Warum unser Herz unruhig ist

In seiner Interpretation des „Unruhig ist unser Herz“ greift Walter Andreas Euler auf die Psalmenauslegung und das Buch De Trinitate des Kirchenvaters Augustinus zurück und fasst die Phänomenologie der Unruhe so zusammen (M. Fiedrowicz (Hg.), Unruhig ist unser Herz: Interpretationen zu Augustins Confessiones, 2004, S. 12).:

In seiner Auslegung der Psalmen stellt der Kirchenvater fest, dass unzählige Wünsche in den Herzen der Menschen wohnen. Der eine will Geld, der zweite Besitztümer, der dritte ein großes Haus, der vierte eine Frau, der fünfte eine herausgehobene berufliche Stellung, der sechste gesellschaftliches Ansehen usw. Augustinus stellt sich diesen Fragen nicht abstrakt, sondern wir wissen aus den Confessiones, dass er (zusammen mit seinen Eltern) solche Wünsche lange Zeit, vielleicht mehr als andere, teilte und sie sein Lebensmotor waren. Die Gier des Menschen, so weiß Augustin aus eigener Erfahrung, ist unersättlich. Sie wächst sogar, je mehr der Mensch bekommt und je mehr Wünsche sich erfüllen. Darin zeigt sich, dass die Sehnsucht des Menschen prinzipiell durch nichts Endliches, durch nichts Sterbliches befriedigt werden kann, weil sich die Wünsche immer als größer als die Möglichkeiten ihrer Erfüllung erweisen und weil etwas Endliches, Vergängliches der unendlichen Sehnsucht des Menschen augenscheinlich nicht entsprechen kann. Jeder Mensch will glücklich sein und die Sehnsucht nach Glück motiviert all seine Taten, die bösen eingeschlossen. Mancher allerdings, so stellt Augustin im zehnten Buch der „Bekenntnisse“ fest, begnüge sich aus Bequemlichkeit faktisch mit dem „kleinen“ Glück der irdischen Befriedigungen und verfehle so das große, das eigentliche Glück des seligen, des ewigen Lebens bei Gott. Gleichwohl gilt, dass alle Menschen zumindest prinzipiell glückselig sein wollen, und, so heißt es in De Trinitate, „sie wollen zweifelsohne nicht, dass ihr Glück aufgebraucht wird oder zugrunde geht. Nun können sie aber nur, wenn sie leben, glücklich sein. Also wollen sie nicht, dass ihr Leben zugrunde geht. Unsterblich also wollen alle sein, die wahrhaft glücklich sind oder es zu sein begehren. Nicht aber lebt glücklich, wem nicht zur Verfügung steht, was er will. In keiner Weise wird also das Leben wahrhaft glücklich sein können, wenn es nicht immerwährend ist.“

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11 Jahre zuvor

[…] Ein schöner Kommentar zu diesem Satz des Augustinus ist hier zu […]

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