Der Bischof der Landeskirche Sachsen, Dr. Carsten Rentzing, hat in einem Vortrag zur Auslegung der Bibel an der Theologischen Fakultät Leipzig die radikale Subjektivierung der Bibelauslegung problematisiert und für eine kirchengemeinschaftliche Auslegung der Schrift geworben.
Ich stelle nachfolgend mal einige erstaunliche Zitate aus dem Vortrag zusammen:
Von da ab steht die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments in der Kirche in höchster Autorität. Die Entstehung des neutestamentlichen Kanons ist dabei kein Akt der Willkür. Keine kirchliche Einzelautorität hat aus der Unzahl von Schriften ausgewählt. In einem langjährigen Prozess haben sich vielmehr die Schriften herausgehoben, die von einer Unmittelbarkeit, einer „Erstlichkeit“ des Zeugnisses gekennzeichnet waren, die die ganze Wucht der Christusoffenbarung zum Ausdruck brachte.
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Insoweit die historischkritische Methode den Blick auf die historische Einbettung und Bedingtheit von Texten gelegt hat, hat sie zu einem vertieften Verständnis der Worte der Heiligen Schrift beigetragen. Darin liegt ihre bleibende Bedeutung. Da allerdings, wo sie in epigonaler Verflachung zum Instrument dafür wird, die Geltung der Bibel nicht mehr so genau nehmen zu müssen, ist durchaus Kritik der historisch-kritischen Methode angebracht. Es sind vor allem die einst von Ernst Troeltsch in seinem berühmten Aufsatz von 1898 „Über historische und dogmatische Methode in der Theologie“ reklamierten Grundprinzipien, die einer Ideenkritik bedürfen. Zu diesen Prinzipien gehört die Kritik. Danach gibt es mit Blick auf die Geschichtsforschung nur Wahrscheinlichkeitsurteile und keine Gewissheiten. Dies gilt dann auch für Leben, Wirken und Lehre von Jesus. Als zweites Prinzip nennt Troeltsch die Analogie. Allem historischen Geschehen liegt demnach ein Kern von Gleichartigkeit zugrunde. So gibt es keine analogielosen Ereignisse. Was heute unmöglich ist, war und ist auch zu jedem anderen Zeitpunkt unmöglich, z. B. so etwas wie Totenauferstehung. Schließlich das Prinzip der Korrelation. Alles Geschehen im Kosmos läuft in einer Kette von Ursache und Wirkung ab. Damit gibt es keine direkte Einwirkung Gottes auf innerweltliche Vorgänge und Zusammenhänge.
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Wahrscheinlich haben wir als Verkündiger in der evangelischen Tradition zu lange versäumt, die kirchlichen Bekenntnisse in unserer Kirche zu pflegen. Das aber wäre ein Versäumnis, das zu Lasten dessen geht, was man kirchliche Gemeinschaft nennt. Auf diese Art und Weise hätte man in der evangelischen Kirche zwar das Papsttum eines Einzelnen abgeschafft aber zugleich das Papsttum von Millionen einzelner Subjekte eingeführt. Und ich scheue mich nicht, das unlutherisch zu nennen!
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Auch für Verkündigung und Auslegung hat dies wieder unmittelbare Auswirkungen. Wir haben in der Verkündigung deutlich zu unterscheiden, ob wir vom Gesetz oder vom Evangelium reden. Wir dürfen vom Gesetz nicht so reden als sei es das Evangelium und umgekehrt. In der Verkündigung gibt es keine Möglichkeit beim Gesetz stehen zu bleiben. Es gibt auch keine Möglichkeit ein „reines“ Evangelium ohne Gesetz zu predigen. Denn erst durch das Gesetz erhält das Evangelium seinen wahren Glanz. Ohne Gesetz bleibt es eine „Allerweltsbotschaft“.
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Ad fontes (zurück zu den Quellen), communio sanctorum (Gemeinschaft der Heiligen) und magnus consensus (kirchlicher Konsens über Raum und Zeit hinweg) sind Eckpfeiler einer Suchbewegung, die auf Erkenntnis der Wahrheit und Erhalt der kirchlichen Einheit hin ausgerichtet ist. Und eine solche Suchbewegung ist der Kirche zu allen Zeiten nur zu wünschen!
Der Vortrag wurde in der soeben erschienenen Ausgabe Nr. 151 der Online-Publikation VELKD-Informationen herausgegeben und kann hier heruntergeladen werden: www.velkd.de.
Bei Evangelium21 ist ein Beitrag von William Edgar, Professor für Apologetik am Westminster Theological Seminary in Philadelphia (USA), erschienen. Es heißt dort:
In den frühen 50er Jahren erlebte Francis eine tiefe, aufwühlende geistliche Krise. Während er beständig für die richtige Lehre eingetreten war und sie verteidigt hatte, sah er, wie sein eigenes geistliches Leben mit der Zeit verdorrte. Das brachte ihn dazu, angefangen bei den Grundlagen, alles noch einmal zu durchdenken.
Er ging aus der Krise hervor mit einem neuen Bewusstsein dafür, dass der christliche Glaube wirklich Realität ist. Er fragte seine Frau Edith einmal, ob es in ihrem Leben irgendeinen Unterschied machen würde, wenn alle Stellen in der Bibel über den Heiligen Geist und das Gebet gestrichen würden. Sie kamen zu der Einschätzung, dass es keinen Unterschied machen würde. Deshalb entschlossen sie sich zu einer neuen Abhängigkeit von der Realität des Geistes Gottes und des lebendigen Gebets.
Deutschlandradio Kultur hat wieder einmal kräftig ausgeholt und den evangelikalen Fundamentalismus in den USA einer Fundamentalkritik unterzogen. Leider werden dabei etliche Sachen durcheinander geworfen, so dass die Aussagekraft der Sendung bescheiden bleibt. Aus Bill Clinton wird, weil er hin und wieder eine Gemeinde der Südlichen Baptisten besuchte, ein Evangelikaler und natürlich wird aus jedem, der sich gegen das Recht auf Abtreibung ausspricht, ein problematischer Fundamentalist.
Schade, es gibt es ja tatsächlich allerlei Gründe, die Evangelikalen zu kritisieren und andere Gründe dafür, sie zu loben.
Wir freuen uns auf den Vorlesungstag mit Prof. Dr. Harald Seubert im MBS-Studienzentrum in München.
Nach akademischen Stationen als Privatdozent, Gastprofessor und Lehrbeauftragter an den Universitäten Erlangen, München, Bamberg ist Harald Seubert seit 2012 Professor für Philosophie und Religionswissenschaften und Fachbereichsleiter an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel. Über 200 internationale Aufsatzpublikationen, ca. 30 selbständige Veröffentlichungen. Jüngste Buchpublikationen: Philosophie: Was sie ist und was sie sein kann, Basel: Schwabe, 2015; Gesicherte Freiheiten. Politische Philosophie für das 21. Jahrhundert, Baden-Baden: Nomos, 2015; Weltphilosophie. Ein Entwurf, Baden-Baden 2016.
Die Vorlesung zur Herausforderung des Neuen Atheismus wird über die wesentlichen Elemente einer christlichen Apologetik unterrichten und diese in eine Typologie zusammenführen und am Paradigma neuer Herausforderungen, vor allem des Neuen Atheismus, erproben.
Die Vorlesung findet im Münchner Studienzentrum des Martin Bucer Seminars statt. Gasthörer sind herzlich eingeladen, dabei zu sein. Hier mehr: seubert_b_3.pdf.
Die neuen Bestimmungen über Missionstätigkeit, die am 20. Juli in Russland in Kraft treten, schränken die Mission deutlich ein. Nachfolgend der bedrückende Meldung von Forum 18 (Oslo), die freundlicherweise vom Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA übersetzt wurde:
Russland: Gesetzesänderung schränkt Weitergabe von Glaubensüberzeugungen und missionarische Aktivitäten massiv ein, neue Bestimmungen über Extremismus
(Bild: Pixabay)
Russlands Präsident Vladimir Putin hat ein Paket von Gesetzesänderungen unterschrieben, darunter auch Bestimmungen über „Missionstätigkeit“, durch die die öffentliche Ausübung der Religionsfreiheit auch in den Medien und Online weiter beschränkt wird. Die in aller Eile eingebrachten Gesetzesänderungen haben zu verbreiteten Protesten geführt, wurden aber am 6. Juli unterschrieben und am 7. Juli Mittag Moskauer Zeit auf der Website des Präsidenten bekannt gegeben. Sie werden am 20. Juli in Kraft treten.
Juristen, die sich für den Schutz der Religions- und Glaubensfreiheiten engagieren, bereiten bereits eine Berufung an den Verfassungsgerichtshof vor, die allerdings erst nach Inkrafttreten des Gesetzes eingebracht werden kann. Gleichzeitig bereiten sie Ratschläge für Einzelpersonen und Religionsgemeinschaften zur Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes vor. Ein protestantischer Leiter hat jedoch bereits gewarnt, dass „ein guter Christ einige der Bestimmungen nicht einhalten kann“.
Entgegen internationalen Menschenrechtsverpflichtungen beschränkt die Abänderung des Religionsgesetzes das Recht auf Weitergabe von Glaubensüberzeugungen auf Personen, die über eine Erlaubnis staatlich registrierter religiöser Gruppen bzw. Organisationen verfügen. Dadurch werden Mitglieder von Gemeinschaften, die sich entschlossen haben, ohne staatliche Registrierung zu wirken, wie etwa ein erheblicher Teil der Baptistengemeinden, von ihrem legitimen Recht auf Weitergabe ihrer Glaubensüberzeugungen ausgeschlossen. Die Gesetzesänderungen verbieten auch die informelle Mitteilung religiöser Überzeugungen, z.B. das Beantworten von Fragen oder Stellungnehmen durch Privatpersonen.
Die Gesetzesänderungen schränken auch die Inhalte ein, die weitergegeben werden dürfen, enthalten eine Liste von Orten, an denen dies gestattet ist, sowie ein ausdrückliches Verbot, religiöse Überzeugungen in Wohngebäuden weiterzugeben. Ein angeblich gegen „Terrorismus“ gerichteter Teil der neuen Bestimmungen verbietet die Umwidmung von Wohnraum für religiöse Zwecke.
Für die Verletzung der neuen Bestimmungen sind hohe Geldstrafen von bis zu 50.000 Rubel (700 Euro) für Einzelpersonen und bis zu 1 Million Rubel für Organisationen vorgesehen. Eine Strafe von 50.000 Rubel entspricht etwa sechs landesüblichen Wochenlöhnen. Durch einen anderen Teil des Gesetzespakets werden die Strafen nach Artikel 282.2 des Strafgesetzbuchs für Personen, die des „Extremismus“ für schuldig gesprochen werden, massiv verschärft. Die letzte Verschärfung dieser Strafen erfolgte erst im Februar 2014. Insbesondere Muslime, die die Werke des Theologen Said Mursi lesen, und Zeugen Jehovas wurden in der Vergangenheit häufig aufgrund von Artikel 282.2 zu hohen Strafen verurteilt.
Der Gesetzesentwurf wurde am 29. Juni 2016 vom Oberhaus des Parlaments gebilligt und zur Unterzeichnung an Präsident Putin übermittelt. Er unterzeichnete diesen trotz verbreiteter Proteste, dass durch die Gesetzesänderung die Verfassung und internationale Menschenrechtsstandards verletzt werden.
Mikhail Fedotov, der Vorsitzende des Präsidialrats für Entwicklung der Zivilgesellschaft und Menschenrechte, protestierte am 1. Juli direkt bei Putin, dass die Empfehlungen des Menschenrechtsrats über andere Teile des Gesetzespakets nicht berücksichtigt worden wären und betonte, dass die Änderungen ungerechtfertigte und exzessive Einschränkungen der Gewissensfreiheit von Gläubigen aller Religionen schaffen und das grundlegende Verfassungsprinzip der Nichteinmischung des Staates in die internen Regelungen von Religionsgesellschaften verletzen.
Bis jetzt enthielt das (ursprünglich 1997 verabschiedete) Religionsgesetz keine ausdrücklichen Einschränkungen der Weitergabe von Glaubensüberzeugungen in der Öffentlichkeit, auch wenn es solche Einschränkungen auf regionaler Ebene gab. 2012 trat ein vage formuliertes Gesetz in Kraft, durch das das „Verletzen religiöser Gefühle“ kriminalisiert wird, aufgrund dessen es jedoch kaum zu Strafverfolgungen kam.
Die nunmehrige Gesetzesänderung, durch die die Weitergabe von Glaubensüberzeugungen eingeschränkt wird, fügt dem Religionsgesetz ein vollständig neues Kapitel hinzu. Sie wurde Mitte Juni mit dem umstrittenen Paket von Gesetzesänderungen über die öffentliche Sicherheit und Maßnahmen gegen den Terrorismus zu einem Gesamtpaket kombiniert, in aller Eile beschlossen und unterzeichnet.
Der Inhalt der Gesetzesänderungen, wie etwa das Verbot der Weitergabe von Glaubensüberzeugungen in Wohngebäuden verstößt direkt gegen die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen Russlands. Eine Zusammenfassung dieser Verpflichtungen ist in den Richtlinien für die Überprüfung von Gesetzen über Religion der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bzw. der Venedig Kommission des Europarats unter anderem in englischer und französischer Sprache verfügbar unter http://www.osce.org/odihr/13993. Russland ist Teilnehmerstaat der OSZE und Mitglied der Venedig Kommission.
„Heute ist tatsächlich ein schwarzer Tag auf dem Kalender“ schrieb Rechtsanwalt Vladimir Ryakhovsky vom Slavic Centre for Law and Justice am 7. Juli auf Facebook. „Wir hofften, dass Vladimir Putin das Gesetz am Ende nicht unterschreiben würde. Ein Gesetz, das in direktem Widerspruch zum Missionsbefehl im Evangelium ‚Geht hin und macht zu Jüngern‘ steht und darüber hinaus noch die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger verletzt. Ryakhovsky merkte an, man müsse vorerst nach dem Gesetz leben, bis es abgeändert wird bzw. eine Berufung vor dem Verfassungsgerichtshof eingebracht werden kann. „Finden wir heraus, wie man es umgehen kann und dann werden wir versuchen, eine Abänderung zu erwirken. Geratet nicht in Panik wenn sie euch mit Horrorgeschichten aller Art bedrohen“, erklärte er und kündigte für den 19. Juli ein Seminar zum Umgang mit dem neuen Gesetz an. Der stellvertretende Bischof des Bundes der Pfingstgemeinden Konstantin Bendas brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Abgeordneten der im September neu zu wählenden Duma das Gesetz abändern werden. Besonders wichtig ist die Abänderung der Bestimmungen über die Verwendung von Privaträumen für Gottesdienste. „Die Weigerung des Staates, protestantischen Gemeinschaften Grundstücke für den Bau von Kirchen zuzuteilen, hat uns gezwungen, als Wohnbauten gewidmete Gebäude zu kaufen oder zu errichten und darin unsere Gottesdienste und karitativen Aktivitäten abzuhalten“, erklärte Bendas. Er betonte, dass Hausgemeinden ein integrierender Bestandteil der protestantischen Gemeinschaft sind und berichtete von der Belästigung einer Gemeinde bereits vor Verabschiedung der neuen Bestimmungen: „Der Polizeibeamte kam in die Wohnung, in der sich eine Gruppe der Pfingstgemeinde jeden Sonntag versammelt. Mit zufriedener Miene sagte er zu den Versammelten: ‚Jetzt, wenn sie das Gesetz verabschieden, werde ich euch alle von hier vertreiben‘. Ich rechne mit dieser Art der vehementen Durchsetzung.“ Bendas erklärte weiters, dass der Bund der Pfingstgemeinden bereits an Empfehlungen zum Umgang mit dem neuen Gesetz arbeitet. „Ich rechne damit, dass es darin auch einen Abschnitt über Forderungen, die ein guter Christ nicht erfüllen kann, geben wird.
Eine Sprecherin des Rats der (nicht registrierten) Baptistengemeinden zeigte sich betroffen über das neue Gesetz. „Wir betrachten es als repressiv für die Gläubigen in unserem Land, denn dieses Gesetz steht im Widerspruch zur Bibel“. Sie kann derzeit die Auswirkungen auf die Aktivitäten der Baptisten noch nicht abschätzen, rechnet jedoch mit Unterdrückung und Verfolgung. Die Baptisten würden sich wie bisher zum Gottesdienst versammeln, was jedoch im Falle eines konsequenten Vollzugs des Gesetzes zu Problemen führen würde. Der Bischof der evangelisch lutherischen Kirche, Konstantin Andreyev, der auch Anwalt beim Slavic Centre for Law and Justice ist, erklärte am 7. Juli, dass sein Telefon heiß lief mit Anrufen mit Fragen zu dem neuen Gesetz. „Wir beginnen uns für den Verfassungsgerichtshof vorzubereiten und arbeiten gleichzeitig Richtlinien und Empfehlungen für die Religionsgemeinschaften aus, wie sie unter dem neuen Gesetz leben können“, erklärte Andreyev.
Einige Glaubensgemeinschaften, darunter Baptisten und verschiedene andere protestantische Gemeinschaften, Zeugen Jehovas und manche muslimische Gruppen, sowie Mitglieder der Hare Krishna Bewegung sind besonders verwundbar, was die Strafverfolgung nach den neuen Bestimmungen betrifft, da die öffentliche Weitergabe ihres Glaubens für sie eine religiöse Verpflichtung bzw. ein entscheidender Teil ihrer Lehre ist.
Der Rat der Baptistengemeinden hat bereits am 4. Juli ein offenes Protestschreiben an Präsident Putin veröffentlicht, in dem er darauf hingewiesen wurde, dass der Gesetzesentwurf, der seither unterzeichnet wurde, die verfassungsmäßigen Rechte der russischen Bürger, ihre religiösen oder sonstigen Überzeugungen frei zu wählen, zu haben und zu verbreiten, verletzt. Dieser Protest und auch die über change.org lancierte Petition des Rechtsanwalts und Mitglieds einer Pfingstgemeinde Igor Yanshin, die bis zum 4. Juli von 37.000 Personen unterzeichnet wurde, blieben erfolglos. „Du fährst mit dem Zug und möchtest mit einem Mitreisenden über Gott sprechen? Vergiss es! Du könntest den Rest deiner Reise auf der nächsten Polizeistation verbringen. Du hast eine E-Mail mit einer Einladung zu einem Gottesdienst an einen Freund geschickt. Warte auf den Besuch der Polizei“, hieß es unter anderem in dem Petitionstext. Eine andere, nicht mit Religionsfreiheit zusammenhängende Petition gegen die in den inzwischen beschlossenen Gesetzesänderungen vorgesehene Überwachung des elektronischen Datenverkehrs wurde bis 8. Juli von fast 370.000 Personen unterzeichnet.
Im neuen Kapitel 24 des Religionsgesetzes heißt es: „Für die Zwecke dieses Bundesgesetzes wird Missionstätigkeit als Aktivität einer religiösen Vereinigung anerkannt, die es zum Ziel hat, Informationen über ihre Glaubensüberzeugungen an Personen zu verbreiten, die keine Teilnehmer (Mitglieder, Anhänger) dieser religiösen Vereinigung sind mit dem Ziel, dass diese Personen Teilnehmer (Mitglieder, Anhänger) werden. Sie wird direkt von den religiösen Vereinigungen oder von durch diese bevollmächtigten Staatsbürgern bzw. juristischen Personen öffentlich, mit Hilfe der Medien, des Internet oder anderer gesetzeskonformer Mittel durchgeführt.“ In seiner Petition auf change.org argumentiert Rechtsanwalt Yanshin, dass jetzt jedes Gespräch über Gott mit einem Ungläubigen Missionstätigkeit ist und der Regulierung unterliegt. Die Definition im neuen Kapitel des Religionsgesetzes scheint die Möglichkeit einer Bestrafung für die Verbreitung atheistischer Ansichten auszuschließen. Allerdings hat die Verbreitung atheistischer Ansichten und Kritik an der russisch orthodoxen Kirche in der Vergangenheit bereits zu Strafverfolgung geführt.
Unklare Rechtslage
Die Weitergabe von Glaubensüberzeugungen in Wohngebäuden ist nicht gestattet „ausgenommen nach den Bestimmungen von Artikel 16, Teil 2“ (des Religionsgesetzes). In Artikel 16, Teil 2 heißt es, dass Gottesdienste und andere religiöse Riten und Zeremonien in Wohngebäuden frei abgehalten werden können, ebenso in Gebäuden, die Eigentum einer religiösen Organisation sind oder von dieser gemietet werden.
„Ich fürchte, dass nicht einmal die Autoren des Gesetzestexts hier durchblicken“, erklärte Rechtsanwalt Yanshin gegenüber Forum 18. Es scheint, dass die Weitergabe von Glaubensüberzeugungen in Form von Hausbesuchen Tür zu Tür aufgrund des neuen Gesetzes verboten ist, aber es ist unklar, inwieweit andere Formen der Weitergabe betroffen sind. Der protestantische Bischof Bendas meinte in diesem Zusammenhang: „Wir folgen der biblischen Praxis der Hausgemeinden. Die Gläubigen kommen nicht nur am Sonntag zum Gottesdienst, sondern versammeln sich während der Woche zu Hauskreisen in den Wohnungen. Dabei werden manchmal auch Außenstehende eingeladen. Ich glaube, dass sich allein in Moskau über Tausend solcher Hausgruppen jede Woche treffen“. Während Gottesdienste in Wohngebäuden erlaubt sind, könnte die Teilnahme von nicht religiösen Personen oder Angehörigen anderer Religionen als „Missionstätigkeit“ ausgelegt werden.
Das geschriebene Wort verliert an Bedeutung, im Internet dominieren Videos. Das nervt. So verlernen wir das Denken.
Hier ein Beitrag von Hossein Derakhshan, erschienen in der SZ:
Noch alarmierender ist eine andere Entwicklung: Nachdem Print-Journalismus an Bedeutung verloren hat, ist das Internet der letzte öffentliche Raum, in dem das Wort im Vordergrund steht – und ausgerechnet das Netz kapituliert gerade vor dem Format des Fernsehens. Das Verständnis des „Streams“, wie es Facebook, Twitter & Co. pflegen, tötet das Netz und damit den Journalismus in Textform. Facebook ähnelt mittlerweile eher der Zukunft des Fernsehens als dem, wonach das Internet mehr als zwei Jahrzehnte aussah.
Forscher der Universität Oxford zeigten vor kurzem, dass der Konsum von Online-Videos in den USA und den meisten anderen Teilen der Erde steigt. Die Ausnahme ist Nordeuropa. Das liegt vielleicht daran, dass die Menschen dort ein gesünderes Verhältnis von Leben und Arbeit pflegen und ihr öffentliches Bildungssystem nach wie vor Lesen und kritisches Denken fördert.
Makoto Fujimura fuses traditional Nihonga painting with the techniques of Western abstraction. He has a particular affinity for using stone-ground minerals such as gold, platinum, malachite, azurite, and cinnabar. Fujimura believes that the minerals—particularly gold—allow for a fuller exploration of the interstice between the essential flatness of abstraction and the interior space of representation. “Gold is that paradox: it creates space (by being semi-transparent) and remains flat (by being mirror-like) at the same time,” he says. Fujimura’s deep religious faith attracts him to the metaphysical aspects of Abstract Expressionism and Color Field Painting. In The Four Holy Gospels Project (2009), Fujimara was commissioned to illustrate the Four Holy Gospels in commemoration of the 400th anniversary of the publication of the King James Bible.
Die Theologin Dorothea Wendebourg wirft der Evangelischen Kirche vor, falsche Schlüsse aus Luthers Antijudaismus zu ziehen. Statt Unterschiede zum Judentum zu ertragen, weiche die EKD ihre Lehren auf. Wendebourg, stellvertretende Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats für das Reformationsjubiläum, schreibt in einem Beitrag für die Zeitschrift Zeitzeichen: „So soll ausgerechnet das 500-jährige Jubiläum der Reformation an allen Fronten zur großen Feier ihrer theologischen Harmlosigkeit werden.“
Diese Frage besteht aus einem langen Satz. Wie man sich denn nach Jahrhunderten der Juden-Unterdrückung und nach dem Holocaust jubelnd auf Luthers Überzeugung von der Rechtfertigung allein aus dem Glauben an Jesus Christus beziehen könne – obwohl doch Luthers Judenhass genau darin seinen Grund hatte, dass die Juden diesen Messias-Glauben an Jesus nicht teilen.
Nun die dritte Möglichkeit. Wenn die Familie das kontaminierte Erbe schon nicht loswird – und es demnächst ja auch groß feiern will –, dann baut sie das Erbe so lange um, bis es keinem mehr wehtut. Bezogen auf Luther: Wenn dessen Christus- und Rechtfertigungsglaube die Gefahr der Judenfeindlichkeit impliziert, dann muss man jenen reformatorischen Glauben so abändern, dass es keine Gegensätze mehr gegenüber den Juden gibt.
Dass die EKD hierzu tendiert, befürchtet die angesehene evangelische Theologin und Reformationshistorikerin Dorothea Wendebourg. In einem scharfen Text für die protestantische Zeitschrift „Zeitzeichen“ wirft Wendebourg, Professorin für Kirchengeschichte an der Berliner Humboldt-Universität, der EKD vor, „dass die spezifischen Einsichten der eigenen Tradition abgeschmolzen werden, bis kein fundamentaler Widerspruch anderer und zu anderen mehr übrig bleibt“.
Hier ein Beitrag dazu, den Matthias Kamann für die WELT geschrieben hat: www.welt.de.
Blaise Pascal. Briefe I: Die private Korrespondenz
Der französische Mathematiker, Theologe und Philosoph Blaise Pascal (1623–1662) gilt als Wunderknabe. Als Zwölfjähriger überraschte er seinen Vater, indem er auf dem Küchenboden selbständig die ersten 32 Lehrsätze der euklidischen Geometrie herleitete. Im Alter von 19 Jahren erfand er die erste mechanische Addiermaschine. Sieben Jahre später stellte er bereits den Pascalschen Satz auf, der besagt, dass in Flüssigkeiten der Druck gleichmäßig in alle Richtungen verteilt wird. Überdies gilt er heute als Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Pascals Vater unternahm viel, um seine Kinder zu fördern. Er selbst erlitt 1646 auf einer Reise eine schwere Verletzung, so dass er mehrere Monate ans Bett gefesselt war. In dieser Zeit kümmerten sich zwei gläubige Christen fürsorglich um ihn. Sie waren es, die die gesamte Familie mit dem sogenannten Jansenismus bekannt machten. Der Name geht auf Cornelius Jansen (1585–1638) zurück. Jansen stand unter dem Einfluss von Augustinus und lehrte, dass ein Sünder keinen Einfluss auf seine Erlösung habe, sondern ganz dem göttlichen Gnadenwillen ausgeliefert sei. Die erweckliche Bewegung breitete sich in Frankreich und den Niederlanden innerhalb der katholischen Kirche aus. Besonders die Jesuiten nahmen jedoch daran Anstoß und bekämpften die Bewegung entschlossen.
Die Bekanntschaft mit dem Jansenismus löste bei Blaise Pascal eine erste Bekehrung aus. Etliche Jahre später folgte ein Erweckungserlebnis, das auch als zweite Bekehrung bezeichnet wird. Nach einem schweren Unfall mit seiner mehrspännigen Pferdekutsche, den wie durch ein Wunder alle Beteiligten überlebten, wurde ihm am 23. November des Jahres 1654 plötzlich klar, dass Gott sein ganzes Herz wollte. Nach seinem Tod entdeckt sein Diener ein in seinem Rock eingenähtes „Mémorial“. Dort steht geschrieben: „… Das ist aber das ewige Leben, da sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. Jesus Christus! Jesus Christus! Ich habe mich von ihm getrennt, ich habe ihn geflohen, mich losgesagt von ihm, ihn gekreuzigt. Möge ich nie von ihm geschieden sein. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, kann man ihn bewahren. Vollkommene und liebevolle Entsagung …“ (B. Pascal, Pensées, 1937, S. 248). Von diesem Tag an zog sich Pascal zurück und widmete sich überwiegend geistlichen Aufgaben.
Pascal arbeitete an einer Verteidigung des christlichen Glaubens und machte sich ungefähr von 1657 an Notizen dazu. Er konnte das Werk allerdings nicht mehr fertigstellen. Pascal war von Kindheit an schwächlich und konnte seit seinem 18. Lebensjahr keinen Tag ohne Schmerzen genießen. Am 19. August 1662 starb er jung im Alter von 39 Jahren. Die Fragmente seiner Arbeit erschienen nach seinem Tod als Les Pensées (dt. ‚die Gedanken’) und sind bis heute vielgelesene und geschätzte apologetische Texte.
Zur großen Freude der Pascal-Leser ist 2015 der erste Band einer vierbändigen Briefausgabe in deutscher Sprache erschienen. Der erste Band umfasst 22 Briefe und Brieffragmente aus den Jahren 1643–1660/61. Pascal nutzte Briefe als literarische Stilmittel, für den wissenschaftlichen Gedankenaustausch sowie die persönliche Korrespondenz.
Der erste Band der Reihe enthält private Briefe. Zunächst 9 an die Familie gerichtete Schreiben. Darunter ist auch sein wohl berühmtester Brief, ein Trostschreiben an die Familie Périer vom 17. Oktober 1651. Aus Anlass des Todes seines Vaters stellt Pascal darin „allgemeine Betrachtungen über Leben, Krankheit und Tod an, sofern sie aus christlicher Perspektive aus Gottes Hand genommen werden können“ (S. 25). Ein berückendes Schreiben zur Verherrlichung der Größe Gottes. Der Philosoph stellt der trostarmen Vorstellung, der Lauf der Dinge werde durch den Zufall bestimmt, ein Bekenntnis zur Allmacht Gottes gegenüber. Denn Gott hat von Ewigkeit her in seiner Vorsehung einen Ratschluss gefasst, „der in der Fülle der Zeiten ausgeführt werden soll, in einem gewissen Jahr, an einem gewissen Tag, zu einer gewissen Stunde, an einem gewissen Ort und auf eine gewisse Art …“ (S. 53). „Wir müssen“, so Pascal, „nämlich Trost für unsere Übel nicht in uns selbst suchen, auch nicht bei anderen Menschen oder bei allem, was erschaffen wurde, sondern bei Gott. Und der Grund ist, dass kein Geschöpf die erste Ursache der Geschehnisse ist, die wir Übel nennen, vielmehr ist die Vorsehung Gottes deren einzige und wahrhaftige Ursache, deren unumschränkter Herr und Gebieter, und darum gibt es keinen Zweifel, dass man unmittelbar zur Quelle zurückgehen und bis zum Ursprung hinaufsteigen muss, um wahrhaftige Erleichterung zu finden“ (S. 52).
Die zweite Gruppe (B) enthält nur einen besonderen Brief, nämlich das Schreiben, das Pascal 1652 an die Königin Kristina von Schweden gerichtet hat. Die Königin hatte von seinen Forschungen zur Rechenmaschine erfahren und ließ sich dazu über den Mediziner Pierre Bourdelot Erkundigungen einholen. Pascal schrieb daraufhin der Königin und trat dabei bescheiden und souverän zugleich auf. Betont lobt er die Königin für ihre Liebe zur Wissenschaft (vgl. S. 77). Der Brief ist – so sagt es der Pascal-Kenner Eduard Zwierlein in seiner Einleitung – „ein kleines Meisterwerk nicht nur der Gedankeninhalte, sondern auch der Subtilität der Botschaften, der Disposition und der stilistischen Formung im Spiel der Antithesen, Kontraste, Chiasmen und Verschränkungen“ (S. 25).
Die dritte Gruppe (C) gibt 9 Briefe wieder, die an Mademoiselle de Roannez gerichtet sind. Mademoiselle war wohl eine Zeit lang in Pascal verliebt, verspürte gleichwohl zu der Zeit, in der die Briefe entstanden, die Berufung, in das Kloster von Port Royal einzutreten. Port Royal südwestlich von Versailles war ein Frauenkloster des Zisterzienserordens und im 17. Jahrhundert ein Zentrum jansenistischen Ideenguts (es wurde auf Anordnung Ludwigs XIV. 1710 zerstört). Der Bruder von Mademoiselle de Roannez, ein Herzog, stand der Klosterberufung ablehnend gegenüber und versuchte, Pascal auf seine Seite zu ziehen. Der aber unterstütze die Dame auf ihrem geistlichen Weg. Die Briefe dieser Gruppe zeugen von der „emotionalen Intelligenz“ Pascals und geben allerlei Hinweise auf seine geistliche Lebenseinstellung. Anrührend ist seine Menschenzugewandheit. In einem Brief aus dem Jahre 1657 ermutigt er Mademoiselle de Roannez, die mit allerlei Widerständen zu kämpfen hatte, mit den Worten: „Aufrichtig gesagt, Gott ist sehr verlassen. Wie mir scheint, leben wir jetzt in einer Zeit, da ihm der Dienst, den man ihm leistet, höchst wohlgefällig ist“ (S. 100).
Die letzte Gruppe (D) enthält drei Briefe. Ein kurzes Schreiben aus dem Jahre 1660 ist an seinen Freund, den Juristen und Mathematiker Pierre de Fermat (1607–1665), gerichtet. Es bezeugt die fragile Gesundheit Pascals. War er doch so schwach, dass er nicht ohne Stock laufen konnte und an das Sitzen im Sattel nicht zu denken war (vgl. S. 105). Schon 1648 hatte er seiner Schwester Gilberte geklagt, dass ihm nur wenige Stunden bleiben, in denen er Muße zum Arbeiten hat und sich zugleich gesund fühlt (vgl. S. 35). Erkennbar wird fernerhin, dass er inzwischen die Geometrie vernachlässigt, um sich wichtigeren Studien zu widmen. Pascal arbeitete zu der Zeit bereits an einer Apologie des christlichen Glaubens und widmete sich hingebungsvoll der Armenfürsorge.
Ergänzt wird der erste Band dieser Reihe durch eine Kurzbiographie, 70 Seiten Anmerkungen und eine Auswahlbiographie. Die von Eduard Zwierlein erarbeiteten Anmerkungen sind für Pascal-Freunde eine echte Fundgrube. Der erfahrene Übersetzer Ulrich Kunzmann, der bereits Übersetzungen der „Gedanken“ und der philosophischen Schriften Pascals besorgte, hat den Text vorzüglich in die deutsche Sprache übertragen.
Sogar jemand, der die Pensées wiederholt gelesen hat, wird den Briefband nach der Lektüre überrascht und berührt zurücklegen.
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Vor einigen Tagen erschien beim Deutschlandradio ein Betrag zur Buchausgabe (ab Minute 9.30): dlf_20160707_1610_9cd1a474.mp3.
Immer mehr Hetzkommentare im Internet stammen von Maschinen. Mit ihnen werden die sozialen Netzwerke manipuliert – doch das hat auch Folgen für die reale Welt.
Immer mehr Roboter wie Tay, sogenannte Social Bots, greifen mit Hetzkommentaren in die Leserdebatten der sozialen Netzwerke ein und lenken die Diskussionen im Auftrag obskurer Auftraggeber in eine bestimmte Richtung. Ganze Nutzerprofile werden von Computerprogrammen angelegt und mit Menschlichkeit und damit zugleich mit Glaubwürdigkeit erfüllt: Die Roboter-User posten erst von einem erfundenen Frühstück, dann etwas Belangloses über ihre „Freunde“ und schließlich Hetzkommentare etwa zur Flüchtlingskrise.
Das soziale Phänomen des „Echokammerprinzips“, wie der amerikanische Soziologe Cass Sunstein es genannt hat, wird dadurch noch verstärkt: Auch in den sozialen Medien umgeben wir uns vor allem mit Menschen, die die gleiche Auffassung vertreten – mit der Folge, dass abweichende Meinungen immer mehr an den Rand gedrängt und in der „Blase der Gleichgesinnten“ schon bald nicht mehr wahrgenommen werden. Wenn diese Tendenz des gegenseitigen Bestärkens jetzt noch durch künstliche Intelligenz aufgegriffen wird, wird die übelriechende Brühe aus Hetzparolen, halbgaren Mutmaßungen und Beschimpfungen noch ungenießbarer.