Gender Mainstream

Vielfalt der Liebe in der Schule

Im Rahmen des Themenjahrs „Gleiches Recht für jede Liebe“ veröffentlicht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) einen Videospot, der folgende Botschaft vermitteln soll: Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt habe im Unterricht ein altersgerecht vermitteltes Querschnittsthema zu sein. Die Vielfalt der geschlechtlichen Konstellationen müsse also in allen Unterrichtsfächern gelehrt werden, egal ob die Kinder sich mit Biologie oder Mathematik beschäftigen oder wie alt sie sind.

In dem Video läuft ein ungefähr 7-jähriges Mädchen durch einen geheimnisvollen Dschungel, indem allerlei Sachen zu sehen sind, etwa ein Globus, ein Buch oder eine Periodentafel. Das Mädchen ist auf Entdeckungsreise. Eingeblendet wird die Moral der Erzählung: „Kinder wollen alles wissen. Nicht nur einen Teil des Ganzen.“ Deshalb gilt: „Tatsachen gehören in den Schulunterricht. Die Vielfalt der Liebe ist eine Tatsache.“

Erstaunlich, wie kümmerlich das Video die Förderung der Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in den Schulen einfordert. Warum kümmerlich?

Ein Kind möchte viel wissen. Das ist gut und soll gefördert werden. Aber ein Kind muss nicht alles auf einmal wissen und lernen, schon gar nicht über die menschliche Sexualität. Vor allem müssen Kinder nicht alle Tatsachen gut finden. Das aber ist genau die unterschwellige Botschaft. Von der Beobachtung: Es gibt in der Natur verschiedene Konstellationen des Geschlechtlichen, wird geschlossen: Diese Konstellationen sind gut für uns Menschen und sollen nicht nur toleriert, sondern affirmiert werden. Die  eigentliche Botschaft ist eine pädagogische bzw. ethische: Kinder müssen dazu erzogen werden, sexuelle Vielfalt nicht nur zu kennen, sondern klasse zu finden.

Um diese Agitation besser zu durchschauen, genügt eine kleine Gegenprobe. Stellen wir uns vor, dass Kind sähe im Dschungel, wie ein Tiger eine kleine Ziege zerfleischt. Eingeblendet würde: „Tatsachen gehören in den Schulunterricht. Die Macht der Starken über die Schwachen ist eine Tatsache.“ Oder eine andere Probe: Als Moral der Beobachtungen in der Natur würde vermittelt: Für die geschlechtliche Fortpflanzung braucht es eine weibliche Eizelle und eine männliche Samenzelle. Die Natur hat keine gleichgeschlechtliche Fortpflanzung vorgesehen. Das ist eine Tatsache.

Hier das Video: 

Schwedische Protestanten machen Gott zum „Es“

Das 251-köpfige Entscheidungsgremium der evangelisch-lutherischen Kirche in Schweden hat am Donnerstag in Uppsala entschieden, dass Geistliche ab dem kommenden Jahr beim Gottesdienst nur noch geschlechtsneutrale Begriffe verwenden dürfen, wenn sie von Gott sprechen.

Die Entscheidung wurde unter Antje Jackélen getroffen. Die Erzbischöfin hatte im Oktober 2016 anlässlich des Reformationsjubiläums im schwedischen Lund zusammen mit Papst Franziskus einen Gottesdienst gefeiert.

Im Vaterunser darf weiter „Vater“ gesagt werden. Ansonsten sind die Geistlichen der evangelisch-lutherischen Kirche von Schweden angewiesen, im Gottesdienst nur noch geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden, wenn sie von Gott reden. Statt „Herr“ oder „Er“ sei die weniger eindeutige Bezeichnung „Gott“ angebracht.

Den Beschluss hat das 251-köpfige Entscheidungsgremium der evangelisch-lutherischen Kirche am Donnerstag am Ende eines achttägigen Treffens in Uppsala gefällt. Laut „Daily Mail“ ist die Anweisung Teil des groß angelegten Updates eines 31 Jahre alten Handbuchs für die Gestaltung von Gottesdiensten.

Mehr: www.welt.de.

VD: AG

Von Gender-Mainstreaming zur Akzeptanz sexueller Vielfalt

51ygbRo6ufL SX329 BO1 204 203 200Christoph Raedel hat ein zweites Buch über Gender-Mainstreaming geschrieben. Ich konnte es bisher nur überfliegen. Ohne es ganz gelesen zu haben, empfehle es gern weiter und schließe mich der Rezension, die Moritz Breckner für das MEDIENMAGAZIN PRO geschrieben hat, an:

„Der blinde Fleck im Konzept von Gender-Mainstreaming ist die fehlende Frage nach den Bedürfnissen von Kindern“, schreibt Raedel. Kinder unter drei Jahren brauchen für die optimale Entwicklung eine feste Bezugsperson, im Normalfall die Mutter – dies sei wissenschaftlich unstrittig. Auch in der Sexualpädagogik und beim Adoptionsrecht sei Ideologie wichtiger als reale Gegebenheiten.

Raedels nicht immer ganz objektives, aber stets sachliches Buch ist eine Bereicherung für den Diskurs. „Gender“ kann ein Augenöffner sein für alle, die sich in die Thematik hineinarbeiten wollen, und ein Nachschlagewerk für Pastoren, Journalisten oder Pädagogen. Der Theologe liefert Argumente, nicht um jeden Streit zu gewinnen, aber um als Christ begründet Zweifel anzubringen am Menschen- und Geschlechterbild, das der Zeitgeist gerade vorgibt. Was es wirklich brauche, schlussfolgert Raedel, sei ein „Familien-Mainstreaming“, das die Frage stelle, „wie Familien darin unterstützt werden können, als Familien zu leben, anstatt lediglich als Projektionsfläche feministischer Gleichheitsfantasien oder als Modul marktwirtschaftlicher Rechenspiele betrachtet zu werden“.

Jenseits der Gleichheit

Hans Ulrich Gumbrecht, Albert-Guérard-Professor für Literatur an der Stanford University, meint, dass die Gleichmacherei in der Geschlechterdebatte die Welt nicht gerechter macht, sondern Feindseligkeiten puscht. Das merkt jeder, der sich den Dynamiken der kollektiven Intelligenz widersetzt und es wagt, selbst zu denken. Er wird Zeit, über die Blindheit der Gender-Ideologie nachzusinnen:

Die Durchsetzung absoluter Gleichheitspostulate im täglichen Verhalten, darin stimmen jedenfalls zahlreiche soziologische Theorien überein, hat ein Anwachsen kollektiven Ressentiments zur Folge und mithin ein wachsendes Risiko von Gewalt. Genau so mag der angeblich allgegenwärtige Populismus unserer Gegenwart entstanden sein. Es ist jedenfalls höchste Zeit, die Ideologie der Geschlechtergleichheit auf Reflexion umzustellen.

Mehr bei der NZZ: www.nzz.ch.

Die verlorene Ehre der Böll-Stiftung

Am 19. Juli informierte ich hier im Blog über die grüne Plattform Agent*In, die inzwischen aufgrund der vielen Proteste wieder vom Netz genommen wurde. Claudia Schwarz hat gestern die Vorgänge um den Online-Pranger kommentiert:

Das Internet hat längst den Charakter des Prangers bekommen. Wenn aber nicht die üblichen Hetzer öffentliche Denunziation betreiben, sondern eine Institution wie die in Berlin ansässige Heinrich-Böll-Stiftung, dann geht es nicht einfach um eine Entgrenzung in den Untiefen des Internets. Mit dem Online-Lexikon «agentin.org», das Feminismus-Gegner auflistete, war eine Grenze demokratischer Auseinandersetzung überschritten. Der Think-Tank der Grünen hatte die Plattform vor kurzem eröffnet – und schloss sie nach heftigen öffentlichen Reaktionen flugs wieder.

Die Stiftung schiebt in ihrer Stellungnahme zur Abschaltung des Portals die Verantwortlichkeit an das angegliederte Gunda-Werner-Institut ab. Was die Sache nicht besser macht. Denn jetzt geht es nicht mehr nur um den Stil demokratischer Auseinandersetzung, sondern es gibt Grund zum Zweifel am politischen Gespür der Böll-Stiftung angesichts einer dürren Erklärung, dass leider «die gewählte Form die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung zu Antifeminismus überlagert» habe.

Denunziation schlägt nicht selten auf den Denunzianten zurück. Und hier wird nicht mit überzeugenden Argumenten für gute Politik gekämpft, sondern es wurde eine persönliche Beschädigung des politischen Gegners angezettelt.

Hier: www.nzz.ch.

„Politisch korrekte Monokultur“

Der Google-Entwickler James Damore hat die Dominanz der Männer in der Tech-Branche mit biologischen Unterschieden erklärt. Das hat ihn nun seinen Job gekostet. Der entlassene Google-Mitarbeiter überlegt allerdings, juristisch gegen seinen Rauswurf vorzugehen. Das ist gut so! Die FAZ berichtet:

Der Mann, bei dem es sich mehreren Berichten zufolge um einen Softwareentwickler handeln soll, hatte ein Dokument verfasst, in dem er unter anderem die Meinung vertrat, Frauen seien biologisch weniger für den Erfolg in der Technologieindustrie geeignet als Männer. Er schrieb außerdem, Frauen seien im Schnitt neurotischer als Männer und mehr „auf Gefühle und Ästhetik als Ideen ausgerichtet“. Er nannte Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen einen „Mythos“.

Zudem beklagte er eine „politisch korrekte Monokultur“ in seinem Unternehmen. Konservative Meinungen würden nicht toleriert und unterdrückt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, der Mann habe erzählt, das Manifest sei in Teilen auf einem 12-Stunden-Flug während einer Dienstreise nach China entstanden. Der Softwareentwickler habe sich über die Inhalte eines gerade absolvierten Diversity-Trainings geärgert. Die Fortbildung, die eigentlich für mehr Vielfalt und Toleranz unter Mitarbeitern sorgen sollte sei bei dem Programmierer voll nach hinten losgegangen. Er habe gesagt: „Es gab dort so viele Zurechtweisungen im Stile von ’nein, das kannst du nicht sagen, das ist sexistisch‘. Da war einfach so viel Scheinheiligkeit in vielen der Dinge, die sie dort propagierten.“

Ich empfehle dazu auch die Stellungnahme „No, the Google manifesto isn’t sexist or anti-diversity. It’s science“ von Debra Soh.

Agent*In

Da haben sich die Grünen wieder was einfallen lassen: Die Agent*In – ein Antifeminismus-kritisches Online-Lexikon. Das ganze Projekt läuft unter dem Dach der Heinrich-Böll-Stiftung und wird – so darf vermutet werden – mit öffentlichen Geldern gefördert.

Und worum geht es inhaltlich? Die Antwort der Betreiber:

Die gesellschaftliche Polarisierung zwischen autoritär orientierten Parteien und Gruppierungen und emanzipatorischen Kräften, die eine offene und liberale Gesellschaft mit all ihren Errungenschaften verteidigen wollen, nimmt zu. Mittendrin können wir seit Jahren Antifeminismus beobachten, der als verbindendes Element, als Kitt zwischen (national)konservativen, rechtspopulistischen bis hin zu rechtsextremen Einstellungen und Politiken fungiert und die Brücke in die sogenannte Mitte der Gesellschaft bildet. In dieser sind antifeministische Positionen gleichfalls verankert. Islamfeindlichkeit, Homophobie und Ablehnung von ‚Gender-Ideologie‘ verbinden eine bunte Mischung von Rechtsaußenparteien, Gruppierungen und fundamentalistischen Bewegungen in ganz Europa und über die Grenzen Europas hinaus. In Deutschland gehören zu diesem Spektrum u.a. die AfD, Pegida, HogeSa, Besorgte Eltern, Demo für alle, die Zivile Koalition, sogenannte Lebensschützer oder christlich-fundamentalistische Organisationen und Gruppierungen der Neuen Rechten. Diese antifeministischen, geschlechtskonservativen und mitunter rassistischen Kreise mobilisieren z.T. schon seit Jahren auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene gegen Gleichstellungspolitik und emanzipative Geschlechterbewegungen wie auch gegen die Geschlechterforschung. Durch Demonstrationen, sprachliche Subversion und Aktionen, die sich z.B. gegen „Gender-Wahn“ oder die „Frühsexualisierung unserer Kinder“ richten sowie gezielte Tabubrüche wollen sie Einfluss auf den öffentlichen Diskurs nehmen. Unterstützung erhalten diese Gruppierungen u.a. von (ultra)konservativen Publizist_innen. Der Blick auf Leitmedien, Talkshows und Bestsellerlisten zeigt, dass der Einfluss von Anti-Feminist*innen in den letzten Jahren stärker geworden ist. Egal ob es sich um die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Gesellschaft, in Schulen oder in den Gender Studies handelt oder um Familien- und Rollenvorstellungen – der Protest richtet sich stets gegen post-essentialistische Sexualitäts- und Genderkonzepte.

Aufgebaut ist das wie eine „Täterdatei“. Hat jemand gegen Gender-Mainstream Stellung bezogen, etwa in einem Vortrag oder einem Buch, wird das im „Lexikon“ entsprechend vermerkt. Zu finden sind beispielsweise Einträge zur Rolf Hille, Stephan Holthaus, Daniel von Wachter oder auch das Netzwerk für „Bibel und Bekenntnis“. Sogar Harald Marteinstein, ein langjähriger Wähler der Grünen, wurde als NPD-nah eingestuft, weil er sich in der ZEIT kritisch zum Gender-Mainstream geäußert hatte.

Eine Stellungnahme gegen Abtreibung oder die Frühsexualisierung in den Schulen wird so als „gezielter Tabubruch“ hingestellt. Bedeutungsumkehr. Wir merken: Es geht nicht um den Austausch von Argumenten, sondern um eine neue Form der Inquisition. Ich frage mich, ob der Tag kommen wird, an dem die Aktivistinnen Leute dazu verpflichten wollen, einen Sticker zu tragen, weil sie antifeministische Positionen vertreten.

Rollenbilder in Werbung verbieten

Die Selbstregulierung der Werbebranche in Großbritannien setzt Anzeigen auf einen Index, die althergebrachte Rollenbilder vermitteln. Ballerina-Träume für Mädchen, Ingenieurskarriere für Jungs gelten künftig als unzeitgemäß.

Als Selbstkontrolle der Industrie kann die ASA keine Geldstrafen verhängen, aber sie kann Online-Anzeigen, die gegen die Regeln verstoßen, entfernen lassen. Auch die britischen Rundfunk- und Fernsehanstalten haben sich verpflichtet, sich an die Regeln der ASA zu halten.

Ein Bann der Darstellung von Geschlechterrollen sei mit den neuen Regeln ausdrücklich nicht vorgesehen, stellte Smillie klar. Aber ein Motiv, das Familienmitglieder zeigt, die eine heillose Unordnung anrichten, während eine Frau alleine verantwortlich zeichnet, wieder Ordnung zu schaffen, sei nicht länger akzeptabel, heißt es in den ASA-Empfehlungen.

Das gelte auch für Werbung, die den Eindruck vermittle, gewisse Aktivitäten seien ungeeignet für Mädchen oder Jungs, da sie traditionell mit dem anderen Geschlecht in Verbindung gebracht würden.

Hier mehr: www.welt.de.

„Freiheit bedeutet die Freiheit, zu sagen, daß zwei und zwei vier ist. Gilt dies, ergibt sich alles übrige von selbst“, heißt es in George Orwells 1984. Das Buch ist eine gute Empfehlung für die Urlaubslektüre. Sehr aktuell!

Politische Geschlechtsumwandlung

Wir haben hier schon mehrfach über die Bedeutung von „Gender Mainstreaming“ diskutiert (z.B. hier). Ich empfehle an dieser Stelle ein Büchlein, das Volker Zastrow vor 11 Jahren herausgebracht hat. Die These des FAS-Redakteurs:

Die Gender-Theorie ist eine sozialrevolutionäre Ideologie, die darauf zielt, die Geschlechterrollen zu zerstören – weil sie diese Rollen für künstlich, also beliebig formbar hält. Und das „Mainstreaming“-Konzept ist eine politische Technik, die das durchsetzen soll. Die EU hat sie sich zu eigen gemacht, die Bundesrepublik Deutschland inzwischen auch. Was heute die Politik bestimmt, begann vor vierzig Jahren in Baltimore mit einem unverantwortlichen Menschenversuch …

Ein längeres Zitat (Gender: Politische Geschlechtsumwandlung, 4. Aufl., 2016, 60 S., S. 14–17):

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Auf der Internetseite des Familienministeriums wird das zuvor noch zurückhaltend dargebotene Gender Mainstreaming inzwischen prominenter präsentiert. Bei flüchtiger Lektüre gewinnt man den Eindruck, es gehe darum, Frauen wie Männern gleichermaßen zur Durchsetzung ihrer Wünsche zu verhelfen; bunte Bildchen wie aus Immobilienprospekten zeigen junge Fotomodelle mit glücklichen Zähnen. Forscht man ein wenig weiter, wird man damit vertraut gemacht, daß der Begriff „Gender“ sowohl „gesellschaftlich als auch sozial und kulturell geprägte Geschlechtsrollen“ bezeichne, die als „veränderbar“ charakterisiert werden.

Daß sie verändert werden sollen, schwingt mit, wird aber zunächst nicht gesagt. Der Sinn bleibt dunkel, denn die Reihung der Adjektive ist abstrus: „gesellschaftlich“ und „sozial“ bedeutet dasselbe, während „kulturell“ und „sozial“ nicht gegeneinander abgegrenzt werden kann. In einschlägigen Gender-Texten wird hier das Adjektiv „traditionell“ benutzt: gemeint sind also offenbar herkömmliche oder überkommene Vorstellungen vom Geschlecht.

Sodann erfährt man, daß vom Familienministerium aus das „Gender Mainstreaming“ als sogenannte „geschlechtersensible Sichtweise“ ressortübergreifend in die Arbeit der Bundesregierung „implementiert“, eingespeist, worden ist. Dabei ist das schon erwähnte „GenderKompetenzZentrum“ behilflich. Doch auch dessen öffentliche Selbstdarstellung macht es nicht einfach, einen Begriff davon zu bekommen, was „Gender Mainstreaming“ eigentlich bedeuten soll, wie man es übersetzen könnte, wer diesen Begriff oder seine Theorie eigentlich erdacht hat. Erst wenn man tiefer hinabtaucht, stößt man auf Material zur feministischen Theorie und „aktuelle Erkenntnisse der Geschlechterforschung zum Beispiel zu Männlichkeit, Weiblichkeit und Intersexualität“.

Die bedeutendsten intellektuellen Leitfiguren dieser Forschung sind der 1984 an Aids-Folgen verstorbene französische Philosoph Michel Foucault (geboren 1926) sowie die in Berkeley lehrende Amerikanerin Judith Butler (1959). Foucaults Aneignung durch den Feminismus ist verschiedenthch bemerkt worden, in erster Linie handelt es sich dabei aber um die Übernahme der Körper- und Identitätstheorien eines homosexuellen Mannes durch homosexuelle Frauen. Judith Butler ist auch dabei maßgeblich, spätestens seit Beginn der neunziger Jahre hat sie sich als eine Meisterdenkerin des Gender-Begriffs und seiner Fortentwicklung in der „Queer-Theorie“ etabliert. Diese wird treffend als „inclusive umbrella label for all gendernauts and sexual outlaws, a cover-all term for lesbians, bisexuals, gays and transgendered people“ beschrieben: als ein gemeinsamer Schirm für alle „Gendernauten“ und sexuell Gesetzlosen, ein Dach für Lesben, Bisexuelle, Schwule und „Hinübergeschlechtliche“, wie „transgendered people“ in der Szene scherzhaft übersetzt wird — die Ausdrücke „Transvestit“ und „Transsexueller“ sind dort verpönt.

Und damit endlich ist man beim theoretischen Kern des „Gender“-Begriffs. Er meint nämlich keineswegs die Existenz sozialer Geschlechterrollen und deren Merkmale: also eine Banalität, an die feministische Klassikerinnen wie Betty Friedan noch anknüpften. Vielmehr behauptet „Gender“ in letzter Konsequenz, daß es biologisches Geschlecht nicht gebe. Die Einteilung der Neugeborenen in Jungen und Mädchen sei Willkür, ebensowohl könnte man sie auch nach ganz anderen Gesichtspunkten unterscheiden, etwa in Große und Kleine. Daher hege bereits in der Annahme der Existenz von Geschlecht eine letztlich gewalthafte Zuweisung von Identität: die „heterosexuelle Matrix“.

Als einführendes Traktat kann ich Gender: Politische Geschlechtsumwandlung sehr empfehlen! Es ist bedrückend, zu lesen, wie sich die von John Money behauptete strenge Unterscheidung zwischen „gender identity“ und „gender role“ durchgesetzt hat, obwohl seine Forschungen kläglich und tragisch gescheitert sind und eine Begründung bis heute fehlt. In Deutschland haben u.a. Feministinnen wie Alice Schwarzer,  Barbara Herlfferich oder Ursula von der Leyen mit ihrer nachhaltigen Lobbyarbeit der sozialrevolutionären Ideologie zum Durchbruch verholfen. Die derzeit so gefeierte „Ehe für alle“ ist da nur ein Meilenstein, dem weitere folgen werden.

Wohlstandsnarzissmus

Der SPIEGEL beschreibt, wie der Grünen-Abgeordnete Volker Beck beim Parteitag erzwungen hat, die „Ehe für alle“ programmatisch festzuschreiben. Nicht alle Grünen sind begeistert, aber nun ist es klar: „Mit uns wird es keinen Koalitionsvertrag ohne die Ehe für alle geben“, heißt es im Programm der Grünen für die Bundestagswahl 2017. Eine geile und tolle Partei! Es wäre geradezu irre, wenn sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten und es somit erst gar nicht zu Koalitionsverhandlungen käme.

Im Blick auf die „Ehe für alle“ würde das allerdings nicht viel bringen, denn hinter solchen programmatischen Slogans und dem Genderismus steckt eine implantierte Ideologie, die längst auch die anderen Parteien erfasst hat. Der Philosoph und Wissenschaftsjournalist Alexander Grau hat sich an eine Deutung solcher spätmodernen „Entgrenzungsbestrebungen“ gewagt und bringt sie mit dem Wohlstandsnarzissmus in Verbindung. „Ganz nach dem Lied aus Pippi Langstrumpf: ‚Ich mach’ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.‘“

Hier ein Auszug:

Denn das auf Selbstverwirklichung gepolte Individuum der Spätmoderne möchte keine Grenzen kennen. Am allerwenigsten so kontingente wie das Geschlecht. Denn Grenzen sind der maximale Skandal einer auf Selbstentfaltung und Selbstinszenierung fixierten Gesellschaft. Nach der weitgehenden Beseitigung aller sozialen Zwänge steht nun folgerichtig die Aufhebung natürlicher Determinationen auf der Tagesordnung. Zu diesem Zweck gibt es zwei Strategien: Entweder, man stellt die Existenz biologischer Geschlechter generell infrage und versucht sie als soziales Konstrukt zu entlarven. Oder man marginalisiert sie, indem man das gefühlte Geschlecht über das biologische Geschlecht stellt.

Letztere Strategie ist dabei eindeutig Erfolg versprechender. Denn zum einen muss man sich nicht auf die unsinnige Behauptung einlassen, es gäbe gar keine biologischen Geschlechter. Vor allem aber befriedigt die Vorstellung, dass die reale Welt zweitrangig ist, sondern allein meine inneren Vorstellungen, Wünsche und Idiosynkrasien der Maßstab dessen sind, was als Wirklichkeit zu gelten hat, die naiv-narzisstischen Grundbedürfnisse des nach Sinn suchenden Wohlstandsbürgers. Ganz nach dem Lied aus Pippi Langstrumpf: „Ich mach’ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.“ Und wenn ich mich eben als nicht-binär, pangender, transweiblich, cross-gender oder inter* fühle, dann hat das so zu sein. Befindlichkeiten werden zum Maßstab wissenschaftlicher Taxonomie. Und zur Not muss halt ein Uterus transplantiert werden.

Dass diese eigenwillige Form von Wohlstandsnarzissmus überhaupt seine intellektuellen Reservate an einschlägigen Universitätsinstituten verlassen hat, ist dabei das eigentliche Ärgernis. Denn unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit werden tausende Studenten mit kruden Theorien vollgestopft und schließlich in die Welt entlassen. Da sie aber kaum eine Qualifikation haben und lediglich bizarre Theoriefragmente im Kopf, finden sie nur dort Unterschlupf, wo man im Zweifelsfall auch so ganz gut durchkommt: im Kunst-, Kultur- und Medienbereich. Dort sitzen sie an den Hebeln der Meinungsbildung und beginnen, den eigenen Jargon und die ihm implantierte Ideologie durchzusetzen. Wer sich diesem Druck widersetzt, wird als intolerant oder diskriminierend denunziert.

Da niemand in den etablierten Parteien als gestrig gelten will, wird so über die Jahre aus der ehemaligen Ideologie politischer Splittergrüppchen offizielle Regierungsprogrammatik. Selbst in der CDU findet sich niemand, der Rückgrat genug hat, dem ganzen Irrsinn Einhalt zu gebieten.

Mehr bei CICERO: cicero.de.

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