Augustinus

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 6)

Im folgenden Abschnitt (S. 353–360) betont Augustinus nach einmal anhand verschiedener Themen und Bibelstellen, dass uns Menschen keine Verdienste vor Gott gerecht machen können. Sogar das ewige Leben, von vielen als Lohn für ein gutes Leben verstanden, ist unverdiente Gnade.

Augustinus: Nicht Verdienst, sondern Gabe des Geistes

Niemand kann also auf die rechte Weise Weisheit und Verstand gebrauchen, niemand auf die rechte Weise durch Rat und Stärke sich auszeichnen, niemand Frömmigkeit und Wissenschaft miteinander verbinden, niemand mit keuscher Furcht Gott fĂĽrchten, wenn er nicht den Geist der Weisheit und des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Wissenschaft und Frömmigkeit und Gottesfurcht empfangen hat. Niemand kann ferner wahre Tugend, aufrichtige Liebe, gottesfĂĽrchtige Enthaltsamkeit besitzen auĂźer durch den Geist der Tugend, der Liebe und der Enthaltsamkeit. Ebenso wird auch niemand ohne den Geist des Glaubens in rechter Weise glauben, noch ohne den Geist des Gebetes zu seinem Heile beten. Doch ist hierbei nicht etwa eine Vielheit von Geistern anzunehmen, »sondern dies alles wirket ein und derselbe Geist, indem er jedem, wie er will. EigentĂĽmliches mitteilt«. Denn »der Geist wirkt, wie er will« (Röm 8,27ff), aber freilich – das muss man zugestehen – in anderer Weise steht er bei, wenn er noch nicht in der Seele wohnt, in anderer, wenn er bereits darin wohnt. Denn wenn er noch nicht in der Seele wohnt, so hilft er, dass man zum Glauben gelangt; wohnt er aber bereits in der Seele, so unterstĂĽtzt er solche, die bereits gläubig sind.

Wo bleibt also das Verdienst des Menschen vor der Gnade, durch das er die Gnade empfangen könnte, da jedes gute Verdienst von unserer Seite nur durch die Gnade bewirkt wird und Gott, wenn er unsere Verdienste krönt, nichts anderes krönt als seine eigenen Gaben? Denn wie wir im Anfange die Gnade des Glaubens erlangt haben, nicht weil wir gläubig waren, sondern dass wir es werden, so wird uns am Ende, wo das ewige Leben eintritt, Gott krönen, wie geschrieben steht, »in Erbarmung und Barmherzigkeit« (vgl. Jer 42,12). Nicht umsonst also wird von Gott gesungen: »Und seine Barmherzigkeit wird mir zuvorkommen«, sowie auch: »Seine Barmherzigkeit wird mir nachfolgen«. Darum wird auch das ewige Leben selbst, das wir am Ende ohne Ende besitzen werden und das also allerdings nach vorausgegangenen Verdiensten erteilt wird, doch die Rücksicht darauf, dass diese Verdienste, für die man es erlangt, nicht von uns aus eigener Kraft erworben, sondern in uns durch die Gnade gewirkt wurden, selbst Gnade genannt; offenbar nur aus dem Grunde, weil es unverdient erteilt wird. Zwar wird es auch als Lohn für Verdienste gegeben, aber die Verdienste selbst, für die es verliehen wird, sind ein Geschenk. Für unsere Behauptung aber, dass auch das ewige Leben eine Gnade genannt wird, haben wir bei demselben erhabenen Verteidiger der Gnade, bei dem Apostel Paulus, die Stelle: »Der Sold der Sünde ist der Tod; Gnade Gottes aber ist das ewige Leben in Jesus Christus, unserem Herrn« (Röm 6,23).

Beachte, bitte, wie kurz gefasst und sorgfältig gewählt diese Worte sind; doch bei ernstlicher Erwägung wird sich das Dunkel dieser Frage einigermaßen lichten. Nachdem gesagt ist: »Der Sold der Sünde ist der Tod«, wer würde es da nicht für einen sehr passenden und folgerichtigen Nachsatz halten, wenn es weiter hieße: »Der Sold der Gerechtigkeit aber ist das ewige Leben«? Es ist ja Wahrheit, dass, wie der Sündenschuld der Tod gleichsam als Sold erteilt, so dem Verdienste der Gerechtigkeit gleichsam als Sold das ewige Leben gespendet wird. Oder wenn der Apostel von Gerechtigkeit nicht reden wollte, so hätte er das Verdienst des Glaubens erwähnen können, da »der Gerechte aus dem Glauben lebt« (Hab 2,4). Deshalb heißt auch das ewige Leben an sehr vielen Stellen der Heiligen Schrift ein Lohn; nirgends hingegen ist die Gerechtigkeit oder der Glaube als Lohn bezeichnet, weil der Gerechtigkeit oder dem Glauben der Lohn erteilt wird. Was aber für den Arbeiter der Lohn, das ist für den Soldaten der Sold.

Der heilige Apostel aber kämpft gegen den Stolz, der in einem so hohen Grade bei allem Großen sich einzuschleichen sucht, dass ihm selbst, wie er sagt, ein Satansengel gegeben wurde, der ihn mit Fäusten schlug, damit sich nicht sein Nacken stolz erhebe (2Kor 12,7). Da er also mit allem Eifer gegen diese Pest des Stolzes kämpft, sagt er: »Der Sold der Sünde ist der Tod«. Mit Recht nennt er ihn Sold, weil er verschuldet ist, weil man ihn nach Gebühr empfängt, weil er nach Verdienst gegeben wird. Damit sodann die Gerechtigkeit sich nicht wegen eines menschlichen Tugendverdienstes erhebe, so führt er, während die Sünde unzweifelhaft ein menschliches Missverdienst ist, nicht den Gegensatz durch, indem er etwa sagt: »Der Sold der Gerechtigkeit ist das ewige Leben«, sondern er sagt: »Gnade Gottes ist das ewige Leben«. Und damit man es nicht etwa auf irgendeinem anderen Wege ohne den Mittler suche, fügt er bei: »In Jesus Christus, unserem Herrn«, als wollte er sagen: »Wenn du hörst, dass der Sold der Sünde der Tod ist, was schickst du dich an, dich zu erheben, o menschliche Nichtgerechtigkeit, ja mit dem Namen der Gerechtigkeit prunkende Hoffart? Was schickst du dich an, dich zu erheben und das dem Tode entgegengesetzte ewige Leben gleichsam als schuldigen Sold einzufordern? Die wahre Gerechtigkeit ist es, der das ewige Leben gebührt. Wenn aber die Gerechtigkeit wahr ist, so kommt sie nicht von dir, sondern von oben herab, vom Vater der Lichter. Wenn du sie überhaupt hast, so hast du sie nur, weil du sie empfangen hast. Denn welche Güter hast du, die du nicht empfangen hättest? Darum, o Mensch, wenn du das ewige Leben empfangen wirst, so ist dies zwar der Sold der Gerechtigkeit, aber für dich ist es Gnade, da für dich überhaupt die Gnade die Gerechtigkeit ist. Das ewige Leben würde dir ja wie eine Schuldigkeit gegeben werden, wenn du von dir selbst jene Gerechtigkeit hättest, der es gebührt. Nun aber haben wir von seiner Fülle nicht nur jene Gnade empfangen, durch die wir jetzt in unseren Bemühungen gerecht bis ans Ende leben, sondern auch um dieser Gnade willen die Gnade, nach diesem Leben ohne Ende in Ruhe zu leben. Nichts Heilbringenderes glaubt der Glaube, weil auch der Verstand nichts Wahreres findet. Und wir müssen hören auf das Wort des Propheten, der spricht: »Wenn ihr nicht glaubet, werdet ihr nicht verstehen« (Jes 7,9 nach LXX).

»Aber«, sagt Pelagius, »die Menschen, die nicht gut und gläubig leben, werden sich entschuldigen und sprechen: Was haben wir verbrochen, wenn wir ein schlechtes Leben führen, da wir die Gnade nicht empfangen haben, mit der wir ein gutes Leben führen könnten?« Die ein schlechtes Leben führen, können nicht mit Wahrheit sagen, dass sie nichts Böses getan hätten. Denn wenn sie nichts Böses tun, so leben sie gut; wenn sie aber schlecht leben, so leben sie von sich aus schlecht, entweder wegen der ihnen anhaftenden Erbschuld oder weil sie außerdem persönliche Sünden begehen. Wenn sie aber »Gefäße des Zornes sind, die zum Verderben bereitet wurden« (Röm 9,22), so sollen sie es sich zuschreiben, was ihnen nach Gebühr zuteil wird; sind sie doch aus jenem Stoffe gemacht, den Gott wegen der Sünde des einen, in dem alle gesündigt haben, nach Recht und Gerechtigkeit verdammt hat. Wenn sie aber Gefäße der Barmherzigkeit sind, denen Gott, obwohl sie aus demselben Stoffe gemacht sind, die verdiente Strafe nachlassen wollte, so mögen sie nicht sich groß machen, sondern Gott preisen, der ihnen unverdiente Barmherzigkeit erwiesen hat; sollten sie etwa an­derer Ansicht sein, so wird ihnen Gott auch dies noch zu erkennen geben.

Endlich: Auf welche Weise werden sie sich entschuldigen? Offenbar auf jene Art, auf die der Apostel, gleichsam in ihrem Sinne sprechend, sich selbst einen Einwand macht, in­dem er sie sagen lässt: »Warum klagt er also? Denn wer widersteht seinem Willen?« (Röm 9,19). Das will also sagen: »Warum beklagt man sich ĂĽber uns, dass wir Gott durch unser schlechtes Leben beleidigen, da niemand seinem Willen widerstehen kann und er uns durch Verweigerung seiner Barmherzigkeit verhärtet hat?« Wenn sie sich also nicht schämen, mit dieser Entschuldigung nicht uns, sondern dem Apostel zu widersprechen, warum sollte es uns zuviel sein, ihnen immer und immer wieder das Wort des Apostels vorzuhalten: »O Mensch, wer bist du, dass du Gott zur Rede stellen willst? Spricht etwa das Gebilde zu seinem Bildner: Warum hast du mich so gemacht? Oder hat der Töpfer nicht die Macht, aus demselben Stoffe – der offenbar nach Recht und Gerechtigkeit verdammt ist – das eine Gefäß aus erbarmender Gnade zu verdienter Ehre zu bilden, das andere aber aus gerechtem Zorne zur verdienten Schmach, um den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen seiner Barmherzigkeit kundzutun« (Röm 9,20–23) und zu zeigen, welche Gnade er ihnen erweist, während die Gefäße des Zornes jene Strafe empfangen, die alle in gleicher Weise verdient hatten? Es genĂĽge unterdessen dem Christen, der noch im Glauben lebt und noch nicht die Vollendung sieht, dessen Erkennen nur StĂĽckwerk ist, zu wissen und zu glauben, dass Gott niemanden errettet auĂźer aus freier Barmherzigkeit durch unseren Herrn Jesus Christus und niemanden verdammt auĂźer nach vollkommenster Gerechtigkeit und Wahrheit durch unseren Herrn Jesus Christus. Warum aber Gott den einen errettet, den anderen aber nicht, wer es vermag, der erforsche diesen tiefen Abgrund seiner Gerichte, hĂĽte sich jedoch vor dem Sturze. »Denn ist etwa bei Gott eine Ungerechtigkeit?« (Röm 9,14). Das sei ferne! Aber »unerforschlich sind seine Gerichte und unbegreiflich seine Wege« (Röm 11,33).

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 5)

Augustinus führt in seinem Brief 194 (S. 349–351) weiter aus, dass Gott Gebete wirklich erhört, aber auch das Gebet des Glaubens nicht etwas ist, was wir Menschen unserem eigenen Vermögen zuschreiben sollten. Der Glaube kommt aus der Predigt des Evangeliums. Obwohl viele das Wort hören, glauben nicht alle. Gottes Ratschluss und seine Gerichte sind unausforschlich, aber Gott ist deshalb nicht ungerecht.

Im nächsten Abschnitt (S. 351–353) betont Augustinus, dass alles Gute Gnadengeschenk ist.

Augustinus: Alles Gute haben wir empfangen

Der Glaube also zieht uns zu Christus. Würde er uns nicht als ein unverdientes Geschenk verliehen, so würde nicht Christus selbst sprechen: »Niemand kommt zu mir, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht« (Joh 6,44). Darum spricht er gleich darauf: »Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben. Aber es sind einige unter euch, die nicht glauben« (Joh 6,64–65) Sodann fügt der Evangelist bei: »Denn Jesus wußte von Anfang an, wer die Glaubenden seien und wer ihn verraten würde«. Und damit niemand meine, die Glaubenden ständen in einer solchen Beziehung zu seinem Vorauswissen, wie die Nichtglaubenden, das heifjt, es würde ihnen der Glaube nicht von oben verliehen, sondern nur ihr Wille im voraus erkannt, fügt er zugleich bei: »Und er sprach: ›Deshalb habe ich euch gesagt, daß niemand zu mir kommt, wenn es ihm nicht von meinem Vater gegeben ist‹« (Joh 6,66). Daher kam es, daß einige von denen, die seine Rede über sein Fleisch und Blut gehört hatten, geärgert davongingen, einige aber glaubend dablieben, weil niemand zu ihm kommen kann, wenn es ihm nicht vom Vater und folglich auch vom Sohne und dem Heiligen Geiste gegeben ist. Denn die Gaben und Werke der unteilbaren Dreieinigkeit sind nicht getrennt. Indem aber der Sohn den Vater auf solche Weise ehrt, liefert er nicht den Beweis, daß irgendeine Verschiedenheit obwaltet, sondern gibt ein großes Beispiel der Demut.

…

Denn wenn wir sagen, der Glaube sei vorausgegangen und in ihm liege, was die Gnade verdient, welches Verdienst hatte dann der Mensch vor dem Glauben, wodurch empfing er ihn? Denn was hat er, das er nicht empfangen hätte? Hat er es aber empfangen, was rĂĽhmt er sich, gleich als hätte er es nicht empfangen? Denn wie er Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit, Gottesfurcht nicht hätte, wenn er nicht nach dem Ausspruche des Propheten den Geist der Weisheit und des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Wissenschaft, Frömmigkeit und Gottesfurcht empfangen hätte – wie er weiter Tugend, Liebe, Enthalt¬samkeit nicht hätte, wenn er nicht den Geist empfangen hätte, von dem der Apostel schreibt: »Denn ihr habt nicht empfangen den Geist der Furcht, sondern den Geist der Tugend, der Liebe und der Selbstbeherrschung» (2Tim 1,7), so hätte auch niemand den Glauben, wenn er nicht den Geist des Glaubens empfangen hätte, von dem derselbe Apostel sagt: »Da wir aber denselben Geist des Glaubens haben, wie geschrieben steht: ›Ich glaubte, darum redete ich‹, so glauben auch wir, und darum reden wir« (2Kor 4,13). DaĂź wir ihn aber nicht durch ein Verdienst erlangt haben, sondern durch die Barmherzigkeit dessen, der sich »erbarmt, wessen er will«, zeigt er ganz deutlich, wenn er von sich selbst sagt: »Ich habe die Gnade erlangt, treu zu sein« (1Kor 7,25).

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 4)

Nachfolgend zitiere ich aus dem Brief Nummer 194, von Augustinius im Jahre 418 verfasst. Ich beschränke mich auf Absätze, die sich im engeren Sinn mit der Gnadentheologie beschäftigen. Als Quelle verwende ich: Aurelius Augustinus, Ausgewählte Briefe, Leipzig, St. Benno Verlag, 1966, ab S. 343. Den Text habe ich sprachlich leicht überarbeitet und gelegentlich Bibelstellenangaben eingefügt.



Augustinus: Gnade ist immer unverdient

Obwohl nun jene Leute Feinde und Gegner der Gnade sind, so hat doch Pelagius vor dem kirchlichen Richterstuhl in Palästina [gemeint ist die Synode zu Diospolis], da er sonst nicht ohne Strafe davongekommen wäre, jene verworfen, die behaupten, dass die Gnade Gottes nach Verdienst gegeben werde. Aber auch in ihren späteren Erörterungen findet man nichts anderes, als dass jene Gnade nach Verdienst gegeben werde, jene Gnade, von deren Herrlichkeit der Apostel vorzüglich im Briefe an die Römer spricht, damit ihre Empfehlung von Rom als dem Haupte des Erdkreises aus sich über den ganzen Erdkreis verbreite. Denn sie ist es, durch die der Gottlose gerechtfertigt wird, nachdem er vorher gottlos gewesen. Darum gehen dem Empfange keine Verdienste voraus, weil den Verdiensten des Gottlosen nicht Gnade, sondern Strafe gebührt. Und die Gnade wäre nicht Gnade, wenn sie nicht unverdient, sondern nach Schuldigkeit gegeben würde.

Wenn man sie aber fragt, welche Gnade nach des Pelagius Meinung ohne Verdienste gegeben wird, wenn er diejenigen verwarf, die behaupten, dass die Gnade Gottes nach Verdienst gegeben werde, so antworten sie, eine Gnade ohne jedes vorausgehende Verdienst sei die menschliche Natur selbst, mit der wir erschaffen sind. Denn bevor wir vorhanden waren, konnten wir nicht verdienen, dass wir da seien.

Mögen christliche Herzen diese Täuschung abweisen! Denn nicht jene Gnade preist der Apostel, durch die wir geschaffen wurden, so dass wir Menschen sind, sondern jene, durch die wir gerechtfertigt wurden, als wir böse Menschen waren. Denn dies ist die durch Jesus Christus, unseren Herrn, er­teilte Gnade. Christus ist ja nicht fĂĽr Nichtexistierende gestorben, damit sie als Menschen erschaffen wĂĽrden, sondern fĂĽr die Gottlosen, damit sie gerechtfertigt wĂĽrden. Aber jener war bereits Mensch, der sprach: »O ich unglĂĽcklicher Mensch! Wer wird mich befreien von dem Leibe dieses To­des? Die Gnade Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn« (Röm 7,24). Sie können nun einwenden, es sei auch die Vergebung der SĂĽnden eine Gnade, die ohne vorausgehende Verdienste erteilt wird. Denn welches gute Verdienst können SĂĽnden besitzen? Aber selbst die Vergebung der SĂĽnden ist nicht ohne jedes Verdienst, wenn der Glaube sie erbittet. Denn jener Glaube besitzt allerdings ein Verdienst, in dem der Zöllner sprach: »Herr, sei mir SĂĽnder gnädig!«, und durch das Verdienst gläubiger Demut »gerechtfertigt davonging, da erhöht wird, wer sich erniedrigt« (Lk 18,13). Wir mĂĽssen also nur den Glauben selbst, von dem alle Gerechtigkeit ihren Anfang nimmt – deshalb wird im Hohen Liede zur Kirche gesagt: »Du wirst kommen und vom Anfange des Glaubens an wandeln« (Hohelied 4,8) –, wir mĂĽssen also nur den Glauben selbst nicht dem menschlichen Willen zuschreiben, den jene Leute so hoch erheben, noch irgendwelchen vorausgehenden Verdiensten, da erst von ihm jedes gute Verdienst seinen Anfang nimmt, sondern ihn als freierteilte Gabe Gottes erklären, wenn wir die wahre, das heiĂźt unverdiente Gnade im Auge haben. Wir lesen ja in demselben Briefe: »Gott erteilt einem jeden das Mag des Glaubens“ (Röm 12,3). Die guten Werke geschehen nämlich vom Menschen, der Glaube aber entsteht im Menschen, und ohne ihn wirkt kein Mensch gute Werke. »Alles aber, was nicht aus dem Glauben geschieht, ist SĂĽnde« (Röm 14,23).

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 3)

Augustinus‘ Hauptaufmerksamkeit galt nicht dem Verhältnis von Glaube und Wissen, sondern der göttlichen Gnade. Einzigartig hat der Bischof das Thema »Gnade« autobiographisch in seinen Bekenntnissen erörtert. FĂĽr Augustinus ist es das Ziel des Menschen, Gott anzuhängen. Der Mensch ist allerdings unfähig, aus seinem Herzen heraus das ihm gesteckte Ziel zu erreichen. Sein durch die SĂĽnde verdorbener Wille – »Wille« steht bei Augustinus fĂĽr das Zentrum der Persönlichkeit, zieht ihn immer wieder auf sich selbst zurĂĽck. Die Eigenliebe wiegt so schwer, dass sie den Menschen wie ein Gefängnis einkerkert und knechtet. Indem Gott sich uns Menschen in Jesus Christus liebevoll zuwendet, werden diejenigen, die Christus vertrauen, mit ihrem Schöpfer versöhnt. Nach Augustinus kann allein Gott den ganz auf die Gnade angewiesenen Menschen aus der Macht der SĂĽnde befreien.

Der Bischof hat in zahlreichen Werken sein Verständnis der Gnade Gottes begründet und erläutert. Ich möchte in den nächsten Tagen durch die auszugsweise Wiedergabe seines Briefes an Sixtus Einblicke in seine Argumentation gewähren. Zuvor aber einige Anmerkungen zur Entstehung des Briefes während der Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus.

Der Pelagianismus geht auf den den ursprünglich aus Britannien stammende Pelagius (360–ca. 420) zurück. Er gelangte als Flüchtling nach Rom, wo er sich ab ungefähr 380 n. Chr. verschiedenen theologischen Studien widmete und ein beachtliches Ansehen erwarb. Wegen seiner strengen und enthaltsamen Lebensführung stand er bis zu seiner Verdächtigung als Irrlehrer im Ruf einer »nicht gewöhnlichen Frömmigkeit«. In einem Anhang zur Schrift De peccatorum meritis et remissione et de baptismo parvulorum erwähnt Augustinus Pelagius erstmals namentlich und bezeichnet ihn noch als einen heiligen und ernsten Mann und hervorragenden Christen. Von der Askese geprägt, war er über das zügellose Leben der Menschen in Rom entsetzt und engagierte sich für eine Erneuerung des kirchlichen Lebens. Obwohl theologischer Laie, sprach Pelagius fließend Griechisch und las das Neue Testament in Koiné (Augustinus las Lateinisch). Sein auf die Bergpredigt und die christliche Vollkommenheit ausgerichteter Lebensstil traf das Bedürfnis gebildeter Christen. So konnte er sich mit der Zeit in Rom einen respektablen Freundeskreis unter den Aristokraten aufbauen.

Pelagius floh um 409 mit seinem Schützling Caelestius von Rom nach Nordafrika. Während er selbst von dort nach Palästina weiterreiste, verweilte Caelestius als Emigrant in Kathargo und löste gegen Ende des Jahres 411 den so genannten »pelagianischen Streit« aus, indem er im Rahmen einer »Taufdebatte« gegen die von Augustinus bereits entwickelte Ursündenlehre Stellung bezog.

Ohne den Pelagianismus hier näher zu erörtern, will ich kurz darstellen, was Caelestius damals vorgeworfen wurde. Die Anklageschrift gegen Caelestius gewährt uns nämlich Einblicke in die Positionen des Pelagius und die seiner Schüler, auch wenn Pelagius nicht exakt das behauptet haben mag, was dem Caelestius vorgeworfen wurde. Folgende sechs Punkte werden aufgezählt (Ich folge der Aufzählung von Bonner und Wermelinger): (1) Adam wurde von Gott sterblich erschaffen und wäre auch dann gestorben, wenn es keinen Sündenfall gegeben hätte. (2) Seine Sünde hätte nur ihm selbst geschadet, nicht aber der gesamten Menschheit. (3) Kinder hätten bei ihrer Geburt den gleichen Status wie Adam vor dem Fall und auch Ungetaufte empfingen ewiges Leben. (4) Die Menschen stürben weder durch Adams Tod oder Vergehen noch würden sie durch die Auferstehung Jesu auferstehen. (5) Dass Gesetz bringe Menschen gleichwie das Evangelium in das Himmelreich. (6) Vor dem zweiten Kommen von Jesus Christus habe es sündenfreie Menschen gegeben.

Augustinus warf Pelagius ein erheblich verkürztes Gnadenverständnis vor. In seinem Brief 188 schreibt er:

Und fürwahr ist nicht gering der Irrtum jener, die glauben, wir hätten aus uns selbst das, was an Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit, Frömmigkeit und Keuschheit in uns ist. Gott hätte uns nämlich so geschaffen, dass er uns – abgesehen von der Offenbarung rechten Wissens – darüber hinaus nicht hilft, unser Wissen über das rechte Tun auch liebend in die Tat umzusetzen. Nur in der menschlichen Natur und in der göttlichen Belehrung – behaupten sie – besteht die Gnade und Hilfe Gottes zum richtigen und gerechten Leben. Sie geben aber nicht zu, daß Gott uns hilft, den guten Willen, in dem das gerechte Leben besteht, zu besitzen und auch die Liebe selber, die unter allen Gaben Gottes so hervorragt, dass sie sogar »Gott« genannt wird (1 Joh 4,8), und ohne die in uns Gottes Gebot und Weisung überhaupt nicht erfüllt werden kann. Vielmehr behaupten diese Leute, dass wir selbst uns dafür aufgrund unserer eigenen Willensfreiheit genügen.

Papst Innozenz I. reagierte im Streit mit Pelagius zustimmend auf die Einwände von Augustinus: »Wer meint, er würde der göttlichen Gnade nicht bedürfen, erweist sich als ein Feind des katholischen Glaubens …« (Ep. 181,8). Die Stellungnahme seines Nachfolgers Zosimus fiel zunächst reservierter aus, da er von Caelestius hintergangen wurde. Ein Schreiben, das der karthagischen Synode im Mai 418 vorgelegt wurde, konnte Zosimus jedoch beruhigen und so wurde die Häresie des Pelagius erneut verurteilt.

Den Brief 194, aus dem ich in den nächsten Tagen zitieren werden, schrieb Augustinus nach diesen Vorgängen an den späteren Papst Sixtus. Was Augustinus über die Unverdientheit der Gnade, über die Ursünde und deren Schuldcharakter lehrt, wurde teilweise katholisches Glaubensgut und animierte besonders Reformatoren wie Martin Luther oder Johannes Calvin zur Wiederentdeckung der göttlichen Gnade. Viele Bibelstellenverweise und Argumente, die in dem Brief zu finden sind, wurden in der Reformationszeit wieder »ausgegraben«.

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 2)

Mit der Bekehrung des Herzens begann bei Augustinus auch die Bekehrung des Denkens. Die ersten Schriften sind von den Auseinandersetzungen mit dem Manichäismus geprägt und deutlich platonisch. Nach und nach wächst der Einfluss der biblischen Schriften und es gelingt Augustinus, das Verhältnis von Erfahrung, Vernunft und Glauben auf höchstem Ni­veau zu durchdenken und zu systematisieren.

Sehr bewegend ist die Schrift Über den Nutzen des Glaubens, die er – ent­weder 391 o. 392 verfasst –, an seinen ehemaligen Studienkollegen Honora­tus schrieb. Augustinus hatte Honoratus während seiner Studienzeit für den Manichäismus gewonnen. Inzwischen Christ, hörte er davon, dass Honoratus öffentlich gegen das Christentum polemisierte. So ver­suchte er mit dieser Schrift seinen Freund davon zu überzeugen, dass das Christentum die Wahrheit ist. Sein Werk Der Gottesstaat gilt als das Meis­terstück der altkirchlichen Apologetik und gehört zu den bedeutendsten Büchern für die abendländische Kultur überhaupt. Gegen Ende seines Lebens verfasste er die Retractationes (426–427), ein Werk, in dem er seine Lehrirrtümer benennt und Teile seiner Schriften korrigiert.

Von groĂźer Bedeutung fĂĽr die Apologetik ist Augustinus‘ Behandlung der Frage nach der Beziehung von Glaube und Wissen. Das Verhältnis von Glaube und Wissen (oder Glaube und Vernunft) spielt durch die ganze Philosophiegeschichte hindurch eine zentrale Rolle. Die Philoso­phie gilt als die Vernunftswissenschaft, die Erkenntnis rational zu be­schreiben und zu begrĂĽnden versucht. Dem gegenĂĽber steht die Religion oder die Theologie, die vorrangig einen Glaubensanspruch und keinen Erkenntnisanspruch stellt. Wie können wir die Dialektik von Glaube und Wissen auflösen? Augustins Lösungsvorschlag entwickelte sich zu einem »Meilenstein« der christlichen Theologie und hat den Weg des christlichen Denkens bis in die Gegenwart hinein geformt.

In der Diskussion um das dialektische Verhältnis von Glaube und Wis­sen haben sich zwei große Traditionen herausgebildet. Die erste große Tradition ist sich darin einig, dass zwischen Glaube und Wissen ein Wi­derspruch oder zumindest eine problematische Spannung besteht. Der Widerspruch oder die Spannung wurden innerhalb dieser Tradition bis zu Augustin in zwei Richtungen aufgelöst. Gemäß der ersten Lösung steht das Wissen über dem Glauben. Wir kön­nen diese Auflösung Rationalismus nennen, da die Vernunft innerhalb dieser Tradition maßgebliches Leitprinzip ist. Der Rationalismus möchte gerade den unsicheren Glauben oder das bloße Meinen (doxa) überwin­den und zur Erkenntnis vordringen (episteme). Für Platon ist beispiels­weise die Meinung nur einer Vorform des Wissens. Glaube ist vage, Wis­sen dagegen ist sicher. Demgegenüber behauptet die zweite Lösung, dass der Glaube über dem Wissen steht. Wir können diese Auflösung Fideismus nennen, auch wenn der Fideismus als Bewegung sich erst im Frankreich des 18. und 19. Jh. ausbildete. Für den Fideismus ist der übernatürliche Glaube die einzige Quelle des Glaubens und Ursprung wahren Wissens. Das Christentum steht im Widerspruch zur Philosophie. Zwischen der korrupten mensch­lichen Vernunft und der Weisheit Gottes wird ein unüberwindbarer Ab­stand postuliert. Glaube ist nicht vollendete Philosophie, Glaube zer­trümmert alle Philosophie. Die Weisheit dieser Welt ist dem wahrhaftig Glaubenden bloße Torheit (vgl. 1Kor 1,18ff). Bis heute gilt Tertullians »credo quia absurdum« (dt. »Ich glaube, weil es unvernünftig ist.«) als uner­reichter Leitspruch der fide­istischen Denktradition (Von Tertullian selbst ist der Ausspruch nicht überliefert, siehe dazu hier und die Kommentare zu diesem Beitrag).

Beide Lösungen konnten den Kirchenvater Augustinus von Hippo nicht überzeugen. Er suchte nach einem ausgewogenes Verhältnis von Glaube und Wissen (oder Glaube und Vernunft). Anregungen von Cle­mens von Alexandria und Origenes aufnehmend entwickelte er eine zweite große Tradition, der gemäß Glaube und Wissen aufeinander bezogen bleiben. Der Akt des Glaubens und der Akt des Wissens sind interaktiv miteinander verwoben. Augustinus wertet damit das Meinen bzw. den Glauben gegen Platon auf. Der Glaube durchdringt den gesamten Er­kenntnisprozeß. Glaube und Vernunft sind für Augustinus nicht zwei psychologisch streng zu unterscheidende Kapazitäten, sondern sie gehö­ren zusammen. Das heißt in der Konsequenz: Wahre Philosophie ist wahre Theologie, wie auch umgekehrt wahre Theologie wahre Philoso­phie ist. In einer Predigt hat Augustinus seine Auflösung der dialekti­schen Beziehungen von Glaube und Wissen auf die Formel »crede, ut intelligas« (dt. »glaube, um erkennen zu können«) gebracht. Diese Formel steht als Leitspruch über der Denktradition, die Raum schafft für eine Vernunftlehre im Rahmen des Glaubens. Die Vernunft regiert nicht den Glauben, sondern die Vernunft wird vom Glauben umschlossen. In sei­nem Werk Über den Lehrer schreibt Augustinus: »Was ich demnach erkenne, das glaube ich auch; aber nicht alles, was ich glaube, erkenne ich auch. Alles aber, was ich erkenne, weiß ich; nicht jedoch weiß ich alles, was ich glaube.« Gewisse Dinge können demnach nur geglaubt werden, andere können dagegen gewusst werden. Die Denkinhalte, die gewusst werden, werden aber zugleich geglaubt. Es gilt also: Ohne Glaube kein Wissen, ohne Glaube kein Wissenserwerb, ja ohne Glaube kein Existieren (vgl. die Kind-Elternbeziehung). So sinnvoll es also sein kann, zwischen Glaube und Wissen zu unter­scheiden, so überflüssig ist die scharfe Trennung der Begriffe. In einem gewissen Sinne sind die Begriffe sogar austauschbar.

Die Lösung von Augustinus lässt sich so darstellen:
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Augustinus ist demnach weder Fideist noch Rationalist. Er stellt die Ver­nunft nicht über den Glauben, will jedoch auch nicht vernunftlos glau­ben. Der wahre Glaube ist ein vernünftiger Glaube (intellectus fidei). Anders als manche Kirchenväter (z.B. Hieronymus) lehnt Augustinus die weltliche Bildung nicht ab. Er relativiert sie und macht den Glauben zum regulativen Prinzip. Er ordnet die »freien Künste« der heidnischen Ge­lehrten der Offenbarung Gottes un­ter.

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 1)

Einen herausragenden Platz in der Geschichte der Al­ten Kirche verdient Aurelius Augustinus (354–439 n. Chr.). Obwohl sein Kirchenamt nicht zu hoch bewertet werden sollte – es gab in Afrika damals fast siebenhundert Bischöfe, hat Augustinus die abendländische Theologiegeschichte maßgeblich geprägt.

In einer kleinen Reihe möchte ich den Bischof kurz vorstellen, seine Lösung des Problems von »Glauben und Wissen« erläutern und die »Gnadentheologie« aus einem seiner Briefe zitieren (vgl. auch hier).

Augustinus führte vor seiner Bekehrung zum Christentum ein recht bewegtes Leben. Seine Mutter Monnica war eine überzeugte Christin und unterwies ihren Sohn in der christlichen Lehre. Sein Vater war ein eher zurückhaltender Beamter. Als Augustinus 17 Jahre alt war, meldete er sich zum Katechetenunterricht an, was bedeutet, dass er die Taufe anstrebte. Au­gustinus distanzierte sich allerdings dann vom Glauben seiner Mutter und öff­nete sich für die pagane Philosophie. Er pflegte während dieser kritischen Periode uneheliche Beziehungen zu mehreren Frauen. Aus der Verbin­dung mit einer Konkubine ging sein Sohn Adeodat hervor, der schon im Alter von 17 verstarb (372–390).

Bereits als Zwanzigjähriger war Augus­tinus Lehrer für Rhetorik in Karthago, mit 29 Jahren bekam er eine Beru­fung als Rhetorikprofessor am kaiserlichen Hof in Mailand. Für ungefähr neun Jahre folgte Augustinus dem Manichäismus, einer rational-dualistischen Lebensphilosophie (o. Religion). Die Manichäer dachten in den Kategorien Gut und Böse oder Licht und Finsternis. Der gnostische Einfluss ist offenbar, da im Manichäismus die Welt als verdor­ben gilt und nur Erkenntnis (»Gnosis«) aus den Fesseln der Finsternis be­freien kann.

Während seiner Zeit in Mailand (ca. 384–386) löste sich Au­gustinus von dieser Philosophie und öffnete sich für den Neuplatonis­mus. Im Jahre 386 erlebte er im Garten seines Mailänder Hauses eine Be­kehrung. Damals ziemlich verzweifelt, hörte er die Stimme eine Kindes, die rief: »tolle lege« (dt. »Nimm und lies!«). Augustinus schlug darauf hin das Neue Testament auf, das in der Nähe lag und traf auf Röm 13,13–14: »Laßt uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt.« Augustinus brach innerlich zusammen und vertraute sein Leben Jesus Christus an. Rückblickend deutete er diese Erfahrung nicht als seine Be­kehrung zu Gott, sondern als eine conversio, die Gott an ihm vollzogen hat. In dem für seine Biographie klassischen Gebetsstil schreibt er: »Du hast mich zu dir bekehrt«.

Augustinus: Vater der abendländischen Theologie (Teil 4 – Schluss)

Seit der Zeit des Kaisers Augustus war Rom die ewige Stadt. Als religiöses und politisches Zentrum des Reiches galt Rom als unbesiegbar. Inzwischen war die offizielle Politik im Römischen Reich christlich geprägt und viele Christen glaubten, Rom sei ein bleibende Stadt. Rom war für sie die Stadt mit den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus und religiöses Zentrum der Christenheit. Für die christlichen »Reichstheologen« waren das Römische Reich und das Christentum damit zwei Seiten einer Medaille.

Von hier aus wird Unruhe verständlich, die nach dem Fall von Rom auf christlicher Seite aufkam. Musste der Sturz Roms nicht auch den Untergang des Römischen Reiches und zwangsläufig auch das Ende der Reichskirche mit sich bringen? Als Hieronymus und andere Kirchenlehrer jetzt klagten, dass die Welt ihrem Ende zugehe, ergriff Augustinus öffentlich das Wort:

Schaut her, sagen sie, Rom fällt, und es fällt auch das Christentum. Aber bei der christlichen Religion geht es doch nicht um den Zustand einer Stadt. Es geht dabei doch nicht um Steine und Holz oder schöne Gebäude und Mauern. Das, was der Mensch baut, zerstört er auch. Das ist nichts Neues.

Hier der letzte Teil der DLF-Reihe ĂĽber den Kirchenvater Aurelius Augustinus:

Augustinus: Vater der abendländischen Theologie (Teil 3)

»Diener Gottes« nannte man die klosterähnliche Lebensgemeinschaft, die Augustinus nach seiner Rückkehr nach Nordafrika auf dem Familienbesitz in Tagaste gegründet hatte. Er lebte dort zusammen mit seinen Freunden. Sein Sohn war bereits im Jahr 390 im Alter von 18 Jahren verstorben. Monnica, seine Mutter, hatte diese Entwicklung ihres Sohnes nicht mehr miterlebt. Sie war schon 388 während der Rückreise nach Nordafrika überraschend in Italien gestorben. Auch wenn Augustinus kurz nach seiner Priesterweihe offiziell zum Mitbischof in Hippo eingesetzt worden war, gab er sein klösterliches Leben nicht auf. Ein konsequent klösterliches Leben war für Augustinus allerdings nicht denkbar. Ohne, das er es wollte, musste er sich in die Kirchenpolitik einmischen.

Hier der dritte Teil der DLF-Serie:

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Augustinus: Vater der abendländischen Theologie (Teil 2)

Im Herbst 384 trat Augustinus in Mailand seine Stelle als Rhetoriker an. Er hatte inzwischen seine Lebensgefährtin und seinen Sohn nach Mailand nachkommen lassen, um nun mit ihnen in der neuen Umgebung zusammenzuleben. Allerdings hatte Augustinus die Rechnung ohne seine Mutter Monnica gemacht. Sobald sie von dem Umzug ihres Sohnes erfahren hatte, reiste auch sie ihm von Nordafrika nach Mailand nach. Sie wollte sich nicht damit zufrieden geben, dass Augustinus sich ihrem Einfluss entzogen hatte.

Hier Teil 2 der DLF-Reihe ĂĽber Augustinus, die seine Karriere am kaiserlichen Hof von Mailand in den Mittelpunkt stellt:

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Augustinus: Vater der abendländischen Theologie (Teil 1)

220px-Langenzenn_Stadtkirche_-_Marienaltar_7a.jpgDer DLF hatte fĂĽr die Jahreswende 2007/2008 eine vierteilige Reihe ĂĽber Aurelius Augustinus produziert. Der erste Teil der Reihe, die von dem Kirchenhistoriker RĂĽdiger Achenbach verantwortet wird, ist Augustinus‘ Studium der Rhetorik und seiner Suche nach Weisheit gewidmet.

Hier:

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