Die Schriftstellerin Olga Martynova hat sich in der FAZ (hinter der Bezahlwand) sehr klug zur gendergerechten Spracherziehung geäußert:
Wenn ich von Kulturbeamten unterschriebene Flyer bekomme, wo Dichter*innen und Teilnehmende begrüßt werden, fühle ich mich unter Druck gesetzt. Für mich als jemanden, der in der Sowjetunion aufgewachsen ist, ist das besonders seltsam, eigentlich ein Déjà-vu: Ich als Autorin bekomme absurde sprachliche Empfehlungen von einer Kulturbehörde! Die Ähnlichkeit wird leider dadurch verstärkt, dass ich einige der Verfasser jener Texte privat sagen höre, sie fänden genderangepasste Sprache absurd. Das erinnert wieder an sowjetische Kulturverantwortliche, die eine private Meinung für die Freunde und eine ganz andere öffentliche Position hatten. Hilfe, will man rufen, aber wer kann helfen, und gegen wen? Die aufrichtigen Menschen, die glauben, dass sie auf diese Weise zur Gerechtigkeit beitragen, sollten jedoch eine Regel beachten: Immer, wenn man der Sprache Gewalt antut, verletzt man die Menschlichkeit. Das heißt, es stimmt da etwas nicht.
Es scheint so, als ob Menschen, die sich mit Diktaturen befasst haben oder sogar in ihnen gelebt haben, sensibler auf die behördlichen Eingriffe in die Sprache reagieren.
Passend dazu auch Judith Butler (!) im Interview mit dem Philosphie Magazin:
„Manchmal kommt es mir so vor, als seien die mikropolitischen Sprachregelungen der Linken die einzige Macht, die ihnen noch bleibt. Anschuldigungen und Anklagen werden zu bevorzugten Formen von Politik in Zeiten der Verzweiflung. Doch nötig wären ein soziales und ein politisches Ideal. Und eine exzellente Strategie.“