Heinrich Bullinger über die Auslegung der Schrift (Schriften, Bd. II, 2006, S. 198–199):
Und Paulus sammelte von überall her begabte und gelehrte junge Leute um sich und gab sie den Gemeinden zu Vorstehern, sooft es die Umstände verlangten [vgl. 1 Kor 4,17; Phil 2,25; Kol 4,7—9]. Er empfahl sie überall sehr dienstbereit den Bischöfen und gab die Anweisung, ihnen reichlich Unterhalt zu gewähren und sie zu unterstützen. So sagt er zu Titus, dem Bischof von Kreta (Tit 3,13 f.): »Zenas, den Gesetzeskundigen, und Apollos rüste sorgfältig für die Reise aus, damit es ihnen an nichts mangelt. Aber auch die Unsrigen sollen lernen, sich guter Werke zu befleißigen für die notwendigen Bedürfnisse, damit sie nicht ohne Frucht seien.« Wenn dies unsere heutigen Bischöfe hörten, die nicht in der Lage sind, zu predigen und das Volk zu unterrichten, wenn sie einen Rat annähmen und sich nicht Christus, unserem Herrscher, entgegenstellten, wenn sie die Studien und die unverfälschte Verkündigung des Evangeliums unterstützten und für ihre Ausbreitung sorgten, wenn sie sich außerdem mit unermüdlicher Anstrengung darum bemühten, dass sie eines Tages gebildete Nachfolger hätten, die ihrerseits den Gemeinden predigen und raten und ebenso gebildete und gottesfürchtige Prediger in ihr Amt einsetzen könnten, dann ständen sie nicht bei allen in einem so schlechten Ruf, und dem Gemeinwesen wäre besser gedient.
Weise ist es daher, was Erasmus den Bischöfen im ersten Buch seines Werks ›Der Prediger‹ rät: Der Bischof, der »selbst oft predigt und die Möglichkeit hat, andere hinzuzuziehen, die für diese Aufgabe geeignet sind, würde meiner Meinung nach einen höheren Lohn für seine Mühe erzielen, wenn er gewissenhaft, in eigener Person und durch seine Helfer, darüber wachte, dass in den einzelnen Gemeinden geeignete und ›didaktikoi‹ (›gut ausgebildete‹) Hirten als Vorsteher eingesetzt, offenkundig unbrauchbare aber ihres Amtes enthoben würden, als wenn er selbst sich einzig und allein der Aufgabe des Predigens widmete. Damit aber eine ausreichende Anzahl solcher Männer zur Verfügung steht, wird es von größtem Nutzen sein, wenn er sich um die Ausbildung begabter junger Leute an öffentlichen Hochschulen kümmert und nur den zur Priesterweihe zulässt, der vermuten lässt, er werde ein ehrenwertes Vorbild abgeben, so dass er einmal als guter Kirchenvorsteher tätig sein kann. Hier nämlich liegt die Quelle, der das Unheil für die Kirche zum großen Teil entspringt. Der Bischof kann nicht in allen Ortskirchen predigen, doch selbst wenn er allein ist, kann er allen zu einem getreuen Hirten verhelfen; und wenn das vielleicht auch nicht sofort geschehen kann, kann es doch allmählich, nach und nach, geschehen. Wenn nun jemand Bischof sein sollte, der eher zur Verwaltung als zur Lehre geeignet ist, kann er durch seine sorgende Aufsicht leicht ausgleichen, woran es ihm fehlt. Doch mit noch größerer Tatkraft wird er sie ausüben, wenn er sich vor Augen hält, dass der höchste Hirte ihm selbst alles als Schuld anrechnen wird, worin die übel getan haben, welche er mit seiner Stellvertretung betraut hat. So muss denn für Bischöfe unter allen Obliegenheiten dies die erste und vorrangigste sein. Kluge Gebieter betreiben nichts sorgfältiger und umsichtiger, als sich zuverlässige und kundige Kriegsführer zu verschaffen, um ihnen das Heer anzuvertrauen, zumal sie davon überzeugt sind, dass von ihnen das Kriegsglück abhängt.«