Politik

E. Weede: Pläydoyer für Freiheit

Erick Weede, Soziologe und renommierter Konfliktforscher, hat ein Plädoyer für die Freiheit verfasst, dass jedem Schüler und Studenten als Pflichtlektüre verschrieben werden sollte. Politische Korrektheit verlangt, Europas Einheit als Wert an sich anzusehen. Doch dass die Folgen der Einheit immer positiv sein müssen, kann nur glauben, wer Europa-Politiker für Übermenschen hält. Europas Uneinigkeit war ein Glück. Wir brauchen mehr Hayekianer!

„Ein Vereinigtes Europa der Narren?“, ein großartiger Text (FAZ vom 03.02.2012, Nr. 29, S. 12):

Unter politischer Korrektheit kann man das Bedürfnis nach Übereinstimmung mit der Masse der Mitmenschen verstehen, auch um den Preis der Ausschaltung der eigenen Vernunft, wobei meist das Bekenntnis zu Werten und Zielen das Nachdenken über geeignete Mittel in den Hintergrund drängt. Wer Konsens für einen Wert an sich hält, für den ist eigenes Nachdenken – wie es die Kanzlerin im Zusammenhang mit der Sarrazin-Debatte so schön sagte – „nicht hilfreich“.

In der Europa-Politik äußert sich die politische Korrektheit in lautstarken Bekenntnissen zu Europas Einheit als Wert an sich in der unreflektierten Behauptung, dass Europas Einheit den europäischen Frieden sichere. Unreflektiert ist diese Behauptung, wenn man sich weigert, Alternativen für die Erklärung des europäischen Friedens auch nur in Erwägung zu ziehen. Ich will hier nur eine Alternative andeuten: Die Nato oder die dort institutionalisierte amerikanische Hegemonie könnte für den Frieden Europas verantwortlich sein.

Hier: www.faz.net.

Biermann verschärft Kritik an der Linkspartei

Der Liedermacher Wolf Biermann ist heute 75 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch!

Anlässlich seines Jubiläums hat der ehemalige DDR’ler in der rbb-Talksendung »Thadeusz« (wieder einmal) einige Episoden aus seinem Leben erzählt.

Zwei inkompatible Welten sind aufeinander getroffen. Auf der einen Seite sitzt Biermann, der seit vielen Jahren für seine Überzeugungen einsteht und kämpft. Auf der anderen Seite ist da Jörg Thadeusz, der typische TV-Moderator, der an der Geradlinigkeit und Ernsthaftigkeit von Biermann scheitert.

Ich empfehle, in den Mitschnitt der Sendung reinzuschauen. Besonders interessant wird es ab der 18. Minute.

Hier: www.ardmediathek.de.

Die Arabellion und der Islamismus

Wohin treibt die Arabellion? Wird der Islamismus an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wird der Einfluss der Islamisten wachsen, oder wird die Arabellion zu einer Iranisierung führen? Noch vor einem Jahr rechnete fast niemand mit der Arabellion, obwohl die demographische Entwicklung in Verbindung mit der weitgehend trostlosen Perspektive für die Jugend zu einer explosiven Mischung geführt hatte. Wohin die Arabellion führen wird, ist nicht vorhersehbar. Mehr als eine Momentaufnahme ist derzeit nicht möglich.

Für die Islamwissenschaftlerin Prof. Christine Schirrmacher spricht vieles dafür, dass der Einfluss der Islamisten wachsen wird. Das gab das Institut für Islamfragen am 27. Oktober in einer Pressemeldung bekannt.

Der Islamismus oder politische Islam lehnt die Trennung von Staat und Religion ab. Für Islamisten ist der Islam vielmehr eine untrennbare Einheit von Religion, Politik und Gesellschaftsordnung. Sie wollen dieses allumfassende System entweder auf demokratischem Wege und durch Predigt und Sozialarbeit oder auch mit Gewalt durchsetzen. Auf dem Weg zu diesem Ziel akzeptieren manche Kompromisse und Übergangslösungen. Für Islamisten sind die Gesetze und Regeln des Islam, wie sie im 7. Jahrhundert praktiziert wurden, auch heute für Gesellschaft und Staat unumstößlich und die Lösung aller Probleme der Moderne. Das heißt: Im islamisch regierten Staat gilt das gesamte Scharia-Recht, das Frauen, Nicht-Muslime, Minderheiten und Andersdenkende benachteiligt. Die Durchsetzung der Scharia einschließlich des drakonischen Strafrechts ist für Islamisten unabdingbare Voraussetzung für eine gerechte und friedliche Gesellschaft. Der Islamismus nutzt den technischen Fortschritt und will die Moderne prägen, nicht Prägungen und Werte der Moderne übernehmen. Der politische Islam beansprucht, den wahren Islam zu vertreten und verurteilt Deutungen als falsch, die den Islam nur auf religiöse Aspekte beschränken wollen. Der Iran bietet praktischen Anschauungsunterricht. Heute berufen sich alle arabischen Länder auf die Scharia als eine wesentliche, wenn nicht einzige Grundlage ihrer Verfassung und Gesetzgebung. De facto wurde die Scharia bisher zwar kaum angewendet, von einer rechtlichen Gleichstellung von Christen und Muslimen oder Frauen und Männern sind die arabischen Gesellschaften allerdings weit entfernt. Wie würde sich die politische Landschaft ändern, wenn die Islamisten nicht mehr nur Opposition, sondern als eigene Partei an der Regierung beteiligt sind?

Ohne die demographische Entwicklung ist die Arabellion nicht zu verstehen. In den arabischen Staaten ist etwa die Hälfte der Bevölkerung unter 25 Jahre alt. Diese jungen Menschen wissen aus den Medien, wie ihre Altersgenossen in den Ländern leben, die die Medien beherrschen. Sie selbst leben mit zahlreichen Einschränkungen und oft ohne Perspektive. Die Arbeitslosenquote ist hoch (unter Jugendlichen häufig 30-40%, in den Maghrebstaaten bis 70%). Sie sehen sich als Zuschauer oder sogar Verlierer der Globalisierung und des scheinbar allgemeinen Wohlstands, der an ihrer Region vorüberzieht. Die arabischen Länder sind wirtschaftlich dramatisch unterentwickelt und vergleichsweise wenig produktiv. So wächst die Wirtschaft Asiens jährlich im Durchschnitt um rund 5%, die der arabischen Staaten nur um 0,2%. Die in der Region reichlich vorhandenen Bodenschätze wie Erdöl und Erdgas haben kaum zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen. Die Einnahmen aus den Bodenschätzen, dem Tourismus oder auch dem Suezkanal wurden großenteils nicht für die Entwicklung der Infrastruktur verwendet, sondern häufig von den Potentaten an die Mitglieder einer kleinen Elite und ihre Günstlinge verteilt, die meist als Gegenleistung für die Unterstützung des Machthabers Privilegien und Zuwendungen genossen; z. B. hochrangige Militärs oder Stammesführer. Korruption, Klientelwirtschaft, Willkür, Rechtsunsicherheit und Bürokratie erstickten jede Kreativität und jedes eigenverantwortliche unternehmerische Handeln und schufen soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Dass die meisten Potentaten mehr oder weniger mit dem Westen kooperierten, lässt westliche politische Modelle nicht unbedingt attraktiv erscheinen und scheint die Kritik der Islamisten zu bestätigen. Und dass das unbeliebte bis verhasste Israel Teil des westlichen Systems ist, macht die Sache nicht besser.

Die Konstellation ist in jedem Land anders. Betrachten wir Ägypten näher:

Die Bewegung der Muslimbruderschaft entstand 1928, nachdem frühere Experimente mit dem sog. Reformislam im 18. und 19. Jahrhundert gescheitert waren und das Kalifat mit der Gründung der laizistischen Republik in der Türkei 1923 endgültig abgeschafft worden war. Nach ihrer Gründungsphase in Ägypten dehnte sie ihre Aktivitäten in andere arabische Länder und nach Europa aus. Die Muslimbruderschaft wuchs schnell und soll 1948 schon zwischen einer halben und einer Million Anhänger gehabt haben. Sie geriet durch Gewaltakte immer wieder in Konflikt mit der ägyptischen Regierung, die die Bruderschaft zeitweise duldete, zeitweise für ihre eigenen Ziele benutzte, zeitweise verbot und ihre Mitglieder verfolgte, verhaftete, folterte und hinrichtete.
Von Anfang an setzte sich die Bewegung für ein zweifaches Ziel ein: Die Etablierung einer Regierung, die die Scharia durchsetzt, sowie die Predigt des »wahren Islam«, unterstützt von Sozialfürsorge. Das höchst erfolgreiche Konzept der Predigt und praktischen Hilfeleistung hat die Muslimbruderschaft bis heute beibehalten. Es dürfte ihren Kandidaten bei Wahlen viele Stimmen bringen. Die Muslimbrüder haben sich den Protesten verhältnismäßig spät angeschlossen und waren sich nicht einig, wie sie darauf reagieren sollten. Die ältere Führungsgarde hatte ihren Mitgliedern zunächst verboten, an den Demonstrationen auf dem Kairoer Tahrir-Platz teilzunehmen. Nach dem Sturz Mubaraks gründete sie eine eigene Partei und verbot ihren Mitgliedern, sich in einer anderen Partei zu engagieren. Die jüngere Generation der Muslimbrüder setzte sich jedoch über beide Anweisungen kurzerhand hinweg und rief ihre eigene Partei ins Leben, die »Egyptian Current Party«. Diese Entwicklung macht einen innerhalb der Bruderschaft seit längerem schwelenden Konflikt zwischen der jüngeren und älteren Generation deutlich, der die Schlagkraft der Gruppierung schwächen wird, auch wenn noch 80% der Jungen hinter der älteren Generation stehen sollen.

Etliche muslimische Intellektuelle, Frauen- und Menschenrechtler sind davon überzeugt, dass sich der Islam mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, mit den universalen Menschenrechten, also auch mit voller Religionsfreiheit und Frauen- und Minderheitenrechten vereinbaren lässt. Doch die einflussreichen Vertreter der etablierten muslimischen Theologie an Universitäten und Moscheen verweigern sich bisher fast ausnahmslos einer solchen Interpretation von Koran und Überlieferung. Reformansätze zu einer Entpolitisierung des Islam sind in den islamischen Ländern bisher auf erbitterten Widerstand gestoßen. Wenn die arabischen Staaten wirklich ein neues Kapitel der Rechtsstaatlichkeit, der Menschen- und Freiheitsrechte aufschlagen wollen, wird es unumgänglich sein, dass auch die klassische Theologie diese Gedanken bejaht.

Nach dem Sturz der alten Galionsfiguren hat sich bisher in Ägypten wenig zum Guten verändert. Die Herrschaft des Militärs ist ungebrochen. Seit 1952 kamen alle Präsidenten aus der Mitte des Militärs. Es herrscht über ein Wirtschaftsimperium und hat unlängst durchgesetzt, dass Korruptionsvorwürfe gegen das Militär nur durch das Militär untersucht werden sollen. »Den Diktator zu verjagen ist eine Sache. Aber es kommen neue nach, und die alten Systeme sind noch da« (so Boualem Sansal, ein algerischer Schriftsteller, der gerade den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten hat). Die Spielräume für die Muslimbrüder sind wesentlich größer geworden, während die christlichen Kopten weniger Schutz genießen. Seit der Revolution haben deshalb 100.000 Kopten das Land verlassen. Der Militärrat scheint zur Zeit gemeinsame Sache mit den Muslimbrüdern machen zu wollen, deren Partei sich gemäßigt gibt. Die von Saudi-Arabien unterstützten Salafiten, die in Deutschland von den Sicherheitsbehörden beobachtet werden, haben die Partei »Nour« (Licht) gegründet, gemäßigte Islamisten gehören der Partei „Wasat“ an, deren Vorbild die türkische AKP ist, und sozialistische Islamisten der Partei »Amal« (Arbeit). Die nicht-islamistischen Revolutionäre sind vergleichsweise schlecht organisiert und in der Gesellschaft kaum vernetzt. Militärrat und Mulimbrüder sind bestrebt, die weiteren Abläufe so zu steuern, dass die neue Verfassung in ihrem Sinne ausfällt und ihre Kandidaten bei der Wahl die besten Chancen haben.

Das Ringen um die rechtsstaatliche Demokratie in den arabischen Staaten hat gerade erst begonnen. Sie wird sich, so Schirrmacher, nicht von selbst einstellen, sondern wohl nur dann eine Chance haben, wenn Islam und Islamismus sich zu umfassenden Menschen- und Freiheitsrechten, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und einer säkularen Gesetzgebung entschließen können und der Staat konsequent die Voraussetzungen für unternehmerisches Handeln schafft und die Bildung fördert.

Sind Christen stets die Guten?

CHRIST & WELT (DIE ZEIT) hat mit Volker Kauder über Christsein in der Politik und über das Thema Christenverfolgung gesprochen:

Die Kirchen können die Verkündigung des Wortes Gottes durchaus noch etwas intensivieren. Es kann doch die Kirche nicht ruhig sein lassen, wenn der Besuch der Gottesdienste immer stärker abnimmt. Jede Organisation muss sich doch fragen, woran es liegt, wenn ihr Zuspruch geringer wird. Das gilt für die Parteien, aber auch für die Kirchen. Die Kirche hat doch einen Missionsauftrag, davon ist aber zu wenig zu sehen.

Mehr: www.christundwelt.de.

Botho Strauss: Klärt uns endlich auf!

Der Dramatiker Botho Strauss hat für die FAZ einen Feuilleton-Beitrag geschrieben, der von den politisch Handelnden und vom Volk mindestens zweimal gelesen werden sollte.

Der Souverän hat einen neuen Widersacher. Diesmal nicht die römische Kirche, nicht den Kommunismus, sondern »die Märkte«. Sie zu beruhigen, unternehmen die Regierungen des Euro-Verbunds ganz altmodische diplomatische Manöver der Täuschung, Verschleierung und Falschaussage – bis hin zum (noch immer uneingestandenen) Bruch vertraglicher Vereinbarungen und institutioneller Regeln. Wie jeder angreifbare und unangreifbare Feind werden deshalb nun die Märkte dämonisch entrückt. Dabei gilt nach dem Wort Friedrich von Hayeks der Markt eigentlich als ein »Entdeckungsverfahren«, indem er seine Teilnehmer über Vor- und Nachteile ihrer Investitionen orientiert – aber eben auch wie gegenwärtig die desolate Finanzlage von kredithungrigen Staaten bloßstellt, die die nationale Politik mehr oder weniger geschickt zu verbergen sucht.

Diese als schonungslos kapitalistisch empfundene »Aufklärung« durch die Märkte wird von den Betroffenen meist empört zurückgewiesen – gegenüber den Märkten reagiert jede Regierung spontan um einen Ruck linker, als sie es vielleicht ist, und sucht die sozialen Verpflichtungen, die sie gegenüber der Bevölkerung wahrzunehmen hat, gegen die Zumutungen der schnöden Zinswirtschaft – in Form der anmarschierenden schier endlosen Zahlenkolonnen der Refinanzierung – abzuschirmen.

Mehr: www.faz.net.

Nur wer stehen bleibt, kommt weiter

Gerhard Stadelmaier bezeichnet Erwin Teufel als Mann der Stunde, der mit seiner Rede in das Herz einer unruhigen Zeit getroffen hat. In dem sympathisch geschriebenen Kommentar »Nur wer stehen bleibt, kommt weiter« heißt es:

Dass die europäischen Regierungschefs mit ihren milliardenhorrenden Finanz- und Schuldenaktionen Verträge gebrochen, Recht und Ordnung missachtet hätten, und dass, wenn die Oberen sich nicht mehr an Verträge hielten, es die Unteren nicht mehr einsähen, dass sie sich daran halten sollten. Dass die Christlich Demokratische Union auf das Christliche schnöde pfeife und immer grauprogressiver, belangloser und verwechselbarer daherkomme. Dass Familien mit einem Normaleinkommen und mehreren Kindern heute in Deutschland an den Rand des Existenzminimums gerieten, dass es »bei ihnen am Ende des Monats null auf null« aufgehe, und dass, wenn eine Waschmaschine kaputtgehe oder zwei Kinder gleichzeitig in ein Schullandheim fahren müssten und die Familie zwei-, dreihundert Euro dafür aufbringen müsse, es für sie der absolute Katastrophenfall sei. Dass man die »einfachen Leute« nicht nur in der christlichen Partei, die einmal die Partei dieser Leute war, links liegen lasse. Dass die Wirtschaft zum menschenverachtenden Selbstzweck werde. Dass es in unserem Land eine neue Art von Armut gebe, nämlich »die Armut der Einsamkeit«. Dass Erziehung von Kindern harte Arbeit sei und auch als solche vergütet werden müsse. Dass eine am »C« orientierte Politik das »Leben und die Würde des Menschen in jedem Lebensalter vor und nach der Geburt« schützen müsse (und dies schon lange nicht mehr tue).

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Teufel: »Ich schweige nicht länger«

Erwin Teufel war bis 2005 Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Vor der Seniorenunion hat er jetzt eine brisante Rede gehalten. Wo auch sonst? Auf CDU-Parteitagen spricht so seit Jahren niemand mehr. Der Titel: C.

Die CDU/CSU hat ein viel größeres Potential, als sie derzeit bei Wahlen realisieren kann. Sie muss sich nur im Alltag auf das besinnen, was sie in ihrer Geschichte groß gemacht hat. Es ist die europäische Einigung, das Bündnis mit den Vereinigten Staaten von Amerika, der »Weg nach Westen«. Es war die Ablehnung aller Ideologien und aller totalitären Systeme. Es ist die Bejahung des Rechtsstaats, den ich für die größte Errungenschaft unserer Kultur und Geschichte halte. Es war der Wille zur Versöhnung und zu guter Nachbarschaft, die Ablehnung von Gewalt und die Friedensliebe. Es war der unbedingte Vorrang der Freiheitsrechte und Grundrechte der Menschen und ihrer Würde als Geschöpf Gottes. Es war die Weltordnung der evangelischen Sozialethik und der katholischen Soziallehre.

Das alles ist nach meiner festen Überzeugung auch heute noch mehrheitsfähig. Und dabei kommt es mehr denn je auf glaubwürdige Persönlichkeiten in Partei, Parlament und Regierung an. Wie entsteht Glaubwürdigkeit? Nur dadurch, dass Worte und Taten der Handelnden nicht allzu weit auseinanderliegen. Ich sage bewusst nicht: deckungsgleich sind. Wir alle sind Menschen, und keiner ist vollkommen.

Die Union bleibt nur mehrheitsfähig, wenn sie für Christen, für Konservative, für Liberale und für suchende und offene junge Menschen wählbar bleibt. Wir hatten noch nie eine so offene junge Generation bar jeder Ideologie wie die heutige an der Oberstufe unserer Gymnasien und an unseren Universitäten. Die hören zu! Die überlassen das Feld der Diskussion nicht mehr einigen Ideologen, sondern die sind bereit, auch andere Meinungen zu übernehmen, die sie für glaubwürdig halten. Wir müssen ihnen zuhören und ihre Fragen beantworten.

Ich denke daran, dass ich mit 16 Jahren wegen des »C« und wegen der Sozialen Marktwirtschaft in die CDU eingetreten bin und wegen Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Diese Grundentscheidungen für Europa, für die Werte der Sozialen Marktwirtschaft sind nicht nur in der Vergangenheit dringend nötig gewesen, sondern auch heute, wenn wir mehrheitsfähig bleiben wollen. Die Hauptgruppe unserer Wähler und unserer potentiellen Wähler sind nach wie vor Menschen, für die christliche Werte in der Erziehung, in der Familie, im Beruf, in der Politik wichtig sind. Sie sehen sich in ihrem Tun nicht nur in Verantwortung vor den Wählern und Bürgern, sondern auch in einer Letztverantwortung vor Gott.

Die CDU ist kein verlängerter Arm der Kirchen. Wir bejahen aus Überzeugung die Trennung von Kirche und Staat, weil beide ganz unterschiedliche Aufgaben haben. Aber wir sind für eine gute Zusammenarbeit mit den Kirchen in allen Bereichen, in denen es für die Menschen gut ist. Wir bejahen einen Weltauftrag der Christen, Nächstenliebe und Solidarität für Arme und Randgruppen im eigenen Land und weltweit. Wir orientieren uns an der Wirklichkeit, am Gemeinwohl, an den Grundrechten des Menschen und den Grundwerten des Christentums. Die CDU hat nur zwei Möglichkeiten, aber nicht drei. Die CDU kann sich in Zukunft am »C« orientieren, oder sie kann das »C« aufgeben, aber es gibt keinen dritten Weg. Sie darf nicht das »C« im Schilde führen, wenn sie sich nicht an ihm orientiert.

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VD: JS

Demokratieverlust

Gleich zwei große deutsche Tageszeitungen beklagen heute den Demokratieverlust in Europa. In dem bemerkenswert klaren FAZ-Artikel »Spiel ohne Bürger« schreibt der Politikwissenschaftler Hans Vorländer (FAZ vom 12.07.2011, Nr. 159, Seite 8, m.W. (noch) nicht online):


Die Euphorie des Jahrhundertbeginns ist verflogen. Mehr noch: An ihre Stelle ist Skepsis, Kritik und auch eine gewisse Ratlosigkeit getreten. Vor allem die innere Entwicklung der etablierten Demokratien, von denen man früher als denen des »westlichen Typs« gesprochen hat, gibt Anlass, von einer grundlegenden Krise der Demokratie zu sprechen. Für manche ist gar die Demokratie in einen postdemokratischen Zustand eingetreten, ganz so, als neige sich das Zeitalter der Demokratien ihrem Ende zu. Nun ist zwar die Rede über die Krise der Demokratie fast so alt wie die Demokratie selbst. Ein Platon hätte ohne die Krise der Demokratie, die er mit der Verurteilung Sokrates‘ zum Tode durch die Bürger Athens identifizierte, gar nicht erst politisch zu philosophieren begonnen. Auch sind Demokratien immer labile Gebilde der Herrschaft gewesen. Und doch gibt es derzeit beunruhigende Krisenphänomene und Tendenzen, die das uns bekannte Bild der Demokratie verändern und wieder einmal nach der Zukunft der Demokratie zu fragen zwingen.

Es geht um Prozesse, die in den Kern des Selbstverständnisses der repräsentativen Demokratie zielen. Damit ist ein Typus von Demokratie gemeint, der sich historisch infolge der Revolutionen des 18. Jahrhunderts herausgebildet hat und der auf vermittelnde, stellvertretende Formen der Entscheidungsbildung basiert. Ein ausgeklügeltes institutionelles Arrangement politischer Ordnung hat den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess auf verschiedenen Ebenen organisiert und dabei weniger die direkte Beteiligung der Bürger – jenseits von Wahlen – als vielmehr die stellvertretende Erledigung von Entscheidungs- und Kontrollaufgaben in wechselseitig aufeinander einwirkenden Institutionen bevorzugt. Ein komplexes Institutionensystem sucht einer Demokratie der großen Zahl und des großen Raumes Stabilität, Legitimität und Effizienz zu geben. Dieses System kunstvoll verfasster institutioneller Ordnung befindet sich ganz offenkundig in einer Krise, deren Ausmaß noch kaum erkennbar und deren Lösungsmöglichkeiten völlig unklar sind.

In DIE WELT online sieht Thomas Schmid Zeichen für eine Refeudalisierung der Politik:

Wir sind Zeugen einer eigentümlichen Selbstermächtigung und Diskursverweigerung der Politik. Am deutlichsten wird das in der Europa-Politik, die ja – im Gegensatz etwa zur Sozialpolitik – immer schon vorwiegend eine abgekapselte Elitenveranstaltung gewesen war. Eigentlich müsste die EU auf Vertrauen, Transparenz und stete Erklärungsbereitschaft gebaut sein. Denn es gehört zu ihrem Prinzip, dass die in ihr versammelten Nationalstaaten einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Souveränität für das europäische Friedensganze aufgeben. Im Prinzip ist leicht einzusehen, dass das auf Dauer nur dann funktionieren kann, wenn dieses Gebilde durchsichtig bleibt und jeder Teilnehmer nachvollziehen kann, was mit der abgetretenen Souveränität und was mit den Transfersummen geschieht, die nun einmal eine Folge wechselseitiger Verantwortlichkeit sind.

Religionspolitik steht vor erheblichen Veränderungen

Wissenschaftler der Universität Münster prognostizieren einschneidende Veränderungen für die christlichen Kirchen in Deutschland. Die Bevorzugung der Kirchen müsse aufhören, da sonst gegen das Gleichbehandlungsgebot im neutralen Staat verstoßen werde, meint der Politikwissenschaftler Ulrich Willems.

Während einer Tagung über Religionsfreiheit an der Universität sagte Juristen Fabian Wittreck wörtlich: »Da haben die Kirchen in Zukunft große Umbrüche zu erwarten.« Die Kirchen könnten hierzulande nicht mehr selbstverständlich mit einer Rechtsauslegung zu ihren Gunsten rechnen. Das betreffe etwa Kreuze in den Schulen oder die eigenen Arbeitsrechtslinien der Kirchen. Immer mehr Streitfragen würden durch europäische Gerichte entschieden.

Einzelheiten im zweiten Beitrag von »Notizen aus Religion und Gesellschaft« vom 10. März 2011 (ab Minute 00:38, allerdings sind alle Beiträge hörenswert):

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/03/10/dlf_20110310_0943_b085ba23.mp3[/podcast]

Bundestag beschließt Forderungen zur Religions- und Glaubensfreiheit

Die Bundesregierung soll sich weltweit mit Nachdruck für Gewissens- und Religionsfreiheit einsetzen. Besonderes Augenmerk soll auf die Lage der christlichen Minderheiten gelegt werden.

Einen entsprechenden Antrag von CDU/CSU und FDP (17/2334) hat das Parlament am 16. Dezember auf Empfehlung des Menschenrechtsausschusses (17/4122) in namentlicher Abstimmung angenommen. 374 Abgeordnete stimmten dafür, 69 dagegen, 127 enthielten sich.

Keine Mehrheit fand ein Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/4227) zum Antrag der Koalitionsfraktionen. Er wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung von SPD und Linksfraktion abgelehnt. Ein Antrag der SPD (17/3428) wurde in namentlicher Abstimmung mit 304 Nein-Stimmen bei 195 Ja-Stimmen und 66 Enthaltungen auf Empfehlung des Menschenrechtsausschusses (17/4122) abgelehnt. Die Fraktion hatte darin unter anderem die Sorge geäußert, dass die Debatte über religiöse Symbole islam- und fremdenfeindliche Züge trage. Die SPD hatte sich dagegen gewandt, beim Engagement für den Schutz von Menschenrechten nach Religionen und Weltanschauungen oder nach der Zahl ihrer Anhängerschaft zu unterschieden. Keine Zustimmung fand zudem ein Antrag der Grünen (17/2424), in dem die Fraktion gefordert hatte, eine Hervorhebung einzelner religiöser Minderheiten zu vermeiden. Auch dazu lag eine Beschlussempfehlung des Menschenrechtsausschusses (17/4121) vor.

Bild: Gäste der Unionsfraktion verfolgen die Debatte auf der Ehrentribüne. Das Foto wurde mit freundlicher Genehmigung von der CDU/CSU-Fraktion zur Verfügung gestellt.

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