humanismus“ erläutert, dass religiöse Visionen auf Überaktivitäten im Schläfenlappen zurückzuführen seien. Dass der Glaube eine ihm immanente Logik und Sinnhaftigkeit, eben eine Theologie besitzen könnte, erscheint aus dieser rein innerweltlichen Perspektive als unlogische und sinnlose Annahme.

Genau diese rein innerweltliche Axiomatik erschwerte auch den Autoren des Buches Heilige Scheiße den Zugang für das, was für den Glauben an Gott spricht.

Allgemein

Richard Dawkins kommt nach Deutschland

Mitte Oktober 2010 erscheint das jüngste Buch des scharfzüngigen Religionskritikers Richard Dawkins auf Deutsch. Unter dem Titel Die Schöpfungslüge: Warum Darwin Recht hat beschäftigt sich der Autor mit der Evolutionstheorie. Richard Dawkins wird extra nach Deutschland kommen und die Präsentation zu einem Rundumschlag gegen die Religion nutzen.

Allein die polemische und ungenaue Übersetzung des englischen Titels, der »The Greatest Show on Earth« (etwa: Die größte Show auf Erden) lautet, lässt erwarten, dass mit religions- und kirchenkritischen Bemerkungen nicht gespart wird. Richard Dawkins gehört zum sogenannten »Neuen Atheismus«. Während der zweiten Amtszeit des US-Präsidenten George W. Bush (2005–2009) brachten die zumeist englischsprachigen Autoren und Religionskritiker ihre religionskritischen Bücher auf den Markt. Neu war, dass diese Veröffentlichungen zu Bestsellern wurden. Zuvor galt Religionskritik nicht gerade als Verkaufsschlager. Dieser Erfolg hängt zweifellos mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zusammen und der neuen Diskussion um den Islamismus, aber auch mit dem in den USA recht weitverbreiteten christlichen Fundamentalismus.

Mit dem Titel »Der Gotteswahn« rief Richard Dawkins 2007 auch in Deutschland ein breites Medienecho hervor. Der »Spiegel« proklamierte damals in einer Titelgeschichte gar den »Kreuzzug der neuen Atheisten«. Dawkins trug in Talkshows seine Religionskritik vor. Für religiöse Menschen ist dieser neue Atheismus aus zwei Gründen besonders ärgerlich: Er vertritt seine Thesen in einer herblassenden, aggressiven bisweilen verächtlichen Sprache und apostrophiert Religion pauschal als Unbildung beziehungsweise Dummheit.

Dieser neue Atheismus kritisiert also nicht nur Missstände oder fragt nach der Wirklichkeit Gottes in der gottfernen Welt, sondern er fordert die Abschaffung beziehungsweise Zerstörung aller Religion mit geradezu missionarischem Eifer. So erklärt Richard Dawkins, er wolle seine Leser zum Atheismus bekehren. Atheismus sei ein Zeichen geistiger Gesundheit. Der Gott des Alten Testaments geriere sich als psychotischer Übeltäter, als Monster und grausames Ungeheuer.

Hier der Artikel von Andreas Finke: www.merkur.de.

Ein sehr bemerkenswertes Interview mit Richard Dawkins ist gegen Ende des Films Expelled zu sehen. Darin gibt Dawkins zu verstehen, dass »intelligent Design« für ihn unter Umständen durchaus möglich sein könnte. Wort+Wissen hat im letzten Rundbrief Auszüge aus dem Gespräch zwischen Dawkins und Ben Stein wiedergegeben. Hier der interessanteste Teil:

BS: Gut, dann, wie wurde die Welt erschaffen?
RD: Durch einen sehr langsamen Vorgang.
BS: Und wie begann er?
RD: Niemand weiß, wie es begann. Wir kennen die Art des Geschehens, wie es gewesen sein muss, wie der Ursprung des Lebens stattgefunden haben muss.
BS: Und was war das?
RD: Es war der Ursprung des ersten sich selbst replizierenden Moleküls.
BS: Genau, und wie spielte sich das ab?
RD: Ich sagte Ihnen, wir wissen das nicht.
BS: Sie haben also keine Ahnung, wie es begann?
RD: Nein, nein, niemand hat eine.
BS: Niemand sonst hat eine! Was halten Sie von der Möglichkeit, dass Intelligent Design sich als richtige Antwort auf einige Fragen in der Genetik herausstellen könnte oder in der Evolution?
RD: Es könnte sich folgendermaßen ergeben haben: Es könnte sein, dass sich vor langer Zeit irgendwo im Universum, wahrscheinlich mittels der Darwinschen Mechanismen eine sehr, sehr hochtechnisierte Zivilisation entwickelte und eine Lebensform schuf, die sich vielleicht auf diesem Planeten verbreitet hat. Das ist jetzt eine Möglichkeit, eine faszinierende Möglichkeit und ich meine, dass es möglich wäre, dafür einen Beweis zu finden. Wenn man die Details von Biochemie und Molekularbiologie betrachtet, dann könnte man die Signatur irgendeines Deisgners entdecken.

Allgemein

GodBlock

Bildschirmfoto 2010-07-08 um 18.08.14.pngFür alle, die sich durch diesen Blog und andere religiös ausgerichtete Internetseiten belästigt fühlen, gibt es Hoffnung. Einige um unsere Volksgesundheit besorgte Kinder- und Lebensschützer entwickeln gerade den Filter GodBlock. Das Produkt soll bald für MS Windows- und Apple Mac-Rechner zur Verfügung stehen.

Na, dann wird die Welt ja demnächst besser werden.

Imagine there’s no Heaven
It’s easy if you try
No hell below us
Above us only sky
Imagine all the people
Living for today

Imagine there’s no countries
It isn’t hard to do
Nothing to kill or die for
And no religion too
Imagine all the people
Living life in peace

VD: KH & AW

Bücher, Philosophie

Der Gottesbetrug

21OvoyVso6L._SL160_.jpgIn Frankreich ist der legendäre »Traktat über die drei Betrüger« Moses, Jesus und Mohammed ein stiller Bestseller (siehe auch hier). In Deutschland bleibt er – so schreibt DIE ZEIT – noch zu entdecken. Christian Staas hat sich mit dem Herausgeber der deutschen Ausgabe, Winfried Schröder, unterhalten. Schröder stellt im Gespräch klar, dass die meisten Aufklärer Kreationisten waren:

Die allermeisten Aufklärer waren keine Atheisten. Nehmen Sie Voltaire. Er wurde für seine Kirchenkritik in Frankreich verfolgt, wandte sich aber ganz explizit gegen den Traktat! Wir können nicht, sagt Voltaire, ohne einen Gott leben, der am Ende die Bösen bestraft. Es gibt diesen bemerkenswerten Satz von ihm: »Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.« Die Aufklärung, die sich im öffentlichen Raum bewegt, geht maximal so weit, das Christentum abzulehnen. Voltaire war ja kein Christ mehr. Stattdessen vertrat er die Idee einer »natürlichen Religion«, also eines mit vernünftigen Mitteln begründeten Glaubens, der zugleich auch die Moral sichert. Ähnliches finden wir bei Kant. Auch an der Vorstellung eines göttlichen Weltschöpfers hielten die Aufklärer trotz aller Begeisterung für die Naturwissenschaften fest. Da die natürliche Welt über geordnete Strukturen verfügt, so meinten sie, ist es vernünftig, einen intelligenten Urheber dieser Ordnung zu vermuten. Wenn man so will, waren unsere großen Aufklärer – mit wenigen Ausnahmen wie David Hume – Kreationisten.

Hier das vollständige Interview: Interview-Urbuch-Atheismus.pdf.

Bücher

Der Herr ist (k)ein Hirte

41HY8jh4grL._SL160_.jpgWährend der Vorbereitungen für den Unterricht musste ich das Buch:

lesen. Das Buch ist – milde gesprochen – eine Anklage. Es macht das Christentum für Intoleranz, Sexismus, Gewalt und viele andere Übel verantwortlich. Hitchens liefert wenige Argumente, sondern glänzt vor allem durch rhetorisch gut verpackte Behauptungen.

Peter Hitchens ist der Bruder von Christopher Hitchens. Er hat nun auch ein Buch geschrieben und erklärt dort, wie ihn der Atheismus seines Bruders zum Glauben geführt hat. In einem kleinen Video stellt er sein Buch vor:

Bestellt werden kann das Buch:

  • Peter Hirchens: The Rage Against God: How Atheism Led Me to Faith, Zondervan 2010

hier:

Philosophie

Antony Flew (1923–2010)

Flew.jpgAntony Flew ist nach langer Krankheit am 8. April 2010 verstorben. Flew, der sich als atheistischer Philosoph einen exzellenten Ruf erwarb, bekennt sich seit 2004 zu seiner Abkehr vom Atheismus. Wikipedia schreibt über seinen Glaubenswechsel:

In seinem 2007 erschienen Buch »There Is a God: How the World’s Most Notorious Atheist Changed His Mind« erläutert Flew, wieso er vom Atheisten zum Gläubigen wurde. Obwohl Antony Flew gegenüber einem Reporter der New York Times einräumte, dass er das Buch, obwohl unter seinem Namen erschienen, nicht selbst geschrieben hat. Das Buch wurde demnach im wesentlichen von dem christlichen Autor Roy Varghese geschrieben, welcher dies auch selbst bestätigt. Diese Version von Roy Varghese wurde nach Angaben des publizierenden Verlagshauses HarperCollins nochmals von dem evangelikalen Pastor Bob Hostetler überarbeitet und erweitert. Nach dieser Kontroverse wurde Antony Flew erneut gefragt; in einer späteren Stellungnahme bestätigte er, dass er zu dem steht, was in dem Buch geschrieben wurde.

Der Telegraph hat einen Nachruf verfasst. Informationen über seine Kritik an Richard Dawkins befinden sich hier.

Theologie

Totaler Realitätsverlust

Die aktuelle Ausgabe des factum-Magazins zitiert den katholischen Psychiater Manfred Lütz (siehe auch hier) wie folgt:

Wenn Gott existiert, dann ist der Atheismus ein höchst merkwürdiges Phänomen: Man nimmt jemanden nicht wahr, obwohl er da ist – totaler Realitätsverlust, schwere Beziehungsstörung, höchst pathologisch!

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