Hochschule cancelt Vortrag zur Gottesfrage bei Aquin und Kant

Ein Paukenschlag. Der Philosoph Sebastian Ostritsch sollte morgen Abend an Münchner Jesuitenhochschule für Philosophie einen Vortrag zu dem Thema „Ist Gottes Existenz eine Sache der Vernunfterkenntnis?: Thomas von Aquin versus Immanuel Kant“ halten. Auf Druck von Studenten und der Hochschulleitung hat Professor Patrick Zoll, der Ostritsch als Redner eingeladen hatte, den Vortrag zwei Tage vor der Veranstaltung nun abgesagt.

DIE TAGESPOST, für die Dr. Ostrisch arbeitet, berichtet:

Auf Druck von Studenten und Universitätsleitung hat Professor Patrick Zoll, der Ostritsch als Redner eingeladen hatte, den Vortrag zwei Tage vor der Veranstaltung nun abgesagt. Protestierende Studenten der Universität hatten im Vorfeld die Universitätsleitung bereits dazu gebracht, die öffentlichen Hinweise auf die Veranstaltung von den Plakatwänden und dem Internetauftritt der Universität zu löschen – ohne den eingeladenen Redner zu informieren. Am Dienstagmittag luden Hochschulleitung und Studierendenvertretung zu einem „moderierten Gespräch“ ein, um „bestehende Bedenken in einem sachlichen Rahmen zu besprechen“. In den sozialen Netzwerken kursiert ein Aufruf zu Protesten gegen den angeblich „rechtsextremen Fundamentalisten“ Sebastian Ostritsch. Die Protestler schreiben: „Bitte helft uns, indem ihr zu uns an die Hochschule kommt und Flagge und Gesicht zeigt! Wir schmücken die Hochschule und Aula mit Flaggen und Zitaten Ostritschs und bieten an, über Ostritschs gefährliche politische Agenda zu informieren.“

Hierzulande ist das Feuilleton voll von Meldungen über die schwindende Meinungsfreiheit in den USA. Gleichzeitig wird an einer deutschen Hochschule ein Vortrag über die Gottesfrage bei Thomas von Aquin und Immanuel Kant gecancelt. So weit sind wir inzwischen. Diffamierende Antifa-Aktivisten entscheiden darüber, was an einer katholischen Hochschule gedacht werden darf.

Mehr: www.die-tagespost.de.

Kultur des Todes (23): Sich der Last des eigenen Lebens entledigen

Die beiden Kessler-Zwillinge seien gemeinsam so selbstbestimmt aus dem Leben geschieden, dass dies gleich die Debatte über Sterbehilfe befeuert. Mittlerweile ist in den Niederlanden jeder zwanzigste Todesfall ein assistierter Suizid. Am Horizont erscheint bereits das Menschenrecht auf einen assistierten Suizid.

Daniel Deckers schreibt (FAZ, 22.11.2025, Nr. 272, S. 1): 

Das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe hielt nicht lange. Erst erkannte das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass der Staat nicht das Recht habe, einem Bürger in einer gesundheitlich ausweglosen Situation den Zugang zu einer todbringenden Substanz zu untersagen, dann wischte das Bundesverfassungsgericht alle Befürchtungen vor einer neuen Normalität, ja Normativität mit einem juristischen Federstrich beiseite: Freiverantwortlicher Suizid sei nichts weniger als die Aktualisierung jener „autonomen Selbstbestimmung“, die das Grundgesetz zur alles normierenden Norm erhoben habe.

Daher müsse jedermann zu jeder Zeit und ohne jede Prüfung der Beweggründe das Menschenrecht auf assistierten Suizid in Anspruch nehmen können – vorausgesetzt, die Entscheidung sei freiverantwortlich, also bei wachem Bewusstsein und ohne Druck von außen gefällt worden. Das sicherzustellen könne der Gesetzgeber mit einem „Schutzkonzept“ versuchen, müsse es aber nicht.

In der vergangenen Legislaturperiode ist der Bundestag an dieser Aufgabe gescheitert. Ob die Abgeordneten einen weiteren Versuch unternehmen, ist ungewiss. Im Koalitionsvertrag findet sich darüber kein Wort, genauso wenig wie über Suizidprävention. Dabei hätten die Deutschen längst von Österreich lernen können. Dort verwarf der Verfassungsgerichtshof 2020 das Verbot des assistierten Suizids und erlegte dem Parlament auf, das Recht auf den Tod von eigener Hand gesetzlich auszugestalten. Dem kamen die Abgeordneten umgehend nach – aber nicht, ohne die Exekutive im Bund und den Ländern sowie die Akteure im Gesundheitswesen zu verpflichten, die Palliativ- und Hospizversorgung zu verbessern. In Deutschland kann davon bis heute nicht die Rede sein.

Die öffentlich gestellte Frage Alice Kesslers „Wer möchte ins Heim oder ein Pflegefall werden?“ dürfte wohl immer seltener als (wichtige) Enttabuisierung von Suizidgedanken oder als Aufgabe an die Gesellschaft und die Politik gelesen werden, alles Menschenmögliche für Humanität im Alter zu tun, sondern als implizite Aufforderung, sich der Last des eigenen Lebens selbst zu entledigen, ehe es zu spät ist. In den Niederlanden ist mittlerweile jeder 20. Todesfall ein assistierter Suizid. Und es mehren sich die Fälle, in denen Ärzte und Angehörige nachhelfen, wenn der eigene Wille zu schwach oder gar nicht mehr da ist.

Was passiert mit deiner Seele, wenn du stirbst?

Kim Riddleberger geht der Frage nach, was – biblisch gesehen – passiert, wenn ein Mensch stirbt:

Wir alle haben schon Geschichten über Menschen gehört, die angeblich gestorben und dann aus dem Jenseits zurückgekehrt sind. Solche Erzählungen sind faszinierend, was das Aufkommen eines ganzen Buchgenres erklärt, das sich mit Nahtoderfahrungen beschäftigt. Es handelt sich um Geschichten über den Aufenthalt des Autors im Himmel, bevor er zurückkehrt, um ein Buch über seine Erfahrungen zu schreiben. Diese Bücher berichten in der Regel von Begegnungen mit verstorbenen Angehörigen, enthalten oft Beschreibungen des Himmels (meist übertriebene irdische Szenen), Berichte über Begegnungen mit Jesus, Gespräche mit Gott und Beschreibungen himmlischer Dinge.

All diese vermutlich fiktiven Berichte stehen jedoch im Widerspruch zu dem, was wir aus der Bibel über den Eintritt in die Gegenwart Gottes wissen. Ich denke dabei an Jesaja 6,1–7. Jesaja hat eine Vision des Herrn und reagiert überwältigt von seiner Unwürdigkeit. Die biblischen Berichte über Gottesbegegnungen – wie Moses’ Blick auf die Herrlichkeit des Herrn (vgl. 2Mose 33,18–23) – lösen Angst, wenn nicht gar Schrecken aus, in der Gegenwart des heiligen Gottes zu sein. Die biblischen Berichte passen nicht zu der beiläufigen, wenn nicht gar trivialen Art von Literatur, die mit „ich habe den Himmel gesehen“ oder „ich bin mit Jesus gegangen“ beginnt. Da die Bibel weder den Sterbeprozess noch die Gedanken Sterbender beschreibt, haben viele versucht, diese Lücke mit erfundenen Geschichten zu füllen. Leider waren sie dabei sehr erfolgreich, sodass viele Menschen diese Legenden als Wahrheit betrachten.

Mehr: www.evangelium21.net.

„Fötenfanatiker“

In einem Beitrag für das „ZDF Magazin Royale“ hat sich der umstrittene Satiriker Jan Böhmermann mit dem Thema Abtreibung und Lebensschutzorganisationen befasst. Das Ergebnis ist erschütternd und blasphemisch. Daniela Städter kommentiert für IDEA:

Für Böhmermann sind Menschen, die sich für das Lebensrecht Ungeborener einsetzen, „fanatisch“. Sie sind „Gebärmutter-Stalker“, die „emotionalisieren“. Eine Gynäkologin wird zur „Fötenfanatikerin“, 1000plus zur „Schwangerenbelästigungsorganisation“, über die in der Debatte um Prof. Frauke Brosius-Gersdorf 37.000 „Terrormails“ verschickt worden seien. Er wolle, so Böhmermann, „mal wissen, was in den Köpfen drin ist – von denen, die wissen und bestimmen wollen, was in den Bäuchen drin ist“. Schließlich folgt der Satz: „Wahre Lebensschützer rufen den Namen des Kindes schon beim Orgasmus – und zwar so laut, dass Gott schon mal die Kommunion vorbereiten kann.“ Das ist erneut eine bewusst gewählte Eskalation.

Böhmermann diffamiert Andersdenkende, diskreditiert Christen gleich mit. Er tut das, was er den „Gebärmutter-Stalkern“ vorwirft: Er emotionalisiert. Er pauschalisiert. Er übertreibt. Eine Debatte ist ebenso unerwünscht wie ein ernsthafter Blick auf das ungeborene Kind. Ein unschuldiger, hilfloser Mensch – vollständig ausgeblendet. Der Blick richtet sich ausschließlich auf die Selbstbestimmung der Frau. Dass Abtreibung immer auch das Leben eines wehrlosen Menschen betrifft, wird von Böhmermann ignoriert.

Mehr: www.idea.de.

Das Wunder des Glaubens

Der Philosoph Sebastian Ostritsch, der inzwischen für die TAGESPOST arbeitet, hat der HERDER Korrespondenz erzählt, wie er vom Hegelianer zum Katholiken wurde. Es begann mit Gebeten, dann wuchs der Zweifel an dem Glauben, dass die Vernunft alles ist. 

Zitat: 

Ich halte es inzwischen für eine grundlegende philosophische Einsicht, dass es Dinge gibt, die über die Vernunft hinausgehen. Das heißt nicht, dass sie unvernünftig sind, sondern übervernünftig, wenn man so will. Das Denken hat sich an der Wirklichkeit zu messen. Und es gibt eine Wirklichkeit des Glaubens. Der muss man als Philosoph gerecht werden, wenn man zum Beispiel Religionsphilosophie betreibt. Jürgen Habermas sagt von sich selbst, er sei religiös unmusikalisch. Das heißt: Ihm ist diese Wirklichkeit fremd. Wenn man aus einer solchen Perspektive über die Religion philosophiert, dann spricht man wie ein Farbenblinder über die Farbe.

Mehr: www.herder.de.

VD: ML

Gottes Segen nicht vergessen

Ich zitiere hier zustimmend aus einem Leserbrief von Joachim Cochlovius, der am 21. Novemer 2025 in der FAZ erschienen ist (Nr. 271, S. 7):

Zum Leitartikel von Nikolas Busse „Europas Abstieg“ (F.A.Z. vom 30. Oktober): Den schleichenden Macht- und Einflussverlust der EU finde ich in diesem Artikel zutreffend diagnostiziert, und ich möchte mich dafür bedanken. Auch der Vorwurf einer „weltfremden Mentalität“, die der übrigen Welt die eigene Klima- und Asylpolitik aufzudrängen versucht, ist meines Erachtens stichhaltig. Schon 2015 wurde ich in Australien mit Kopfschütteln auf die Migrationspolitik von Angela Merkel hin angesprochen.

Als wichtigste Therapie sieht Busse eine neue wirtschaftliche und militärische Stärke der Mitgliedstaaten an. In einer Welt, in der immer mehr Länder „ihre nationalen Interessen rücksichtslos verfolgen“, ist das zweifellos ein richtiger und wichtiger Aspekt.

Was mir aber in diesem Artikel zu kurz kommt, ist die weltanschaulich-religiöse Dimension des europäischen Niedergangs. Die kann man etwas pauschal formuliert auf einen kurzen Nenner bringen: Es fehlt der Segen Gottes. Der Prophet Jesaja hat einmal eine diesbezügliche Warnung an die Völker ausgesprochen: „Beschließt einen Rat, und es werde nichts daraus; beredet euch, und es geschehe nicht“ (Jesaja 8,10). Das klingt wie eine Ankündigung der Misere Europas und speziell Deutschlands.

Ganztages-Krippe in der Kritik

Unter der Leitung der Bildungswissenschaftlerin Veronika Verbeek kritisiert der Aufruf „Kita-Kindeswohl-im-Blick“ die von oben gewünschte Ganztagsbetreuung von Kleinkindern. Behauptet wird, dass die unter Dreijährige Schaden nehmen, wenn sie acht Stunden am Tag in der Kita sind? 

Diese Kritik hat nun Fachverbände auf den Plan gerufen, die den Leuten hinter „Kita-Kindeswohl-im-Blick“ unterstellen, Unsicherheit schüren und rechte Strömungen  fördern zu wollen. Zitat aus einer Stellungnahme der Alice Salomon Hochschule Berlin

Fehldarstellungen des Aufrufs begünstigen rechte Strömungen, schüren Unsicherheit bei Eltern und Pädagog_innen

Mehrere wissenschaftliche Fachverbände der frühen Kindheit kritisieren den Aufruf „Kita-Kindeswohl-im-Blick“ eines nicht näher benannten Aktionsbündnisses, vertreten von Veronika Verbeek, scharf. Der Aufruf nutzt verkürzte, irreführende, wissenschaftlich unhaltbare und falsche Darstellungen, die Verunsicherung bei Fachkräften und Eltern schüren. „In der Begleitung von Kitas erleben wir, wie pädagogische Teams auf wissenschaftlicher Basis qualitätsvolle Kita-Praxis gestalten und sich weiterentwickeln – unbelegte Pauschalkritik wie der Aufruf von Frau Verbeek verunsichert Eltern, entwertet die Arbeit der Fachkräfte und behindert eine konstruktive Weiterentwicklung der frühen Bildung“, sagt Anne-Katrin Pietra, 2. Vorsitzende des Bundesnetzwerks Fortbildung und Beratung in der Frühpädagogik e.V.. Durch pauschalisierende Kritik an Krippenbesuchen und der undifferenzierten Forderung nach „mehr Anleitung von Kindern“ in Kindertageseinrichtungen bietet er rechten Strömungen eine Plattform für autoritäre Pädagogik.

Die im Aufruf geäußerten Positionen, die sich auf Verbeeks problematisches Buch „Die neue Kindheitspädagogik“ stützen, stellen einen nicht haltbaren Rückschritt dar und untergraben die seit über zwei Jahrzehnten etablierte wissenschaftliche Expertise und reflektierte Vielfalt in der Pädagogik der frühen Kindheit im deutschsprachigen Raum.

Hannah Lühmann warnt in der WELT vor einer ideologischen verstellten Diskussion. Es gibt sehr wohl starke Gründe dafür, dass Kleinkinder zu Hause betreut werden. Wer Pädagogen, die das Kinderkrippen-Modell für problematisch halten, einfach in die rechte Ecke schiebt, macht es sich viel zu einfach. Zitat:

Natürlich macht das Angst. Wer sich als Frühbetreuung in Anspruch nehmendes Elternteil in die Untiefen der Internetrecherche begibt, bekommt schnell Puls. Denn es sind keineswegs nur auf alternativen Irrwegen herumgeisternde Waldorfmütter und Tradwives, die den modernen Lebensentwurf der Doppelverdienerfamilie infragestellen. Die schmerzhaft relevante Frage, ob es Kindern unter drei Jahren schadet, einen großen Teil ihres Tages in Betreuungseinrichtungen zu verbringen, ist, so scheint es, nicht eindeutig zu beantworten.

Wer sich ein wenig mit der Materie beschäftigen will, dem sei die Lektüre der sogenannten NICHD-Studie aus den frühen 1990ern angeraten. Auch die Internetseite der jeglicher reaktionärer Bestrebungen unverdächtigen Gesellschaft für frühkindliche Bildung ist hoch aufschlussreich. Bezieht man unvoreingenommen alle Forschung ein, die es zu diesem Thema gibt, erscheint es unausweichlich, anzuerkennen: Die umfangreiche außerfamiliäre Betreuung von unter Dreijährigen ist zumindest ein Unterfangen mit Risiken. In der immer häufiger stattfindenden Variante, bei der Kinder von ihren berufstätigen Eltern um 8 Uhr in die Kita gebracht und erst um 17 wieder Uhr abgeholt werden, scheint sie besonders problematisch. 

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

„Nach der Abtreibung war ich erleichtert wie selten zuvor“

Expressiver Individualismus ist nach Carl Trueman die Überzeugung, dass das wahre Selbst im Inneren eines Menschen liegt und dass Authentizität darin besteht, dieses innere Selbst nach außen auszudrücken – unabhängig von äußeren Normen, Traditionen oder Autoritäten. Moralische Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“ verschieben sich: Schlecht ist, was innere Selbstverwirklichung behindert. Gut ist, was Selbstverwirklichung ermöglicht.

In der FAZ ist ein gutes Beispiel für den expressiven Individualismus zu finden. Die Autorin Stefanie de Velasco beschreibt dort, warum es für sie besser ist, „kinderfrei“ zu leben. Hier ein Auszug: 

Ein Leben lang hatte ich penibel verhütet, auch deswegen bemerkte ich es erst spät: Plötzlich war ich schwanger. Es war ein unangenehmes, surreales Gefühl, ich musste die ganze Zeit an die schmelzenden Uhren von Dalí denken. Den Test machte ich auf einem Klo in der Staatsbibliothek, wo ich gerade meine Magisterarbeit schrieb.

Nach der Abtreibung war ich erleichtert wie selten zuvor. Hieß das, ich will nicht Mutter werden? Keine Ahnung. Das Leben meiner Freundinnen mit Kindern wollte ich jedenfalls nicht. Mir kam es vor, als ob einige mit der Geburt ihrer Kinder in eine Art Mutterland gezogen seien, aus dem sie nicht mehr ausreisen konnten. Wenn ich sie mal sah, wirkten sie überfordert. In den Beziehungen kriselte es, sie hatten keinen Sex mehr. Ihre Kinder bereiteten ihnen zwar großes Glück, aber viele ihrer eigenen Wünsche verpufften mit ihnen.

Es war, als wäre ich aus einem seltsamen Traum erwacht. Vor meiner Abtreibung war ich von vielen gewarnt worden – egal ob auf Websites, in der Schwangerschaftskonfliktberatung oder von meiner Therapeutin: Ich würde „es“ bereuen, in Depressionen und Schuldgefühle verfallen. Immer, immer würde ich an das Ungeborene denken, traurig seine Geburtstage zählen.

All das ist nie eingetreten. Ich fühle mich jeden Tag aufs Neue in meiner Entscheidung bestätigt: Ein Leben ohne Kinder ist besser – für mich. Auch wenn es diesen klaren Moment, in dem ich wusste, ich will Kinder oder nicht, nie gab. Wie auch? Gewollt/ungewollt kinderlos – was sind das für lächerliche Kategorien? Reproduktive Biographien sind zu komplex, um sie in diese beiden Schubladen zwängen zu können.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Das ‚zweieinhalbte‘ evangelische Sakrament

Luther war sich zunächst unschlüssig, darüber, ob die Beichte als drittes Sakrament zu verstehen sei. Zitat (Oswald Bayer, Martin Luthers Theologie, 2007, S. 244–245):

Bemerkenswert ist die Stellung des Artikels über die Beichte im Kleinen Katechismus zwischen Taufe und Abendmahl. Dass wir in unseren Gemeinden allerdings die Einzelbeichte kaum noch kennen und auch die Gemeindebeichte – die „Offene Schuld“ – im Zusammenhang des Herrenmahls häufig nur noch in abgeschwächten Formen, ist ein schwerwiegender Verlust evangelischer Frömmigkeits- und Glaubensgeschichte. Die Erweckungsbewegung im 19. Jh. lässt sich als eine Antwort auf diesen Verlust verstehen.

Luther war sich zunächst unschlüssig, ob er die Beichte als drittes Sakrament verstehen sollte. Der altgläubigen Tradition gegenüber hatte er – mit der Schrift „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ – die Siebenzahl der Sakramente auf zwei reduziert mit dem Argument, nur das könne als Sakrament gelten, was eine klare biblische Einsetzung Christi mit Wort und Zeichen aufzuweisen hat. Für die Beichte aber ist nur ein Wort gegeben (Mt 16,19; 18,18; Joh 20,22f), kein zusätzliches materielles Zeichen. So bildet sie in der Zuordnung zur Taufe – als Rückkehr zu ihr – sozusagen das ‚zweieinhalbte‘ evangelische Sakrament.

„Was ist die Beichte? Antwort: Die Beichte umfasst zwei Stücke. Eines, dass man die Sünde bekenne, das andere, dass man die Absolution oder Vergebung von dem, der die Beichte hört, als von Gott selbst empfange und ja nicht daran zweifle, sondern fest glaube, die Sünden seien dadurch vergeben vor Gott im Himmel.“

Damit, dass ein Mensch mir im Namen Gottes die Vergebung zusagt, hat mir Gott selbst im selben Akt und Augenblick vergeben. Das menschliche Wort ist nicht nur Hinweis auf das göttliche, sondern ist das göttliche Wort selber. Gottes Wort kommt als Menschenwort – das ist seine Erniedrigung. So wie Gott im Leib der Maria Mensch wird, so kommt er zum Sünder in dem Wort, das ihm von einem anderen Menschen im Namen Gottes gesagt wird. Nach dem Verständnis Luthers ist dieser andere Mensch nicht nur der ordinierte Amtsträger, sondern jeder Getaufte.

Luther: Der Vorrang der Schrift

Oswald Bayer geht in seinem Buch Martin Luthers Theologie auch der Frage nach, warum für den Reformator die Heilige Schrift Autorität besitzt. Dabei hebt Bayer heraus, dass für Luther die Schrift sich selbst zu Gehör bringt. Bei aller notwendigen wissenschaftlichen Arbeit am und mit dem Text ist das Verkündigen und Hören eben ein Prozess, der uns Menschen überfordert und deshalb ohne Geistwirken undenkbar ist.

Zitat (Oswald Bayer, Martin Luthers Theologie, 2007, S. 62–63):

Luthers Grundthese lautet: Sacra scriptura „sui ipsius interpres“ — die Heilige Schrift legt sich selbst aus. Diese These reicht weit über die Konkordanzmethode hinaus, wonach eine Schriftstelle durch die andere auszulegen und mit ihr in Übereinstimmung zu bringen ist. Sie betrifft nämlich die Wirksamkeit des Textes im Bezug auf seine Leser, Hörer und Ausleger. In diesem umfassenden Sinn besagt „sacra scriptura sui ipsius interpres“: Der Text bringt sich selbst zu Gehör.

Bei aller Arbeit der Auslegung, die wissenschaftlich – handwerklich solide sowie klar und kontrollierbar – zu leisten ist, bleibt das Verstehen des biblischen Wortes im letzten unverfugbar. Wir haben diese Spannung in Luthers Theologiebegriff schon wahrgenommen: Bildungsarbeit einerseits – grammatische und philosophische Bildung des Theologen, geduldiges Meditieren und Auslegen –, zugleich aber die unverfugbare Geistgabe, wie sie Luther selbst mit seiner reformatorischen Entdeckung empfing, als sich ihm mit dem Aufleuchten der Gottesgerechtigkeit „die Tore des Paradieses“ öffneten. Nicht der Ausleger ist es, der dem Text einen Sinn gibt oder den Text verständlich macht; vielmehr soll der Text von sich aus sagen dürfen, was er von sich aus zu sagen hat. Dann wird die gängige Unterscheidung, wonach die Heilige Schrift als Formalprinzip des Protestantismus gilt und die Rechtfertigung als dessen Materialprinzip, sich erledigen. Die Autorität der Schrift ist keine formale, sondern eine höchst materiale, inhaltliche. Sie ist die Stimme ihres Autors, der gibt: der staunen, klagen und loben lässt, fordert und erfüllt.

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