„World Vision“ und das Evangelium

Diese Woche gab es in der evangelikalen Welt Nordamerikas eine „Explosion“. Die ursprünglich evangelikale Hilfsorganisation World Vision teilte mit, dass sie von nun an Menschen unterstütze und anstelle, die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe leben. Kenner der Szene waren nicht überrascht, aber insgesamt löste die Nachricht einen „Infosturm“ aus. Die Seite von Christianity Today, auf der Richard Sterns den Politikwechsel bekannt gab, war wegen Überlastung teilweise nicht erreichbar. Begründet hat er die neue Ausrichtung unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass Veränderung das Symbol der christlichen Einheit, nicht Kennzeichen von falschen Kompromissen sei.

Franklin Graham, Sohn von Billy Graham und Leiter der Hilfsorganisation „Samaritan’s Purse“, reagierte mit den Worten:

Ich war schockiert als ich heute hörte, dass World Vision sich entschieden hat, auch gleichgeschlechtliche Paare anzustellen. Die Bibel zeigt klar, dass die Ehe eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau ist. Meinem lieben Freund, Bob Pierce, dem Gründer von World Vision und Samaritan’s Purse, würde das Herz brechen. Er war ein Evangelist, der dem inspirierten Wort Gottes vertraute.

Umfangreichere theologische Analysen der Entscheidung sind bei Kevin DeYoung und Denny Burke zu finden. Ich veröffentliche nachfolgend mit freundlicher Genehmigung eine Stellungnahmen von Dr. Russel Moore, dem Sprecher für Religionsfreiheit und Ethik des Bundes der Südlichen Baptisten in Nordamerika. Ich danke Ivo C. für die schnelle Übersetzung.

World Vision und das Evangelium

Rdm headshot sept 20121World Vision, eine christliche Hilfsorganisation, hat heute bekanntgegeben, dass sie nun auch Menschen engagiere, die in gleichgeschlechtlicher Ehe leben. Dies sei kein Akt der Kapitulation, wie es heißt; man trage hiermit vielmehr dem Umstand Rechnung, dass viele Menschen, die World Vision unterstützen, verschiedene Ansichten zu Sexualität und Ehe haben.

Auf der einen Seite ist das keine Überraschung: Die Konstellation übergemeindlicher christlicher Hilfsorganisationen hat sich nach dem 2. Weltkrieg mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen direkt auf genau jenen allgemeinen Liberalismus zubewegt, als dessen Gegenstück sie gegründet worden waren. Manche sind der Ansicht, wenn wir die christliche Rechtgläubigkeit nur schnell genug los würden, könnten wir in Sachen Gemeindewachstum auf der Modewelle der Presbyterian Church (USA) mitschwimmen.

Was steht hier wirklich auf dem Spiel? Es geht nicht um so etwas wie ein „großes Zelt“, unter dem verschiedene Sichtweisen zur Taufe, Gemeindeverfassung usw. Platz fänden, wie die Stellungnahme der World Vision (unglaublicherweise) verlautbart.

Hier steht nichts weniger als das Evangelium Jesu Christi selbst auf dem Spiel! Wäre der sexuellen Umgang jenseits biblischer Ehedefinition moralisch „neutral“, ja, dann sollten wir darauf verzichten, diese Sache zu problematisieren. Hat jedoch die deutliche Aussage der Heiligen Schrift recht und sind die Überzeugungen einer zweitausendjährigen Kirchengeschichte wahr, dann wäre der Verzicht auf den Aufruf zur Umkehr unsagbar grausam, ja, sogar teuflisch!

Satan wirkt auf zwei Weisen: Durch Täuschung („Keineswegs werdet ihr sterben!“ 1Mo 3,4) und durch Anklage („der Verkläger unserer Brüder“ Offb 12,10). Einigen Menschen möchte der Teufel glauben machen, so etwas wie „Umkehr“ sei gar nicht nötig. Andere möchte er gerne überzeugen, dass es keine Hoffnung auf Erbarmen gibt. Manche Menschen lassen sich von ihm täuschen und meinen, sie seien zu gut für das Evangelium; andere wiederum erliegen der Anklägermasche und meinen, sie seien zu schlecht.

Das Evangelium Jesu Christi zerschlägt beide Strategien. Es ruft uns klar zur Umkehr auf, selbst wenn die übrige Welt diesen Schritt hasst. Es ruft uns aber auch deutlich auf, die Barmherzigkeit im Glauben an das Blut Jesu Christi zu ergreifen, selbst wenn wir nicht glauben können, angenommen zu werden.
Weigern wir uns, vor dem Gericht zu warnen, stärken wir die Finsternis; wir stärken sie aber ebenso, wenn wir uns weigern, Vergebung durch das Blut des Kreuzes anzubieten.

Wir treten ein in ein Zeitalter, das zeigen wird, wer die Christen wirklich sind, und damit meine ich jene, die an das Evangelium in seiner ganzen Wahrheit und Gnade glauben. Viele werden zurückschrecken. Bedroht das Evangelium, das sie verkündigen, die Silberschmiede der Artemis-Tempel nicht, dann kommt es auch zu keinen Spannungen. Richten sie ihre Evangeliumspredigt nicht an „Zöllner“ und „Tempeldirnen“, dann gibt es auch kein Gerede.

Da ist eine ganze Gruppe von Menschen da draußen, die als Evangelikale leben und sich im Hinblick auf ihre Sexualität „entfalten“ möchten, ohne sich von ihrer Grundlage zu entfremden. Meinetwegen wechseln Menschen die Seiten und stehen zu den Dingen, an die sie glauben. Sie sollten allerdings aufrichtig sein im Hinblick auf ihre eigene Handlungsweisen! Sie sollten nicht sagen: „Sollte Gott wirklich gesprochen haben …?“, um im Anschluss zu behaupten, sie täten das nur um des Fortschritts des Evangeliums und der Einheit der Kirche willen!

Spender kommen und gehen, doch das Evangelium Jesu Christi bleibt für immer.

Eine Vision für die Welt ist eine gute Sache, es sei denn, die Welt ist alles, was Sie sehen können.

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17 Kommentare
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9 Jahre zuvor

[…] Tagen und Wochen für viel Gesprächsstoff sorgen. Ron Kubsch hat einige Reaktionen und Analysen zusammengestellt und die Stellungnahme von Russell Moore, Sprecher für Religionsfreiheit und Ethik der Southern […]

9 Jahre zuvor

Tragisch…

9 Jahre zuvor

Tragisch ist es, Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Orientierung NICHT anstellen zu wollen. Egal ob man nun „für oder gegen“ eine homosexuelle Orientierung ist. Man stellt ja doch wohl nicht die Orientierung, sondern den Menschen ein, nicht? Die Pharisäer sind nicht weit. Es grüsst die christliche Nächstenliebe.

Alsterstewart
9 Jahre zuvor

Wenn ich das jetzt richtig verstehe, dann ändert World Vision US den Kurs wieder:

http://www.christianitytoday.com/ct/2014/march-web-only/world-vision-reverses-decision-gay-same-sex-marriage.html

Die Entscheidung wurde revidiert.

Andreas
9 Jahre zuvor

Die können doch mal bei George Soros anfragen. Der würde gerne 50 Millionen US$ investieren, wenn wieder eine Organisation umfällt und Homosexualität gutheißt. (Das hat er schon vorher gemacht, er hat die Boy Scouts mit 5 Millionen US$ unterstützt, unter der Bedingung, dass sie Homosexuelle in der Leiterschaft akzeptieren. Und in Russland und überall sonst auf der Welt unterstützt er linke und pro-Homo Anliegen).

Markus
9 Jahre zuvor

@David Jäggi:
Das sind schon recht ungewöhnliche Gedanken:
Ich kann Deine Ausführung konsequent nur so deuten: Nächstenliebe sei, nicht den realen, konkreten Menschen mitsamt seinen Eigenschaften einschließlich seiner Lebensentscheidungen und -einstellungen zu sehen, sondern ein Abstraktum, das seiner Eigenschaften beraubt ist. Natürlich, nach dieser Logik könnte man tatsächlich jeden einstellen (bzw. nach reinem Zufallsprinzip auswählen), da der Mensch (was immer dann noch von ihm übrigbleibt) von der Summe seine Eigenschaften getrennt gesehen wird – bzw. diese bei der Auswahl keinerlei Rolle spielen sollen.
Sorry, aber spätestens die Identifikation Deiner Position mit „Nächstenliebe“ (soll wohl heißen: ethische Gleichgültigkeit?) entpuppt den (halbherzigen?) Pharisäervorwurf als Bumerang.

Markus

Chris
9 Jahre zuvor

Da fallen mir spontan zwei Bibelstellen ein: 2. Timotheus 4,2-4: Predige das Wort, stehe bereit zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre! Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, weil es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden. Jesaja 5,20: Wehe denen, die das Böse gut nennen und das Gute böse; die Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis; die Bitteres zu Süßem machen und Süßes zu Bitterem! @David Jäggi: Sie mißverstehen die Nächstenliebe ganz gewaltig. Die biblische Nächstenliebe dient nicht dazu, Menschen in Sünde zu halten, also in dem, was von Gott trennt – im Gegenteil, die christliche Nächstenliebe führt zu Gott hin! Die „Christen“, denen ich als Homosexueller nach meiner Bekehrung begegnet bin, kamen nicht in Nächstenliebe, als sie mich dazu… Weiterlesen »

schandor
9 Jahre zuvor

An dieser Stelle sollte wieder mal auf die beiden Vorträge von Don Carson und Ravi Zacharias hingewiesen werden.

1) The Intolerance of Tolerance
https://www.youtube.com/watch?v=9PVJlnvVeSM

2) Tolerance and Intolerance
https://www.youtube.com/watch?v=uyTa5r4GG4M

Da sieht man, dass jene, die meinen, es sei intolerant, Schwule als „anders“ zu bezeichnen und für Leitungspositionen anzunehmen, mit Toleranz und Intoleranz in erster Linie wenig zu tun hat; sie merken dann vielleicht auch, dass nicht sie die Toleranten sind, sondern die Intoleranten. Warum? Weil das Konzept Toleranz heute nicht mehr verstanden wird.
Gerade die Devianten auf dem Gebiet der Sexualität DÜRFEN, um ihr Sein zu sichen, alles andere als tolerant sein. Die Linke wird langsam, aber sicher radikal. Wir befinden uns – geschichtlich gesehen – vielleicht um 1929. Ob es nur noch 5 Jahre bis zur Machtergreifung eines linken Protagonisten dauert, der dann die Dinge ins Rollen bringt, kann ich nicht sagen. Aber bei der derzeitigen Entwicklung ist sein Kommen programmiert.

9 Jahre zuvor

[…] Ebenfalls erschienen auf theoblog.de […]

Thomas S.
9 Jahre zuvor

Das Ganze erinnert mich sehr an andere ethische Diskussionen in der Vergangenheit, z.B. um Scheidung und Wiederheirat oder um die Frage, ob Frauen in Leitungspositionen in Ordnung sind:

Zuerst erbitterte theologische Kämpfe und scharfe Abgenzung gegenüber den „unbiblischen Liberalen“. Dann ändert eine evangelikale Organisation nach der Anderen ihre Meinung dazu („fällt um“ nach Ansicht der Gegner, „interpretiert die Bibel neu“ nach Ansicht der Befürworter). Irgendwann nach 20-30 Jahren ist es dann evangelikaler Mainstream. Und zuletzt fragt man sich, wie man es überhaupt je hatte anders sehen können.

Genauso wird es auch in dieser Frage laufen. Man kann diese Entwicklung kritisch begleiten. Verhindern wird man sie nicht – außer man strebt ein Christentum nach Art der Amish People an.

Roderich
9 Jahre zuvor

@Thomas S. , Man kann diese Entwicklung kritisch begleiten. Verhindern wird man sie nicht – außer man strebt ein Christentum nach Art der Amish People an. So ein Quatsch. Oder haben Sie Sonderkenntnisse über den zukünftigen Verlauf der Kirchengeschichte von Gott offenbart bekommen? Ihrem Ansatz liegt die Annahme eines unverhinderlichen „bergab“ zugrunde. Zum Glück haben Jesus Christus, die Urgemeinde, die frühen Christen, die Klöster und Reformer des Mittelalters, Luther, Calvin etc., nicht genauso gedacht… Zwischen den Zeilen lese ich bei ihnen eine „ist mir egal“ oder gar eine „ist mir sogar recht“-Haltung gegenüber diesem Verfall. Sollten Sie das nicht als Verfall sehen, wäre ich dankbar für einen Hinweis auf Ihren Maßstab, was denn als Verfall zu gelten hat und was nicht. (Die Bibel wird es ja kaum sein, also Verstand? Das, was die Mehrheit gerade sagt?) Auch ergibt sich doch aus Ihrer Sicht ein moralischer Nihilismus. (Wenn nicht, wäre ich wie gesagt dankbar für Ihre Begründung objektiver moralischer Werte und… Weiterlesen »

Alex
9 Jahre zuvor

Leider sind Sie in der Wortwahl etwas ungenau. Der Dachverband World Vision hat mehrere Untergliederungen. Hier ging es eindeutig um das evangelikale World Vision US, nicht um World Vision International oder World Vision Deutschland. Viel liberaler sind etwa World Vision Kanada und Australien, wo das schon länger Normalität sein müsste.

Jürgen
9 Jahre zuvor
9 Jahre zuvor

[…] der deutschsprachigen Blogosphäre meldete wohl zuerst Ron Kubsch auf TheoBlog, wo sich auch der Kommentar des Baptisten Russel Moore in deutscher Sprache […]

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