Familienbild

Evangelikal, weiblich, befreit – Beth Barrs Buch über „Biblische Weiblichkeit“

51kJBZidb4S SY264 BO1 204 203 200 QL40 ML2Beth Allison Barrs einflussreiches Buch The Making of Biblical Womanhood versucht, die historischen Wurzeln der „biblischen Weiblichkeit“ aufzuzeigen. Es ist alles in allem eine polemisch-kritische Abrechnung mit dem Komplementarianismus (bedeutet vereinfacht so viel wie: die beiden Geschlechter ergänzen einander in ihrer Unterschiedlichkeit). Nach Barrs sind die Bibeltexte in einer patriarchalischen Kultur entstanden und kommunizieren daher auch die Unterschiedlichkeit zwischen Mann und Frau sowie eine Ordnung, in der der Mann das Oberhaupt der Familie ist und die Kirchengemeinden von Männern geleitet werden. Allerdings transportiere die Bibel diese Vorstellungen nur, weil sie von Menschen geschrieben sei. Die kulturbedingten Annahmen seien nicht das, was Gott kommunizieren wolle. Gott möchte etwas anderes sagen, nämlich, dass wir Menschen uns zum Guten hin entwickeln sollen.

Dass dieses Buch sowohl in Nordamerika wie auch in Europa großen Zuspruch erfährt, kann kaum überraschen. Die Dekonstruktion konservativer Werte (die übrigens nicht per se biblisch sein müssen) ist in einer emanzipativen Kultur in der Regel sehr willkommen. Der semi-emergente Scot McKnight schreibt etwa: „Barrs sorgfältig ausgewählten historischen Beispiele, vor allem die aus dem Mittelalter, fügen sich zu einer brillanten, donnernden Erzählung zusammen, die das komplementäre Narrativ entlarvt. Ich konnte dieses Buch nicht aus der Hand legen.“

Ein sehr gutes Beispiel für die völlig unkritischen Aufnahme der Thesen von Beth Allison Barrs ist ein Beitrag, den der Deutschlandfunk kürzlich veröffentlicht hat. Barrs wird dort euphorisch als eine Wissenschaftlerin und Historikerin gefeiert, die erfolgreich gegen die Unterdrückung der Frauen in den evangelikalen Kirchengemeinden kämpft. Nicht eine kritische Frage wird gestellt. Es kommt niemand zu Wort, der die Dinge anders beurteilt. Keiner macht sich die Mühe, herauszufinden, ob ihr hermeneutischer Ansatz redlich ist. Beth Allison Barrs setzt sich für emanzipierte Glaubensvorstellungen ein und deshalb muss das Buch einfach gut sein. Punkt.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin der Meinung, dass Vertreter der komplementären Sichtweise immer in der Gefahr stehen, Gepflogenheiten der Gegenwartskultur oder eigene sündhafte Begierden mit einem biblischen Mandat zu verwechseln. Ich selbst sehe manche Spielarten dieser Sichtweise skeptisch. Von daher ist es wichtig, dass sich jede Generation neu vergewissert, was die Heilige Schrift zu diesen Themen sagt. Gleichzeitig ist es jedoch möglich, dass Vertreter egalitärer Sichtweisen die Anliegen ihrer Gegenwartskultur in die Bibel hineinlesen. Und es ist nicht nur möglich. Es lässt sich zeigen, dass dies oft passiert.

Hier also erstens der Beitrag des DLF über das Buch The Making of Biblical Womanhood:


Für Leute, die herausfinden möchten, ob Beth Allison Barrs das Buch als Wissenschaftlerin oder als Aktivistin geschrieben hat, empfehle ich zweitens eine ausführliche Rezension von Kevin DeYoung (Themelios, Vol. 46 (2), 8/2021, S. 402–412). Sein Fazit:

Barrs historisches Argument „funktioniert“, weil es ausgeschlossen ist, dass es nicht funktioniert. Welche Beweise man auch immer vorbringen mag – aus der Bibel, von Theologen aus allen Epochen oder aus der menschlichen Natur selbst –, die für die männliche Leiterschaft in der Kirche und im Haushalt sprechen, oder für die hohe Berufung der Mutterschaft oder für den allgemeinen Grundsatz, dass Männer führen, beschützen und versorgen sollten, all das kann als Patriarchat abgetan werden. Im Gegensatz dazu kann jedes Zeugnis, das zeigt, dass Frauen andere lehren oder Führungsaufgaben wahrnehmen – ganz gleich, um welche Art von Führung oder Lehre es sich handelt, ganz gleich, in welchem historischen Kontext oder wie zuverlässig die historischen Quellen sind, und ganz gleich, wie sehr die Frauen selbst darauf bedacht waren, die Grenzen der Autorität nicht zu überschreiten – all das zählt als Widerstand gegen das Patriarchat. Angesichts dieser Hermeneutik und angesichts der gesamten menschlichen Geschichte, mit der man arbeiten kann, können Barrs These und ähnliche Thesen nicht scheitern. Sie ist nicht falsifizierbar. Jedes bisschen Patriarchat bedeutet, dass sie recht hat, und jedes bisschen Nicht-Patriarchat bedeutet, dass sie auch recht hat.

„Die Identität des Kindes wird fragmentiert!“

Idea Schweiz hat ein hilfreiches Interview mit Susanne Kummer zur Biofamilie veröffentlicht. Frau Kummer, Geschäftsführerin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) in Wien, betrachtet die Trennung zwischen genetischer und sozialer Elternschaft, die immer beliebter wird, sehr skeptisch: 

Schauen wir uns die Tausenden von Kindern an, die durch Samenspende zur Welt gekommen sind, und fragen wir uns: Welches Vaterbild unterstützen wir damit in einer zunehmend vaterlosen Gesellschaft? Es ist das Bild von Vätern, die Kinder in die Welt setzen lassen und keine Verantwortung übernehmen. Was ist das für ein Zugang zu verantwortungsvoller Vaterschaft? Künstliche Befruchtung mit fremdem Samen trägt inhärent den Zug der Entpersonalisierung und auch der Bindungslosigkeit zwischen der genetischen Herkunft und den Personen, mit denen ein Kind aufwächst. Damit bürdet man Kindern einiges auf. Sie wachsen in einem familiären Niemandsland auf. Wir haben es zu tun mit einer eigenartigen Leibferne. Man tut so, als ob der Leib nur Rohstoffmaterial wäre. Dabei ist die leibliche Herkunft Teil der Identität. Betroffene Kinder haben sich inzwischen zu Selbsthilfeorganisationen für Fremdsamenspender-Kinder oder Anonyme-Samenspender-Kinder zusammengeschlossen und pochen auf ihre Rechte. Sie tauschen sich aus und suchen nach Möglichkeiten, doch ihren genetischen Vater kennen zu lernen.

Mehr: www.ideaschweiz.ch.

Mehrheit der jungen Menschen will so leben wie ihre Eltern

Die Ehe mit Trauschein und Kindern ist nach einer repräsentativen Umfrage des Opaschowski Instituts für Zukunftsfragen (OIZ) das Ideal vieler jüngerer Menschen in Deutschland. Nach Nachrichtenportal ntv meldet: 

57 Prozent der 18- bis 34-Jährigen befürworteten in einer Umfrage des Opaschowski Instituts für Zukunftsfragen (OIZ) die Aussage: „Die Ehe mit Trauschein und Kindern wird in Zukunft das erstrebenswerteste Lebensmodell sein.“ In einer ähnlichen Umfrage im Vorjahr hatten 56 Prozent der Befragten diese Ansicht vertreten. Mit 62 Prozent Zustimmung steht das klassische Familienmodell bei jungen Frauen deutlich höher im Kurs als bei jungen Männern, von denen nur 52 Prozent die Aussage unterstützten.

Mehr: www.n-tv.de.

Gender-Revolution wird die Welt verändern

Ralf Schuller erörtert in der NZZ die Frage, was passiert, wenn das Konzept einer sozial konstruierten Geschlechtlichkeit noch weiter Fahrt aufnimmt. Er meint, dass sich Welt, in der wir leben, weiter stark verändern wird und vor allem die biologische Familie, die enorm zur Wertschöpfung beiträgt, in Mitleidenschaft gezogen werden wird.

In Wahrheit geht es um mehr als Natur contra Gefühl oder soziale Konstrukte: Die klassische Familie ist die elementare Zelle der bürgerlichen Gesellschaft, sie trägt die massgebliche Verantwortung für gelingendes Leben, am Anfang (Zeugung, Erziehung, Kulturkompetenz) und am Ende (Pflege, Versorgung, Generationenzusammenhalt). Sie stellt uns in Traditionslinien, begründet unsere Herkunft und oft genug unsere Zukunft. Kurz: Die klassische Familie prägt unsere Gesellschaftsordnung in ihren Werten und Strukturen. Die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie mit leiblicher Abstammung aus dem praktischen Denkbetrieb der Gesellschaft zu nehmen und in eine Regenbogen-bunte Vielfalt zu stellen, verzerrt nicht nur die Realität, sondern wird die Gesellschaft verändern. Das kann man wollen oder auch nicht. Die von etlichen Aktivisten ausdrücklich bekämpfte «Heteronormativität» ist kein Unrecht oder Unfall, sondern gelebte Realität. Wenn sich das grundlegend ändert, sterben wir aus oder müssen auf technische Reproduktionswege setzen – mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Mehr: www.nzz.ch.

Zusammenleben in einer post-männlichen Zivilisation

Die Biologin Meike Stoverock ist davon überzeugt, dass die Evolution früher oder später ein Matriarchat herbeiführen wird. Ihrer Meinung nach steuern wir mit Volldampf auf eine post-männliche Weltordnung zu. Die stellt sie sich folgendermaßen vor:

Nun macht Meike Stoverock Vorschläge, wie das Zusammenleben von Männern und Frauen in einer post-männlichen Zivilisation aussehen könnte, einer Weltordnung, in der Frauen im Lauf ihres Lebens tendenziell mehrere Alphamänner auswählen, in der aber nicht jeder Topf einen Deckel findet. Sie rechnet ab mit der Institution der Ehe, in der sie ein Instrument der Unterdrückung von Frauen sieht, fordert eine Abkehr von der romantischen Vorstellung, dass Männer und Frauen in lebenslanger Monogamie glücklich werden können.

Männer, die in dieser neuen Weltordnung keine Frauen mehr finden, sollen auf andere Weise versorgt werden – Stoverock denkt über Sexualassistentinnen nach und über die Rolle von Prostitution, sie bezeichnet Pornografie als mögliche „gesellschaftsverträgliche Stütze“ für Männer.

„Männer, die nie oder nur sehr selten Sexpartnerinnen finden, müssen ethische und gesellschaftlich akzeptierte Möglichkeiten bekommen, ihre sexuellen Bedürfnisse zu erfüllen.“

Meike Stoverock hat ein aufwühlendes Buch geschrieben. Es ist radikal und provoziert manchen Widerstand. Damit geht sie klug und vorausschauend um und entkräftet Gegenargumente, die beim Lesen aufsteigen können. Man muss das nicht alles mögen, was sie schreibt, man kann sich empören über ihr Bild von Männern und Frauen, ihre Ablehnung der Ehe, die Art ihrer Religionskritik. Aber gerade deshalb ist ihr Buch so lesenswert – weil es dazu auffordert, völlig neu über das Verhältnis von Männern und Frauen nachzudenken und auch: zu streiten.

Ich finde die Thesen weder überzeugend noch originell, wie wohl die meisten Leute. Trotzdem sehe ich vor meinem inneren Auge Frau Dr. Meike Stoverock schon von einer Talkshow zur anderen tingeln. Die Moderatorinnen werden so begeistert sein wie Monika Dittrich, die das Buch für das DLF-Format „Ausdruck“ besprochen hat:

VD: WH

Abstammungs- und Sexualstrafrecht werden reformiert

Die Abkehr vom christlichen Familienideal wurde mit der sogenannten „Ehe für alle“ mit großer Zustimmung besiegelt. Nun müssen andere Gesetze an diese neue Wirklichkeit angepasst werden. Wie kompliziert das ist, kann man einem Interview mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) entnehmen, das sie kürzlich dem Domradio gegeben hat (vgl. den Gesetzentwurf von 2019). Vor allem Kinderrechte sollen gestärkt werden. Dass damit den Eltern, die eigentlich für die Erziehung zuständig sind, Rechte genommen werden, wird nicht so laut gesagt (vgl. dazu hier). Die Ministerin fordert die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Im Abstammungsrecht wird zudem dafür gesorgt werden, dass bald ein Kind zwei Mütter haben darf. Wer das kritisch sieht, wird sich in Zukunft mit dem Vorwurf des Biologismus konfrontiert sehen.

Für die ganz große Familienrechtsreform reicht die Zeit tatsächlich nicht. Ich möchte aber das regeln, was besonders dringlich ist, um Rechtssicherheit zu schaffen. Dabei geht es mir besonders um die Interessen des Kindes und das Kindeswohl. Es soll möglichst in gesicherten Verhältnissen aufwachsen. Deshalb soll etwa bei lesbischen Paaren künftig neben der Geburtsmutter eine weitere Frau Mutter sein können, ohne dass hierzu ein aufwendiges Adoptionsverfahren geführt werden muss. Es bleibt aber dabei, dass ein Kind immer nur zwei Eltern haben kann.

Mehr: www.domradio.de.

„Schwangerschaftskommunismus“

Wenn ich in den letzten Jahren mit Freunden und Bekannten über den erweiterten Ehebegriff diskutierte, haben einige unter ihnen mit der Einführung der „Ehe für alle“ (Efa) im Jahr 2017 die Hoffnung verknüpft, dass „das Thema gegessen sei“ und man sich wieder den wichtigen tagespolitischen Themen zuwenden werde. Ich hörte sogar das Argument, bei dem Theater gehe es im Kern darum, den Schutz der Familie zu festigen. Schutz eben unter neuen Bedingungen. Die Gesellschaft entwickele sich weiter. Das „Prinzip Ehe“ solle gerade unter den Wandlungen, die die Spätmoderne mit sich bringt, erhalten werden.

Ich war hingegen immer der Meinung, dass genau diejenigen kulturellen Strömungen, die im Streit um die Efa vor „Familienfreundlichkeit“ strotzen, bei genauer Betrachtung das Anliegen verfolgen, die Familie abzuschaffen. Die Efa war nur ein durchschlagender Etappensieg. Weil – um es mal mit dem Neomarxisten Max Horkheimer zu sagen – Familien die „Keimzelle des Faschismus“ sind, kann erst durch deren Abschaffung Ruhe einkehren und sich der Mensch in herrschaftsfreien Räumen natürlich entfalten (siehe a. hier).

Die Wochenzeitung DIE ZEIT macht uns in einem aktuellen Beitrag mit dem Ideal einer elternlosen Gesellschaft vertraut. Aber nicht nur das. Sie rückt unverhohlen die Verteidiger der Familie in eine rechtsradikale Ecke und schreibt ihnen erhebliche Gewaltbereitschaft zu. So entsteht der Eindruck, Anwälte der traditionellen Familie zwischen einem Mann und einer Frau und biologischen Kindern seien per se Feinde der offenen Gesellschaft.

Mit Rückgriff auf die Arbeiten der Britin Sophie Lewis heißt es etwa:

Lewis stellt sich vor, wie es wäre, wenn wir Familien nicht mehr bräuchten, weil die Gesellschaft ausreichend Fürsorge und Nähe spendete, sie schreibt von „Polymutterschaften“ und „Schwangerschaftskommunismus“. Und ihre Hauptforderung lautet: „Wir müssen Wege finden, um der Exklusivität und Vormachtstellung ‚biologischer‘ Eltern im Leben von Kindern entgegenzuwirken.“

Kern dieser Revolution ist die Überwindung der Familie, eine Forderung, mit der Lewis längst nicht allein ist. Sie bezieht sich auf eine Reihe junger queerer Theoretikerinnen, die dazu forschen und schreiben. Jules Joanne Gleeson und Kate Doyle Griffiths zum Beispiel, die 2015 einen Essay mit dem Titel Kinderkommunismus veröffentlichten, „eine Analyse der Beziehungen zwischen Familie, Gender und der Reproduktion des Kapitalismus“. Oder die in Sydney lehrende Professorin Melinda Cooper, die in ihrem Buch Family Values aufzeigt, wie zentral die „Kernfamilie“ nicht nur für „sozial Konservative“, sondern auch für Neoliberale sei (in der Boston Review erschien ein Essay, der aus dem Buch destilliert war). Im Mittelpunkt beider Ideologien stehe am Ende, wie Cooper erklärt, immer noch die weiße, heterosexuelle Familie, als moralische und ökonomische Norm.

Ich lege aufgeweckten Christen die Lektüre des Artikels sehr ans Herz. Der Text stimmt auf die Kulturkämpfe der nächsten Jahre ein. Jene, die meinen, mit Weltflucht oder Resignation reagieren zu müssen, sollten nicht stolz auf ihre Haltung sein. Unsere Kinder und Enkel müssen es ausbaden. 

Also: Wir brauchen in dieser wichtigen Debatte weder aggressive Kampfschriften noch Gesten der Kapitulation, sondern Mut und Hoffnung, die sich auch darin kundtun, dass wir uns gründlich, vernünftig und praktisch in die Kontroversen einmischen.

Hier der Artikel „Die elternlose Gesellschaft“: www.zeit.de.

Wenn Kinder auf der Strecke bleiben

Reden wir über Vereinbarkeit von Familie und Karriere, geht es meist um Elternwünsche und den Druck im Job. Was aber brauchen die Kinder? Mehr Zeit mit Mama und Papa vielleicht? Ein guter FAZ-Beitrag von Julia Schaaf über die Grenzen einer vergesellschaftlichten Erziehung:

Sabine Andresen ist Kindheitsforscherin. Seit vielen Jahren untersucht die Professorin an der Universität Frankfurt am Main das Wohlergehen von Kindern, und dafür spricht sie auch mit Jungen und Mädchen direkt. Im Rahmen der Kinderstudien des Hilfswerks World Vision zum Beispiel fragt sie Kinder, ob ihre Eltern genügend Zeit für sie haben. Ergebnis: Sofern ein Elternteil nicht oder nur in Teilzeit arbeitet, ist die überwältigende Mehrheit der Sechs- bis Elfjährigen zufrieden. Wenn Mütter und Väter beide Vollzeit machen, finden Kinder häufiger, dass die gemeinsame Zeit nicht reicht.

Offenbar stehen wir vor einem Dilemma: „Was gut ist für das Kind, ist nicht immer gut für die Befreiung aus traditionellen Rollen von Müttern und Vätern“, sagt Andresen. Und: „Vielleicht neigen wir im Moment dazu zu tabuisieren, dass Kinder es womöglich nicht so toll finden, den ganzen Tag außerhalb von zu Hause betreut zu werden.“ Kein Wunder, dass die Professorin so vorsichtig formuliert. Noch immer müssen sich Mütter – und nur Mütter! –, die Vollzeit arbeiten, vor Teilzeitfrauen und konservativen Männern permanent für ihr Lebensmodell rechtfertigen.

Mehr: www.faz.net.

Kleider machen Leute

Bei Birgit Kelle ist im neuesten Newsletter zu lesen, dass gut erzogene und anständig gekleidete Kinder heute im Verdacht stehen, eine braune Gesinnung zu haben. Sie hat eine Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung studiert und dabei herausgefunden:

Denunzieren ist ab sofort leicht gemacht! Am besten man legt die Nummer vom örtlichen Jugendamt gleich schon mal raus. Ob die Kleinen verdächtige Nazi-Kinder sind, lässt sich nämlich ganz leicht feststellen: Diese Kinder sind nämlich in der Regel laut Broschüre gut erzogen, anständig gekleidet und halten Sie sich fest: Ganz oft sind das blonde Mädchen mit Zöpfen! Ich hab vor lauter Schreck heute morgen sofort meiner blauäugigen, blonden Tochter die gekämmten Haare nochmal verwuschelt und die Zöpfe wieder aufgemacht, nicht dass wir unter Verdacht geraten. In perfider Weise werden zudem Rechtsextremismus mit der Ablehnung von „Sexualpädagogik der Vielfalt“ in einem braunen Topf in der Spielecke zusammengerührt, damit am Ende argumentativ behauptet werden kann, Eltern, die Diversity Programme und Sexualkundeprojekte für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren ablehnen, seien eben rechtsextrem, rassistisch und nicht etwa vernünftig.

Da haben wir sie wieder, die besorgten Eltern, die nicht etwa ihr Erziehungsrecht wahrnehmen wollen, sondern sich, man lese und staune, scheinheilig auch noch gerne freiwillig in die Elternarbeit einbringen. Also ganz verdächtig sind nicht nur anständig erzogene Kinder mit blonden Zöpfen, sondern auch noch Eltern mit Engagement und auch jene, die die Unterweisung in Geschlechtergerechtigkeit für das falsche Thema im Kindergarten halten.

Ich habe mir die von der Bundesministerin für Familie herzlichst empfohlene Broschüre angeschaut und bin wirklich erschrocken. Zu lesen ist da etwa:

Das Erlernen einer demokratischen Haltung, z.B. vermittelt durch Methoden der Vielfaltspädagogik, ist zentral, um Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder sexuellen Orientierung zu verhindern und um inter- und transgeschlechtliche Kinder zu empowern. Zudem ist für viele Kinder das Aufwachsen in Regenbogenfamilien gelebte Realität und sollte damit auch gelebte Normalität in der Kita sein. Rechtspopulistische, neurechte oder religiös-fundamentalistische Gruppierungen hetzen gegen die Vermittlung von Vielfalt mit diffamierenden Wörtern wie »Genderismus«, »Genderwahn« oder eben »Frühsexualisierung«. Gemeint ist eine angebliche »Umerziehung unserer Kinder«, die dann nicht mehr »richtige« Mädchen oder Jungen sein dürften. Verbunden sind damit antifeministische, aber auch homo-, inter- und trans*feindliche Positionen. Und die sind hochgradig anschlussfähig an die gesellschaftliche Mitte: Gender-Themen sind eine wichtige Klammer im rechtspopulistischen Spektrum und eignen sich für emotionale Debatten – gerade mit Bezug auf Kinder. Diese Themen sind aktuell sehr relevant. Für die Praxis bedeutet das, eine geschlechterreflektierende Perspektive zu stärken, sich eine gemeinsame Haltung zu erarbeiten und auf entsprechende Vorwürfe, die nicht selten durch Elterninitiativen vorgebracht werden, fachlich professionell zu reagieren.

Das muss man sich mal vorstellen. Da wird jemandem, der die „Vielfaltspädagogik“ kritisiert, einfach eine undemokratische Haltung zugeschrieben. Das ist schon historisch völliger Unsinn, da es demokratische Haltungen schon gab, als noch niemand an den „Genderismus“ dachte. War Dietrich Bonhoeffer mit seiner Wertschätzung der traditionellen Familie und Abtreibungskritik ein Antidemokrat? Wird nicht vielmehr umgekehrt ein Schuh draus? Die Vielfaltspädagogen wollen sich gegen Kritik immunisieren, indem sie ihre Rezensenten in die braune Ecke stellen! Gehen der „Sexualpädagogik der Vielfalt“ die sachlichen Argumente aus?

Verräterisch übrigens auch der Rekurs auf die sogenannten Kinderrechte:

Ein sinnvolles pädagogisches Angebot für Kinder generell, insbesondere aber für Kinder, die in autoritären, disziplinierenden Kontexten aufwachsen, können Angebote der Primärprävention sein – z.B. Ansätze der Vielfalt- und Demokratiepädagogik sowie Projekte zu Kinderrechten. Grundsätzlich hilfreich ist es, das pädagogische Konzept der Einrichtung zu überdenken und ggf. dahingehend zu ergänzen. So ist es wichtig, auf eine Vielfalt der Zugehörigkeiten zu achten – sowohl aufseiten der pädagogischen Fachkräfte als auch aufseiten der Kinder (siehe Interview mit Petra Wagner oder den Beitrag von Melike Çınar). Stereotype jeglicher Art können unterlaufen werden, wenn zum Beispiel Toberäume nicht nur für Jungen und Kuschelecken nicht nur für Mädchen gedacht werden, das Speiseangebot in der Einrichtung unterschiedlichen religiösen und kulturellen Ansprüchen gerecht wird und unterschiedliche ethnische Herkünfte sich auch im pädagogischen Material spiegeln.

E21-Regionalkonferenz Schweiz 2019 – „Und er schuf sie als Mann und Frau“

Unter dem Thema „Und er schuf sie als Mann und Frau“ veranstaltet Evangelium21 vom 1. bis 2. Februar 2019 die Regionalkonferenz Schweiz in Riehen (bei Basel). Das Netzwerk möchte den Themenkomplex „Mann und Frau“, der heute höchstumkämpft ist, aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Zu Wort kommen anthropologische, medizinischen und selbstverständlich biblisch-exegetische sowie pastorale Aspekte.

Unter anderem werden Dr. Kai Soltau, Prof. Dr. Harald Seubert, Dr. Stefan Felber und Dr. Peter Prock untersuchen, wofür die Gemeinde angesichts einer heftigen Geschlechtsdebatte in Gesellschaft und Kirche einstehen soll. Abgerundet wird die Konferenz durch eine Podiumsdiskussion mit den Referenten sowie einem Resümee des Veranstalters.

Weiter Informationen können dem Flyer entnommen werden.

Die Konferenz wendet sich vor allem an Prediger, Älteste, Gemeindemitarbeiter sowie Männer und Frauen, die sich für das Thema interessieren. An dieses Stelle kann man sich ab sofort anmelden!

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