Das ‚zweieinhalbte‘ evangelische Sakrament
Luther war sich zunächst unschlüssig, darüber, ob die Beichte als drittes Sakrament zu verstehen sei. Zitat (Oswald Bayer, Martin Luthers Theologie, 2007, S. 244–245):
Bemerkenswert ist die Stellung des Artikels über die Beichte im Kleinen Katechismus zwischen Taufe und Abendmahl. Dass wir in unseren Gemeinden allerdings die Einzelbeichte kaum noch kennen und auch die Gemeindebeichte – die „Offene Schuld“ – im Zusammenhang des Herrenmahls häufig nur noch in abgeschwächten Formen, ist ein schwerwiegender Verlust evangelischer Frömmigkeits- und Glaubensgeschichte. Die Erweckungsbewegung im 19. Jh. lässt sich als eine Antwort auf diesen Verlust verstehen.
Luther war sich zunächst unschlüssig, ob er die Beichte als drittes Sakrament verstehen sollte. Der altgläubigen Tradition gegenüber hatte er – mit der Schrift „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ – die Siebenzahl der Sakramente auf zwei reduziert mit dem Argument, nur das könne als Sakrament gelten, was eine klare biblische Einsetzung Christi mit Wort und Zeichen aufzuweisen hat. Für die Beichte aber ist nur ein Wort gegeben (Mt 16,19; 18,18; Joh 20,22f), kein zusätzliches materielles Zeichen. So bildet sie in der Zuordnung zur Taufe – als Rückkehr zu ihr – sozusagen das ‚zweieinhalbte‘ evangelische Sakrament.
„Was ist die Beichte? Antwort: Die Beichte umfasst zwei Stücke. Eines, dass man die Sünde bekenne, das andere, dass man die Absolution oder Vergebung von dem, der die Beichte hört, als von Gott selbst empfange und ja nicht daran zweifle, sondern fest glaube, die Sünden seien dadurch vergeben vor Gott im Himmel.“
Damit, dass ein Mensch mir im Namen Gottes die Vergebung zusagt, hat mir Gott selbst im selben Akt und Augenblick vergeben. Das menschliche Wort ist nicht nur Hinweis auf das göttliche, sondern ist das göttliche Wort selber. Gottes Wort kommt als Menschenwort – das ist seine Erniedrigung. So wie Gott im Leib der Maria Mensch wird, so kommt er zum Sünder in dem Wort, das ihm von einem anderen Menschen im Namen Gottes gesagt wird. Nach dem Verständnis Luthers ist dieser andere Mensch nicht nur der ordinierte Amtsträger, sondern jeder Getaufte.