Sühne

Das Kreuz falsch verstehen

Ich bin dankbar, dass Stephen J. Wellum ein bei evangelikalen sehr beliebtes Buch zur Sühnetheologie gründlich gelesen hat. Seine Rezension zu The Crucifixion: Understanding the Death of Jesus Christ von Fleming Rutledge ist fair, bringt aber eklatante Schwächen zur Sprache. So deutet sie beispielsweise mit Hermann Cremer und Ernst Käsemann die Gerechtigkeit als überwiegend horizontalen Begriff und die Gerechtigkeit Gottes als Bundestreue.

In chapter 3, Rutledge rightly argues that God’s justice/righteousness is central to a correct view of the cross. Yet she does not think of divine justice first as an essential attribute of God so that in relation to sin, God, as the moral standard of the universe and the offended party, stands against sin in holy wrath that must be satisfied. She does not think that for sin to be forgiven, God must first satisfy his own righteous demand against sin. Instead, Rutledge views divine justice more “horizontally,” namely, as “rectification” or God making things right (133-134). God is truly outraged against sin (129-130) but more in terms of the effects of sin. Rutledge rejects any view of God as a “remote judge” who hands down pronouncements “according to some legal norm” (136).

Instead, God declares his “enmity against everything that resists his redemptive purposes” (136) so that his justice “is not retributive but restorative” (136). Similar to the New Perspective on Paul, Rutledge argues that divine justice “is not so much that God isrighteous but that he does righteousness” (137)—a display of “covenant faithfulness” (137). God’s wrath or outrage is really a display of his mercy because in the cross, God has taken injustice into himself and begun to make all things right in Christ’s resurrection. In fact, God has so rectified injustices in the cross that seemingly all wrongs are righted so that either “unrepentant monsters of history… will be either utterly transfigured or annihilated altogether, for no one is beyond the reach of God’s power” (603). In Christ, then, God rectifies all wrongs, obliterates any memory of injustices, and annihilates any unrepentant people (who seemingly are few) (610-12). Christ, as the “representative of all humanity” (including the elect and the reprobate [607]), suffers “condemnation in place of all humanity” and destroys the Power of Sin and Death and inaugurates a new creation (610-11).

Mehr: credomag.com.

Musste Jesus sterben?

Am kommenden Wochenende werde ich am ITG-Studienzentrum in Innsbruck über das christliche Sühneverständnis sprechen. Das Thema wird heute kontrovers diskutiert. Besonders der Gedanke eines stellvertretenden Sühneopfers wird häufig bestritten. Schon 1986 schrieb John Stott in seinem wahrscheinlich wichtigsten Buch Das Kreuz: „Keine Begriffe des theologischen Wortschatzes rund um das Kreuz haben mehr Kritik hervorgerufen, als ‚Genugtuung‘ und ‚Stellvertretung‘.“

Während wir daran gewöhnt sind, davon zu sprechen, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat (vgl. Apg 4,10; 5,30), macht es uns gewisse Schwierigkeiten, zu akzeptieren, dass die Kreuzigung ebenso Gottes Bestimmung war. Dabei spricht die Bibel durchaus davon, dass in der Kreuzigung Gott seinen Sohn in den Tod gegeben hat und er sterben musste. Während wir auf der einen Seite daran festhalten, dass die Menschen durch ihre Sünde den unschuldigen Sohn ans Kreuz gebracht haben und Jesus sich freiwillig hingab, halten wir Golgatha zugleich für eine Heilstat Gottes.

Einige Beispieltexte:

Ein sehr starker Text ist Röm 8,32:

„Er [Gott, vgl. V. 31], der seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“

Apg 2,23 spricht davon, dass Jesus von Nazaret gemäß Gottes „unumstößlichem Ratschluss“ (griech. ὡρισμένῃ βουλῇ, ōrysmenē boulē) getötet werden musste. Jesus starb folglich, weil Gott es so geplant hat. In Apg 2,22–24 lesen wir:

„Israeliten, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, einen Mann, der sich vor euch als Gesandter Gottes ausgewiesen hat durch machtvolle Taten und Wunder und Zeichen, die Gott – wie ihr selbst wisst – mitten unter euch durch ihn getan hat, ihn, der nach Gottes unumstößlichem Ratschluss und nach seiner Voraussicht preisgegeben werden sollte, habt ihr durch die Hand gesetzloser Menschen ans Kreuz geschlagen und getötet. Ihn hat Gott auferweckt und aus den Wehen des Todes befreit, denn dass er in dessen Gewalt bleiben könnte, war ja unmöglich.“

In Apg 4,28 erklärt gemäß dem lukanischen Bericht die Gemeinde in einem gemeinsamen Gebet, dass Herodes und Pontius Pilatus zusammen mit den Heiden und dem Volk Israel getan haben, was Gottes Hand und „Ratschluss zuvor bestimmt hatte, damit es geschehen sollte“. Auch die Leidensankündigungen in den Evangelien sprechen davon, dass Jesus leiden musste. In Mk 8,31 schreibt der Evangelist über Jesus:

„Und er begann sie zu lehren: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten und den Hohen Priestern und den Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.“

Markus gebraucht für das „Muss“ seines Totes das griechische δεῖ (dei), welches eine Notwendigkeit bezeichnet. Das Verbum steht für eine göttliche, unabwendbare Bestimmung (vgl. Bauer, WB6, Sp. 343 u. EWNT, Bd. 1, Sp. 668–671; siehe auch die Untersuchung: W. J. Bennett, „The son of man must …“, in: Novum Testamentum 17 (1975), Nr. 2, S. 113–129). In den dann folgenden Leidensankündigungen gebraucht Markus das passivum divinum und drückt damit aus, dass Jesus von Gott dahingeben wurde (vgl. Mk 9,31; 10,33).

Bei Lukas ist die Rede von der Notwendigkeit des Leidens und Sterbens Jesus ebenfalls zu finden. Bevor der Menschensohn wiederkommt, „muss [griech. δεῖ, dei] er viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht“ (Lk 17,25). „Der Menschensohn muss [griech. δεῖ, dei]“ – lesen wir in Lk 24,7 – „in die Hände von sündigen Menschen ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen.“

Im Johannesevangelium ist ähnlich von einem „Muss“ des Erhöhtwerdens des Menschensohnes die Rede. Joh 3,13–15 sagt beispielsweise:

„Und niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Menschensohn. Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss [griech. δεῖ, dei] der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.“

N.T. Wright’s: The Day the Revolution Began

Dane Ortlund hat N.T. Wrights The Day the Revolution Began: Reconsidering the Meaning of Jesus’s Crucifixion gelesen und ist deutlich kritischer als Michael Horton.

Throughout the book I kept writing HOW in the margin. Wright tells us (if you’ll forgive a run-on sentence) that ‚the death of Jesus has opened up a whole new world‘ (p. 82) and ‚the death of Jesus launched the revolution‘ (p. 83) and ‚by six o’clock on the Friday evening Jesus died, something had changed, and changed radically‘ (p. 156) and ‚Jesus believed that through his death this royal power would win the decisive victory‘ (p. 183) and that in the crucifixion ‚the covenant was renewed because of the blood that symbolized the utter commitment of God to his people‘ (p. 194) and that the crucifixion is ‚the personal expression of [the love of God] all the way to his death‘ (p. 201) and that ’something has happened to dethrone the satan and to enthrone Jesus in its place‘ (p. 207) and that ‚a new sort of power will be let loose upon the world, and it will be the power of self-giving love‘ (p. 222) and that ‚the cross establishes the kingdom of God through the agency of Jesus‘ (p. 256) and that ‚Jesus in himself, and in his death, is the place where the one God meets with his world, bringing heaven and earth together at last‘ (p. 336) and that ‚when Jesus died, something happened as a result of which the world was a different place‘ (p. 355). We are even told repeatedly that ’sins are forgiven through the Messiah’s death‘ (p. 115).

But Wright doesn’t divulge how this worked. Notice how vague and foggy the above statements are.

Why did Jesus need to die? How did his death begin a revolution?

Then in the course of a few pages in the middle of chapter 11 (on Paul) I began to understand, in part anyhow, why Wright is evasive throughout the book. He writes: „Nowhere here does Paul explain why or how the cross of the Messiah has the power it does, but he seems able to assume that‘ (p. 230). A few pages later he writes of ‚modern Western expectations‘ and the ’supposed central task of explaining how the punishment of our sins was heaped onto the innocent victim‘ (p. 232). Later, speaking of 1-2 Corinthians, ‚At no point does [Paul] offer anything like a complete exposition of either what the cross achieved or why or how it achieved it‘ (p. 246).

Wright is vague on how the crucifixion works because he thinks the New Testament is.

Hier mehr: dogmadoxa.blogspot.de.

Versöhnung durch Sühne

In seiner Vorlesung zur Rechtfertigungslehre (aus: Dogmatik-Vorlesungen 1957–1960,  Münster: Lit Verlag, 2013, S. 150–152) eröffnete Hans Joachim Iwand den Teil zur Versöhnungslehre mit einer religionsgeschichtlichen Darstellung. Deutlich wird dabei, dass er er den alttestamentlichen Kult als Erwartung und Vorbereitung des neutestamentlichen Sühnegeschehens deutete (vgl. Röm 3,24–26).

Wir gehen […] zunächst nicht vom biblischen Verständnis des Wortes [,Versöhnung1] aus, denn jene lexikographische Form, Theologie zu treiben, indem wir ein bestimmtes biblisches Verständnis des Wortes zum Ausgangspunkt nehmen, verliert nur allzu leicht den Sachbezug, in dem das Wort steht. Und die Schrift will ja nicht als eine Sammlung theologischer Worte und Begriffe gelesen sein, sondern als Zeugnis vom Handeln Gottes, wie es sterblichen und sündhaften Menschen widerfahren ist. So begegnet uns denn auch der Begriff ,Versöhnung’ im AT wie im NT im Zusammenhang mit Taten und Handlungen, sei es nun solchen Gottes mit uns oder solchen, die von Menschen her auf Gott hin vollzogen werden. Und wie immer man es auch fassen möge, ,versöhnen’ hat es im AT zunächst einmal mit Sühne zu tun. Es gilt, Gottes Zorn zu versöhnen, und so hat unser Wort seinen ureigensten Bereich in den Opferhandlungen, die sich in einem geregelten Kultus vollziehen. Man weiß eines, und man weiß das unter allen Völkern, dass es besonders bedrängende Lagen gibt, in denen es gilt, den Zorn Gottes zu beschwichtigen. Je kostbarer das Opfer ist, das der Mensch bringt, desto eher hofft er Gott zu besänftigen (placare, reconciliare). Wir werden gut daran tun, über diese in der gesamten Religionsgeschichte der Menschheit verbreitete Handlung des Sühnens ein wenig vorsichtiger zu urteilen, wenn wir erkennen, wie sehr diese Neigung in der menschlichen Natur verwurzelt ist: Man meint – und das eben ist die furchtbare und traurige Verfinsterung und Gottesfeme unseres Lebens -, dass es eine Wiedergutmachung1 Gott gegenüber gäbe, man meint, wir könnten etwas geben, um Gott umzustimmen. Dabei geben wir nun aber gerade , etwas’, also nicht uns selbst: nicht ein Ganzopfer des Menschenherzens, sondern etwas, das nicht wir sind! Und eben dies ist das Bedenkliche und Widergöttliche, daschen Religionen und Kulten vor, weshalb diese ja auch nicht irgendwelchen Phantasien entstammen, vielmehr einen sehr realen und oftmals erschütternden ernsten Akt im Handeln einer leidenden und gequälten Menschheit darstellen, die versucht, sich mit dem Himmel zu versöhnen. Es ist ein Wissen da um Schuld und die Meinung, dass Schuld und Strafe Zusammenhängen: von daher der Versuch der Menschen, der so alt ist wie sie selbst und den keine Aufklärung ihnen je wird ausreden können, die Götter zu versöhnen. Das ist die Wurzel aller Kulte.

In diesem Sinne haben auch der Kult und das Opfer seinen Platz im AT gefunden, und zwar so deutlich und so entschieden, dass hier als beherrschend heraustrat, was bei den Heiden sozusagen mehr an den Rand gedrängt war und nur hin und wieder aufbrach. Gerade jenes leidenschaftliche Bemühen, Gott zu versöhnen, beherrscht das Leben des alttestamentlichen Gottesvolks. Hier weiß man, dass die Sünde, damit dass sie getan ist, nicht hinter uns liegt, sondern dass sie weiterlebt, dass Gottes Arm noch ausgereckt ist, dass solche Menschentat damit, dass sie geschehen ist, eine Wirklichkeit wurde (etwa Kains Bluttat), die als solche nun auch die Wirklichkeit unseres Lebens gestaltet, und dass darum Gottes Grimm und Zorn über eben dieser Wirklichkeit steht. Es ist undenkbar, dass Gott auf die Sünde, die Übertretung seines Willens, nicht reagiert, undenkbar, dass er schwiege, wenn sein Name missbraucht, seine Anrufung unterlassen oder wenn er gar verraten wird, um anderen Göttern zu dienen.Es fallt auf, dass die Bibel unbedenklich vom Zorn Gottes redet, von seinen Gerichten und von seinem Grimm, beispielhaft im 1. Kapitel des Römerbriefs, in dem Paulus geradezu die Quintessenz der Zomesworte Gottes aus dem AT zusammengetragen hat. Dieser Zorn ist aber nichts anderes als das Verhalten Gottes zu der durch die Tat des Ungehorsams bestimmten Wirklichkeit des Menschen und der Welt. Wenn die Welt Gottes Welt ist, kann Gott neben sich und um sich nicht diese „Nichtigkeit“ [vgl. Röm 1, 21], diese auf den Nenner , Sünde4 zu bringende Größe dulden. Der Zorn Gottes ist Gottes Nein gegenüber der Zumutung, diese Wirklichkeit nun einfach auch als Wirklichkeit gelten zu lassen. Und selbst wenn wir Menschen sie gelten ließen – Gott kann und wird das nicht tun. Und eben das weiß in einer besonderen Weise, die nicht von den Tatsachen zur Ursache, sondern von der Ursache zur Tatsache geht, das AT: Es weiß, dass wir dahin müssen durch seinen Zorn [vgl. Ps. 90, 9], es weiß, dass die Gesetzgebung Leben und Tod bedeutet [vgl. Dtn 30] , es weiß, dass Gott in einem heiligen Volk leben will – und nur in ihm. Das ist die Größe des AT, dass es sich nicht begnügt mit der Harmonisierung und Versöhnung von Gott und Welt, sonderneben darin als widergöttlich erwiesen wurde, dass Gott das Werk der Versöhnung selbst übernommen hat. Der Sühne-Gedanke liegt in allen natürlichen Religionen und Kulten vor, weshalb diese ja auch nicht irgendwelchen Phantasien entstammen, vielmehr einen sehr realen und oftmals erschütternden ernsten Akt im Handeln einer leidenden und gequälten Menschheit darstellen, die versucht, sich mit dem Himmel zu versöhnen. Es ist ein Wissen da um Schuld und die Meinung, dass Schuld und Strafe Zusammenhängen: von daher der Versuch der Menschen, der so alt ist wie sie selbst und den keine Aufklärung ihnen je wird ausreden können, die Götter zu versöhnen. Das ist die Wurzel aller Kulte.In diesem Sinne haben auch der Kult und das Opfer seinen Platz im AT gefunden, und zwar so deutlich und so entschieden, dass hier als beherrschend heraustrat, was bei den Heiden sozusagen mehr an den Rand gedrängt war und nur hin und wieder aufbrach. Gerade jenes leidenschaftliche Bemühen, Gott zu versöhnen, beherrscht das Leben des alttestamentlichen Gottes-volks. Hier weiß man, dass die Sünde, damit dass sie getan ist, nicht hinter uns liegt, sondern dass sie weiterlebt, dass Gottes Arm noch ausgereckt ist, dass solche Menschentat damit, dass sie geschehen ist, eine Wirklichkeit wurde (etwa Kains Bluttat), die als solche nun auch die Wirklichkeit unseres Lebens gestaltet, und dass darum Gottes Grimm und Zorn über eben dieser Wirklichkeit steht. Es ist undenkbar, dass Gott auf die Sünde, die Übertretung seines Willens, nicht reagiert, undenkbar, dass er schwiege, wenn sein Name missbraucht, seine Anrufung unterlassen oder wenn er gar verraten wird, um anderen Göttern zu dienen.

Es fällt auf, dass die Bibel unbedenklich vom Zorn Gottes redet, von seinen Gerichten und von seinem Grimm, beispielhaft im 1. Kapitel des Römerbriefs, in dem Paulus geradezu die Quintessenz der Zomesworte Gottes aus dem AT zusammengetragen hat. Dieser Zorn ist aber nichts anderes als das Verhalten Gottes zu der durch die Tat des Ungehorsams bestimmten Wirklichkeit des Menschen und der Welt. Wenn die Welt Gottes Welt ist, kann Gott neben sich und um sich nicht diese „Nichtigkeit“ [vgl. Röm 1, 21], diese auf den Nenner ,Sünde‘ zu bringende Größe dulden. Der Zorn Gottes ist Gottes Nein gegenüber der Zumutung, diese Wirklichkeit nun einfach auch als Wirklichkeit gelten zu lassen. Und selbst wenn wir Menschen sie gelten ließen – Gott kann und wird das nicht tun. Und eben das weiß in einer besonderen Weise, die nicht von den Tatsachen zur Ursache, sondern von der Ursache zur Tatsache geht, das AT: Es weiß, dass wir dahin müssen durch seinen Zorn [vgl. Ps. 90, 9], es weiß, dass die Gesetzgebung Leben und Tod bedeutet [vgl. Dtn 30] , es weiß, dass Gott in einem heiligen Volk leben will – und nur in ihm. Das ist die Größe des AT, dass es sich nicht begnügt mit der Harmonisierung und Versöhnung von Gott und Welt, sondern dass es weiß und herausarbeitet, dass Gott selbst versöhnt sein muss und dass sein Zorn alles, selbst das erwählte Volk und selbst die Stätte seiner eigenen Anbetung nicht schont. Zorn Gottes heißt im AT: dass es kein Mittel gibt, um vor Gott zu bestehen, wenn er Sünden anrechnen will [vgl. Ps 130, 3], dass das Mittel, den Zorn zu wenden, allein in Gott selber liegt.

Gewalt im Namen Gottes?

Hier noch kurz der Hinweis auf zwei apologetische Veranstaltungen:

  • Heute Abend spricht Dr. Christian Hofreiter (Direktor von Ravi Zacharias Ministries Deutschland) in der FEG München-Mitte um 19.30 Uhr über das Thema: „Gewalt im Namen Gottes. Intoleranz der Religionen“.
  • Morgen, am 21. März, gibt es von 10.00 bis 17.00 Uhr am MBS-Studienzentrum in Bielefeld eine Vorlesung zu dem Thema: „Die Strafe liegt auf ihm …“: Das „stellvertretende Sühneopfer“.

Zum Inhalt der Veranstaltung in Bielefeld:

„Keine Begriffe des theologischen Wortschatzes rund um das Kreuz haben mehr Kritik hervorgerufen, als ‚Genugtuung‘ und ‚Stellvertretung‘“, schrieb John Stott 1986 in seinem vielleicht wichtigsten Buch: Das Kreuz. Die Sühnetat von Jesus Christus ist einerseits biblisch so vielfältig und profund bezeugt, dass sie mit Recht zum Herz des christlichen Glaubens gezählt wird, andererseits musste Josef Blank bereits 1986 feststellen: „Wahrscheinlich begegnet heute keine Lehre des Christentums größeren Schwierigkeiten als die traditionelle Lehre, daß uns Jesus Christus durch seinen stellvertretenden Sühnetod am Kreuz von unseren Sünden erlöst hat.“Dass Gott sich in der Person seines Sohnes stellvertretend für die gefallene Menschheit hingibt und Tod und Fluch als Strafe für die Sünden der Menschen trug und sie so mit Gott dem Vater versöhnte, ist ein schon sehr früh beschriebenes Verständnis des Kreuzestodes. Der Rationalismus der Aufklärung hat allerdings einen radikalen Bruch mit der Vorstellung eines stellvertretenden Opfers ausgelöst. Durch die „aufgeklärten“ Weichenstellungen haben sich in der Neuzeit humanisierende Sühnetheologien durchgesetzt und das biblische Sühneverständnis weitgehend an den Rand gedrängt. Dieses Seminar zeichnet die Entwicklung nach und will dazu beitragen, die verschiedenen biblischen Deutungen für das Geschehen auf Golgatha besser zu verstehen. Die Botschaft, dass Jesus Christus für uns Menschen eine vollkommene Sühne erwirkt hat, wird dabei hervorgehoben und durch exegetische Studien begründet.

Ausserdem nochmals der Hinweis auf die Vorlesung mit Peter O’Brien, ebenfalls am 21. März in München.

Podiumsdiskussion mit N.T. Wright

Ich habe kürzlich auf die Tagung „Der gekreuzigte Messias“ mit N.T. Wright in der Schweiz hingewiesen. Die Podiumsdiskussion der Konferenz, in der es insbesondere um die Sühnetheologie, die Überbetonung des Exil- und Exodusmotives sowie die Israelfrage geht, kann hier nachgehört werden:

Zornfreies Singen

Die PC (USA) ist mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern die größte presbyterianische Kirche Nordamerikas. Obwohl dem Heidelberger Katechismus, dem Zweiten Helvetischen Bekenntnis (confessio Helvetica posterior) und dem Westminster Bekenntnis verpflichtet, zeigen sich in dieser Kirche, die 1983 durch den Zusammenschluss des südlichen und des nördlichen Zweiges der Presbyterianer entstand, seit vielen Jahren liberale Tendenzen.

Diese Neigungen haben selbstverständlich Auswirkungen auf das Liedgut. Da in dem Lied „In Christ Alone“ von Keith Getty und Stuart Townend in der vierten Strophe:

Bis zu diesem Kreuz, als Jesu starb, dem Zorn Gottes wurde Genüge getan; für jede Sünde, die auf ihm lag — hier durch den Tod von Christus lebe ich.

gesungen wird, fliegt es nun wegen der damit verbundenen Sühneopfertheologie aus dem Gesangbuch.

Im Westminster Bekenntnis von 1647 heißt es in Artikel 8.5 übrigens:

Der Herr Jesus hat durch seinen vollkommenen Gehorsam und durch das Opfer seiner selbst, das er durch den ewigen Geist ein für alle Mal Gott dargebracht hat, der Gerechtigkeit seines Vaters volle Genugtuung geleistet und hat für alle, die ihm der Vater gegeben hat, nicht allein die Versöhnung, sondern auch ein ewiges Erbe im Himmelreich erworben.

Hier ein Kommentar von La Shawn Barber: www.worldmag.com.

Die Armut sühneloser Theologie

Wer einmal lesen möchte, wie trostlos und – anders kann man es kaum sagen – dümmlich eine Theologie ohne Sühne werden kann, wird bei der Jesus.de-Reihe „Geheimnisse des Glaubens“ (Bundes-Verlag) fündig. In der Lektion „Gott ist ungerecht – und das ist gut so“ lernen wir:

Gott sitzt zwischen den Stühlen: Will er gerecht sein, könnten wir nicht leben. Deshalb geht Gott nicht den Weg der Gerechtigkeit, sondern den Weg des Friedens.

Der Friede siegt über die Gerechtigkeit. Alles wird gut. Moment mal? Zieht nicht Friede dort ein, wo Gerechtigkeit herrscht? Kann Gott einfach über unsere Sünde hinwegschauen?

Wer die Heilige Schrift liest und daran glaubt, dass das, was dort niedergeschrieben ist, verstanden werden kann, wird hier berechtigte Zweifel haben. Ist es nicht so, dass sich bei Gott Gerechtigkeit und Friede küssen (vgl. Ps 85,11)?

Ja, Gott ist gerecht und kann nicht ungerecht handeln. „Geht es bei Gott etwa ungerecht zu? Gewiss nicht!“, schreibt Paulus in Römer 9,14. Um den Rechtsanspruch des von ihm selbst geoffenbarten Gesetzes erfüllen zu können, hat Gott seinen eigenen Sohn im Fleisch als „Sühnopfer“ gesandt (vgl. Rom 8,3). Die Strafe, die uns Sünder hätte treffen müssen, hat Jesus Christus am Kreuz getragen. Nur weil er die Glaubenden mit seiner Gerechtigkeit  schmückt, können sie vor Gott bestehen (vgl. Mt 22,1–14). „Den, der von keiner Sünde wusste, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm zur Gerechtigkeit Gottes würden“ (2Kor 5,21).

Wie bist du vor Gott gerecht, fragt der Heidelberger Katechismus (Frage 60)? Die Antwort:

Allein durch wahren Glauben an Jesus Christus also: daß, ob mich schon mein Gewissen anklagt, daß ich wider alle Gebote Gottes schwerlich gesündigt und derselben keines nie gehalten habe, auch noch immerdar zu allem Bösen geneigt bin, doch Gott, ohne all mein Verdienst aus lauter Gnaden, mir die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi schenkt und zurechnet, als hätte ich nie eine Sünde begangen noch gehabt und selbst all den Gehorsam vollbracht, den Christus für mich hat geleistet, wenn ich allein solche Wohltat mit gläubigem Herzen annehme.

Ja, Herr, Gott, Herrscher über das All, voller Wahrheit und Gerechtigkeit ist dein Urteil (vgl. Offb 16,7)!

Starb Jesus für alle?: Kommentar zum Papstbrief

Papst Benedikt XVI. hat mit Zeichnung vom 14. April 2012 einen Brief an die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz geschrieben. In diesem Brief geht er auf die angemessene Übersetzung des sogenannten „Kelchwortes“ im Hochgebet der Katholischen Messe ein. Es geht um die Frage, ob beim Abendmahl davon gesprochen werden soll, dass Jesus „für alle“ oder „für viele“ gestorben ist. Papst Benedikt XVI. möchte zurück zur Formulierung „für viele“, da sie in den neutestamentlichen Einsetzungsworten zu finden ist und begründet dies unter anderem mit einer Abkehr vom bisher vorausgesetzten „Semitismus“ bei der Übersetzung der griechischen Evangelienworte. Dabei weist er darauf hin, dass die Konzepte der Übersetzer oder Ausleger den Bibeltext nicht verdecken dürfen, also zwischen dem Bibeltext und seiner Interpretation zu unterscheiden ist. Ihm, der liturgische Gebete in vielen Sprachen sprechen muss, ist „im Lauf der Jahre immer mehr auch persönlich deutlich geworden, dass das Prinzip der nicht wörtlichen, sondern strukturellen Entsprechung als Übersetzungsleitlinie seine Grenzen hat“. Er schreibt:

Lassen Sie mich zunächst kurz ein Wort über die Entstehung des Problems sagen. In den 60er Jahren, als das Römische Missale unter der Verantwortung der Bischöfe in die deutsche Sprache zu übertragen war, bestand ein exegetischer Konsens darüber, dass das Wort „die vielen“, „viele“ in Jes 53,1l f. eine hebräische Ausdrucksform sei, um die Gesamtheit, „alle“ zu benennen. Das Wort „viele“ in den Einsetzungsberichten von Matthäus und Markus sei demgemäß ein Semitismus und müsse mit „alle“ übersetzt werden. Dies bezog man auch auf den unmittelbar zu übersetzenden lateinischen Text, dessen „pro multis“ über die Evangelienberichte auf Jes 53 zurückverweise und daher mit „für alle“ zu übersetzen sei. Dieser exegetische Konsens ist inzwischen zerbröckelt; er besteht nicht mehr. In der deutschen Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift steht im Abendmahlsbericht: „Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ (Mk 14, 24; vgl. Mt 26, 28). Damit wird etwas sehr Wichtiges sichtbar: Die Wiedergabe von „pro multis“ mit „für alle“ war keine reine Übersetzung, sondern eine Interpretation, die sehr wohl begründet war und bleibt, aber doch schon Auslegung und mehr als Übersetzung ist.

Diese Verschmelzung von Übersetzung und Auslegung gehört in gewisser Hinsicht zu den Prinzipien, die unmittelbar nach dem Konzil die Übersetzung der liturgischen Bücher in die modernen Sprachen leitete. Man war sich bewusst, wie weit die Bibel und die liturgischen Texte von der Sprach- und Denkwelt der heutigen Menschen entfernt sind, so dass sie auch übersetzt weithin den Teilnehmern des Gottesdienstes unverständlich bleiben mussten. Es war ein neues Unternehmen, dass die heiligen Texte in Übersetzungen offen vor den Teilnehmern am Gottesdienst dastanden und dabei doch in einer großen Entfernung von ihrer Welt bleiben würden, ja, jetzt erst recht in ihrer Entfernung sichtbar würden. So fühlte man sich nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, in die Übersetzung schon Interpretation einzuschmelzen und damit den Weg zu den Menschen abzukürzen, deren Herz und Verstand ja von diesen Worten erreicht werden sollten.

Thomas Söding, Neutestamentler in Bochum, hat für den DLF die Debatte kurz kommentiert. Ich teile seine Position nicht, gebe aber hier gern die Stellungnahme wieder:

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2012/04/27/dlf_20120427_0936_4583b569.mp3[/podcast]

Streit um christliche Kreuzestheologie

Der DLF hat einen Beitrag über die Sühneopfer-Diskussion in der EKD veröffentlicht. Zu Wort kommen unter anderem Burkhard Müller und Ulrich Eibach. Müller fordert den Abschied von der Kreuzestheologie und ist mit seinem Anliegen von N. Schneider unterstützt worden. Eibach verteidigt die Sühne als Herzstück des Glaubens.

Leider wird im gesamten Beitrag die biblische Sühnetheologie nicht zustimmend erklärt. Wer dazu Hintergrundinformationen sucht, wird in dem Artikel „Das Herz des Evangeliums“ fündig: HerzdesEvangeliums.pdf. Eibach hat seine Position dargestellt in: „‚Gestorben für unsere Sünden nach der Schrift‘“: Zur Diskussion um die Heilsbedeutung des Todes Jesu Christi“, Für uns gestorben: Sühne, Opfer, Stellvertretung, Neukirchener Verlag 2009, 155–190.

’Hier nun der Beitrag „Streit um christliche Kreuzestheologie: Der Tod Jesu als Sühneopfer?“ (wenn es auch schmerzt, in den Ostertagen so etwas zu hören):

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