Der Blick in die Geschichte zeigt die Schattenseiten des Identitätsdenkens: die Tendenz zur Verdrängung universeller Rechte durch partikulare Ansprüche. Die Auswirkungen an den Unis sind bereits spürbar, meint der Rechtsgeschichtler Peter Oestmann. Er hat den „Dreadlock-Skandal“ um die Sängerin Ronja Maltzahn mal von seinen Studenten überprüfen lassen. Und siehe da:
Die rechtliche Grenze ist aber dann überschritten, wenn der Staat derartige Ansprüche anerkennt. Deswegen prüfte ich genau diesen Fall im ersten juristischen Staatsexamen in zahlreichen, teilweise fiktiven Abwandlungen. Sämtliche Prüflinge hielten die Absage des Konzerts, die Kündigung des Vertrages, den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums und andere dogmatische Konstruktionen für unproblematisch gegeben. Niemand kam auf die Idee, dass es rechtliche Vorgaben für Frisuren überhaupt nicht gibt.
Wenn der moderne Staat nicht wachsam bleibt, droht die Wiederkehr längst überwundener ständischer Strukturen unter dem Deckmantel der Diversität und der Identitäts-Wokeness. Historische Erfahrungen können zwar keine Handlungsanweisungen für gegenwärtige Fragen geben. Alle Beispiele stimmen aber in einem wesentlichen Punkt überein: Sie entstammen Rechtskulturen, in denen die Freiheit des Einzelnen keine Rolle spielte.
Mehr hinter einer Bezahlschranke: www.faz.net.
Alternativer Titel: Wenn reaktionäre Ideologie sich als progressiv tarnt. So sehe ich die Dreadlockgeschichte. Ich bin fundamental gegen die Idee, dass man an der Kultur selbst eine Art Exklusivanspruch erheben dürfe. Das geht viel zu weit. Dass sie ihr ihre Haare verboten haben, war richtig schlimm und herabwürdigend. Sie haben sich zwar »entschuldigt« für die Aufforderung, die Haare abzuschneiden, aber am Kern der Haltung, dass die Dreadlocks auf dem Kopf einer Weißen das Böse schlechthin seien, hielten sie trotzdem fest. Somit ist das für mich keine echte Entschuldigung. Das Schlimmste ist: Diese Frau hat sich überhaupt nichts zu Schulden kommen lassen. Keine rassistischen oder völkischen Kommentare, kein Aufstacheln zu Hass, kein N-Wort, kein gar nichts. Aber Dreadlocks. WTF. Ich hätte mir diese Sache jedenfalls nicht bieten lassen. Ich bin trotzdem für Antirassismus, weil Rassismus scheiße ist. Aber Dreadlocks sind nicht rassistisch. Zum Glück sind nicht alle in der Bewegung so drauf, man sollte da nicht verallgemeinern. Ich wünsche mir, die… Read more »