Sprache

Neusprache

Liest jemand – wie ich derzeit – das empfehlenswerte Buch Die Pädagogik der Neuen Linken (München/Basel, 5. Aufl., 1980), kommt er möglicherweise gelegentlich ins Staunen darüber, wie exakt Wolfgang Brenzinka die Umerziehung der Schüler (von denen heute übrigens etliche Lehrer sind) vorhergesehen hat.

Als Beispiel sei das geforderte soziologisch-politische Vokabular angeführt. Bewusstseinsänderungen werden nämlich insbesondere durch die Schaffung einer neuen Sprache erreicht:

Was hier geschieht, ist eine ideologische Unterwanderung mittels sprachlicher Unterwanderung. MARCUSE hat diese Politisierung der Sprache als »linguistische Therapie« (der seiner Ansicht nach »kranken« liberalen Wohlfahrtsgesellschaft) bezeichnet und gefordert, das soziologische und politische Vokabular systematisch umzuformen: »Es muß seiner falschen Neutralität entkleidet werden; es muß methodisch und provokatorisch im Sinne der Weigerung ›moralisiert‹ werden« .

Zur Methode der Bewußtseinsverengung gehört neben der Umdefinition von Wörtern auch die Einführung neuer Wörter und die Ausscheidung unerwünschter Wörter. Beispiele für neue Wörter sind »Establishment« für die politisch negativ bewertete Führungsschicht der Gesellschaft; »go in«, »sit in«, »teach in« für Formen des Hausfriedensbruches oder der Nötigung, die verharmlost werden sollen; »umfunktionieren« für die Zweckentfremdung von Einrichtungen oder Veranstaltungen; »verunsichern« für eine Technik der Einschüchterung politischer Gegner; »Technokrat« für Wissenschaftler, Techniker und Verwaltungsfachleute, die im Rahmen der gegebenen Gesetze zweckrational zu handeln bemüht sind, statt die Normen ihrer Gesellschaft abzulehnen und für den Umsturz zu arbeiten.

Beispiele für unerwünschte Wörter, die aus der Sprache der Neuen Linken verbannt werden , sind »Verantwortung«, »Vertrauen«, »Höflichkeit«, »Anstand«, »Ehrfurcht«, »Dankbarkeit«, »Bescheidenheit«, »Fleiß«, »Treue«, »Gehorsam«, »Zucht«, »Auslese«, »Selbstdisziplin«, »Sitte«, »Autorität«, »Pflicht«, »Ordnung«, »Gemüt«, »Heimat«, »Vaterland«, »Nation« , »Wehrbereitschaft« usw.

Alle diese Techniken zur sprachlichen Unterwerfung einer Gesellschaft durch Einführung einer »Neusprache« (»newspeak«) sind bereits von ORWELL in seiner Zukunftsvision vom totalitären sozialistischen Staat »1984« geschildert worden. Der Zweck der »Neusprache« ist es, alle von der sozialistischen Ideologie abweichenden Denk- und Ausdrucksweisen unmöglich zu machen. Neben den erwähnten Techniken der Umdefinition vorhandener, der Einführung neuer und der Ausschaltung unerwünschter Wörter wird ganz allgemein die Verminderung des Wortschatzes als wesentlich angesehen. Indem die Möglichkeiten der Wortwahl auf ein Minimum beschränkt werden, hofft man auch das Denken auf jene Gegenstände einschränken zu können, die von der Ideologie zugelassen werden.

Mein Eindruck ist, dass ebenfalls in der kirchlichen Verkündigung durch Sprachinquisitoren etliche Begriffe auf einem Index unerwünschter Wörter gelandet sind. Ich denke da beispielsweise an: göttlicher Zorn, Erwählung, Gericht, Hölle, Strafe, Gehorsam, (Unter)Ordnung, Selbstverleugnung, Stellvertretung, Sühne, … Als ob die Heilige Schrift diese Themen verberge.

Zur Entstehung gendergerechter Schreibweisen

SchülerInnen, Studierende, Professor_Innen, Absolvent*Innen – es gibt eine Menge Vorschläge, wie man gendergerecht schreiben kann. Warum das sinnvoll sein soll und doch sinnlos sein kann, dazu informiert ungewollt der ausführliche Artikel „Die Entstehung von gendergerechten Schreibweisen“.

Im Trend liegt das  „gender-gap_ “ als neue Strategie der Aneignung zur Infragestellung des binären Geschlechtersystems. Das „gender-gap_ “ schreibt _ als Leerstelle_ in Form eines Unterstrichs.

Der Unterstrich, später gender_gap (soziales Geschlecht_Leerstelle) genannt, soll alle Menschen mit einschließen, auch diejenigen, die sich nicht als vermeintliche Frauen oder Männer definieren. Er soll das zwei-Geschlechtersystem in Frage stellen, weil es einige Transgender (Transsexuelle, die das Geschlecht wechseln wollen oder sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen) und intersexuelle Menschen (Menschen deren biologische Geschlechtsmerkmale sich nicht eindeutig einem der beiden Geschlechter zuordnen lassen) nicht einschließt.

In den letzten Jahren verbreitet sich das gender-gap mehr und mehr. Wurde es am Anfang vor allem von queer-feministischen Kreisen verwendet, adaptieren es mehr und mehr Linke und selbst an Universitäten findet sich sein Gebrauch mittlerweile sporadisch wieder.19 Kritik an dieser Schreibweise gibt es derweil z.B. aus feministischer Ecke. Luise Pusch findet heute, dass das Binnen-I zur Aufnahme von Frauen eine bessere Alternative als ein angehängtes Suffix wie beim Schrägstrich/- oder Unterstrich_ ist. Den Unterstrich für Menschen, die sich nicht einem der beiden anerkannten Geschlechter zugehörig fühlen, zu verwenden, findet sie entwürdigend. Außerdem funktioniert diese Schreibweise nicht in allen Sprachen, z.B. dem Englischen, wo es gar keine männlichen und weiblichen Endungen gibt. Deshalb plädiert sie wie viele Andere für eine Entsexualisierung der Sprache durch Verwendung von Formen wie Studierende, Angestellte und Lehrbeauftragte.

Die FAZ hat gestern den Aufsatz „Unbeschreiblich weiblich und männlich“ von Emanuel Derman publiziert (FAZ vom 18.02.2013, Nr. 41, S. 30). Da Geschlechterzuschreibungen – so Derman – immer schwieriger werden, müssen wir „befreite Sexkimos“ neue Wege gehen und Schemen entwickeln, in denen sich alle – ich nenne es: „wiederfühlen“. Derman verweist auf Studenten, die von sich sagen, „ihre Identität variiere in der Zeit“, also „von Tag zu Tag oder von Woche zu Woche“. Bei so viel Bewegung ist der Vorschlag, in Zukunft das Geschlecht mit einer Leerstelle zu kennzeichnen, vielleicht gar nicht grotesk. So bleiben die Publikationen immer authentisch.

Hier der Beitrag über gendergerechtes Schreiben von Studis Online: www.studis-online.de.

Unsere Euphemismen

Peter-André Alt, Professor für Literaturwissenschaft und Präsident der Freien Universität Berlin, hat am 4. August einen hochinteressanten Artikel über unsere Euphemismen veröffentlich (FAZ vom 04.08.2011, S. 8). Er schreibt darin:

Unsere Zeit ist reich an euphemistischen Redewendungen, die sich derart tief ins öffentliche Repertoire eingeschrieben haben, dass niemand sie mehr anstößig findet. Wo immer persönlich Verantwortung getragen wird, tritt die Sprache des Euphemismus auf: in Politik und Management, in Sport und Administration, in Kreativindustrie und Medizin. Autorität und Geltung, Einfluss und Entscheidungsbefugnis heißen nicht, was sie sind. Wer Macht ausübt, sagt das nicht, sondern greift, möchte er seine Tätigkeit beschreiben, zu Wendungen wie: »einen Beitrag leisten«, »sich in Prozesse einbringen«, »Ideen anregen«, »Veränderungen anstoßen«, »Übergänge befördern«, »Weichenstellungen vorbereiten«, »neue Wege bahnen«, »Maßnahmen unterstützen«. Wer handelnd für klare Verhältnisse sorgt, redet zumeist in beschönigenden Vokabeln über das, was er tut. In der Sprache der Euphemismen gibt es nur noch Mediatoren, keine Entscheider. Der Manager, der sich am Ende seiner Vorstandszeit vor der Aktionärsversammlung dafür bedankt, dass er »den Weg des Unternehmens ein Stück weit begleiten durfte«, verdeckt seine Verantwortung ebenso wie der Fußballtrainer, der eine bittere Niederlage mit einem „»Wir wissen jetzt besser, wo wir stehen« zu kommentieren pflegt. Unzählbar die Euphemismen der Verlierer an einem Wahlabend, die vom »erfreulichen Mobilisierungseffekt« über »breite Zustimmung« bis zu »Auftrag weitgehend umgesetzt« reichen.

Die Bildspender und Vergleichsfelder, auf die sich die Rhetorik der Euphemismen stützt, stammen zumeist aus der Welt der Psychologie, der Werbung und der Medien. Sie bezeichnen Vorgänge der Vermittlung, der Verständigung, der gewaltlosen Schöpfung und der Übereinkunft. Gemeinsam ist ihnen die Tendenz, individuelle Verantwortlichkeit für schmerzliche Entscheidungen hinter abstrakten Konstruktionen kollektiver oder struktureller Handlungsflüsse zu verstecken. Zugrunde liegt dem die Perspektive einer Gesellschaft, die Angst hat vor dem Eingeständnis unerfreulicher Wahrheiten, weil sie glaubt, diese seien niemandem zumutbar. Im Kern verbirgt sich darin eine tiefe Arroganz, die das eigentliche Skandalon des Euphemismus ausmacht. Wer seinem Gegenüber die Wahrheit nicht zutrauen möchte, hält ihn für unfähig, sie intellektuell oder moralisch zu bewältigen. Der Euphemismus betrügt den anderen um den Kern der Sache und erzeugt damit gerade keinen hierarchiefreien Raum, sondern eine durch Manipulation geschaffene Stufenwelt. Einer der derzeit beliebtesten Euphemismen, die Formel vom »Gespräch auf Augenhöhe«, liefert ein Musterbeispiel für das dialektische Funktionieren der »Wörter mit guter Vorbedeutung«. Wer eigens darauf hinweist, dass ein Gespräch auf »Augenhöhe« stattfand, wird Gründe dafür haben, diesen Sachverhalt zu beschwören – und zumeist nicht die Wahrheit sagen. Die Kommuniqués, die eine solche Formulierung bieten, bezeichnen dann auch meist Treffen zwischen ungleichen Partnern. Der Euphemismus ist selbst eine Redeform, die »Augenhöhe« verhindert, weil sie dem anderen die Einsicht in die wahren Verhältnisse vorenthält.

VD: JS

Das Elter

In der Schweiz soll »das Elter« die Begriffe »Vater« und »Mutter« ersetzen. Auch der Europarat will im Namen der Geschlechtergerechtigkeit die Sprachbenutzer umerziehen. Hinter beiden Projekten verbirgt sich ein Gleichheitswahn, der letzten Endes unmenschlich ist.

Bisher galt die Schweiz als Hort der Liberalität. Volksentscheide, eine kleine Regierung und das föderative Prinzip machten die Eidgenossenschaft zum Vorbild direkter Demokratie. Und jetzt das: Die Stadtregierung von Bern, der Gemeinderat, hat einen 22-seitigen Sprachleitfaden verabschiedet. Demnach droht Stadtbediensteten künftig eine Strafe, wenn sie sich im Amt nicht “geschlechtergerecht” ausdrücken. Verboten ist ab sofort “Mannschaft”, erlaubt ist “Team”. Aus dem “Fußgänger-” muss der “Zebrastreifen”, aus dem “Besucher-” der “Gästeparkplatz” werden. Noch härteres Geschütz fährt ein 192-seitiger Ratgeber aus der Bundeskanzlei auf, der für alle Schweizer Staatsmitarbeiter (Pardon: -mitarbeitende) gelten soll: Die “Mutter” gilt demnach im behördlichen Schriftwesen als ebenso diskriminierend wie der “Vater”. Geschlechterselig macht “das Elter”.

Hier der Kommentar von Alexander Kissler: www.theeuropean.de. Außerdem der Beitrag der Zeitung Blick und die kurz gefasste Broschüre der Stadt Bern.

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Nachtrag vom 16.06.2010:  Die Schweizer Bundeskanzlei hat klargestellt, daß es keinerlei Vorgaben für die geschlechtergerechte Sprache im Bund gibt, nach denen die Begriffe Mutter oder Vater durch das Wort Elter ersetzt werden müssten. Hier mehr: www.medrum.de.

Die Abschaffung des Geschlechts im EU-Parlament

Die Parlamentsverwaltung der Europäischen Union hat eine Broschüre für den »geschlechtsgerechten Sprachgebrauch« herausgegeben. Ziel der Maßnahme ist es, geschlechtsspezifische Wörter und Formulierungen in offiziellen Papieren zu eliminieren.

Jahrelang hatte sich eine »hochrangige« Arbeitsgruppe unter der Leitung von acht Vizepräsidenten mit »der Anleitung für eine geschlechtergerechte Sprache« beschäftigt. Rastlos haben sie nach Wörtern in den Parlamentsveröffentlichungen gesucht, die als »einseitig, diskriminierend oder herabsetzend ausgelegt werden können«. Und sie sind fündig geworden: »In manchen Sprachen ist das Element Mann in Ausdrücken enthalten, mit denen Frauen ebenso gemeint sind wie Männer: Fachmann, Staatsmann, Seemann.« Das dürfe so nicht weitergehen. »Mit etwas Bemühung und Umsicht lässt sich zumeist eine auf die Geschlechter bezogene neutrale Ausdrucksweise finden«, dozieren die Experten. Sie fordern, in offiziellen Texten das Wort »Fahrer« durch »fahrendes Personal«, den Begriff »Polizist« durch »Polizeikraft« und die Bezeichnung »Lehrer« durch »Lehrkraft» zu ersetzen.

Wie vor einigen Monaten berichtet, wurden im US-Kongress bereits entsprechende Richtlinien erlassen. So breitet sich die Ideologie von Judith Butler in den westlichen Gesellschaften unter dem Deckmantel der Geschlechtergerechtigkeit erfolgreich aus. Durch eine Neubesetzung der Sprache wird die ›Zwangsheterosexualität‹ dekonstruiert. Wir Steuerzahler finanzieren unsere eigene Umprogrammierung.

Hier der Bericht aus DIE WELT: www.welt.de.

Alltägliche Wahrheitsstrategien und Argumentationen

Vor einigen Wochen habe ich an dieser Stelle das Buch Wahrheit und Wandel von Christian Bensel vorgestellt. Die Dissertation ist inzwischen auch als PDF online und kann unter folgender Adresse abgerufen werden: http://sammelpunkt.philo.at:8080/1586.

Abstract: Ist Wahrheit wirklich relativ, wandelbar und kulturell bedingt? Sind sogar unsere Wahrheitskriterien kulturabhängig? Neun Kriterien werden aus der Diskussion verschiedener Theorien gewonnen und helfen bei der Beantwortung dieser Fragen. Über alltägliche, praktische Zusammenhänge von Wahrheit, Wissen, Sprache und Argumentation führen sie zu neun Wahrheitsstrategien. Diese Strategien sind gesellschaftlich akzeptierte Handlungen, die Überzeugungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Da sie in Argumentationen zu finden sind, untersucht diese Arbeit fünf apologetische Texte aus verschiedenen Epochen und Kulturen, die versuchen, so allgemein akzeptabel wie möglich für ihre christlichen Überzeugungen zu argumentieren. Die Analyse der enthaltenen 3393 Argumentationen zeigt gemeinsame Strategien und vergleichbares argumentatives Verhalten. Diese Ergebnisse belegen die epochen- und kulturübergreifende Akzeptanz gewisser grundlegender Überzeugungen und legen die Existenz allgemein menschlicher Wahrheitsstrategien nahe.

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