Botho Strauss: Klärt uns endlich auf!

Der Dramatiker Botho Strauss hat für die FAZ einen Feuilleton-Beitrag geschrieben, der von den politisch Handelnden und vom Volk mindestens zweimal gelesen werden sollte.

Der Souverän hat einen neuen Widersacher. Diesmal nicht die römische Kirche, nicht den Kommunismus, sondern »die Märkte«. Sie zu beruhigen, unternehmen die Regierungen des Euro-Verbunds ganz altmodische diplomatische Manöver der Täuschung, Verschleierung und Falschaussage – bis hin zum (noch immer uneingestandenen) Bruch vertraglicher Vereinbarungen und institutioneller Regeln. Wie jeder angreifbare und unangreifbare Feind werden deshalb nun die Märkte dämonisch entrückt. Dabei gilt nach dem Wort Friedrich von Hayeks der Markt eigentlich als ein »Entdeckungsverfahren«, indem er seine Teilnehmer über Vor- und Nachteile ihrer Investitionen orientiert – aber eben auch wie gegenwärtig die desolate Finanzlage von kredithungrigen Staaten bloßstellt, die die nationale Politik mehr oder weniger geschickt zu verbergen sucht.

Diese als schonungslos kapitalistisch empfundene »Aufklärung« durch die Märkte wird von den Betroffenen meist empört zurückgewiesen – gegenüber den Märkten reagiert jede Regierung spontan um einen Ruck linker, als sie es vielleicht ist, und sucht die sozialen Verpflichtungen, die sie gegenüber der Bevölkerung wahrzunehmen hat, gegen die Zumutungen der schnöden Zinswirtschaft – in Form der anmarschierenden schier endlosen Zahlenkolonnen der Refinanzierung – abzuschirmen.

Mehr: www.faz.net.

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2 Kommentare
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P.M. Borell
13 Jahre zuvor

Herr Strauß erweist sich als ein Mann mit Durchblick, der sich vom Handeln der Politiker und ihrer Sprache enttäuscht bis angeekelt sieht. Er macht außerdem klar, daß das Anspruchsdenken des Volkes ein Gutteil des Problems der Verschuldung ist und kritisiert zu Recht die entsachlichte, d.h. emotional basierte Berichterstattung in den Medien, siehe z.B. Breivik, die die Dummheit des Volkes konserviert. Ein fälliger Artikel, der wohl wegen Nichtbeachtung schnell in der Versenkung verschwinden wird. Vermutlich gleich mit diesem Kommentar.

13 Jahre zuvor

Ein wundervoller Artikel gestern in der Faz.
KLar, verständlich, erhellend.
Ich hoffe nicht, dass er in der Versenkung verschwindet!

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